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kunst KULTUR JOKER 9

Francisco de Goya: „Hospital für Pestkranke (Hospital de apestados)“, 1808–1810, Öl auf Leinwand, 32,5 x 57, 3 cm, Sammlung Marqués de la Romana

Es zeigt sich

Die Fondation Beyeler kann mit einer großen Goya-Ausstellung aufwarten

Beinahe noch im Entree begegnen

wir dem Künstler selbst.

Er sitzt links im Bildraum während

er die Familie des Infanten

Don Luis malt. Die Szene wird

sich so oder so ähnlich 1783

abgespielt haben, im gleichen

und im nächsten Jahr entstand

das repräsentative Gemälde.

Im Zentrum ist die Infantin

zu sehen, der gerade die Haare

frisiert werden, ihr Mann sitzt

am Spieltisch. Obwohl Goya

viele Menschen auf dem Bild

vereint hat, wirken sie seltsam

beziehungslos, doch einige

schauen uns direkt an und ihre

Persönlichkeit scheint sich unmittelbar

mitzuteilen. Wenige

Jahre zuvor war Francisco de

Goya (1746 – 1828) Hofmaler

geworden. Und dies ist ja das

Überraschende an dem Maler,

dass er einerseits in Verbindung

zum Hof stand, und andererseits

vor allem durch seine

schonungslosen Darstellungen

von Kriegsgräueln und der Inquisition

zu einem Wegbereiter

der Moderne geworden ist. Die

Veröffentlichung seines Grafikzyklus

„Die Schrecken des

Krieges“ war ihm selbst zu heikel

geworden, sie erscheint erst

1862, Jahrzehnte nach seinem

Tod.

Nach coronabedingtem Hin

und Her ist die Goya-Ausstellung

also jetzt in der Fondation

Beyeler zu sehen. Man kann

sich nur unzureichend ausmalen,

welchen Aufwand das Museum

betrieben haben muss,

um insbesondere die vielen privaten

Leihgeber für diese Ausstellung

zu gewinnen. „Goya“

jedenfalls stillt die Schaulust

und da die Werke chronologisch

gehängt sind, bekommt

man zudem einen Einblick in

das Zeitalter Goyas, das durch

den Spanischen Erbfolgekrieg

und später den Unabhängigkeitskrieg

geprägt war. Die

conditio humana war zu Lebzeiten

Goyas ein wirklicher

Schrecken.

Doch es muss auch eine Lust

an dieser Entgrenzung gegeben

haben. 1797/98 entsteht der

„Hexenflug“, das Bild war von

den Herzögen von Osuna als

Dekoration für ihr Landhaus

in Auftrag gegeben worden,

heute hängt es im Madrider

Prado. Das Nachtstück zeigt,

wie sich mehrere Hexen Männer

bemächtigt haben und sie in

die Lüfte entführen. Zusammen

bilden sie einen unheimlichen

Luftreigen, aus dem spitze Hüte

ragen. Man weiß nicht, ob es

sich dabei um die Ketzer-Hüte

der Inquisition handelt oder ob

das Bild im Zusammenhang

mit einer Freimaurer-Loge

steht, die ihre eigene Überlegenheit

über die Unwissenheit

der anderen feiert. Goyas „Hexenflug“

jedenfalls könnte die

düstersten Träume eines Shakespeare-Dramas

illustrieren.

Und unter diesem Antagonismus

steht auch die Ausstellung.

Man sieht viel Gewalttätiges

im Zusammenhang mit der

Religion wie die Flagellanten-

Prozessionen der Brüderschaften,

deren Mitglieder sich die

Rücken blutig schlugen, aber

eben auch Inquisitionsverhöre.

Und dann sind da noch die

Grausamkeiten, die sich Menschen

gegenseitig antun, aus

den willkürlichsten Gründen,

weil sie etwas anderes glaubten

oder einfach nur Pech hatten.

Gleich zwei Mal begegnet den

Besucherinnen und Besuchern

der Ausstellung das Gesicht

eines Garottierten, der das

ganze Elend der Menschheit

zu verkörpern scheint. „Nichts,

es wird sich zeigen“ heißt eines

der Grafikblätter. Nichts, dem

Goya hier nicht Augenzeuge

wäre. Eine Reihe von Küchenstillleben

wirken wie eine malerische

Entsprechung dieser

detailierten Szenen. Dabei versprechen

die toten Waldschnepfen,

die Scheiben Lachs und die

Rotbrassen kein üppiges Mahl,

es ist eher der Tod, der uns hier

anblickt.

Doch es gibt auch die lichten

Momente in dieser Ausstellung.

Auch für sie ist der Mensch zuständig.

Es sind die Freunde des

Künstlers, Intellektuelle, Dichter,

Liberale, die er porträtiert

und denen man von Angesicht

zu Angesicht den Bau einer

anderen Weltordnung zutraut.

Oder die Herzogin Alba in

einem weißen Kleid, mit roter

Schärpe und roter Schleife am

Oberteil, die auch ihren kleinen

fluffigen weißen Hund ziert.

Den Titel vermerkt Goya auf

ihrem weißen Rock, so dass

jeder sehen kann, wer sich hier

zeigt.

Goya. Fondation Beyeler,

Baselstr. 101, Basel-Riehen.

Mo-So 10-18 Uhr, Mi 10-20

Uhr. Bis 23. Januar 2022.

Annette Hoffmann

Francisco de Goya: „Doña

Antonia Zárate y Aguirre“, um

1805, Öl auf Leinwand, 103,5

x 82 cm, National Gallery of

Ireland, Dublin, Schenkung,

Sir Alfred und Lady Beit, 1987

(Beit Collection)

© National Gallery of Ireland NGI.4539

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