Militaer_4_2021
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WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Konflikte,<br />
Krisen und<br />
Analysen — S. 8<br />
NEUE ZUSAMMENARBEIT<br />
Die Hintergründe der<br />
US-Kooperation des<br />
Bundesheeres — S. 32<br />
militär<br />
MISSION POSSIBLE<br />
In der Wildnis<br />
überleben mit dem<br />
Jägerbataillon 25 — S. 36<br />
DAS NEUE<br />
ÖSTERREICHISCHE<br />
MILITÄRMAGAZIN<br />
AUSGABE 4|21<br />
EURO 5,80<br />
AKTUELL<br />
Krieg der Sterne: Im Orbit<br />
tobt ein Wettstreit um<br />
Technologie, Einfluss und<br />
militärische Übermacht.<br />
Neben den USA, China<br />
und Russland unterhalten<br />
längst auch andere Länder<br />
eigene Weltraumtruppen.<br />
KOSMISCHES WETTRÜSTEN<br />
Machtkampf<br />
im Weltall
Dienen und<br />
Schützen.<br />
Der AW169 erfüllt die hohen Anforderungen für Einsätze im 21. Jahrhundert.<br />
Der AW169 ist ein zweimotoriger Hubschrauber der neuesten Generation mit<br />
Bestleistungen in seiner Klasse und vielseitigen Einsatzmöglichkeiten unter den<br />
anspruchsvollsten Einsatzbedingungen.<br />
Als leistungsstarker, allwettertauglicher Helikopter, der mit moderner,<br />
fortschrittlicher Ausrüstung und Sicherheitsfunktionen ausgestattet ist,<br />
kann der AW169 in seiner militärischen Version eine Vielzahl von Missionen<br />
erfüllen, darunter Truppentransporte, Logistikunterstützung, Überwachung und<br />
Aufklärung, Einsätze von Spezialkräften, Command and Control, Training,<br />
medizinische Evakuierung und Bergung von Verwundeten, Suche und Rettung<br />
(SAR) sowie Bergung von Personal (Personnel Recovery).<br />
Inspiriert durch die Vision, Neugier und Kreativität des meisterlichen Erfinders –<br />
Leonardo gestaltet die Technologie von morgen.<br />
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Helicopters | Aeronautics | Electronics, Defence & Security Systems | Space
E D I T O R I A L<br />
0 0 3<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER<br />
on Photonentorpedos über Disruptoren bis<br />
V<br />
hin zu mit Kyberkristallen betriebenen Superlasern<br />
zur Zerstörung ganzer Planeten –<br />
in vielen Science-Fiction-Filmen kommen<br />
höchst abenteuerliche Weltraumwaffen zum<br />
Einsatz. Kriegerische Konflikte, wie wir sie<br />
von der Erde kennen, werden auch im Weltall ausgetragen.<br />
Zwar sind wir heute von galaktischen Schlachten und Kämpfen<br />
zwischen Raumschiffen (noch?) weit entfernt, der „Outer<br />
Space“ rückt auf der Agenda von Militärs aber zuverlässig<br />
nach oben. Immer mehr Staaten begreifen den Orbit als<br />
Operationsgebiet. Die Anstrengungen zum Schutz – und zur<br />
Bekämpfung! – von im Orbit installierter Kommunikations-,<br />
Erdbeobachtungs- und Navigations-Infrastruktur steigen.<br />
Vor allem zwischen den USA, Russland und China ist im<br />
Wettlauf um kosmische Waffen und Informationssysteme<br />
ein dynamischer Machtkampf entbrannt. Die lange befürchtete<br />
Militarisierung des Weltraums hat längst begonnen!<br />
Wie Maya Janik in unserer Coverstory (ab Seite 46) erklärt,<br />
ist nun die internationale Diplomatie gefordert, damit dieser<br />
neue Wettlauf ins All nicht komplett außer Kontrolle gerät.<br />
Es bräuchte dafür international anerkannte Normen und<br />
sanktionsbewehrte Regulierungen durch Abkommen. Im<br />
aktuellen geopolitischen Klima ist das aber wohl ein eher ferner<br />
Traum. Zu befürchten ist vielmehr, dass – mit dem Ziel,<br />
militärisch kompetativ zu bleiben – neben den großen<br />
Nationen zusehends auch kleinere Staaten in den Wettlauf<br />
einsteigen. Zumal die Einstiegskosten mittlerweile durchaus<br />
überschaubar sind, wie General Dennis Luyt, Kommandeur<br />
der niederländischen Luftwaffe, auf der Air Chiefs Conference<br />
in Dubai (Bericht auf Seite 42) erklärte. Zum Preis<br />
von gerade einmal fünf Millionen Euro habe seine Armee<br />
kürzlich einen ersten eigenen Satelliten in eine Umlaufbahn<br />
gebracht. Dort leiste dieser nun „wertvolle Aufklärungsarbeit“,<br />
so Luyt. „Der hocheffiziente Kosten-Nutzen-Faktor ist schon<br />
jetzt eindeutig.“ Man muss kein Hellseher sein, um zu prophezeien,<br />
dass wohl bald schon weitere Streitkräfte dem niederländischen<br />
Beispiel folgen werden. Vielleicht kreist irgendwann<br />
sogar ein Bundesheer-Satellit über unseren Köpfen.<br />
In dieser Ausgabe erwarten Sie auch noch irdischere Themen:<br />
IFK-Experte Stephan Reiner analysiert die aktuellen Entwicklungen<br />
im Libanon (ab Seite 10) und unser Autor Stephan<br />
Tesch hat das Versorgungsregiment 1 (ab Seite 18) besucht.<br />
Vizeleutnant Gerald Pelikan vom Heeressportzentrum gewährt<br />
uns Einblicke ins Militärische Boxen (ab Seite 22) und<br />
gemeinsam mit dem Jägerbataillon 25 setzen wir die Survival-<br />
Serie „Mission Possible“ fort (ab Seite 36). Auf Seite 45 finden<br />
Sie eine Übersicht aktueller Aufträge und Entwicklungen der<br />
rot-weiß-roten Sicherheitsindustrie und außerdem beschreiben<br />
wir Chancen und Möglicheiten, die sich durch die kürzlich<br />
erfolgte Aufnahme Österreichs in das State Partnership<br />
Program der USA für das Bundesheer auftun (ab Seite 32).<br />
impressum<br />
COV E R FOTO : G E T T Y I M AG E S<br />
Jetzt<br />
alles neu<br />
auf:<br />
Sicherheit<br />
im Fokus<br />
Fakten<br />
Analysen<br />
Reportagen<br />
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militärfachlichen Dienstes Stephan Reiner,<br />
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m i l i t ä r a k t u e l l
0 0 4 I N H A L T<br />
INHALT<br />
for Take-off: Im kommenden September findet am<br />
Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg die bereits zehnte<br />
Auflage der „Airpower“ statt. Wir haben alle News rund<br />
029Ready<br />
um die Mega-Flugshow des Bundesheeres.<br />
034<br />
Durchblick:<br />
Das Bundesheer eröffnete auf der Wiener<br />
Mariahilfer Straße kürzlich den „Checkpoint Mahü“. Mit<br />
Hightech und umfassender Beratung sollen dort viele<br />
Interessierte für eine Karriere beim Heer begeistert werden.<br />
003 EDITORIAL, IMPRESSUM<br />
006 MOMENTUM<br />
Black Hawk up: Ein Helikopter<br />
des Heeres im Löscheinsatz.<br />
008 WELTGESCHEHEN<br />
Aktuelle Kurzmeldungen<br />
aus aller Welt.<br />
010 QUO VADIS, LIBANON?<br />
Die gigantische Explosion in<br />
Beirut im vergangenen Jahr hinterließ<br />
im Libanon auch politisch<br />
einen gewaltigen Krater. Gibt<br />
es Hoffnung auf Besserung?<br />
014 CHAOS-WOCHEN IM IRAK<br />
Bagdad kommt nach den<br />
Parlamentswahlen nicht zur Ruhe.<br />
016 NEUES AUS DEM HEER<br />
Aktuelle Kurzmeldungen aus<br />
dem Bundesheer.<br />
018 LOKALAUGENSCHEIN<br />
Militär Aktuell zu Besuch beim<br />
Versorgungsregiment 1.<br />
022 VON HAKEN UND GERADEN<br />
Boxtechniken sollen Soldaten<br />
helfen, auch in Stresssituationen<br />
kühlen Kopf zu bewahren.<br />
024 INTERVIEW<br />
Oberst Thomas Lampersperger<br />
über die neue IKT-Ausbildung an<br />
der Militärakademie.<br />
029 AIRPOWER 2022<br />
Alle Infos zur spektakulären<br />
Flugshow im kommenden Jahr.<br />
030 FLIEGEN LERNEN<br />
Start der neuen Militär Aktuell-<br />
Serie zur Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule.<br />
032 NEUE KOOPERATION<br />
Das Bundesheer wird in Zukunft<br />
eng mit der Nationalgarde von<br />
Vermont zusammenarbeiten.<br />
034 CHECKPOINT IM CHECK<br />
Militär Aktuell zu Gast im neuen<br />
„Checkpoint MaHü“ des Heeres.<br />
036 SURVIVAL GUIDE<br />
Damit unterwegs nichts schiefgeht:<br />
Überlebens-Serie mit dem<br />
Jägerbataillon 25.<br />
040 RÜSTUNGSNEWS<br />
Neuheiten aus der Welt der<br />
Rüstungs- und Sicherheitstechnik.<br />
FOTO S : B M LV/ G R E B I E N , P E T R A R AU T E N ST R AU C H G R A F I K : T I B O E X E N B E R G E R / C A R O L I N E S E I D L E R .CO M<br />
M I L I T ä R A K T U E L L
Photo by HIZIR KAYA on Unsplash<br />
I N D I E S E M H E F T<br />
042 BLICK NACH OBEN<br />
Die wichtigsten News von der<br />
Dubai Air Chiefs Conference.<br />
044 WACHSENDE KRITIK<br />
Immer mehr Militärs weltweit<br />
zweifeln an der Qualität<br />
chinesischer Rüstungsgüter.<br />
045 MADE IN AUSTRIA<br />
Neues aus der rot-weiß-roten<br />
Sicherheits- und Rüstungsindustrie.<br />
046 WELTRAUM-RÜSTUNG<br />
Militärische Konflikte könnten<br />
in Zukunft nicht nur auf der Erde<br />
stattfinden, sondern auch im All.<br />
Viele Staaten planen daher die<br />
Aufstellung eigener Space Forces.<br />
050 SCHLUSSPUNKT<br />
Sicherheitspolitikexperte<br />
Brigadier a. D. Walter Feichtinger<br />
analysiert die potenzielle Gefahr<br />
eines neuen Kalten Krieges.<br />
051 INFOGRAFIK<br />
Die Leistungsmerkmale der<br />
neuen Bundesheer-Bisons.<br />
Starke Bisons: Die neuen<br />
Schwerlasttransportsysteme<br />
des Bundesheeres nehmen<br />
es selbst mit den 55 Tonnen<br />
schweren Leopard-Panzern auf.<br />
051<br />
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0 0 6 P A N O R A M A<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
M O M E N T U M<br />
Wasser marsch!<br />
Von 25. Oktober bis 6. November unterstützten<br />
zahlreiche Soldaten des Bundesheeres<br />
erfolgreich die Bekämpfung eines<br />
großen Waldbrandes im Raxgebiet in<br />
Niederösterreich. Je zwei Black Hawk,<br />
Agusta Bell 212 und Alouette III-Hubschrauber<br />
warfen in der Zeit mehr als<br />
vier Millionen Liter Löschwasser über<br />
den Brandherden ab, führten 135 Windeneinsätze<br />
durch und transportierten<br />
rund 240 Personen unmittelbar zur<br />
Brandbekämpfung. Bis „Brand aus“<br />
gegeben werden konnte, flogen die<br />
Luftstreitkräfte – im Einsatz war auch<br />
eine Pilatus PC-6 mit Wärmebildkamera<br />
zur zielgenauen Aufspürung von Glutnestern<br />
– insgesamt 275 Flugstunden.<br />
Aufgabe des Bundesheeres war auch die<br />
Koordinierung der internationalen Einsatzkräfte<br />
in der Luft, dazu zählten unter<br />
anderen zwei Sikorsky CH-53-Maschinen<br />
der Bundeswehr und zwei Canadair<br />
CL-415-Löschflugzeuge aus Italien.<br />
FOTO : P I U S H O F E R<br />
M I L I t ä R A K t u E L L
0 0 8 W E L T & S T R A T E G I E<br />
RÜSTUNGSAUSGABEN STEIGEN<br />
Laut Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts<br />
SIPRI beliefen sich die weltweiten Ausgaben für Militär und Rüstung<br />
im Jahr 2020 auf 1,757 Billionen Euro. Das entspreche einem<br />
Anstieg von 2,6 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 und einem<br />
Anteil von 2,4 Prozent an der globalen Wirtschaftsleistung, die in<br />
Folge der Covid-19-Pandemie um 4,4 Prozent eingebrochen ist.<br />
Angesichts dieses Rückgangs sind die Militärausgaben<br />
also überproportional deutlich gewachsen,<br />
2018 hatten militärische Ausgaben „nur“ 2,15<br />
Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung<br />
ausgemacht. Zum Vergleich: Die globalen<br />
Ausgaben für Klimaschutz und Klimaanpassungsmaßnahmen<br />
beliefen sich 2020<br />
gerade einmal auf 285 Milliarden Euro.<br />
WAS GEHT<br />
DA MIT<br />
RUSSLAND<br />
UND DER<br />
UKRAINE?<br />
HYBRIDER KRIEG GEGEN DIE EU?<br />
FOTO S : R U SS I A N F E D E R AT I O N D E F E N C E M I N I ST RY, G E T T Y I M AG E S , D E F E N S E .G OV/ A R M Y STA F F S GT. J O H N YO U N TZ<br />
Seit Wochen tobt zwischen Warschau und Minsk ein Streit um<br />
Tausende an der polnisch-weißrussischen Staatsgrenze gestrandete<br />
Flüchtlinge. Der belarussische Machthaber Alexander<br />
Lukaschenko habe die Menschen in organisierter Form an die<br />
EU-Außengrenze gebracht, um Druck auf Brüssel zu machen<br />
und sich für die nach wie vor aufrechten Sanktionen gegen<br />
seine Politik zu rächen, so die Kritik. Laut dem polnischen Regierungschef<br />
Mateusz Morawiecki handle es sich dabei um den<br />
„größten Versuch zur Destabilisierung Europas“ seit dem Kalten<br />
Krieg. Lukaschenko habe damit einen „hybriden Krieg gegen<br />
die EU gestartet“, so Morawiecki weiter. Unterstützung bekommt<br />
Warschau auch von Brüssel und anderen europäischen Staaten:<br />
Estland und Großbritannien schickten zuletzt sogar Truppen<br />
(Pioniere, Militärpolizei sowie Video- und Aufklärungsteams)<br />
zur Unterstützung der polnischen Kräfte vor Ort.<br />
„Wir sind bereit, einen bilateralen<br />
Dialog über die strategische<br />
Sicherheit auf der<br />
Grundlage von<br />
Gleichheit und<br />
gegenseitigem<br />
Respekt zu führen.“<br />
Nachdem die Spannungen zwischen den<br />
USA und China zuletzt zugenommen hatten<br />
(siehe auch Kommentar auf Seite 50), wurden<br />
nun endlich auch wieder versöhnlichere Töne<br />
laut. Nach offiziellen Angaben sollen US-Präsident Joe Biden und<br />
Chinas Machthaber Xi Jinping (Bild) jüngst bei einem Video-Gipfel<br />
vereinbart haben, eine mögliche Rüstungsbegrenzung zu prüfen.<br />
Die beiden Staatschefs seien laut US-Sicherheitsberater Jake Sullivan<br />
übereingekommen, „die Diskussion über die strategische<br />
Stabilität“ voranzutreiben. Hintergrund sind Chinas bekannt<br />
gewordene Aufrüstungspläne mit Atomwaffen.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
W E L T G E S C H E H E N<br />
Angesichts des jüngsten<br />
russischen Truppenaufmarschs<br />
in der Grenzregion<br />
zur Ukraine erwartet das<br />
Verteidigungsministerium<br />
in Kiew für die kommenden<br />
Wochen eine Zuspitzung<br />
der Lage.<br />
Als Moskau im März an seiner Westgrenze<br />
eine so starke Truppenpräsenz aufbaute<br />
wie zuletzt vor dem Kriegsbeginn in der<br />
Ukraine 2014, herrschte im Westen Sorge<br />
vor einer erneuten Eskalation des niemals<br />
eingefrorenen Konflikts um Krim und Donbass.<br />
Die Ängste seien unbegründet, sagte<br />
der russische Verteidigungsminister Sergej<br />
Schoigu damals und argumentierte den<br />
Aufmarsch mit einer groß angelegten<br />
Übung in der Region. Ende April war diese<br />
dann offiziell beendet, Moskau zog die<br />
Truppen wieder ab – allerdings nicht alle,<br />
wie sich bald zeigen sollte: Mit dem Argument<br />
einer für den September geplanten<br />
weiteren Großübung blieb die eigentlich<br />
in Nowosibirsk stationierte 41. Armee in<br />
der Region.<br />
Aus der angekündigten Rückverlegung<br />
nach Sibirien wurde es dann allerdings<br />
auch nach der September-Übung nichts.<br />
Die Zahl der russischen Truppen in der Region<br />
ist zuletzt sogar wieder deutlich gewachsen.<br />
Offenbar wurde neben anderen<br />
Kontingenten auch eine Panzerdivision aus<br />
der Nähe von Moskau in den Süden beordert.<br />
In der Ukraine beobachtet man<br />
den neuerlichen<br />
Aufmarsch skeptisch. Präsident Wolodimir<br />
Selenskij sprach von „fast 100.000 Militärs<br />
an unserer Grenze“ und Anna Maljar, die<br />
Stellvertreterin von Verteidigungsminister<br />
Oleksij Resnikow, erklärte in einem TV-Interview<br />
sogar, dass das ukrainische Militär eine<br />
Zuspitzung der Lage im Winter erwarte.<br />
Auch die NATO ist angesichts der „großen<br />
und ungewöhnlichen“ Truppenkonzentration<br />
in Grenznähe alarmiert, Paris und Berlin<br />
mahnten Moskau bereits zur Zurückhaltung.<br />
US-Außenminister Antony Blinken<br />
ging sogar noch einen Schritt weiter und<br />
formulierte eine deutliche Warnung: Sollte<br />
sich Russland tatsächlich auf „souveränes<br />
ukrainisches Territorium“ vorwagen, mache<br />
es einen „ernsten Fehler“.
