Militaer_4_2021
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B L I C K I N D I E Z U K U N F T<br />
FOTO : 1 2 3 R F<br />
m 15. November zerstörte<br />
Russland mit<br />
A<br />
einer Rakete vom Typ<br />
A-235 Nudol in 482<br />
Kilometern Höhe<br />
seinen ausgedienten<br />
Spionagesatelliten Kosmos-1408. Das<br />
Ereignis stieß im Westen nicht nur wegen<br />
der Gefahr, die durch die Trümmer<br />
des Satelliten für die Astronauten der<br />
internationalen Raumstation ISS ausgingen,<br />
auf heftige Kritik. Der Nordatlantikrat<br />
der NATO verurteilte den Abschuss<br />
als „unverantwortliches Verhalten“,<br />
das die Sicherheit ebenso wie die<br />
wirtschaftlichen und wissenschaftlichen<br />
Interessen aller Raumfahrtnationen<br />
gefährde. Auch stehe der Test des<br />
Raketensystems im Widerspruch zu<br />
Russlands Beteuerungen, die Stationierung<br />
und den Einsatz von Weltraumwaffen<br />
abzulehnen. Doch Russland ist<br />
nicht das einzige Land, das seine militärischen<br />
Fähigkeiten im Weltall testet.<br />
Auch die USA, China, Indien und andere<br />
Staaten entwickeln und testen<br />
Waffen, die fremde Satelliten zerstören<br />
können.<br />
Die Nutzungsmöglichkeiten des Weltraums<br />
für militärische Zwecke haben<br />
Staaten nicht erst gestern entdeckt. Ob<br />
zur Aufklärung, Frühwarnung, Kommunikation,<br />
Navigation oder als<br />
Radar – Satelliten sind seit<br />
dem Ersten Golfkrieg<br />
ein wichtiger Bestandteil militärischer<br />
Einsätze, sagt Małgorzata Polkowska,<br />
Professorin an der polnischen Landesverteidigungsakademie<br />
in Warschau<br />
und Expertin für Weltraumsicherheit.<br />
Auch an offensiven Waffen zum Einsatz<br />
im Weltraum wird bereits seit dem<br />
Kalten Krieg gearbeitet. Heute bietet<br />
der technologische Fortschritt zahl -<br />
reiche neue Möglichkeiten, diese Entwicklung<br />
voranzutreiben. Die Robotisierung,<br />
Automatisierung und Autonomisierung<br />
würden dazu führen, dass<br />
unbemannte Waffen qualitativ und<br />
quantitativ künftig an Bedeutung<br />
gewinnen, erklärt Marcel Berni,<br />
wissenschaftlicher Assistent an der<br />
Militärakademie an der ETH Zürich.<br />
„Wer den Weltraum beherrscht, beherrscht<br />
die Welt.“ Dieser berühmte<br />
Satz des späteren US-Präsidenten Lyndon<br />
B. Johnson aus dem Jahr 1961 ist<br />
heute auch für aufstrebende Mächte<br />
ein Leitsatz. Denn nicht nur das Ausmaß<br />
der Investitionen und das Tempo<br />
der Aufrüstung im All haben zugenommen.<br />
Auch die Zahl der Staaten, die<br />
Antisatellitenwaffen entwickeln, ist in<br />
den vergangenen Jahren gestiegen. Der<br />
wohl wichtigste neue Akteur in diesem<br />
Rüstungswettlauf ist China,<br />
ein Weckruf für die<br />
internationale Gemeinschaft<br />
war der 11. Jänner 2007. An dem Tag<br />
zerstörte China mit der Rakete SC-19<br />
den chinesischen Wettersatelliten Fengyn-1C<br />
in einer Höhe von 863 Kilometern.<br />
Derartige Tests hatte es bis dahin<br />
seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr<br />
gegeben. Im März 2019 verkündete<br />
dann Indien eine Antisatellitenwaffe<br />
erfolgreich getestet zu haben und auch<br />
Russland treibt die Entwicklung seiner<br />
militärischen Weltraumfähigkeiten voran.<br />
Moskau sei überzeugt davon, dass<br />
Angriffe auf feindliche Infrastruktur im<br />
Weltraum genauso wie auf der Erde<br />
entscheidend sein werden im Kampf<br />
um die Informationshoheit und die<br />
globale Vormachtstellung, erläutert<br />
Polkowska.<br />
Dass andere Mächte versuchen, den<br />
Vorsprung der USA im All zu verkleinern,<br />
führt dazu, dass Letztere noch<br />
stärker aufrüsten. Es gehe nicht mehr<br />
darum, im Weltraum präsent zu sein:<br />
die Vereinigten Staaten müssten dort<br />
die Vorherrschaft haben, sagte 2019 der<br />
damalige US-Präsident Donald Trump,<br />
als er die „US Space Force“ ins Leben<br />
rief. Die 6.400 Mann starke Weltraumtruppe<br />
soll sicherstellen, dass China<br />
und Russland den Ambitionen der USA<br />
zur Sicherung der Vormachtstellung im<br />
All keinen Strich durch die Rechnung<br />
machen. Die zuletzt intensivierten<br />
Bemühungen Pekings und Moskaus<br />
mögen auch der Grund dafür sein,<br />
weshalb die USA Bemühungen zur<br />
Weltraumverteidigung im Rahmen der<br />
NATO antreiben. Schon im Juni 2019<br />
erklärte die Allianz den Weltraum zu<br />
ihrem fünften Einsatzgebiet. „Ein Angriff<br />
auf einen Verbündeten aus dem<br />
Weltraum heraus ist ein Angriff auf<br />
alle“, sagte damals NATO-Generalsekretär<br />
Jens Stoltenberg. Welches Ereignis<br />
konkret den Bündnisfall auslösen<br />
würde, ließ er allerdings offen. Ende<br />
2020 einigten sich die Alliierten zudem<br />
auf die Errichtung eines „Space Centers“,<br />
also eines Koordinationszentrums<br />
für die Weltraumüberwachung, das im<br />
französischen Toulouse seinen Sitz<br />
haben soll. Neben den USA haben<br />
Frankreich, Deutschland und das<br />
Vereinigte Königreich bereits<br />
ihre eigenen Weltraumkommandos.<br />
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