Militaer_4_2021
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0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
LIBANON:<br />
ES WIRD<br />
IMMER<br />
SCHLIMMER<br />
Konfessionelle und politische Konflikte, wirtschaftlicher Niedergang,<br />
Millionen Flüchtlinge und Obdachlose, die kaum versorgt werden<br />
können und eine Währung, die rapide an Wert verliert. Keine Frage:<br />
Der Libanon befindet sich in der tiefsten Krise seiner Geschichte.<br />
Eine Analyse von IFK-Experte Stephan Reiner.<br />
FOTO S : P I C T U R E D E S K<br />
sterreichs militärisches<br />
Engagement<br />
im Nahen<br />
und Mittleren<br />
Osten erfuhr<br />
mit dem Abzug<br />
bataillonsstarker<br />
Kräfte von UNDOF Golan im Jahr<br />
2013 eine massive Redimensionierung.<br />
Eine der damals im innenpolitischen<br />
Diskurs ins Treffen geführte Begründung<br />
für den raschen Abzug lag unter<br />
anderem im Argument des volatilen<br />
Missionsumfeldes in Syrien begründet,<br />
welches sich durch innersyrische<br />
Kampfhandlungen oppositioneller<br />
bewaffneter Kräfte mit Regierungstruppen<br />
im unmittelbaren Einsatzraum<br />
österreichischer Soldaten<br />
scheinbar ergab.<br />
Ö<br />
Acht Jahre später ist das Bundesheer<br />
aktuell mit kompaniestarken Kräften<br />
an der VN-geführten Mission UNIFIL<br />
im Libanon präsent. Diese Mission<br />
ist derzeit das personalintensivste<br />
Engagement des Heeres im Nahen<br />
und Mittleren Osten. Die kompensatorische<br />
Beteiligung bei UNIFIL als<br />
UNDOF-Ersatz wurde als politische<br />
Alternative und vor allem als Signal<br />
an die VN gesehen, um weiterhin als<br />
verlässlicher militärischer Truppensteller<br />
in der Region wahrgenommen<br />
zu werden.<br />
Mit der Explosion von 2.750 Tonnen<br />
Ammoniumnitrat im Hafen der libanesischen<br />
Hauptstadt Beirut schaffte<br />
es der rund sechs Millionen Menschen<br />
umfassende und konfessionell fragmentierte<br />
levantinische Mittelmeeranrainer<br />
am 4. August 2020 schlagartig in<br />
die globalen Hauptnachrichten. Seit<br />
dieser Zeit ist der Libanon im Fokus<br />
internationaler Beobachter. Eine kurze<br />
Bestandsaufnahme rund vierzehn Monate<br />
nach dieser Katastrophe und nach<br />
den jüngsten Protesten, welche in unmittelbarem<br />
Zusammenhang mit der<br />
schleppenden Aufklärung dieses Unglücks<br />
stehen, ist daher aus der Sicht<br />
des Institutes für Friedenssicherung<br />
und Konfliktmanagements sinnvoll.<br />
Seit Beginn des Bürgerkrieges im<br />
Nachbarland Syrien befinden sich<br />
rund 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge<br />
dauerhaft im Libanon. Zu diesen<br />
Flüchtlingen kommen weitere rund<br />
320.000 Palästinenser, welche sich seit<br />
mehreren Jahrzehnten in zwölf Flüchtlingslagern<br />
im Land aufhalten. Kein<br />
Land der Welt hat in Relation zur Einwohnerzahl<br />
mehr Flüchtlinge aufgenommen,<br />
wobei die VN die offiziellen<br />
Zahlen mit rund 920.000 registrierten<br />
syrischen Staatsangehörigen beziffern.<br />
Die darüber hinausgehende Zahl ist<br />
daher als Dunkelziffer zu qualifizieren<br />
und erschwert es der libanesischen<br />
Administration somit, geeignete<br />
sozialpolitische Maßnahmen zu<br />
setzen. Durch die Explosion im<br />
Hafen wurden zusätzlich rund<br />
300.000 Einwohner der Hauptstadt<br />
obdachlos.<br />
Die allgemeine Verfasstheit<br />
des Libanon ist durch innenpolitische<br />
Krisen ebenso<br />
gekennzeichnet, wie durch<br />
massive wirtschaftliche<br />
Probleme, welche jeweils<br />
durch außenpolitische Konflikte<br />
verschärft und teilweise<br />
getrieben werden.<br />
Die innenpolitischen Spannungen<br />
entlang der bekannten Konfessionsgrenzen<br />
entladen sich dabei<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L