0 1 0 W E L T & S T R A T E G I E<br />
LIBANON:<br />
ES WIRD<br />
IMMER<br />
SCHLIMMER<br />
Konfessionelle und politische Konflikte, wirtschaftlicher Niedergang,<br />
Millionen Flüchtlinge und Obdachlose, die kaum versorgt werden<br />
können und eine Währung, die rapide an Wert verliert. Keine Frage:<br />
Der Libanon befindet sich in der tiefsten Krise seiner Geschichte.<br />
Eine Analyse von IFK-Experte Stephan Reiner.<br />
FOTO S : P I C T U R E D E S K<br />
sterreichs militärisches<br />
Engagement<br />
im Nahen<br />
und Mittleren<br />
Osten erfuhr<br />
mit dem Abzug<br />
bataillonsstarker<br />
Kräfte von UNDOF Golan im Jahr<br />
2013 eine massive Redimensionierung.<br />
Eine der damals im innenpolitischen<br />
Diskurs ins Treffen geführte Begründung<br />
für den raschen Abzug lag unter<br />
anderem im Argument des volatilen<br />
Missionsumfeldes in Syrien begründet,<br />
welches sich durch innersyrische<br />
Kampfhandlungen oppositioneller<br />
bewaffneter Kräfte mit Regierungstruppen<br />
im unmittelbaren Einsatzraum<br />
österreichischer Soldaten<br />
scheinbar ergab.<br />
Ö<br />
Acht Jahre später ist das Bundesheer<br />
aktuell mit kompaniestarken Kräften<br />
an der VN-geführten Mission UNIFIL<br />
im Libanon präsent. Diese Mission<br />
ist derzeit das personalintensivste<br />
Engagement des Heeres im Nahen<br />
und Mittleren Osten. Die kompensatorische<br />
Beteiligung bei UNIFIL als<br />
UNDOF-Ersatz wurde als politische<br />
Alternative und vor allem als Signal<br />
an die VN gesehen, um weiterhin als<br />
verlässlicher militärischer Truppensteller<br />
in der Region wahrgenommen<br />
zu werden.<br />
Mit der Explosion von 2.750 Tonnen<br />
Ammoniumnitrat im Hafen der libanesischen<br />
Hauptstadt Beirut schaffte<br />
es der rund sechs Millionen Menschen<br />
umfassende und konfessionell fragmentierte<br />
levantinische Mittelmeeranrainer<br />
am 4. August 2020 schlagartig in<br />
die globalen Hauptnachrichten. Seit<br />
dieser Zeit ist der Libanon im Fokus<br />
internationaler Beobachter. Eine kurze<br />
Bestandsaufnahme rund vierzehn Monate<br />
nach dieser Katastrophe und nach<br />
den jüngsten Protesten, welche in unmittelbarem<br />
Zusammenhang mit der<br />
schleppenden Aufklärung dieses Unglücks<br />
stehen, ist daher aus der Sicht<br />
des Institutes für Friedenssicherung<br />
und Konfliktmanagements sinnvoll.<br />
Seit Beginn des Bürgerkrieges im<br />
Nachbarland Syrien befinden sich<br />
rund 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge<br />
dauerhaft im Libanon. Zu diesen<br />
Flüchtlingen kommen weitere rund<br />
320.000 Palästinenser, welche sich seit<br />
mehreren Jahrzehnten in zwölf Flüchtlingslagern<br />
im Land aufhalten. Kein<br />
Land der Welt hat in Relation zur Einwohnerzahl<br />
mehr Flüchtlinge aufgenommen,<br />
wobei die VN die offiziellen<br />
Zahlen mit rund 920.000 registrierten<br />
syrischen Staatsangehörigen beziffern.<br />
Die darüber hinausgehende Zahl ist<br />
daher als Dunkelziffer zu qualifizieren<br />
und erschwert es der libanesischen<br />
Administration somit, geeignete<br />
sozialpolitische Maßnahmen zu<br />
setzen. Durch die Explosion im<br />
Hafen wurden zusätzlich rund<br />
300.000 Einwohner der Hauptstadt<br />
obdachlos.<br />
Die allgemeine Verfasstheit<br />
des Libanon ist durch innenpolitische<br />
Krisen ebenso<br />
gekennzeichnet, wie durch<br />
massive wirtschaftliche<br />
Probleme, welche jeweils<br />
durch außenpolitische Konflikte<br />
verschärft und teilweise<br />
getrieben werden.<br />
Die innenpolitischen Spannungen<br />
entlang der bekannten Konfessionsgrenzen<br />
entladen sich dabei<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I F K - A N A LY S E<br />
BILD DER ZERSTÖRUNG Nach der gewaltigen<br />
Ammoniumnitrat-Explosion im Hafen von Beirut<br />
im August des vergangenen Jahres ist im Libanon<br />
nichts mehr wie zuvor. 300.000 Menschen wurden<br />
dadurch obdachlos, die ohnehin schon instabile<br />
politische Lage hat sich weiter verschärft.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 2 W E L T & S T R A T E G I E<br />
vorwiegend zwischen den beiden dominierenden<br />
politischen Allianzen, der<br />
pro-syrischen 8. März-Allianz (M8)<br />
auf der einen Seite und der 14. März--<br />
Allianz (M14) auf der anderen Seite.<br />
Die M8 vereint politische Aktivisten<br />
der schiitischen Hisbollah mit christlichen<br />
Akteuren rund um den ehemaligen<br />
Ministerpräsidenten Michel Aoun.<br />
Die M14 ist klar antisyrisch positioniert<br />
und stellt unter anderem dadurch<br />
regelmäßig ein politisches Ziel für syrische<br />
Aktivisten und deren jeweilige<br />
Verbündete dar. Unabhängig von den<br />
politischen Spannungen vereint die<br />
desaströse wirtschaftliche Lage des<br />
Landes beide Blöcke in der Position<br />
der wirtschaftspolitischen Handlungsunfähigkeit.<br />
Die jüngsten Krisen nahmen im Oktober<br />
2019 ihren Anfang. Nach landesweiten<br />
Protesten gegen geplante mas-<br />
sive Steuererhöhungen trat die damalige<br />
Regierung zurück. Die zehn Monate<br />
später erfolgte Hafenexplosion ließ die<br />
zuvor eingesetzte Übergangsregierung<br />
mit ihrer geringen Akzeptanz in der<br />
Bevölkerung Ende Oktober 2020 ebenso<br />
scheitern wie die darauffolgende<br />
zweite Übergangsregierung unter dem<br />
früheren Ministerpräsidenten Saad<br />
Hariri. Diese trat im vergangenen Juli<br />
nach einem monatelangen zähen Ringen<br />
um eine endgültige Ministerliste<br />
zurück.<br />
Der daraufhin erneut ausgesprochene<br />
Regierungsbildungsauftrag an den<br />
zweimalig amtierenden früheren Ministerpräsidenten<br />
Najib Mikati konnte<br />
am 10. September erfolgreich abgeschlossen<br />
werden. Der Multimilliardär<br />
sieht sein politisches Ziel in der<br />
Durchhaltefähigkeit seines Kabinettes<br />
bis zu den regulär geplanten Parlamentswahlen<br />
im Mai 2022. Politische<br />
Initiativen und weitreichende wirtschaftliche<br />
Reformen sind damit<br />
auszuschließen. Diese wären jedoch<br />
dringend geboten: Das syrische Pfund<br />
wird durch US-Sanktionen massiv geschwächt,<br />
auch die Auswirkungen auf<br />
das libanesische Pfund sind gravierend<br />
und führten zu einem massiven Währungsverfall<br />
von rund 90 Prozent seit<br />
2019. Die Inflationsprognose für <strong>2021</strong><br />
liegt bei 130,1 Prozent.<br />
Der Libanon kann damit keine Importsubventionen<br />
sicherstellen, besitzt<br />
keine Währungsreserven mehr und<br />
bemüht sich seit Oktober um die Aufnahme<br />
von Verhandlungen mit dem<br />
Internationalen Währungsfonds (IWF),<br />
um Kredite zu realistischen Konditionen<br />
zugesprochen zu bekommen. Der<br />
Abschwung der Wirtschaftsleistung<br />
betrug im Jahr 2020 knapp 21 Prozent,<br />
FOTO S : P I C T U R E D E S K<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
I F K - A N A LY S E<br />
AUS WUT WIRD GEWALT<br />
Immer wieder entlädt sich die<br />
wachsende Unzufriedenheit der<br />
Bevölkerung in gewalttätigen<br />
Protesten und Auseinandersetzungen<br />
mit Sicherheitskräften.<br />
das offizielle Budgetdefizit kam bei<br />
rund 11,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />
zum Liegen und die Rezession<br />
für <strong>2021</strong> beträgt weitere knapp 12<br />
Prozent. Dazu kommt eine Staatsverschuldung<br />
von aktuell rund 226 Prozent,<br />
was wirtschaftspolitisch gleichbedeutend<br />
mit der Zahlungsunfähigkeit<br />
eines Staates ist.<br />
Die allgemeine Stimmungslage unter<br />
der Bevölkerung führte im Oktober<br />
zu einem Feuergefecht zwischen schiitischen<br />
Milizionären und christlichen<br />
Milizen mit acht Toten und rund 60<br />
Verletzten. Die staatlichen Krankenhäuser<br />
konnten keine adäquate Ver -<br />
sorgung sicherstellen und benötigen<br />
Medikamentenspenden von Nichtre-<br />
gierungsorganisationen. Außenpolitisch<br />
wird der Libanon indirekt durch<br />
den Syrienkonflikt und direkt durch<br />
das Hisbollah-Engagement permanent<br />
in einen Konflikt mit Israel hineingezogen.<br />
Jüngste Hisbollah-Raketenangriffe<br />
auf Israel führten zu israelischen<br />
Gegenschlägen durch Steilfeuer und<br />
durch Angriffe der Luftstreitkräfte auf<br />
Ziele im Libanon.<br />
Für das Kontingent des Bundesheeres<br />
bedeutet dies, täglich in einem de facto<br />
gescheiterten und konfessionell fragmentierten<br />
korrupten Staat zu agieren,<br />
der die Basisversorgung der Bevölkerung<br />
nicht mehr gewährleisten kann.<br />
Fazit: Die hohe Professionalität unserer<br />
Soldaten bleibt mittelfristig durch<br />
den negativen sicherheitspolitischen<br />
und wirtschaftspolitischen Ausblick<br />
für den Libanon leider gefordert.<br />
Der Autor ist wissenschaftlicher<br />
Mitarbeiter am IFK mit Forschungsschwerpunkt<br />
Naher Osten.
