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Militaer_4_2021

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0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />

UNGEWISSEZUKUNFT<br />

Ein schwacher Staat trifft auf starke Milizen: Nach den Parlamentswahlen im<br />

Oktober ist die politische Situation im Irak verfahrener denn je. Es ist ungewiss,<br />

ob eine neue Regierung das Land aus dem Chaos führen kann. Text: MARKUS SCHAUTA<br />

MASSENPROTESTE Seit Wochen gehen die Unterstützer proiranischer Gruppen gegen das Ergebnis der Parlamentswahl in Bagdad auf die Straße.<br />

m Morgen des 7. No-<br />

explodiert eine Avember<br />

mit Sprengstoff beladene<br />

Drohne in Bagdads<br />

Grüner Zone. Der<br />

Wohnsitz des irakischen<br />

Premierministers wird beschädigt,<br />

Mustafa al-Kadhimi bleibt<br />

unverletzt. Sein Pressebüro kommentiert<br />

das Attentat als „feigen terroristischen<br />

Anschlag“ und „ernsthaften<br />

Angriff auf den irakischen Staat durch<br />

kriminelle bewaffnete Gruppen“.<br />

Dem Angriff auf den Premier gingen<br />

tagelange Proteste proiranischer Parteien<br />

voran, die die Parlamentswahlen<br />

am 10. Oktober verloren hatten. Sie<br />

wollen das Ergebnis nicht akzeptieren<br />

und werfen der Regierung Wahlbetrug<br />

vor. Einige dieser Gruppen wie<br />

Kataib Hizbullah und Asa’ib Ahl al-<br />

Haqq verfügen über eigene Milizen,<br />

die im engen Kontakt mit Teheran<br />

stehen und für den Anschlag verantwortlich<br />

gemacht werden.<br />

Bei diesen sogenannten Volksmobilmachungskräften<br />

handelt es sich um<br />

schiitisch dominierte Milizen, die ab<br />

2014 die Speerspitze im Kampf gegen<br />

den Islamischen Staat bildeten. Offiziell<br />

sind diese Milizen Teil der irakischen<br />

Streitkräfte unter dem direkten<br />

Kommando des Premierministers.<br />

Doch zahlreiche der etwa 40 Gruppierungen<br />

agieren außerhalb der offiziellen<br />

Kommandostrukturen. Diese<br />

werden für Angriffe auf US-amerikanische<br />

Ziele verantwortlich gemacht,<br />

ebenso werden ihnen Erpressung,<br />

Entführung und Mord vorgeworfen.<br />

Prominentes Opfer war der international<br />

bekannte Analyst und Berater<br />

des Premierministers Husham al-<br />

Hashimi, der im Juli 2020 vor seinem<br />

Haus in Bagdad erschossen wurde.<br />

Die Milizen verfügen nicht nur über<br />

militärische Macht. „Sie kontrollieren<br />

auch große Teile der irakischen Wirtschaft“,<br />

sagt der Politikwissenschaftler<br />

Ali al-Bidar gegenüber Militär Aktuell.<br />

Sie seien im Ölgeschäft tätig, betreiben<br />

Banken und besitzen riesige<br />

Mengen an Land und Immobilien.<br />

Auch in kriminelle Geschäfte seien<br />

sie verwickelt: „Unter dem Deckmantel<br />

der Religion arbeiten sie wie die<br />

Mafia, erpressen Schutzgeld von Alkoholverkäufern<br />

und Betreibern von<br />

Nachtclubs und Bordellen.“ Auf diese<br />

Weise sind sie finanziell völlig unabhängig<br />

von der Regierung. Al-Bidar:<br />

„Sie bilden einen Staat im Staat.“<br />

Die Wahlen im Oktober waren für<br />

diese proiranischen Gruppen eine<br />

Niederlage. Wahlgewinner ist der<br />

nationalistische Kleriker Moqtada al-<br />

Sadr. Er will zwar nicht selbst Premier<br />

werden, gilt aber als Königsmacher<br />

für die neue Regierung. Ob es dieser<br />

neuen Regierung gelingen wird, die<br />

Milizen zu entwaffnen, wie es al-Sadr<br />

fordert, bleibt mehr als fraglich.<br />

Al-Bidar ist vorsichtig zuversichtlich:<br />

„Die Mehrheit des Volkes will diese<br />

bewaffneten Gruppen loswerden.“<br />

FOTO : P I C T U R E D E S K<br />

M I L I T Ä R A K T U E L L

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