Militaer_4_2021
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0 2 2 H E E R & M E H R<br />
Boxen einmal anders<br />
Es gibt viele Nahkampf- und Selbstverteidigungstechniken, die<br />
Soldaten die Haut retten sollen, wenn es ans Eingemachte geht.<br />
Im Bundesheer setzt man dabei auf „keep it simple“ – mit<br />
Militärischem Boxen.<br />
Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
W<br />
ährend draußen<br />
am Antreteplatz<br />
der Wind pfeift,<br />
die Temperaturen<br />
in Richtung ungemütlich<br />
gehen, Gardesoldaten drillmäßig<br />
exerzieren und die Militärpolizei ihr<br />
Einsatztraining absolviert, riecht es hier<br />
in der Sporthalle der Maria-Theresien-<br />
Kaserne nach Schweiß und Adrenalin.<br />
Immer wieder ist das typische Geräusch<br />
von Boxhandschuhen zu hören, aus<br />
denen beim Aufprall blitzartig die Luft<br />
entweicht. Bamm, bamm, bamm! Pause.<br />
Bamm, bamm, bamm! Die anwesenden<br />
Soldaten tragen Sportkleidung statt<br />
Uniform und Boxhandschuhe statt<br />
Sturmgewehr. Langsam tänzeln sie umeinander<br />
herum. Unablässig schnellen<br />
Fäuste vor, gehen Köpfe hinter Händen<br />
in Deckung, halten sich die Kontrahenten<br />
mit ausgestreckten Armen auf<br />
Distanz. Nicht immer gelingt das zur<br />
Zufriedenheit der anwesenden Ausbildner.<br />
„Konzentriert euch!“<br />
Vizeleutnant Gerald Pelikan lächelt. Der<br />
55-Jährige ist Lehrunteroffizier Körperausbildung<br />
in der Lehrgruppe 2 im Heeressportzentrum<br />
und als Nahkampftrainer,<br />
Fachsportleiter Selbstverteidigung,<br />
A-Trainer im Olympischen Boxen und<br />
Krav-Maga-Maor-Instruktor nicht<br />
nur im Heer eine große Nummer.<br />
Ein breites Publikum kennt ihn<br />
aus der ATV-Serie „Teenager<br />
Bootcamp“, wo er Jugendlichen<br />
die „härtesten<br />
Wochen ihres Lebens“<br />
bescherte.<br />
Hier und heute<br />
hat er es<br />
aber nicht<br />
auf<br />
Teenager abgesehen. Vielmehr will er<br />
Soldaten die Grundzüge des „Kämpfens“<br />
über das Militärische Boxen beibringen.<br />
Die Unterrichtseinheit hat er mit<br />
Kampfsportspielen und Schattenboxen<br />
begonnen. Schritt für Schritt führt er<br />
die Soldaten von der am Vormittag besprochenen<br />
Theorie zur Praxis. Bamm,<br />
bamm, bamm!<br />
„Militärisches Training hat das Ziel, Soldaten<br />
auf den Einsatz vorzubereiten“,<br />
sagt Pelikan im Gespräch mit Militär<br />
Aktuell. „Das bedeutet auf das Gefecht<br />
und, in letzter Konsequenz, auf den<br />
Kampf Mann gegen Mann. Um diesen<br />
führen zu können, muss der Soldat nicht<br />
nur fit sein, er muss auch kämpfen können.“<br />
Nachsatz: „Und kämpfen lernt man<br />
nur im Kampf.“ So weit, so verständlich.<br />
Aber braucht es dafür tatsächlich<br />
Boxtechniken? Ist es nicht eher unwahrscheinlich,<br />
dass Kontrahenten im Schützengraben<br />
die Hände heben<br />
und ihren Kampf<br />
mit Seitwärtshaken<br />
und Geraden austragen? „Natürlich,<br />
das wird nicht passieren“, sagt Pelikan.<br />
„Darum geht es beim Militärischen<br />
Boxen aber auch nicht.“ Worum dann?<br />
„Wir wollen Soldaten auf potenzielle<br />
Stresssituationen in Einsätzen vorbereiten,<br />
indem wir ihnen über das Boxen die<br />
dafür notwendigen Fertigkeiten und<br />
Fähigkeiten vermitteln. Boxen ist beinhart<br />
und spielerisch, es beansprucht den<br />
gesamten Körper, verlangt Taktik, Technik,<br />
Intelligenz – es ist wie Schach mit<br />
den Fäusten. Dadurch lassen sich damit<br />
einerseits die konditionelle und koordinative<br />
Belastbarkeit erhöhen und andererseits<br />
psychische, soziale und charakterliche<br />
Eigenschaften entwickeln.“<br />
„Die Ausbildung darf sich nicht nur auf<br />
Technik und Taktik beschränken“, erklärt<br />
Pelikan weiter. „Ein wichtiger Teil<br />
muss sich auch mit dem Kontakttraining<br />
,Mann gegen Mann‘ und den Grundla-<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R / ST E I N E R , M I L I Z V E R L AG , I STO C K , B U N D E S H E E R<br />
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