0 1 4 W E L T & S T R A T E G I E<br />
UNGEWISSEZUKUNFT<br />
Ein schwacher Staat trifft auf starke Milizen: Nach den Parlamentswahlen im<br />
Oktober ist die politische Situation im Irak verfahrener denn je. Es ist ungewiss,<br />
ob eine neue Regierung das Land aus dem Chaos führen kann. Text: MARKUS SCHAUTA<br />
MASSENPROTESTE Seit Wochen gehen die Unterstützer proiranischer Gruppen gegen das Ergebnis der Parlamentswahl in Bagdad auf die Straße.<br />
m Morgen des 7. No-<br />
explodiert eine Avember<br />
mit Sprengstoff beladene<br />
Drohne in Bagdads<br />
Grüner Zone. Der<br />
Wohnsitz des irakischen<br />
Premierministers wird beschädigt,<br />
Mustafa al-Kadhimi bleibt<br />
unverletzt. Sein Pressebüro kommentiert<br />
das Attentat als „feigen terroristischen<br />
Anschlag“ und „ernsthaften<br />
Angriff auf den irakischen Staat durch<br />
kriminelle bewaffnete Gruppen“.<br />
Dem Angriff auf den Premier gingen<br />
tagelange Proteste proiranischer Parteien<br />
voran, die die Parlamentswahlen<br />
am 10. Oktober verloren hatten. Sie<br />
wollen das Ergebnis nicht akzeptieren<br />
und werfen der Regierung Wahlbetrug<br />
vor. Einige dieser Gruppen wie<br />
Kataib Hizbullah und Asa’ib Ahl al-<br />
Haqq verfügen über eigene Milizen,<br />
die im engen Kontakt mit Teheran<br />
stehen und für den Anschlag verantwortlich<br />
gemacht werden.<br />
Bei diesen sogenannten Volksmobilmachungskräften<br />
handelt es sich um<br />
schiitisch dominierte Milizen, die ab<br />
2014 die Speerspitze im Kampf gegen<br />
den Islamischen Staat bildeten. Offiziell<br />
sind diese Milizen Teil der irakischen<br />
Streitkräfte unter dem direkten<br />
Kommando des Premierministers.<br />
Doch zahlreiche der etwa 40 Gruppierungen<br />
agieren außerhalb der offiziellen<br />
Kommandostrukturen. Diese<br />
werden für Angriffe auf US-amerikanische<br />
Ziele verantwortlich gemacht,<br />
ebenso werden ihnen Erpressung,<br />
Entführung und Mord vorgeworfen.<br />
Prominentes Opfer war der international<br />
bekannte Analyst und Berater<br />
des Premierministers Husham al-<br />
Hashimi, der im Juli 2020 vor seinem<br />
Haus in Bagdad erschossen wurde.<br />
Die Milizen verfügen nicht nur über<br />
militärische Macht. „Sie kontrollieren<br />
auch große Teile der irakischen Wirtschaft“,<br />
sagt der Politikwissenschaftler<br />
Ali al-Bidar gegenüber Militär Aktuell.<br />
Sie seien im Ölgeschäft tätig, betreiben<br />
Banken und besitzen riesige<br />
Mengen an Land und Immobilien.<br />
Auch in kriminelle Geschäfte seien<br />
sie verwickelt: „Unter dem Deckmantel<br />
der Religion arbeiten sie wie die<br />
Mafia, erpressen Schutzgeld von Alkoholverkäufern<br />
und Betreibern von<br />
Nachtclubs und Bordellen.“ Auf diese<br />
Weise sind sie finanziell völlig unabhängig<br />
von der Regierung. Al-Bidar:<br />
„Sie bilden einen Staat im Staat.“<br />
Die Wahlen im Oktober waren für<br />
diese proiranischen Gruppen eine<br />
Niederlage. Wahlgewinner ist der<br />
nationalistische Kleriker Moqtada al-<br />
Sadr. Er will zwar nicht selbst Premier<br />
werden, gilt aber als Königsmacher<br />
für die neue Regierung. Ob es dieser<br />
neuen Regierung gelingen wird, die<br />
Milizen zu entwaffnen, wie es al-Sadr<br />
fordert, bleibt mehr als fraglich.<br />
Al-Bidar ist vorsichtig zuversichtlich:<br />
„Die Mehrheit des Volkes will diese<br />
bewaffneten Gruppen loswerden.“<br />
FOTO : P I C T U R E D E S K<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Gripen für effektiven Einsatz<br />
und effizientes Training<br />
1-Flottenstrategie. Kostengünstig. Leisstungsstark.<br />
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Das Mehrzweck- und Überschall-Kampfflugzeug Gripen von<br />
Saab erfüllt sämtliche Anforderungen der österreichischen<br />
Luftwaffe zum besten Preis-/Leistungsverhältnis. Mit Gripen<br />
können alle benötigten jährlichen Flugstunden kostengünstig<br />
und effizient produziert werden – sei es mit Trainings oder<br />
als Abfangjäger in Missionen wie Luftpolizeidienst mit Überschallgeschwindigkeit.<br />
Mit dem Einsitzer Gripen C wird die aktive Komponente der<br />
Luftraumüberwachung abgedeckt und mit dem Zweisitzer<br />
Gripen D gibt es zusätzlich hervorragende Trainingsmöglichkeiten<br />
im In- und Ausland. Die gegenwärtige Flugzeugflotte<br />
der österreichischen Luftwaffe lässt sich innerhalb von 24<br />
Monaten vollständig ersetzen.<br />
Als neutrale Staaten kooperieren die österreichische und<br />
schwedische Luftwaffe seit Jahrzehnten eng miteinander. Zu<br />
den bilateralen Kooperationen zählen mitunter umfassende<br />
Fliegerstaffel-Austauschprogramme für Piloten und Bodenpersonal<br />
mit der schwedischen Luftwaffe, Teilnahmen an<br />
multinationalen komplexen Übungen zwecks Weiterentwicklung<br />
taktischer Fähigkeiten oder Simulatoren-Trainings. Im<br />
Bereich der Logistik lassen sich innerhalb der Gripen User-<br />
Group effizient Synergien nutzen. Als Multirole-Kampfflugzeug<br />
garantiert Gripen die zuverlässige Einsatzbereitschaft<br />
rund um die Uhr, bei jedem Wetter und mit allwettertauglichen<br />
sowie modernen Waffensystemen.<br />
Es braucht demnach keinen anderen Flugzeugtyp neben<br />
Gripen. Mit einer 1-Flotten-Strategie, regelmäßigen System-<br />
Upgrades und Weiterentwicklungen kann Gripen während der<br />
gesamten Lebenszeit effizient und effektiv operiert werden.<br />
saab.com/austria<br />
MILITÄR AKTUELL
0 1 6 H E E R & M E H R<br />
AUF<br />
AUSLANDSENGAGEMENT<br />
WIRD AUSGEWEITET<br />
anfang November wurde im Ministerrat die verlängerung<br />
der laufenden auslandseinsätze des Bundesheeres<br />
im aktuellen Umfang bis Ende 2022 beschlossen. Das<br />
rot-weiß-rote Kontingent bei EUtM Mali, der multinationalen<br />
ausbildungsmission der Europäischen Union in<br />
Mali, wird sogar von aktuell zehn auf bis zu 100 soldatinnen<br />
und soldaten aufgestockt. Mit Brigadier christian<br />
Riener übernimmt zudem zum zweiten Mal ein österreichischer<br />
offizier die Führung der Mission. Neu wird<br />
sich das Heer ab kommenden Jahr an der EU-trainingsmission<br />
in Mosambik beteiligen. Dabei entsendet das<br />
Bundesheer eine Beraterin für kulturelle Besonderheiten<br />
in den Einsatzraum.<br />
Foto s : B U N D E s H E E R / G o R U P, B U N D E s H E E R / Ka R lov i ts ,<br />
B U N D E s H E E R / W U Ko s c H i tz<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
N E W S A U S D E N S T R E I T K R Ä F T E N<br />
„MEHR ALS EIN COVID-TESTBUS“<br />
Dort kämpfen, wo andere nicht<br />
mehr können! Das Jagdkommando<br />
trainierte kürzlich mit Hubschraubern<br />
der Luftstreitkräfte spezielle<br />
„Aufnahme- und Absetzverfahren“,<br />
um auch in jenen Gebieten rasch<br />
zum Einsatz kommen zu können,<br />
wo nicht angelandet werden kann.<br />
Kürzlich präsentierte das Amt für Rüstung und Wehrtechnik (ARWT)<br />
im Rahmen einer Technologiedemonstration seine verlegungsfähige<br />
Bio-Laborkapazität. Wir haben mit ARWT-Leiter Brigadier Michael<br />
Janisch über den Aufbau und die Einsatzmöglichkeiten der innovativen<br />
Forschungseinrichtung gesprochen.<br />
STARKE PARTNER<br />
Kürzlich fand in Weitra das „Zentrale Partnerschaftsseminar“<br />
des Bundesheeres<br />
statt. Dabei zeichnete Verteidigungsministerin<br />
Klaudia Tanner insgesamt 19 Partner<br />
des Heeres für ihre langjährige Treue und<br />
ihr Bekenntnis zur Landesverteidigung<br />
aus. Darunter die Elin GmbH und das<br />
Kommando Luftunterstützung (Bild), die<br />
eine bereits 50-jährige Zusammenarbeit<br />
verbindet. „Wir wollen das Bundesheer<br />
wieder in die Mitte der Gesellschaft bringen,<br />
denn es geht um den Schutz des<br />
Staates Österreich, um den Schutz seiner<br />
Bevölkerung und um den Schutz von uns<br />
allen. Die Partnerschaften sind ein guter<br />
Weg dazu“, so Klaudia Tanner.<br />
Herr Brigadier, wie kam es zur Idee für den mobilen Laborbus?<br />
Die Idee gibt es seit Langem, erste Überlegungen dazu wurden schon<br />
weit vor Corona angestellt. Bis vor Kurzem waren Laborgeräte aber<br />
nicht in den notwendigen Abmessungen verfügbar und zu unhandlich<br />
– eine Realisierung daher nicht möglich. Das hat sich mittlerweile<br />
geändert. Die von den Herstellern nun angebotene „last generation<br />
technology“ ist zugleich kompakt, stromsparend und über Notebooks<br />
vernetzbar, für unsere Einsatzzwecke also geradezu ideal.<br />
Wie soll der Bus nun zum Einsatz kommen?<br />
Wir haben in den vergangenen knapp zwei Jahren immer wieder<br />
Situationen im In- und Ausland erlebt, wo aufgrund der großen Transportentfernungen<br />
zu unserem ortsfesten Labor die zügige Auswertung<br />
von Massentestungen vor Ort unmöglich war. Mit dem Laborbus<br />
– streng genommen handelt es sich eigentlich um einen Lkw mit<br />
Festaufbau – ist das kein Problem mehr. Wir können damit die rasche<br />
Vor-Ort-Analytik von Covid-19 eines ganzen Bataillons sicherstellen –<br />
da reden wir von rund 500 Tests. Dasselbe gilt aber natürlich auch für<br />
andere Viren, Bakterien oder auch Pilze.<br />
Das heißt, der Laborbus ist auch über Corona hinaus nutzbar?<br />
Definitiv! Es handelt sich bei der Einrichtung um ein voll verlegungsfähiges<br />
Biolabor, für das der Bus nur Transportmittel ist. Die Geräte<br />
sind nicht fest verbaut, sondern in Transportboxen verpackt, können<br />
also auch mit Black Hawk oder Hercules verlegt werden. Dabei haben<br />
wir vier Leistungsvarianten definiert, mit denen wir die Laborinfrastruktur<br />
modular und auftragsbezogen zusammenstellen können.<br />
Um uns unabhängig von Herstellern und deren Reagenzien zu machen,<br />
haben wir außerdem technologieoffene Geräte gewählt.<br />
Aktuell befindet sich das System noch in der Erprobungsphase, oder?<br />
Das ist richtig. Wir haben allerdings bereits zwei Testläufe erfolgreich<br />
absolviert. Bis wir die Full Operational Capability erklären können,<br />
müssen wir noch die Ausbildung einiger Mitarbeiter auf den neuen<br />
Geräten final abschließen und einzelne aktuell nur geliehene Geräte fix<br />
angekauft werden. Ich gehe aber davon aus, dass wir das noch im laufenden<br />
Jahr abschließen können und ab Jänner voll einsatzfähig sind.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 1 8 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
LOGISTIK<br />
IM DAUERFEUER<br />
Wenn Paletten, Sprit oder Medikamente schnell von A nach B müssen, packt das<br />
Versorgungsregiment 1 an. Die steirischen Logistikprofis agieren rund um die<br />
Uhr im In- und Ausland. Ein Besuch bei der „Spedition“ des Bundesheeres.<br />
Text: STEFAN TESCH<br />
Bilder: SEBASTIAN FREILER<br />
taub aus Kabul färbte<br />
S<br />
das Weiß jener Österreich-Fahne<br />
dunkel,<br />
die im Büro von<br />
Oberstleutnant Jasmine<br />
Krutzler hängt. Ein<br />
Souvenir aus der bisher prägendsten<br />
Zeit ihrer Karriere, einem Einsatz in<br />
Afghanistan. „Als Offizier lernt man<br />
das Führen sowie das Ertragen von Gefahren<br />
und Ungewissheit. Das habe ich<br />
in Österreich nie so erfahren können,<br />
und wollte es daher im Ausland in<br />
einem Kriegsgebiet erleben“, erzählt<br />
sie über ihr Motiv zu dieser Mission.<br />
Kaum in der Heimat zurück, folgte der<br />
nächste große Moment: Seit April dieses<br />
Jahres ist sie Kommandant des Versorgungsregiments<br />
1 (VR1) im steirischen<br />
Gratkorn. Die Waffengattung<br />
Versorgung ist der gelernten Panzergrenadierin<br />
Jahrgang 1975 allerdings eher<br />
zufällig passiert. Nachdem die Jagdpanzer<br />
Jaguar und Kürassier vor Jahren aus<br />
der Flotte genommen wurden, übernahm<br />
Krutzler die Aufstellung einer<br />
Nachschub- und Transportkompanie<br />
unter ihrem Kommando. Schnell zeigte<br />
sich: Führungsarbeit gibt es auch bei<br />
der Versorgung mehr als genug, ebenso<br />
einen Haufen Fahrzeuge zu bewegen –<br />
wenn auch nicht auf Kette.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
VERSORGUNGS-<br />
REGIMENT 1<br />
FLEXIBEL Die Soldaten des Versorgungsregiments<br />
1 sind echte Multitalente. Wachtmeister<br />
Michaela Förster beispielsweise<br />
ist Gruppenkommandant und „nebenbei“<br />
Sanitäterin. Unten: Gelernte Mechaniker<br />
sind als Grundwehrdiener gefragt.<br />
Das Versorgungsregiment<br />
1 (VR1)<br />
ist aktuell in der<br />
Hackher-Kaserne<br />
in Gratkorn (Steiermark)<br />
untergebracht,<br />
hatte aber<br />
in seiner Vergangenheit<br />
schon<br />
Kompanien unter<br />
anderem in der<br />
Kirchner-, sowie Gablenz-Kaserne. Die<br />
Hauptaufgaben des Regiments sind<br />
Transporte sowie die Bildung von logistischen<br />
Basen im In- und Ausland.<br />
Hinzu kommen Fahrschulausbildungen<br />
sowie Einsatzvorbereitungen für<br />
Auslandseinsätze. Dafür stehen fünf<br />
Kompanien zur Verfügung: Eine Stabskompanie,<br />
eine Werkstattkompanie<br />
sowie drei Nachschub- und Transportkompanien<br />
(NTKp), eine davon wird<br />
als Kaderpräsenzeinheit geführt.<br />
Unter dem Strich besteht das VR1 aus<br />
rund 500 Soldaten. Zudem ist es das<br />
mobilmachungsverantwortliche<br />
