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vision KULTUR JOKER 19

Kein Verkauf der Karlskaserne! Keine Innenstadt ohne Einzelhandel!

Roland Jerusalem im Gespräch zur Entwicklung Freiburgs

Gibt man im Internet-Browser

den Suchbegriff „Innenstadtentwicklung“

ein, explodiert

der Rechner beinahe.

Fügt man indes „Freiburg“

hinzu, bleiben die Fundstellen

rar. Woran liegt das? Was läuft

schief, wo doch Themen wie

Leer stände, Probleme des Einzelhandels,

bedrohte Immobilien

in der City etc. derzeit brisant

sind? Mit dem Leiter des

Stadtplanungsamts Dr. Roland

Jerusalem sprach Martin Flashar.

Kultur Joker: Lieber Herr Jerusalem,

täuscht der Eindruck,

dass in vielen deutschen Kommunen

das Thema „Innenstadtentwicklung“

seit langem intensiv

diskutiert wird, während in

Freiburg die Stadtgemeinschaft

im Ganzen hier nicht ‚zu Potte‘

kommt‘?

Jerusalem: Die Entwicklung

der Innenstadt steht in jeder

Stadt im Blick, da die Innenstädte

Schmelztiegel der gesellschaftlichen

Entwicklung sind und zur

Identifikation der Bevölkerung

mit ihrer Stadt beitragen. In Freiburg

werden die Erreichbarkeit

mit dem ÖPNV oder dem Auto,

mal das Thema Nutzungskonflikte

diskutiert – dabei steht

die nächtliche Lärmbelastung

im Vordergrund, oder die Aufenthaltsqualität

von Straßen und

Plätzen. Ein Dauerthema stellt die

Pflege des Stadtbilds dar: besonders

die Werbung. Es gibt Städte,

die diese Themen in einem

Konzept zusammenführen, hier

verfügt z.B. die Stadt Münster

über eine gute Strategie. Wir in

Freiburg haben mit den Stadtteilleitlinien

Innenstadt und mit der

Innenstadt-Satzung Instrumente,

um die Entwicklung zu steuern.

Kultur Joker: Warum spricht

der Freiburger Einzelhandel

nicht mit einer (starken) Stimme?

Jerusalem: Wieso die Freiburger

Händlerschaft nicht einheitlicher

auftritt, müssen Sie die Akteure

selbst fragen. Bei unserer

Fahrt nach Münster Anfang 2020

wurde uns dort überzeugend dargestellt,

dass Händler und Stadtverwaltung

gemeinsame Ziele

vereinbart haben und sehr konsequent

Projektepartnerschaftlich

umsetzen.

Kultur Joker: Die Corona-Krise

hat Defizite sichtbar gemacht,

aber auch Chancen aufgezeigt.

Beispielsweise die neue Konjunktur

von Zwischennutzungen und

Pop-Up-Stores. Ist das nur temporär,

oder sollte dadurch etwas

Dauerhaftes entstehen?

Jerusalem: Die Pandemie hat

strukturelle Tendenzen, die es

bereits zuvor gab, verstärkt. Wir

diskutieren in der Fachkommission

„Stadtplanung und Städtebau“

des Deutschen Städtetages intensiv,

welche Nutzungen Innenstädte

bereichern können und welche

Rolle dabei die Kultur wie auch

experimentelle Ansätze spielen.

Kultur Joker: Welche Steuerungsinstrumente

hat die Stadt,

um der grenzenlosen Filialisierung

Einhalt zu gebieten? Klassischerweise

wohl Baurecht und

Bebauungspläne? Aber kann es

nicht auch Mietendeckel geben?

Jerusalem: Fakt ist, das wir

die Filialisierung nicht steuern

können. Das Baugesetzbuch wie

die Landesbauordnung sehen dafür

keine Möglichkeiten vor. Wir

können mit einem Bebauungsplan

die Anteile der Nutzungen:

Wohnen, Gewerbe oder Infrastrukturen

(Schulen, KiTas etc.)

sowie die Größe von Einzelhandelsflächen

festlegen, aber nicht

den Geschäftsbesatz oder die Inhaberschaft.

Zum Mietendeckel

gibt es ja Initiativen beim Thema

Wohnen. Beim Gewerbe gibt es

dazu keine Vorstöße, und dies ist

bei einer „Ampelkoalition“ auf

Bundesebene mit Beteiligung der

FDP auch nicht zu erwarten.

Kultur Joker: Ein Pfund der

Stadt sind eigene Immobilien.

Muss nicht deren Verkauf gestoppt

und eher auf Erwerb das

Ziel gerichtet sein? Aktuelle

Stichworte: Karlskaserne, Haus

zum Herzog. Oder die Objekte

der Modehäuser Fabel und Kaiser

und die vormalige Sport-Arena

in der Salzstraße.

Jerusalem: Ja, über den

Grundbesitz lassen sich die Entwicklungen

am besten steuern –

es ist aber nicht realistisch, dass

eine Stadt in der Lage wäre, jede

Immobilie in der Innenstadt anzukaufen.