Kommando für das Versorgungsbataillon<br />
(Miliz).<br />
Die Kompetenzen der Soldaten liegen<br />
unter anderem in den Bereichen Gefahrguttransport<br />
auf der Straße, auf<br />
der Schiene sowie am Wasser, Zoll,<br />
Containertransport, Hakenladesysteme<br />
sowie Materialerhaltung. Regimentskommandantin<br />
ist Oberstleutnant<br />
Jasmine Krutzler, die davor einen<br />
Auslandseinsatz in Afghanistan absolvierte<br />
und als Lehroffizier für Taktik<br />
an der Theresianischen Militärakademie<br />
tätig war.<br />
Ihr VR1 nennt sie liebevoll „Flohzirkus“,<br />
was mit dem äußerst geschäftigen<br />
Treiben der fünf Kompanien zu tun<br />
hat. Die rege Betriebsamkeit kommt<br />
nicht von ungefähr, denn das VR1 ist<br />
der einzige Logistikverband des Bundesheeres,<br />
der keiner Brigade unterstellt<br />
ist. Seine Hauptaufgaben: Die<br />
Warenströme zwischen Heereslogistikzentren<br />
und Dienststellen in ganz Österreich<br />
sowie im Ausland am Fließen<br />
halten. Beispiele gefällig? Täglich rollt<br />
eine Fuhre Güter aller Art – von Medikamenten<br />
bis zu Ersatzteilen – aus dem<br />
Großraum Graz nach Klagenfurt und<br />
retour („Südroute“). Alle zwei<br />
Wochen legt ein Konvoi Richtung<br />
Bosnien ab, einmal im<br />
Monat geht es in den Kosovo.<br />
Dazu kommen noch weitere Tätigkeiten<br />
wie das traditionelle „Schnee-<br />
Steiermark<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 0 H E E R & M E H R<br />
schaufeln“ am Hahnenkamm oder wie<br />
während der Corona-Pandemie Assistenzeinsätze<br />
zum Contact Tracing<br />
oder die Aushilfe in Postverteilzentren.<br />
Apropos Corona: „Die Zahl der Transportaufträge<br />
ist in letzter Zeit stark gestiegen“,<br />
erzählt Krutzler. Alleine heuer<br />
haben ihre Soldatinnen und Soldaten<br />
mehr als 4.000 Paletten „Pandemie-<br />
Güter“ umhergeschippert. Genau das<br />
macht die Arbeit des VR1 aber auch so<br />
speziell, betont Krutzler: „Während die<br />
Kampftruppe den Echtbetrieb übt,<br />
operieren wir immer im Realbetrieb.“<br />
Damit das tagtäglich und rund um die<br />
Uhr gelingt, verfügt das Kaderpersonal<br />
– vom Gruppen- bis zum Kompaniekommandanten<br />
– über spezielle Zusatzqualifikation.<br />
Zum Verband gehören<br />
Verantwortliche für Gefahrguttransporte,<br />
Containerpacker, Fahrlehrer,<br />
Hakenladesystem-Bediener oder<br />
Staplerfahrer; um nur einige Beispiele<br />
zu nennen.<br />
hat schon einen Auslandseinsatz als<br />
Nachschub-Unteroffizier hinter sich.<br />
„In Zukunft möchte ich als Sanitäts-<br />
Unteroffizier arbeiten“, erzählt sie. Derzeit<br />
ist sie Gruppenkommandant in der<br />
4. Nachschub- und Transportkompanie<br />
und bildet Grundwehrdiener von<br />
der Stunde null an aus. „Leute vertrauen<br />
dir und kommen mit Problemen zu<br />
dir. Man ist eine Person, an der sie sich<br />
orientieren. Das ist ein cooles Gefühl“,<br />
berichtet Förster über ihren Job.<br />
Rund 800 Grundwehrdiener durchlaufen<br />
jährlich das VR1. In Kombination<br />
mit Fahrschul- und Kaderanwärterkursen<br />
ein gewaltiger Organisationsaufwand.<br />
„Leider können wir nur einen<br />
Teil der Grundwehrdiener waffengat-<br />
Eine, die das vielfältige Spektrum im<br />
VR1 ganz besonders schätzt, ist Wachtmeister<br />
Michaela Förster. Die junge<br />
Frau Unteroffizier ist nicht nur ausgebildete<br />
Rettungssanitäterin, sondern<br />
EINSATZ-FITTE TRUPPE Auch der Gefechtsdienst gehört für das VR1 zum täglichen Job. Denn<br />
zwei Mal im Jahr führt man die Kaderanwärterausbildung 1 durch. Dazu kommen Sanitäterkurse,<br />
Fahrschulausbildungen und Auslandsvorbereitungen.<br />
„Wenn andere ins Wochenende gehen, legen wir los“<br />
VIZELEUTNANT FRANK KOCH ist<br />
Transportzugskommandant bei der<br />
1. Nachschub- und Transportkompanie<br />
des Versorgungsregiments 1.<br />
Herr Vizeleutnant, Sie kommen, ebenso<br />
wie die Frau Regimentskommandant,<br />
ursprünglich aus der Panzertruppe.<br />
Was haben Sie von dort in die Logistik<br />
mitnehmen können?<br />
Flexibilität, Beweglichkeit und das Führen<br />
von Fahrzeugen in der Bewegung. Das<br />
kommt mir hier im Konvoidienst zugute.<br />
Ebenso die Kommunikation, denn Funken ist<br />
in allen Bereichen wichtig. Und das Mechanisierte<br />
habe ich mit dem gepanzerten Lkw<br />
immerhin ein Stück weit zurückbekommen<br />
(lacht).<br />
Was macht für Sie den Reiz als Kommandant<br />
eines Transportzuges aus?<br />
Wir sind täglich im Realbetrieb und dieser<br />
stellt für uns gleichzeitig das Üben für den<br />
Einsatz dar. Ständig bin ich mit neuen Aufgaben<br />
konfrontiert, etwa Unterstützungsleistungen<br />
und Versorgungsfahrten. Dabei hat<br />
uns die Corona-Pandemie sehr gefordert.<br />
Ein Ansporn ist für mich vor allem die Tatsache,<br />
nicht nur im Normdienstbetrieb zu sein.<br />
Das macht es für mich aus, Soldat zu sein!<br />
Wie motivieren Sie Ihren Zug in arbeitsintensiven<br />
Zeiten wie diesen?<br />
Das ist nicht immer leicht. Oft kommen Aufträge<br />
am Freitagvormittag herein und sind<br />
ab Nachmittag zu erledigen. Wenn andere<br />
ins Wochenende gehen, beginnt für uns erst<br />
richtig die Arbeit. Allerdings sind wir alle<br />
Kadersoldaten und da gehört es zu unserer<br />
Aufgabe, flexibel zu sein. Ich sehe mich als<br />
menschlichen Zugskommandanten und<br />
glaube gut unterscheiden zu können, wer<br />
besser mal ein Wochenende zu Hause bleibt<br />
oder wer das verträgt. Daher steht mein<br />
Personal zu hundert Prozent hinter mir.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
REGIMENTSKOMMANDANT Oberstleutnant<br />
Jasmine Krutzler führt als erste Frau seit<br />
April <strong>2021</strong> den Logistikverband.<br />
tungsspezifisch ausbilden“, sagt die<br />
Regimentskommandantin. Dabei wäre<br />
die ständige Aus- und Weiterbildung<br />
im Bereich Logistik wichtig, um die<br />
Kompetenzen des Kaderpersonals<br />
auf einem hohen Level zu halten. Der<br />
Umschlag von Treibstoff und großen<br />
Mengen Munition ist beispielsweise<br />
etwas, das man in der Praxis nicht oft<br />
macht, aber in Einsätzen die Kernaufgabe<br />
der Logistiktruppe ist. Und Einsätze<br />
gibt es viele: So ist etwa derzeit<br />
die Hälfte der KPE (Kaderpräsenzeinheit)-Kompanie<br />
im Kosovo. Und<br />
seit 2001 stellt das VR1 – zumindest<br />
planerisch – Logistikkräfte für die<br />
EU-Battlegroup.<br />
Praktisch geht es in den Hallen der<br />
Werkstattkompanie in der Hackher-<br />
Kaserne zu. Da knicken gut 30 Mechaniker<br />
die Führerhäuser von Lkw nach<br />
vorne und richten, was im harten Alltag<br />
zu Bruch geht. Ihr guter Ruf eilt der<br />
Werkstätte voraus, sogar aus dem Burgenland<br />
und aus Kärnten rollen die alten<br />
Steyr-Transporter 12M18, die verbliebenen<br />
Pinzgauer sowie Hakenladesysteme<br />
mit Waffenstationen am Dach<br />
heran, und bekommen ihr Service. Die<br />
gepanzerten Hakenlade-Systeme sind<br />
übrigens der Stolz des Regiments. Können<br />
sie doch genau das, was die Militärlogistik<br />
ausmacht: „Einsätze unter<br />
gefährlichen Bedingungen durchführen,<br />
inklusive langer Durchhaltedauer“,<br />
wie es Oberstleutnant Krutzler formuliert.<br />
Die ständige Bedrohung hat sie<br />
während ihrer Mission in Afghanistan<br />
zu spüren bekommen: „Unser Camp<br />
wurde mit Raketen beschossen.“ Die<br />
Lehren daraus lässt sie nun in ihre Arbeit<br />
als erste Frau in der Position eines<br />
Regimentskommandaten einfließen,<br />
in dem sie das VR1 nicht als Spedition<br />
mit grünem Anstrich dastehen haben<br />
möchte, sondern als Einsatz-fitte<br />
Truppe mit soldatischen Tugenden.<br />
Nach Auslandserfahrungen und ihrer<br />
vorangegangenen Tätigkeit als Lehroffizier<br />
an der Militärakademie reizt<br />
sie nun die Arbeit bei der Truppe.<br />
Und dann? „Es hat noch keine Frau<br />
als Brigadekommandanten gegeben“,<br />
stellt sie trocken fest.<br />
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0 2 2 H E E R & M E H R<br />
Boxen einmal anders<br />
Es gibt viele Nahkampf- und Selbstverteidigungstechniken, die<br />
Soldaten die Haut retten sollen, wenn es ans Eingemachte geht.<br />
Im Bundesheer setzt man dabei auf „keep it simple“ – mit<br />
Militärischem Boxen.<br />
Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
W<br />
ährend draußen<br />
am Antreteplatz<br />
der Wind pfeift,<br />
die Temperaturen<br />
in Richtung ungemütlich<br />
gehen, Gardesoldaten drillmäßig<br />
exerzieren und die Militärpolizei ihr<br />
Einsatztraining absolviert, riecht es hier<br />
in der Sporthalle der Maria-Theresien-<br />
Kaserne nach Schweiß und Adrenalin.<br />
Immer wieder ist das typische Geräusch<br />
von Boxhandschuhen zu hören, aus<br />
denen beim Aufprall blitzartig die Luft<br />
entweicht. Bamm, bamm, bamm! Pause.<br />
Bamm, bamm, bamm! Die anwesenden<br />
Soldaten tragen Sportkleidung statt<br />
Uniform und Boxhandschuhe statt<br />
Sturmgewehr. Langsam tänzeln sie umeinander<br />
herum. Unablässig schnellen<br />
Fäuste vor, gehen Köpfe hinter Händen<br />
in Deckung, halten sich die Kontrahenten<br />
mit ausgestreckten Armen auf<br />
Distanz. Nicht immer gelingt das zur<br />
Zufriedenheit der anwesenden Ausbildner.<br />
„Konzentriert euch!“<br />
Vizeleutnant Gerald Pelikan lächelt. Der<br />
55-Jährige ist Lehrunteroffizier Körperausbildung<br />
in der Lehrgruppe 2 im Heeressportzentrum<br />
und als Nahkampftrainer,<br />
Fachsportleiter Selbstverteidigung,<br />
A-Trainer im Olympischen Boxen und<br />
Krav-Maga-Maor-Instruktor nicht<br />
nur im Heer eine große Nummer.<br />
Ein breites Publikum kennt ihn<br />
aus der ATV-Serie „Teenager<br />
Bootcamp“, wo er Jugendlichen<br />
die „härtesten<br />
Wochen ihres Lebens“<br />
bescherte.<br />
Hier und heute<br />
hat er es<br />
aber nicht<br />
auf<br />
Teenager abgesehen. Vielmehr will er<br />
Soldaten die Grundzüge des „Kämpfens“<br />
über das Militärische Boxen beibringen.<br />
Die Unterrichtseinheit hat er mit<br />
Kampfsportspielen und Schattenboxen<br />
begonnen. Schritt für Schritt führt er<br />
die Soldaten von der am Vormittag besprochenen<br />
Theorie zur Praxis. Bamm,<br />
bamm, bamm!<br />
„Militärisches Training hat das Ziel, Soldaten<br />
auf den Einsatz vorzubereiten“,<br />
sagt Pelikan im Gespräch mit Militär<br />
Aktuell. „Das bedeutet auf das Gefecht<br />
und, in letzter Konsequenz, auf den<br />
Kampf Mann gegen Mann. Um diesen<br />
führen zu können, muss der Soldat nicht<br />
nur fit sein, er muss auch kämpfen können.“<br />
Nachsatz: „Und kämpfen lernt man<br />
nur im Kampf.“ So weit, so verständlich.<br />
Aber braucht es dafür tatsächlich<br />
Boxtechniken? Ist es nicht eher unwahrscheinlich,<br />
dass Kontrahenten im Schützengraben<br />
die Hände heben<br />
und ihren Kampf<br />
mit Seitwärtshaken<br />
und Geraden austragen? „Natürlich,<br />
das wird nicht passieren“, sagt Pelikan.<br />
„Darum geht es beim Militärischen<br />
Boxen aber auch nicht.“ Worum dann?<br />
„Wir wollen Soldaten auf potenzielle<br />
Stresssituationen in Einsätzen vorbereiten,<br />
indem wir ihnen über das Boxen die<br />
dafür notwendigen Fertigkeiten und<br />
Fähigkeiten vermitteln. Boxen ist beinhart<br />
und spielerisch, es beansprucht den<br />
gesamten Körper, verlangt Taktik, Technik,<br />
Intelligenz – es ist wie Schach mit<br />
den Fäusten. Dadurch lassen sich damit<br />
einerseits die konditionelle und koordinative<br />
Belastbarkeit erhöhen und andererseits<br />
psychische, soziale und charakterliche<br />
Eigenschaften entwickeln.“<br />
„Die Ausbildung darf sich nicht nur auf<br />
Technik und Taktik beschränken“, erklärt<br />
Pelikan weiter. „Ein wichtiger Teil<br />
muss sich auch mit dem Kontakttraining<br />
,Mann gegen Mann‘ und den Grundla-<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R / ST E I N E R , M I L I Z V E R L AG , I STO C K , B U N D E S H E E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
R E P O R TA G E<br />
gen des Kämpfens wie dem punktuellen<br />
Aggressionspotenzial, der emotionalen<br />
Stabilität, dem Durchsetzungsvermögen<br />
und der Entschlossenheit befassen.“<br />
Der Berufssoldat ist nun voll in seinem<br />
Element. Mit seinen Händen formt er<br />
Sprechblasen in die Luft, er wippt ein,<br />
zwei Schritte vor. Dann wieder zurück.<br />
„Durch diese geistige Auseinandersetzung<br />
sowie dem Erleben von Sieg und<br />
Niederlage in einem geschützten<br />
Bereich entwickelt sich ein verantwortungsvoller<br />
Soldat, der Rechtshandlungen<br />
angemessen, kontrolliert und mit<br />
Übersicht verhältnismäßig durchsetzen<br />
kann.“<br />
Ist das Boxen also nur Mittel zum<br />
Zweck, um bei Zugriffen oder Einsätzen<br />
etwa zur Crowd-and-Riot-Control<br />
(CRC) überlegt, kontrolliert und selbstbewusst<br />
vorgehen zu können? „Genau“,<br />
sagt Pelikan. „Es kann im Rahmen von<br />
humanitären oder friedenschaffenden<br />
Auslandseinsätzen unserer Soldaten,<br />
beim Grenzeinsatz, sicherheitspolizeilichen<br />
Assistenzeinsätzen, bei Blackout-<br />
Szenarien oder infolge von internationalen<br />
Konferenzen – denken wir nur an<br />
die Ausschreitungen nach dem G20-<br />
Gipfel in Hamburg – immer wieder zu<br />
tätlichen Angriffen kommen, denen<br />
man als Soldat überlegt begegnen muss.“<br />
Pelikan weiter: „Ich kann dann nicht einfach<br />
meine Dienstwaffe ziehen oder mit<br />
dem Pfefferspray in die Menge sprühen,<br />
sondern muss mir anders zu helfen<br />
wissen. Und das kann ich wiederum nur,<br />
wenn ich mir im Training die notwendigen<br />
Voraussetzungen erarbeitet habe.“<br />
Schon seit Jahren ist daher das von Pelikan<br />
mitentwickelte Militärische Boxen<br />
quer durch alle Waffengattun-<br />
gen fest in der Sportausbildung des<br />
Heeres verankert. Rund 260 Übungsleiter<br />
gibt es mittlerweile bei der Truppe.<br />
Neben Ausbildungs- und Fortbildungskursen<br />
gibt es auch Kurse für besonders<br />
qualifiziertes Fachpersonal. Pelikan:<br />
„Das Feedback, das wir bekommen,<br />
ist überwiegend positiv. Wir scheinen<br />
damit auf das richtige Pferd gesetzt zu<br />
haben.“<br />
Zurück zum Training: Die Soldaten<br />
haben mittlerweile von der Volldistanz<br />
auf die Halbdistanz gewechselt, ihre T-<br />
Shirts sind durchgeschwitzt. Die Kämpfe<br />
sind jetzt dynamischer, intensiver, unübersichtlicher.<br />
„Macht eine ordentliche<br />
Faust! Wo ist eure Deckung?“, schreit einer<br />
der Ausbildner. Westen, Tiefschutz,<br />
Sparring-Helme und Mundschutz<br />
sollen die Soldaten vor Verletzungen<br />
bewahren. „Wir<br />
kämpfen grundsätzlich<br />
im Leichtkontaktmodus,<br />
trotzdem kann<br />
es natürlich zu ungewollten<br />
Treffern<br />
kommen<br />
und der ,Ballon<br />
geht<br />
nach<br />
BOXENSTOPP<br />
Das Militärische Boxen<br />
ist längst fester Teil<br />
der Sportausbildung<br />
beim Heer und erfreut<br />
sich quer durch alle<br />
Waffengattungen<br />
größter Beliebtheit.<br />
oben‘“, erklärt Pelikan, während die<br />
Soldaten hinter ihm Schläge im Passund<br />
Diagonalgang austauschen. Bamm,<br />
bamm, bamm! „Jawohl, genau so“, sagt<br />
der Ausbildner. „Kurze Trinkpause,<br />
Hände durchschütteln, dann geht<br />
es weiter.“ Bamm, bamm, bamm!<br />
Buchtipp<br />
In seinem Buch Militärisches Boxen<br />
zeigt Vizeleutnant Gerald Pelikan,<br />
wie die österreichischen Streitkräfte<br />
den Soldaten die Grundfertigkeit<br />
„Selbstverteidigung“ vermitteln<br />
und welche Rolle dabei Militärisches<br />
Boxen spielt.<br />
Militärisches Boxen.<br />
Von Schafen,<br />
Wölfen und<br />
Hütehunden,<br />
von Gerald Pelikan.<br />
ISBN 978-<br />
3-901185-79-3,<br />
126 Seiten,<br />
Deutsch,<br />
20,00 Euro.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 2 4 H E E R & M E H R<br />
IKT: ALLES NEU<br />
Im Interview erzählt Oberst Thomas<br />
Lampersberger, warum man den<br />
IKT-Ausbildungszweig an der<br />
Theresianischen Militärakademie<br />
überarbeitet hat, was angehende<br />
Offiziere dabei lernen und wo sie<br />
eingesetzt werden. Interview: CONNY DERDAK<br />
Herr Oberst, wieso hat<br />
man das IKT-Ausbildungsangebot<br />
neu<br />
aufgesetzt?<br />
Waren es einst Feldtelefon<br />
und einige wenige<br />
Funkgeräte, die der Kommunikation innerhalb<br />
militärischer Einheiten dienten,<br />
so sind es heute digitale Funksysteme<br />
und komplexe Computernetzwerke.<br />
Diese erhöhen Führungs- und Einsatz -<br />
fähigkeit, Effektivität und Effizienz,<br />
gleichzeitig steigern sich aber auch die<br />
Komplexität und die Risiken durch Angriffe<br />
auf diese IKT-Systeme. Um diesen<br />
Herausforderungen gerecht zu werden,<br />
wurde die Ausbildung der Offiziere der<br />
Fachrichtung IKT neu gestaltet. IKT-<br />
Offiziere wurden ja bisher auch schon<br />
ausgebildet, die Ausbildungszeit reicht<br />
aber nicht aus, um die immer komplexer<br />
werdenden Inhalte zu vermitteln.<br />
Wie lange dauerte die Ausarbeitung<br />
und Entwicklung des neuen Angebots?<br />
Ein Team der Militärakademie hat seit<br />
circa einem Jahr an der Entwicklung<br />
des neuen Studienganges gearbeitet.<br />
Der Akkreditierungsantrag wurde nun<br />
zur Genehmigung an die AQ Austria –<br />
die zuständige Genehmigungsbehörde –<br />
vorgelegt. Wir gehen davon aus, dass<br />
der Studiengang im September 2022<br />
beginnen kann.<br />
Wen wollen Sie mit der Ausbildung<br />
konkret ansprechen?<br />
Die Ausbildung richtet sich an Frauen<br />
und Männer mit Interesse an Informations-<br />
und Kommunikationstechnologie,<br />
Bereitschaft zur Übernahme von<br />
Verantwortung, Teamfähigkeit, Sportlichkeit,<br />
Interesse daran, neue Herausforderungen<br />
zu meistern und an der<br />
Aufgabenerfüllung auch im Gelände.<br />
Auch Flexibilität, Mobilität und die<br />
Bereitschaft, temporär im Ausland<br />
Dienst zu versehen, sind essenziell.<br />
Welche wesentlichen Ausbildungs -<br />
inhalte werden vermittelt?<br />
Die Truppenoffiziersausbildung der<br />
IKT-Offiziere unterteilt sich in drei Bereiche.<br />
Im „Fachhochschul-Bachelorstudiengang<br />
Militärische informations- und<br />
kommunikationstechnologische Führung“<br />
geht es um Programmierung, IT-<br />
Sicherheit, IT-Recht, Kryptografie und<br />
elektronische Kampfführung, aber auch<br />
um Grundlegendes wie Taktik, Sicherheitspolitik<br />
und Sport. In der „Fachausbildung<br />
an der Führungsunterstützungsschule“<br />
werden Kenntnisse zur sicheren<br />
Handhabung der Kommunikationsmittel<br />
gelehrt. Der „Truppenoffizierslehrgang“<br />
findet zwischen den Semestern<br />
des Bachelorstudiengangs statt und umfasst<br />
die Führungs- und Gebirgsausbildung<br />
sowie den Führerscheinerwerb<br />
für geländegängige Kfz.<br />
Welche Verwendungsbereiche gibt es<br />
dann für die Absolventen?<br />
Eine mögliche Erstfunktion wäre IKT-<br />
Zugskommandant. Ein IKT-Zug errichtet<br />
und betreibt weiträumige Einsatz-<br />
netzwerke mittels Richtverbindungen<br />
und lokaler Netzwerke (Anm.: LAN).<br />
Eine weitere Erstfunktion wäre stellvertretender<br />
Kommandant einer Führungsunterstützungskompanie.<br />
Soldaten<br />
einer Führungsunterstützungskompanie<br />
stellen die Funk-, Richtfunk-, LAN- und<br />
Sat-Verbindungen einer Brigade sicher.<br />
Die Absolventen der neuen Ausbildung<br />
können aber auch als Kommandant<br />
eines taktischen ELOKA-Elements<br />
(Anm.: ELOKA = Elektronische Kampfführung)<br />
oder Kommandant eines Netzsteuerungselements<br />
eingesetzt werden.<br />
Nach weiterer Ausbildung ist auch eine<br />
Verwendung im Bereich der Cyber-<br />
Abwehr möglich.<br />
Weitere Infos zur Ausbildung zum<br />
IKT-Offizier: www.milak.at/ikt-offizier<br />
OBERST THOMAS LAMPERSBERGER<br />
ist Offizier für Öffentlichkeitsarbeit an<br />
der Theresianischen Militärakademie.<br />
FOTO S : B U N D E S H E E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
UNSERHEER<br />
EINE INFORMATION DES BMLV<br />
Entgeltliche Einschaltung<br />
Voller Erfolg: „Mein Dienst<br />
für Österreich“ zahlt sich aus<br />
Das neue Angebot „Mein Dienst für Österreich“ hat sich bestens<br />
bewährt! Junge Österreicherinnen und Österreicher erhalten während<br />
ihres Wehrdienstes eine solide Grundausbildung und weiterführende<br />
Ausbildungen. Im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz sammeln<br />
sie dann bei guter Bezahlung praktische Erfahrung. Einer Karriere im<br />
Bundesheer als Berufs- oder Milizsoldat stehen damit alle Türen offen!<br />
Foto: Bundesheer/Trippolt<br />
BELIEBTES ANGEBOT Seit der Einführung von „Mein<br />
Dienst für Österreich“ waren es durchschnittlich mehr<br />
als 600 Grundwehrdiener, die sich für eine verlängerte<br />
Dienstzeit beim Bundesheer entschieden haben.<br />
Vor rund einem Jahr fiel der Startschuss<br />
für das neue Angebot<br />
„Mein Dienst für Österreich“.<br />
Grundwehrdiener können seitdem<br />
ihre sechsmonatige Ausbildung<br />
freiwillig um bis zu drei Monate verlängern<br />
und in der Zeit ihr militärisches<br />
Können – mit rund 3.000<br />
Euro für Mannschaftsdienstgrade<br />
sehr gut bezahlt – in einem sicherheitspolizeilichen<br />
Assistenzeinsatz<br />
anwenden. Von Beginn weg wurde<br />
das Angebot gut angenommen.<br />
Durchschnittlich sind es bislang<br />
mehr als 600 Grundwehrdiener, die<br />
sich für die verlängerte Dienstzeit<br />
entschieden haben und damit einen<br />
aktiven Beitrag zur Sicherheit<br />
Österreichs leisteten. Das Angebot<br />
entlastet einerseits Kader und Miliz,<br />
hat andererseits aber auch den<br />
UNSERHEER
Vorteil gut ausgebildeter Soldaten<br />
mit Einsatzerfahrung, die bei einer<br />
Weiterverwendung in der Miliz von<br />
ihren Kommandanten direkt zum<br />
Schutz kritischer Infrastruktur oder<br />
zur Bewältigung von Elementar -<br />
ereignissen wie einem Blackout<br />
eingesetzt werden können.<br />
Grundwehrdiener haben viele Möglichkeiten<br />
Leistungsüberprüfung:<br />
Einstieg in die Führungsausbildung<br />
Junge Führungskräfte absolvieren für den Einstieg<br />
in ihre Führungsausbildung eine zweitätige Testung.<br />
Diese findet im Testcenter des Heerespersonalamts<br />
in Wels statt. Dort bekommen sie einen professionellen<br />
Gesundheitscheck und einen Überblick über<br />
ihre körperliche und psychische Leistungsfähigkeit.<br />
3 Monate sicherheitspolizeilicher Assistenzeinsatz:<br />
Mein Beitrag für die Sicherheit Österreichs<br />
Nach der Einsatzvorbereitung werden wichtige<br />
Assistenzleistungen für die Grenzraumüberwachung<br />
oder die Bekämpfung der Corona-Pandemie<br />
erbracht. Vor diesem Hintergrund stehen mit<br />
Stand Mitte Oktober <strong>2021</strong> rund 1.700 Soldaten<br />
im Inlandseinsatz. Die Bezahlung beginnt bei<br />
rund 3.000 Euro pro Monat.<br />
6 Monate Grundwehrdienst:<br />
„Mein Dienst für Österreich“<br />
Eine gute Ausbildung und eine interessante Zeit<br />
beim Bundesheer mit echtem Erinnerungswert für<br />
junge Österreicher zu bieten, ist das Ziel von „Mein<br />
Dienst für Österreich“. Dazu sollen alle Grundwehrdiener<br />
einen attraktiven Grundwehrdienst mit persönlichem<br />
Mehrwert ab dem ersten Tag erhalten.<br />
Damit können Interessenten optimal für eine<br />
Karriere im Bundesheer und für weitere Einsätze<br />
unterstützt und vorbereitet werden.<br />
Vorbereitende Kaderausbildung:<br />
Optimaler Start für junge Führungskräfte<br />
Für alle Grundwehrdiener steht die vorbereitende<br />
Kaderausbildung (vbK) als erste Führungsausbildung<br />
offen. Die Teilnahme wird bereits ab dem dritten<br />
Monat im Grundwehrdienst angeboten und mit<br />
rund 200 Euro Kaderausbildungsprämie mehr<br />
pro Monat belohnt. Mit Stand Mitte September<br />
<strong>2021</strong> haben sich bereits 87 junge Führungskräfte<br />
für diese Ausbildung entschieden.<br />
Freiwillige Meldung zu Milizübungen:<br />
Die Miliz – eine starke Gemeinschaft<br />
Grundwehrdiener können sich jederzeit zur Miliz<br />
melden. Für ihre freiwillige Meldung zu Milizübungen<br />
erhalten sie bereits ab dem dritten Monat im Grundwehrdienst<br />
rund 400 Euro Freiwilligenprämie mehr<br />
pro Monat. Nach dem Grundwehrdienst werden sie<br />
Teil einer großen Gemeinschaft mit rund 33.000<br />
Milizsoldaten. Eine Beorderung ermöglicht ihnen,<br />
Einsätze im In- und Ausland, eine berufsfreundliche<br />
Ausbildung zum Offizier oder Unteroffizier und<br />
sie können einen aktiven Beitrag für die Sicherheit<br />
Österreichs leisten.<br />
Modulare Miliz-Unteroffiziersausbildung:<br />
Berufsfreundliche Karriere in der Miliz<br />
Unteroffiziere sind das Rückgrat des Bundesheeres.<br />
Um dieses Rückgrat zu stärken, steht allen Interessenten<br />
seit <strong>2021</strong> eine berufsfreundliche Ausbildung<br />
zum Milizunteroffizier offen. In vier Ausbildungsmodulen,<br />
die jeweils auf maximal zwei Wochen<br />
begrenzt sind, werden sie zum Gruppenkommandant<br />
mit Dienstgrad Wachtmeister ausgebildet. Dieser<br />
Einsatz wird mit Prämien belohnt: 603 Euro für<br />
den Abschluss des Moduls Führung. 1.111 Euro<br />
für den Abschluss der gesamten Ausbildung innerhalb<br />
von 18 Monaten oder 555 Euro bei einem<br />
Abschluss innerhalb von 24 Monaten.<br />
Fotos: Bundesheer/Giessauf, Bundesheer<br />
UNSERHEER
Apropos Miliz: Rekruten können<br />
sich im Rahmen von „Mein<br />
Dienst für Österreich“ auch<br />
schon während ihres Grundwehrdiensts<br />
freiwillig zu Milizübungen<br />
melden. Als Anreiz dafür gibt es<br />
bereits ab dem dritten Monat<br />
Grundwehrdienst rund 400 Euro<br />
Freiwilligenprämie mehr pro<br />
Monat. Darüber hinaus ist ab<br />
dem dritten Monat auch der Einstieg<br />
in die Führungsausbildung<br />
im Rahmen der vorbereitenden<br />
Kaderausbildung möglich. Diese<br />
Ausbildung für zukünftige Führungskräfte<br />
wird noch einmal<br />
mit rund 200 Euro Kaderausbildungsprämie<br />
extra pro Monat<br />
belohnt. Dieses Angebot kann<br />
außerdem der erste Schritt in die<br />
Kaderanwärterausbildung oder in<br />
die völlig neu gestaltete modulare<br />
Ausbildung zum Milizunteroffizier<br />
sein. Dabei werden die notwendigen<br />
Ausbildungsabschnitte<br />