Hier gilt es, Prioritäten

zu setzen. Ich persönlich halte die

Diskussion über die Notwendigkeit

des Verkaufs der Karlskaserne

für angemessen, denke aber,

dass weder für das Haus zum

Herzog noch die angesprochenen

Modehäuser oder bei der Sportarena

eine städtebauliche Notwendigkeit

bestand, die Immobilie zu

erwerben. Wenn jedoch einer der

Standorte der großen Warenhäuser

zur Disposition stehen sollte,

hielte ich eine ernsthafte Prüfung

des Ankaufs durch die Stadt für

städtebaulich geboten.

Kultur Joker: Damit wären

wir bei der Frage, welche neuen

Innenstadt-Nutzungen künftig

wünschenswert sind. Manche

Kommunen prognostizieren die

„Innenstadt ohne Einzelhandel“.

Jerusalem: Eine Innenstadt

ohne Einzelhandel will und kann

ich mir nicht vorstellen. In der Tat

hat die Stadt Bochum eine „Vision

Innenstadt 2030“ erarbeitet,

welche zusätzlichen Nutzungen

außer Einzelhandel die Innenstadt

bereichern, und kam zu interessanten

Erkenntnissen.

Kultur Joker: Hätten da auch

Schulen, Kindergärten, Atelierhäuser

oder eine Städtische Galerie

Platz?

Jerusalem: Wir müssen bei

den Vorstellungen zu Nutzungen

in der Innenstadt deutlich offener

und kreativer werden. So hat sich

Lübeck entschieden, in einem

ehemaligen Warenhaus eine

Schule im Zentrum anzusiedeln.

Bochum möchte die Themen

Urbane Produktion, Digitales

Wissen und Wohnen in der City

ausbauen. Und Freiburg? Hier

möchte ich den Architekten und

Stadtplaner Jan Gehl zitieren:

„Die Stadt muss sein wie eine

gute Party. Man will nur kurz

vorbeischauen und bleibt doch

länger als man geplant hat“.

Kultur Joker: Sie planen ein

Kolloquium zum Thema, das im

Januar 2022 stattfinden soll. Warum

nicht schon früher? Wer wird

teilnehmen, was soll herauskommen?

Jerusalem: In der Tat haben wir

bereits 2019 vorgeschlagen, mit

einer Debatte den Blick über den

Freiburger Tellerrand zu wagen

und Erkenntnisse aus der bundesweiten

Fachdiskussion nach Freiburg

zu holen. Corona hat uns einen

Strich durch die Planung gemacht.

Ich gehe davon aus, dass

uns Prof. Alain Thierstein von

der TU München als Experte für

Innenstadt-Entwicklungen mit

seinen Hinweisen Impulse geben

kann. Daneben würde ich gern

Fachbüros wie „Stadt+Handel“

oder „Junker+Kruse“ einladen,

die bundesweit Konzepte für die

Entwicklung von Innenstädten

erarbeiten. Zudem halte ich einen

Bericht z.B. meines Bochumer

Kollegen Eckard Kröck für

die Freiburger Diskussion für

wertvoll. Ziel der Veranstaltung

soll es sein, den Weg zu einem

Freiburger Innenstadt-Profil zu

finden.

Kultur Joker: Lieber Herr Jerusalem,

haben Sie Dank für das

Gespräch.

Dr. Roland Jerusalem

Foto: Stadtplanungsamt

Der Burger-Filialist „Hans im

Glück“ und die „Frelo“-Station

am Europaplatz – passt das

zusammen?

Foto: Flashar

Premiumhändler

Südbaden

Neue Leiterin der VHS

Philine Weyrauch-Herrmann seit Oktober im Amt

Vor einem Monat trat die

neue Direktorin der Freiburger

Volkshochschule ihren

Dienst an. Eva von Rekowski

war in den Ruhestand gegangen,

die seit 2008 die Einrichtung

leitete, manche Akzente

setzte und besonders auch im

kulturpolitischen Leben der

Stadt präsent gewesen ist. Dadurch

findet sich die Nachfolgerin

mit einer Erwartungshaltung

konfrontiert. Philine

Weyrauch-Herrmann studierte

in Passau und Bremen Sozialpolitik,

Kulturwirtschaft

und Politikwissenschaft. Sie

wurde promoviert mit einer

Arbeit über den französischen

Wohlfahrtsstaat (2013). Danach

leitete sie bis 2019 die

„Pamina-VHS“ in Wissembourg

im Nord-Elsass, zuletzt

die Weiterbildungsakademie

des Südbadischen Wirtschaftsverbands

(WVIB).

Zum Start teilt sie mit: „Als

gebürtige Freiburgerin liegt

mir die städtische Volkshochschule

sehr am Herzen.

Ich selbst habe als Schülerin

Spanischkurse im Schwarzen

Kloster besucht. (…)

Gleichzeitig muss sich auch

die Volkshochschule Freiburg

den Herausforderungen

stellen, neue Entwicklungen

aufzugreifen“. Wir sind gespannt,

was an Innovation

folgen wird – und wünschen

guten Erfolg.

mf

Konviktstr. 21 - 23

79098 Freiburg

Tel. 0761 37536

www.culinara-freiburg.de

Unikat von Stephan Rambaud, Meilleur Ouvrier de France

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