weit im Voraus in zeitlich fest -<br />
gelegten Modulen angeboten,<br />
was die Planung für Interessenten<br />
deutlich erleichtern und verein -<br />
fachen soll.<br />
Die ersten Module wurden in<br />
Bleiburg, Freistadt und Lienz<br />
bereits erfolgreich durchgeführt.<br />
Das Kaderpersonal zeigte sich<br />
dabei beeindruckt von der hohen<br />
Motivation und Leistungsbereitschaft<br />
der angehenden Führungskräfte<br />
der Miliz. Mit Stand<br />
September <strong>2021</strong> haben sich bereits<br />
181 Milizsoldaten für diese<br />
berufsfreundliche Ausbildung<br />
zum Milizunteroffizier gemeldet.<br />
Die Einsatzmöglichkeiten für Unteroffiziere<br />
sind übrigens äußerst<br />
vielfältig und nicht ohne Grund<br />
gelten Unteroffiziere daher als<br />
das Rückgrat des Bundesheeres.<br />
Die Aufgaben von Miliz-Unteroffizieren<br />
sind bei Übungen oder im<br />
Einsatz die gleichen wie die der<br />
Berufsunteroffiziere.<br />
„Ich habe gelernt,<br />
dass ich zu viel mehr<br />
in der Lage bin!“<br />
Gefreiter Wendelin Schuen hat seinen Dienst<br />
für Österreich als interessante und lehrreiche Zeit<br />
empfunden. Ein Gespräch über herausfordernde<br />
Assistenzeinsätze in Kärnten und im Burgenland,<br />
den kameradschaftlichen Umgang mit<br />
Vorgesetzten und seine weitere Milizkarriere.<br />
Wendelin Schuen rückte<br />
im Juli 2020 beim<br />
Aufklärungs- und Artilleriebataillon<br />
3 in Mistelbach ein.<br />
Während des Grundwehrdienstes<br />
meldete er sich für das<br />
„Modell 6+3“. Er war damit einer<br />
der ersten, die die Möglichkeit<br />
von „Mein Dienst für Österreich“<br />
aktiv in Anspruch nehmen konnten.<br />
Im sicherheitspolizeilichen<br />
Assistenzeinsatz an der Kärntner<br />
und der burgenländischen<br />
Grenze sammelte der 19-jährige<br />
Gefreite anschließend wertvolle<br />
Einsatzerfahrung, die ihm heute<br />
auch bei seinem militärischen<br />
Nebenjob hilft: Er ist Milizsoldat<br />
in der Jägerkompanie Korneuburg.<br />
Seiner militärischen Ausbildung<br />
stellt der Jus-Student im<br />
Rückblick ein gutes Zeugnis aus:<br />
Sie sei zwar hart, aber fair und<br />
immer auf Augenhöhe gewesen,<br />
erzählt er.<br />
Herr Gefreiter, wie war für Sie<br />
der Umstieg aus dem zivilen<br />
in das Soldatenleben?<br />
Natürlich ist es am Anfang etwas<br />
komplett Neues, wenn man aus<br />
dem Zivilleben, in dem man<br />
keinen so straffen Zeitrahmen<br />
hat, in das militärische Leben einsteigt.<br />
Ich habe aber viel gelernt,<br />
was Diszi plin und Organisation<br />
betrifft und mich schnell daran<br />
gewöhnt. Die körperliche Belastung<br />
war für mich kein Problem,<br />
ich habe schon vorher viel Sport<br />
betrieben.<br />
Welche Erfahrungen haben<br />
Sie während des Grundwehrdienstes<br />
gemacht?<br />
Vor allem während der Grundausbildung<br />
herrschte ein<br />
Entgeltliche Einschaltung<br />
UNSERHEER
strengerer Ton, aber der<br />
Umgang mit uns war immer auf<br />
Augenhöhe. In der Zusammenfassung<br />
würde ich heute die<br />
Ausbildung als „hart, aber fair“<br />
beschreiben. Das ist meiner<br />
Meinung nach auch richtig so,<br />
denn die Grundausbildung ist<br />
der Einstieg ins Soldatenleben.<br />
Sie soll jungen Soldaten das militärische<br />
Rüstzeug für mögliche<br />
Einsätze, aber auch für ihre<br />
spätere Karriere vermitteln und<br />
das funktioniert nur dann, wenn<br />
man dabei auf Disziplin achtet.<br />
Eine gute Ausbildung ist das<br />
Wichtigste, das man jungen<br />
Soldaten für ihren weiteren<br />
Weg mitgeben kann.<br />
Wie haben Sie von dem<br />
„Modell 6+3“ erfahren?<br />
Wir wurden in der Kompanie<br />
darüber informiert, dass es die<br />
Möglichkeit gibt, direkt nach dem<br />
Grundwehrdienst in den Assistenzeinsatz<br />
zu gehen – noch<br />
dazu bei sehr guter Bezahlung!<br />
Wir haben uns dann gleich dafür<br />
interessiert und wurden dann<br />
auch super unterstützt.<br />
Wie waren Ihre Erfahrungen<br />
im Assistenzeinsatz?<br />
Die Erfahrungen in den beiden<br />
Einsatzräumen waren unterschiedlich:<br />
Während ich in Kärnten<br />
Autos am Autobahn-Grenzübergang<br />
kontrolliert habe, gab<br />
es im Burgenland Aufgaben wie<br />
Fußstreifen und Beobachtungsposten.<br />
Im Burgenland war der<br />
Dienst abwechslungsreicher,<br />
aber fordernder. In Kärnten habe<br />
ich den Einsatz durch das Verhältnis<br />
von Dienst zu Bereitschaft<br />
als etwas entspannter<br />
empfunden. Was mich beeindruckt<br />
hat: Im Assistenzeinsatz<br />
war das Verhältnis mit meinen<br />
Vorgesetzten auf einem anderen<br />
Level als im Grundwehrdienst,<br />
viel besser. Weil wir dort alle im<br />
gleichen Boot gesessen sind.<br />
„Ich blicke mit<br />
sehr guten<br />
Erinnerungen<br />
auf meinen<br />
Grundwehrdienst<br />
zurück!“<br />
Gefreiter<br />
Wendelin Schuen<br />
Haben Sie aus Ihrer Zeit beim<br />
Bundesheer etwas für sich<br />
mitgenommen?<br />
Definitiv. Beim Bundesheer lernt<br />
man unglaublich viel. Neben der<br />
Selbstdisziplin hat sich auch<br />
meine Selbsteinschätzung geändert.<br />
Ich habe gelernt, dass ich<br />
zu viel mehr in der Lage bin, als<br />
ich geglaubt habe, wenn ich es<br />
AUF AUGENHÖHE Ausbildung und Einsatz sind<br />
zwei Paar Schuhe – das wurde Rekrut Wendelin<br />
Schuen beim Assistenzeinsatz rasch klar.<br />
nur richtig will und konsequent<br />
versuche. Aber auch zu akzeptieren,<br />
dass Dinge manchmal so<br />
sind, wie sie sind, und langes<br />
Hinterfragen sie nicht ändert.<br />
Man muss ganz einfach immer<br />
das Beste aus den Umständen<br />
machen und lernen, damit zurechtzukommen.<br />
Diese wertvolle<br />
Erfahrung wird mir sicher auch<br />
im späteren Leben noch weiterhelfen!<br />
Apropos weiteres Leben: Wie<br />
schaut es mit Ihrer militärischen<br />
Zukunft aus?<br />
Ich bin zwar nach meinem Dienst<br />
für Österreich ins Zivilleben zurückgekehrt,<br />
strebe aber nun die<br />
modulare Milizunteroffiziersausbildung<br />
an. Es ist schön, dass<br />
ich dem Heer damit verbunden<br />
bleiben kann und ich nicht einfach<br />
weg bin, sondern immer<br />
wieder zurückkommen kann.<br />
Deshalb habe ich mich zur<br />
Miliz gemeldet! Bei Kursen und<br />
Seminaren erwarte ich viel dazu -<br />
zulernen, was in der Privatwirtschaft<br />
auch gerne gesehen wird.<br />
Entgeltliche Einschaltung<br />
Bild: Bundesheer/Farda<br />
Impressum: Amtliche Publikation der Republik Österreich / Bundesministerium für Landesverteidigung. Medieninhaber, Herausgeber und<br />
Hersteller: Republik Österreich / Bundesministerin für Landesverteidigung, BMLV, Roßauer Lände 1, 1090 Wien. Erscheinungsjahr: <strong>2021</strong>.<br />
UNSERHEER
A I R P O W E R 2 0 2 2<br />
AIRPOWER 2022:<br />
VORBEREITUNGEN LAUFEN<br />
Kommenden September wird der Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg wieder<br />
zum Nabel der Fliegerwelt. Bis aber Eurofighter, Gripen, Flying Bulls und Co bei<br />
der Airpower 2022 tatsächlich abheben können, ist für die Organisatoren noch<br />
viel zu tun – ein Update.<br />
Text: MORITZ KOLAR<br />
FOTO : B U N D E S H E E R / LU F TAU F K L Ä R U N G<br />
s ist noch gar nicht so<br />
Elange her, seit die „Airpower<br />
2022“ im kommenden<br />
Jahr offiziell<br />
bestätigt wurde. Für<br />
Projektleiter Brigadier<br />
Wolfgang Prieler fühlen sich die<br />
Wochen seitdem aber deutlich länger<br />
an. „Das ist eine sehr intensive Phase“,<br />
sagt er im Gespräch mit Militär<br />
Aktuell: „Wir haben auch vor der offiziellen<br />
Bekanntgabe schon viel Zeit in<br />
die Planungen gesteckt. Seit Anfang<br />
September arbeitet unser Projektteam<br />
aber nun auf Hochtouren.“ Dabei lassen<br />
sich die Organisatoren auch von<br />
der anhaltenden Corona-Problematik<br />
nicht aus dem Tritt bringen. E-Mails<br />
und Telefonate könnten schließlich<br />
auch aus dem Homeoffice versendet<br />
und geführt werden, so Prieler.<br />
Zum aktuellen Stand der Vorbereitungen<br />
lässt sich der Offizier noch nicht<br />
allzu viel entlocken. Nur so viel: Einladungen<br />
an befreundete Luftwaffen<br />
wurden bereits verschickt, konkrete<br />
Rückmeldungen und erste Details<br />
zum Display-Programm abseits der<br />
rund 50 Luftfahrzeuge des Bundesheeres<br />
und der Flying Bulls seien für<br />
das Frühjahr zu erwarten. „Besonders<br />
ist diesmal, dass wir vor allem aus<br />
dem Bereich der zivilen Luftfahrt<br />
bereits jede Menge Anfragen haben,<br />
erste Pläne für spezielle, noch nie<br />
dagewesene Highlights sind im Entstehen.“<br />
Prieler weiter: „Durch den<br />
Ausfall vieler internationaler Airshows<br />
in den vergangenen Monaten<br />
ist jedenfalls mit einer guten Beteiligung<br />
bekannter Staffeln zu rechnen.“<br />
Mehr ins Detail geht der Airpower-<br />
Projektleiter beim geplanten Nachhaltigkeits-Aspekt<br />
der Flugshow. „Das<br />
Thema besitzt bei uns höchste Priorität.<br />
Wir streben mit der Unterstützung<br />
externer Experten und unter<br />
Einbindung der Wissenschaft die<br />
Umsetzung als nationales und<br />
internationales Role Model für einen<br />
nachhaltigen Großevent an.“ Dazu soll<br />
ein ganzes Bündel von Maßnahmen<br />
beitragen: Mithilfe eines nachhaltigen<br />
Verkehrskonzepts soll beispielsweise<br />
die Anreise von Besuchern weitestgehend<br />
mit öffentlichen Verkehsmitteln<br />
und Shuttle-Konzepten erfolgen, mit<br />
einem Anreizsystem die Bildung von<br />
Fahrgemeinschaften angeregt werden.<br />
Auch für die Bereiche Gastro und<br />
Unterkunftsstellung ist eine Nachhaltigkeitsstrategie<br />
in Ausarbeitung. Bei<br />
der Auftragsvergabe an Zulieferer und<br />
Dienstleister spielen Faktoren wie die<br />
Nachhaltigkeit der Anlieferung oder<br />
die Bildung von Transportgemeinschaften<br />
eine wesentliche Rolle.<br />
Ein großer Fokus liegt bei der „Air -<br />
power 2022“ auch auf der geplanten<br />
Technologieausstellung. „Wir wollen<br />
heimischen und internationalen<br />
Unternehmen sowie Start-ups im<br />
Luftfahrtsektor eine Bühne bieten“, so<br />
Prieler. Nachsatz: „Im Rahmen einer<br />
gemeinsamen Ausstellung ist dabei<br />
vor allem die österreichische Wirtschaft<br />
eingeladen, ihre neuesten<br />
luftfahrtrelevanten Technologien,<br />
Entwicklungen und Innovationen etwa<br />
in den Bereichen Electric Aircraft und<br />
Urban Air Mobility zu präsentieren.“<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 0 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
Teil 1<br />
der neuen Militär<br />
Aktuell-Serie zur<br />
Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule<br />
WO NICHT NUR<br />
PILOTEN<br />
Die Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule<br />
bildet die Piloten und Fliegerabwehr-<br />
WACHSEN<br />
kräfte des Bundesheeres aus – sie ist aber auch<br />
in vielen anderen Bereichen höchst aktiv, wie<br />
wir in dieser und den kommenden Ausgaben<br />
zeigen.<br />
Text & Bilder: GEORG MADER<br />
er Pilot bei den<br />
W<br />
rot-weiß-roten<br />
Streitkräften<br />
werden möchte,<br />
kommt an der<br />
Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule<br />
im niederösterreichischen<br />
Langenlebarn und<br />
dem angeschlossenen Institut Flieger in<br />
Zeltweg nicht vorbei. Die zentrale Ausbildungsstätte<br />
ist für den Nachwuchs<br />
aller Offiziere und Unteroffiziere der<br />
Waffengattungen Flieger und Fliegerabwehr<br />
im Bundesheer verantwortlich<br />
und leistet – davon konnte sich Militär<br />
Aktuell im Rahmen mehrerer Besuche<br />
überzeugen – Erstaunliches und durchaus<br />
Unerwartetes. Dazu zählt auch,<br />
dass es nach der sehr rigiden Eignungsfeststellung<br />
und Selektion zum Militärpiloten<br />
in den kommenden Ausbildungsphasen<br />
kaum mehr „Drop-outs“<br />
gibt. Wer beim Heer also zur Pilotenausbildung<br />
zugelassen wird, zieht diese<br />
in der Regel erfolgreich durch – was so<br />
in den meisten anderen Streitkräften<br />
nicht unbedingt der Fall ist und in<br />
Europa überhaupt einmalig sei. Zuletzt<br />
hat sich daher auch die französische<br />
Luftwaffenakademie über die Abläufe<br />
in Langenlebarn informiert. In diversen<br />
Nischenbereichen konnten sogar Lehr-<br />
Kooperationen vereinbart werden.<br />
Rund 500 Bewerber melden sich jährlich<br />
für die Fliegerlaufbahn. Das klingt<br />
viel, ist aber wenig, wenn dann – wie<br />
zuletzt – nur sieben Bewerber die praktisch<br />
fliegerische Eignungsfeststellung<br />
in der ersten Ausbildungsphase bestehen<br />
und zur Militärpilotenausbildung<br />
bis Phase 4 zugelassen werden (die<br />
Phasen 5 und 6 im Einsatzverband unterstehen<br />
der Truppe und dem neuen<br />
Direktorat 2/Luft). Um den Personal -<br />
bedarf decken zu können, würden allerdings<br />
acht Piloten pro Jahr benötigt,<br />
sind die Hürden also doch zu hoch?<br />
„Nein“, antwortet Oberst des Generalstabsdienstes<br />
Reinhard Kraft, Kommandant<br />
der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule.<br />
„Die Auswahl ist<br />
sicherlich streng. Aber gerade wir können<br />
es uns nicht leisten, die pro Schüler<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
T R U P P E N B E S U C H<br />
mehrere Millionen Euro teure Kernausbildung<br />
mit Leuten zu starten, die<br />
dann in späteren Phasen scheitern.“<br />
Was viele ebenfalls nicht wissen: Obwohl<br />
die einzige regelmäßige militärische<br />
Aufgabe der heimischen Luftstreitkräfte<br />
die Sicherstellung der Luftraumüberwachung<br />
und -sicherung gegen<br />
Bedrohungen aus der Luft ist, verfolgt<br />
die Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule<br />
in der Ausbildung einen<br />
deutlich weiter gefassten Ansatz. „Das<br />
ehemals konventionell geprägte Bedrohungsbild<br />
hat sich auch in unserem<br />
Bereich stark verändert“, sagt Kraft.<br />
„Konflikte wie der Krieg um Bergkarabach<br />
werden zunehmend durch den<br />
flexiblen Einsatz konventioneller und<br />
irregulärer Kräfte entschieden. Informations-<br />
und Cyberkriegsführung<br />
gewinnen ebenso wie der Terrorismus<br />
an Bedeutung und diese Entwicklung<br />
macht auch vor dem Luftraum nicht<br />
halt. Dazu kommt: Unbemannte Einsatzmittel<br />
übernehmen in Konflikten<br />
eine steigende bis hin sogar dominierende<br />
Rolle.“ Folge davon: In praktisch<br />
allen Streitkräften weltweit gewinnt<br />
daher auch die Abwehr unbemannter<br />
Einsatzmittel an Bedeutung – elektronisch<br />
wie physisch. In Langenlebarn ist<br />
– so unser Eindruck und Fazit nach<br />
vielen Gesprächen mit den für den<br />
Themenbereich verantwortlichen Mitarbeitern<br />
– das dafür nötige Basiswissen<br />
bereits vorhanden. In den kommenden<br />
Jahren gelte es nun aber, dieses<br />
Wissen, ebenso wie das Thema elektronische<br />
Kriegsführung (EloKa), verstärkt<br />
in die Truppe zu bringen, so Kraft.<br />
Um im Einsatz bestehen zu können<br />
ist es für Militärs weltweit mittlerweile<br />
unerlässlich, alle Möglichkeiten<br />
des elektromagnetischen Spektrums<br />
zu nutzen. Inzwischen als fester und<br />
wichtiger Bestandteil in der Einsatzführung<br />
etabliert, werden in vielen<br />
Ländern defensive und offensive<br />
elektronische Kampfmittel beschafft<br />
oder – besonders in Russland und<br />
China – vorhandene Systeme auch<br />
bereits aufgerüstet und zum Einsatz<br />
gebracht. Ein solcher Einsatz ohne<br />
elektromagnetische Informationsübertragung,<br />
Leit- und Lenksysteme<br />
für Drohnen oder gelenkte Waffensysteme<br />
ist kaum noch vorstellbar.<br />
Möglichkeiten zur Abwehr dieser<br />
wachsenden Bedrohung waren im<br />
Bundesheer bis zur Beschaffung des<br />
S-70 Black Hawk und den Adaptierungen<br />
von C-130 Hercules und<br />
AB-212 eher theoretischer Natur, das<br />
scheint sich mittlerweile deutlich geändert<br />
zu haben. Militär Aktuell hat<br />
im „Referat EloKa“ jedenfalls interessante<br />
Hintergrundgespräche geführt.<br />
Fazit: Themen wie Einmann-Fliegerabwehrwaffen<br />
(MANPADs) und die<br />
Handhabung der Sensorik zu deren<br />
Abwehr gehören heute längst zum<br />
primären Lehrfeld. Eine Einschränkung<br />
gibt es nur im Bereich der<br />
elektronischen Signalaufklärung<br />
(SIGINT), die in Österreich mangels<br />
Spezialflugzeugen nicht selbst gemacht<br />
werden kann. Die entsprechenden<br />
Bedrohungsbibliotheken<br />
werden aber zugekauft, regelmäßig<br />
aktualisiert und unterrichtet.<br />
Dieser Ansatz passt auch zum Leitspruch<br />
von Oberst Peter Trierweiler,<br />
Leiter des Instituts Flieger, der es sich<br />
am Tag seines letzten PC-7-Fluges vor<br />
seinem Ruhestand (nach mehr als 5.000<br />
Flugstunden) nicht nehmen ließ, uns<br />
ZUSAMMENARBEIT Mit den Luftbildnern der deutschen Luftwaffe gibt es mittlerweile einen regen wechselseitigen<br />
Austausch bei Kursen und Lehrertätigkeiten zwischen der Schule in Langenlebarn und Fürstenfeldbruck.<br />
ALLES IM BLICK Der aus 32 Monitor-Segmenten<br />
gebaute Tower-Simulator hat mit eigenen Datenbanken<br />
für die vier vom Heer (mit)genutzten Flugplätze weniger<br />
als eine halbe Millionen Euro gekostet. Bei einem Fremd -<br />
anbieter wäre alleine die Software teurer gekommen.<br />
Auf den zwölf in Zeltweg stationierten Maschinen des<br />
Typs PC-7 absolvieren die Flugschüler ihre Phase-2- und<br />
Phase-3-Ausbildung.<br />
die seit 2007 von ihm kommandierte<br />
„Pilotenschmiede“ vorzustellen. Gemäß<br />
seinem Leitspruch „officium nobis norma“<br />
(„Einsatz ist unser Maßstab“) sei<br />
man dort „stets am militärischen Puls<br />
der Zeit, um beste Voraussetzungen für<br />
eine optimale Ausbildung des heimischen<br />
Militärpilotennachwuchses zu<br />
schaffen“. Dazu gehöre auch eine<br />
moderne Fort- und Weiterbildung der<br />
Fluglehrer des Instituts.<br />
Spricht man mit seinen Einsatzpiloten<br />
in Zeltweg, kann man abseits allen<br />
Engagements heraushören, dass nach<br />
dem notwendig gewordenen Abstellen<br />
der mehr als 50 Jahre alten Saab-105Ö<br />
im vergangenen Dezember vor Ort<br />
eigene Trainingsjets wichtig wären.<br />
Nicht zur Unterstützung unserer 15<br />
Eurofighter, sondern zur flugsicherheitsrelevanten<br />
Erlangung der fliegerischen<br />
„Proficiency“ nach der Rückkehr<br />
der Pilotenschüler von der nun zur<br />
Gänze in Italien und – sehr teuer – in<br />
Deutschland stattfindenden Phase-4-<br />
beziehungsweise Phase-5-Ausbildung.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 2 H E E R & M E H R<br />
Auf Augenhöhe<br />
Das Bundesheer wird im State Partnership Program der<br />
USA mit der Nationalgarde von Vermont kooperieren. Offiziell<br />
fixiert wird die Zusammenarbeit im kommenden Frühjahr, die<br />
Möglichkeiten klingen aber schon jetzt vielversprechend.<br />
Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
enn US-Amerikaner<br />
von Österreich<br />
W<br />
sprechen, bekommen<br />
sie meist<br />
leuchtende Augen.<br />
Die Berge, die<br />
atemberaubende Landschaft, die schöne<br />
Natur. Schnell ist dann von der Trapp-<br />
Familie die Rede, von Sound of Music.<br />
Das Lied Edelweiß kennt dort jedes<br />
Kind. Was das mit dem Bundesheer zu<br />
tun hat? Jede Menge! Das weltbekannte<br />
Musical gilt nun nämlich auch als Geburtshelfer<br />
einer kürzlich vereinbarten<br />
Kooperation des Bundesheeres mit der<br />
Nationalgarde von Vermont. Die Trapps<br />
waren 1939 nach dem „Anschluss Österreichs“<br />
an Hitlerdeutschland in den im<br />
äußersten Nordosten des Landes gelegenen<br />
Bundesstaat emigriert und dessen<br />
Nationalgarde soll nun im Rahmen des<br />
State Partnership Program (SPP) der<br />
USA mit dem Bundesheer kooperieren.<br />
Das 1993 initiierte Programm war ursprünglich<br />
auf die ehemaligen Republiken<br />
des Warschauer Paktes und der<br />
Sowjetunion zugeschnitten. Im Zuge<br />
einer umfassenden Zusammenarbeit<br />
sollten die Streitkräfte der Ostblockländer<br />
von russischem Niveau, Doktrin und<br />
Inventar auf westliche Standards gebracht<br />
und die Voraussetzungen für<br />
einen NATO-Beitritt geschaffen werden.<br />
Bald schon wurde das Programm auch<br />
auf andere Länder ausgeweitet, heute<br />
umfasst es rund um den Globus mehr<br />
als 80 Kooperationen: Polen arbeitet beispielsweise<br />
mit der Nationalgarde von<br />
Illinois zusammen, Tschechien mit<br />
Nebraska, Kroatien mit Minnesota.<br />
Serbien hat Ohio als Partner, Argentinien<br />
kooperiert mit Georgia und Brasilien<br />
sowie Südafrika mit der Nationalgarde<br />
von New York.<br />
Österreich bekundete bereits länger sein<br />
Interesse am SPP. Nach ersten Gesprächen<br />
im Jahr 2019 verkündete US-Außenminister<br />
Mike Pompeo bei seinem<br />
Wien-Besuch im August des Vorjahres<br />
schließlich die Aufnahme Österreichs.<br />
Was folgte, waren langwierige US-interne<br />
Verhandlungen: Die Nationalgarden<br />
von insgesamt 17 Staaten interessierten<br />
sich für die Zusammenarbeit mit dem<br />
Bundesheer. Letztlich machte Vermont<br />
– das seit 1994 bereits SPP-Kooperationen<br />
mit Nordmazedonien (in der Zeit<br />
wurden 350 gemeinsame militärische<br />
Aktivitäten gesetzt) und seit 2008 auch<br />
mit dem Senegal unterhält – nicht<br />
zuletzt auch wegen der gemeinsamen<br />
Trapp-Historie das Rennen. Ausschlaggebender<br />
dürften aber die geografischen<br />
und klimatischen Gemeinsamkeiten gewesen<br />
sein, wie Generalmajor Gregory<br />
Knight, der Kommandant der „Green<br />
Mountain Boys“, erklärt: „Die gemeinsamen<br />
Voraussetzungen machen eine<br />
Partnerschaft mit Österreich jedenfalls<br />
sehr interessant.“ Ebenfalls für Vermont<br />
gesprochen haben dürften die bereits<br />
bestehenden Kooperationen: Schon seit<br />
1983 arbeiten die Army Mountain Warfare<br />
School der Vermont National Guard,<br />
das US Army Biathlon Program und das<br />
86 th Infantry Brigade Combat Team<br />
(Mountain) mit den rot-weiß-roten<br />
Streitkräften zusammen. Seit sechs Jahren<br />
besteht im Physical Security and<br />
Stockpile Management Program zudem<br />
eine Ausbildungszusammenarbeit mit<br />
dem Senegal und Österreich zur sicheren<br />
Lagerung und Entsorgung von Munition.<br />
Das Bundesheer wiederum unterstützt<br />
seit einigen Jahren den Senegal<br />
bei der Ausbildung seiner Kampfschwimmer.<br />
Zuletzt wurden im Rahmen<br />
der vom US Militär einmal jährlich in<br />
Nordwestafrika abgehaltenen internationalen<br />
Übung „Flintlock“ im Jahr 2019<br />
senegalesische Kampfschwimmer von<br />
Jagdkommando-Kräften ausgebildet.<br />
Spannend wird es, wenn es um die Inhalte<br />
der nun beschlossenen, allerdings<br />
noch nicht offiziell fixierten Kooperation<br />
geht – Verteidigungsministerin<br />
Klaudia Tanner wird zur Unterschrift im<br />
Frühjahr 2022 in den USA erwartet. Da<br />
gilt nämlich: Alles ist möglich. Laut Informationen<br />
aus dem Verteidigungsministerium<br />
könne Österreich mehr oder<br />
weniger aus dem Vollen schöpfen, sei<br />
man in Vermont auch sehr an rot-weißrotem<br />
Know-how und einer Zusammenarbeit<br />
auf Augenhöhe interessiert. Mögliche<br />
Kooperationsfelder würden sich in<br />
der Cyber-Security und bei der ABC-<br />
Abwehr auftun, aber auch im Bereich<br />
der Militärmedizin, bei Drohnen und<br />
Drohnenabwehr, beim Grenzschutz, bei<br />
der Katastrophenhilfe und der Miliz sowie<br />
der Bekämpfung des internationalen<br />
Terrorismus. Gemeinsame Ausbildungsund<br />
Übungsaktivitäten könnten zudem<br />
den Alpinbereich umfassen und die Aufklärungsfähigkeit<br />
in allen Domänen.<br />
Selbst bei den Luftstreitkräften ist vieles<br />
denkbar. Zur rund 4.000 Soldaten zählenden<br />
Nationalgarde von Vermont<br />
gehört nämlich mit dem 158 th Fighter<br />
FOtO S : B U N D E S H E E R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
S T A T E P A R T N E R S H I P P R O G R A M<br />
Die<br />
Nationalgarde<br />
Vermonts<br />
EDELWEISS RAID 2019 Eine<br />
Zusammenarbeit zwischen dem<br />
Bundesheer und der Nationalgarde<br />
von Vermont ergab sich vor zwei<br />
Jahren auch im Rahmen des international<br />
besetzten Bergwettkampfs.<br />
Das Team der „Green Mountain<br />
Boys“ konnte dabei gleich bei der<br />
ersten Teilnahme das Ziel erreichen.<br />
Wing auch ein Luftelement. Das Geschwader<br />
betreibt 20 Stück des hochmodernen<br />
Kampfflugzeugs F-35A Lightning<br />
II. Arnold Kammel, Kabinettschef im<br />
Verteidigungsministerium und eingeteilter<br />
Leiter der Generaldirektion Verteidigungspolitik,<br />
der im Rahmen der eineinhalbjährlich<br />
stattfindenden „Defense<br />
Talks“ mit den USA maßgeblich am Zustandekommen<br />
der Kooperation beteiligt<br />
war, ist sicher: „Diese Partnerschaft<br />
wird sich positiv auf die sicherheitspolitische<br />
Zusammenarbeit auswirken und<br />
dem Bundesheer einen weiteren hochwertigen<br />
Austausch von Know-how ermöglichen.“<br />
Brigadier Peter Vorhofer<br />
als eingeteilter Leiter der Direktion für<br />
Verteidigungspolitik und internationale<br />
Beziehungen wird dies mit der Abteilung<br />
Militärdiplomatie in der weiteren<br />
Umsetzung begleiten.<br />
Interessant: Bei den Soldaten der Nationalgarde<br />
handelt es sich zwar auf dem<br />
Papier um Milizsoldaten, ihre Erstverpflichtung<br />
beträgt in den meisten Fällen<br />
aber acht Jahre (!), die Gesamtverpflichtung<br />
bis zu 20 Jahre. Um das Niveau zu<br />
halten, üben die Soldaten nach ihrer<br />
Rückkehr ins Zivilleben bis zu drei Tage<br />
Die Vermont National Guard<br />
(VTNG) ist Teil der 1903 aufgestellten<br />
Nationalgarde der Vereinigten<br />
Staaten und untersteht stets dem<br />
Gouverneur des Bundesstaates, aktuell<br />
ist das der ehemalige Stockcar-<br />
Champion Phil Scott von der Republikanischen<br />
Partei. Der Militärische<br />
Befehlshaber ist Generalmajor<br />
Gregory Knight. Gegliedert ist die<br />
VTNG in die Army National Guard<br />
und die Air National Guard mit<br />
einer Personalstärke von insgesamt<br />
knapp 4.000 Soldatinnen und<br />
Soldaten. Zur Army National Guard<br />
gehören die 124 th Regional Training<br />
School, das Garrison Support Command<br />
und mit dem 86 th Infantry<br />
Brigade Combat Team der einzige<br />
auf Gebirgskriegsführung spezialisierte<br />
Großverband der US-Landstreitkräfte.<br />
Die Air National Guard<br />
von Vermont wiederum wird von<br />
dem auf der Burlington Air Base<br />
stationierten 158 th Fighter Wing<br />
mit insgesamt 20 Kampfjets F-35A<br />
Lightning II gebildet.<br />
pro Monat und zwei Wochen pro Jahr.<br />
Langfristig könnte die Kooperation auch<br />
über die militärische Zusammenarbeit<br />
hinaus Früchte tragen, wie Vermonts<br />
Gouverneur Phil Scott erklärt: „Ich bin<br />
gespannt, wie sich unsere neue Partnerschaft<br />
mit Österreich entwickelt, denn<br />
bekanntlich unterstützt das State Partnership<br />
Program nicht nur die militärischen<br />
Bemühungen, sondern auch die<br />
wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen.“<br />
Nachsatz Knight: „Wir wollen<br />
unsere neue militärische Beziehung auch<br />
als Sprungbrett für weiteres ziviles Engagement<br />
und wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
nutzen.“ Nicht ausgeschlossen also,<br />
dass Sound of Music und die Trapps in<br />
den Beziehungen zwischen Österreich<br />
und Vermont schon bald eine noch<br />
größere Rolle spielen als ohnehin schon.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 4 H E E R & M E H R<br />
Was wäre, wenn …?<br />
Ich möchte Soldatin werden. Man lasse sich das auf der Zunge zergehen. Ich,<br />
unsportlichster Mensch ever, möchte Soldatin werden! Aber gut, Entwarnung:<br />
Ich möchte nur heute Soldatin werden, und zwar für diese Reportage.<br />
Ein Lokalaugenschein im „Checkpoint MaHü“.<br />
Text: CONNY DERDAK<br />
Fotos: PETRA RAUTENSTRAUCH<br />
an verstehe mich<br />
M<br />
bitte nicht falsch –<br />
das Bundesheer<br />
fasziniert mich. Es<br />
gibt ganz klare Regeln<br />
und Strukturen.<br />
Man ist gut aufgehoben, zelebriert<br />
den zwischenmenschlichen Zusammenhalt<br />
und hat tolle Karrierechancen. Das<br />
gefällt mir. Und wären nun auch noch<br />
Sport und körperliche Verausgabung<br />
mein Steckenpferd, dann wäre ich sofort<br />
dabei. Aber so ist es nun mal nicht. „Unsportlichkeit<br />
ist kein Ausschlussgrund“,<br />
besänftigt mich Wehrdienstberater Vizeleutnant<br />
Gunther Schuster. „Wer noch<br />
nicht sportlich ist, der kann das trainieren,<br />
und wir bieten dafür die Hilfestellung.“<br />
Ich blicke ihn ungläubig an. „Wir<br />
hatten eine Bewerberin, die hat ein Jahr<br />
lang trainiert, und nun ist sie Frau<br />
Hauptmann bei der Miliz.“ Okay, die<br />
Frau hat Biss.<br />
Ich habe eingecheckt im Checkpoint<br />
MaHü, dem neuen repräsentativen Beratungszentrum<br />
des Bundesheeres mitten<br />
auf der Wiener Mariahilfer Straße.<br />
Schick ist es hier. Clean, hohe Räume,<br />
Glasvitrinen mit Exponaten, die<br />
man im Webshop erstehen kann.<br />
Große Screens und VR-Brillen zum<br />
Bestaunen von (360-Grad-)Filmen. Mit<br />
dem typischen Armyshop hat dieser<br />
Raum nichts gemein – sehr erfrischend,<br />
wie ich finde.<br />
Empfangen wurde ich wenige Minuten<br />
zuvor von zwei freundlichen Soldaten,<br />
nun sitze ich mit Vizeleutnant Schuster<br />
in der Beratungskoje. Zum Zweck der<br />
optimalen Vorbereitung auf die Eignungsprüfung<br />
gebe es spezielle Vorbereitungstage<br />
und -wochenenden, erfahre<br />
ich. Ich könne daran auch einmal ganz<br />
unverbindlich teilnehmen. Dort werde<br />
meine Leistung überprüft, die staatlich<br />
geprüften Trainerinnen und Trainer<br />
machen mit mir eine Laufstilanalyse,<br />
danach bekomme ich einen persönlichen<br />
Trainingsplan. Und als ich erfahre, was<br />
die dreitägige Eignungsprüfung alles<br />
beinhaltet, wird mir klar, dass ich diesen<br />
bitter nötig hätte: Liegestütze, 2.400-Meter-Lauf,<br />
Standhochsprung, Klimmzüge.<br />
Und Schwimmen. Gut, wenigstens eine<br />
Sache, die ich hinbekomme – ich plantsche<br />
gerne. Dazu kommen noch psycho-<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
R E P O R TA G E<br />
INFOGESPRÄCH Die Wehrdienstberater<br />
nehmen sich Zeit, um alle Fragen rund um eine<br />
Karriere beim Heer detailliert zu erklären.<br />
„Wir müssen<br />
raus aus den<br />
Kasernen“<br />
Oberst Karl Schifflhuber<br />
vom Heerespersonalamt<br />
über die Learnings und<br />
Erfahrungen der ersten<br />
Wochen.<br />
logische Härtetests, Wissenstests und<br />
sehr, sehr viele Stunden ohne Schlaf. Ich<br />
spreche von mehr als einem ganzen Tag<br />
und einer ganzen Nacht.<br />
Dann zeigt mir der Herr Vizeleutnant<br />
meine Möglichkeiten auf: Ohne Matura<br />
kann ich Unteroffizier werden, mit Matura<br />
Offizier. Für Letzteres müsste ich ein<br />
Studium an der Theresianischen Militärakademie<br />
ablegen. „Bloß nicht noch einmal<br />
studieren!“, denke ich und bekomme<br />
die Möglichkeit zum Milizoffizier feilgeboten<br />
– auf diesem Ausbildungsweg<br />
müsse ich lediglich Kurse an der Militärakademie<br />
belegen. Die Offizierslaufbahn<br />
könne man allerdings nur bis zum<br />
37. Lebensjahr einschlagen. Ob ich denn<br />
im zarten Alter von 38 Jahren noch<br />
Pilotin werden könne, möchte ich wissen,<br />
und bin überrascht über das „Ja“,<br />
das mir entgegengebracht wird. Da gebe<br />
es kein Alterslimit. Einzige (und wichtige)<br />
Kriterien: eine Wertungsziffer von<br />
mindestens sieben für Männer bei der<br />
Stellung und für Frauen bei der Eignungsprüfung<br />
sowie das Bestehen der<br />
ALLES IM BLICK Durch die 360-Grad-VR-Brille bekomme<br />
ich einen Rundum-Einblick in Panzer und Hubschrauber.<br />
HEER IM BILD Auf dem überdimensionalen Screen laufen<br />
Imagevideos über verschiedene Waffengattungen.<br />
Pilotenauswahltestung – mit zunehmendem<br />
Alter werde das jedoch immer<br />
schwerer.<br />
Während meiner Beratung wird nichts<br />
beschönigt, der zuvorkommende Wehrdienstberater<br />
erklärt mir alles detailliert<br />
und realitätskonform. Ich fühle mich an<br />
der Hand genommen, habe den Eindruck,<br />
man würde sich um mich bemühen,<br />
hätte ich denn tatsächlich Lust auf<br />
den Soldatinnenjob.<br />
„One Day I’ll Fly Away“, hallt es in meinem<br />
Kopf, als ich mich verabschiede.<br />
Vielleicht schaue ich mir so einen Vorbereitungstag<br />
ja einmal an. Bloß so …<br />
Herr Oberst, wie ist der Checkpoint<br />
angelaufen?<br />
Allein schon durch die Eröffnungsfeier<br />
am 15. September entstand ad<br />
hoc Popularität. Der Checkpoint<br />
kommt sehr gut an, es herrscht<br />
aber teilweise noch ein diffiziles<br />
Verständnis, weil manche Leute<br />
den Checkpoint als reinen Shop<br />
gesehen haben und nicht als das,<br />
was er eigentlich ist, nämlich Beratungsstelle<br />
und Informationsbüro.<br />
Anfangs haben alle nach Kurbelradios<br />
zur Blackout-Vorsorge gefragt.<br />
Welche Art von Beratung bieten<br />
Sie an?<br />
Alles – vom Grundwehrdienst<br />
über die Stellung bis hin zu Jobmöglichkeiten<br />
vom Lehrling bis<br />
zum Militärpiloten.<br />
Was gefällt den Leuten, die vorbeikommen,<br />
besonders?<br />
Der Ort und das Ambiente. Wir<br />
befinden uns mit einem modernen<br />
Auftritt und einer tollen Multimedia -<br />
ausstattung in einer beliebten Einkaufsstraße.<br />
Der riesige Screen mit<br />
unseren Videos über Waffengattungen<br />
beim Eingang kommt besonders<br />
gut an.<br />
Was ist für die Zukunft geplant?<br />
Es gibt Überlegungen, solche<br />
Checkpoints auch in anderen<br />
Hauptstädten zu etablieren. Wir<br />
müssen raus aus den Kasernen,<br />
damit die Leute auch „zufällig“<br />
bei uns hereinstolpern können.<br />
M I L I t Ä R A K t u E L L
0 3 6 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
MISSIONPOSSIBLE<br />
OUTDOOR ÜBERLEBEN MIT DEM<br />
JÄGERBATAILLON<br />
Von der Überquerung eines Gewässers und der Nahrungssuche in der Wildnis<br />
bis zur Orientierung im Gelände: Gemeinsam mit dem Jägerbataillon 25<br />
beschreiben wir in jeder Ausgabe Outdoor-Überlebenstechniken. Dieses Mal:<br />
der Bau eines Schüttbiwaks im Schnee.<br />
Text: JÜRGEN ZACHARIAS<br />
Fotos: SEBASTIAN FREILER<br />
D<br />
as Wichtigste in einer<br />
Überlebenssituation ist<br />
erst einmal, warm und<br />
trocken zu bleiben. Das<br />
ist im Sommer natürlich deutlich<br />
einfacher als im Winter, wenn die<br />
Temperaturen auch in unseren Breiten<br />
auf minus 10 bis minus 15 Grad,<br />
im Extremfall sogar auf minus 25<br />
Grad sinken können. Wenn es dann<br />
auch noch stürmt und schneit, ist es<br />
nicht nur hilfreich und angenehm,<br />
sondern überlebenswichtig, sich für<br />
die Nacht eine sichere, wärmende<br />
und wasserdichte Notunterkunft zu<br />
bauen. Möglichkeiten dafür gibt es<br />
einige – besonders praktisch ist die<br />
Errichtung eines Schüttbiwaks, in<br />
dem die Temperatur sogar leichte<br />
Plusgrade erreichen kann und bis<br />
zu fünf Personen ausreichend Platz<br />
finden. Für den Aufbau braucht es<br />
nicht mehr als eine Schaufel, eine<br />
Plane (Biwaksack, Regentarp, …),<br />
Rucksäcke, Zweige und Äste sowie<br />
jede Menge Schnee.<br />
Erster Schritt: Die Wahl eines geeigneten<br />
Standorts (1). Ideal sind windberuhigte,<br />
eher schneereiche und<br />
möglichst flache Stellen. Dabei darauf<br />
achten, dass der Standort in jedem<br />
Fall vor Lawinen sicher ist.<br />
Anschließend die Grundfläche des<br />
Biwaks festtreten, Rucksäcke dicht<br />
2<br />
1<br />
Standortwahl<br />
Rucksäcke auflegen<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
Expertentipp<br />
„Um unnötige Kraftanstrengung<br />
zu vermeiden und es im Inneren<br />
möglichst warm zu haben, sollte<br />
das Biwak gerade groß genug<br />
sein, um darin zu schlafen und<br />
seine Ausrüstung zu verstauen. “<br />
Soldat des Jägerbataillons 25<br />
nebeneinander im Zentrum des ausgetretenen<br />
Bereichs ablegen und mit<br />
einer Plane abdecken (2). Ergänzend<br />
oder alternativ zu den Rucksäcken<br />
aus Ästen, Zweigen und Blättern ein<br />
Gerüst bauen.<br />
S U R V I V A L G U I D E<br />
Nun beginnt der anstrengende Teil<br />
der Arbeit: Mit einer Schaufel (alternativ<br />
Dose, Topf oder einen Schneeschuh<br />
verwenden) von allen Seiten<br />
möglichst viel Schnee auf Rucksäcke<br />
und Plane schaufeln (3) und regel -<br />
SCHRITT FÜR SCHRITT<br />
ZUM SCHÜTTBIWAK<br />
4<br />
Innenausbau<br />
5<br />
Eingang graben &<br />
Rucksäcke entfernen<br />
Biwak optimieren<br />
3<br />
Schnee aufhäufen &<br />
verdichten<br />
6<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 3 8 H E E R &<br />
M<br />
E H R<br />
mäßig verdichten. Die Schneeschicht<br />
über den Rucksäcken sollte am Ende<br />
zumindest eineinhalb – besser<br />
zwei – Meter betragen. Der Haufen<br />
muss groß genug sein, dass darin alle<br />
Personen Platz finden. Abschließend<br />
reihum mehrere 40 bis 50 Zentimeter<br />
lange Äste in die Schneekuppel<br />
stecken – sie lassen später Rückschlüsse<br />
auf die Dicke der Wände zu.<br />
Nächster Schritt: Die Rucksäcke wieder<br />
entfernen. Dazu an der windabgewandten<br />
Seite des Haufens zuerst<br />
ein Loch nach unten graben und<br />
ausgehend von diesem Loch schräg<br />
hoch in Richtung Rucksäcke vorarbeiten<br />
(4). So entsteht ein Kältegraben,<br />
über den die kalte Luft abfliessen<br />
kann, während die warme Luft<br />
im Schlafbereich bleibt.<br />
Nun geht es um den Innenausbau:<br />
Rucksäcke, Zweige und Äste sowie<br />
Plane entfernen und den Hohlraum<br />
nach allen Seiten weiten. Dazu mit<br />
der Schaufel vorsichtig Schnee von<br />
Decke und Wänden kratzen und<br />
den Schnee mithilfe der Plane nach<br />
draußen befördern (5). Nicht mehr<br />
weitergraben, wenn Licht durch den<br />
Schnee zu sehen ist oder man auf die<br />
zuvor von außen in die Kuppel gesteckten<br />
Äste stößt – Einsturzgefahr!<br />
Wenn die Größe passt, können noch<br />
Flächen zum Liegen herausgegraben,<br />
der Eingangstunnel verbessert und<br />
andere Verbesserungen vorgenommen<br />
werden (6). Die Höhle sollte im<br />
Endausbau in jedem Fall hoch genug<br />
sein, um darin zu sitzen, und tief genug,<br />
um darin liegen und die Ausrüstung<br />
verstauen zu können.<br />
Abschließend das Biwak fertig einrichten.<br />
Die Schlafplätze idealerweise<br />
mit einer Schicht aus Blättern<br />
oder Reisig isolieren, mit Plane oder<br />
Isomatte abdecken und darüber<br />
Schlafsack oder Biwaksack ausbreiten.<br />
Den Eingang von innen zum<br />
besseren Kälteschutz mit einem<br />
Rucksack oder einem stabilen<br />
Schneeblock verschließen. Achtung:<br />
Davor unbedingt zwei oder drei<br />
Belüftungslöcher in Decke und<br />
Wände des Biwaks bohren, um für<br />
ausreichend Frischluft zu sorgen und<br />
eine Kohlenmonoxid-Vergiftung zu<br />
vermeiden!<br />
Expertentipp<br />
„Die Temperatur im<br />
Biwak möglichst konstant<br />
halten. Schnee, der schmilzt<br />
und dann wieder gefriert,<br />
isoliert nicht mehr.“<br />
Soldat des Jägerbataillons 25<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
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Krieg der Sterne: Im Orbit<br />
tobt ein Wettstreit um<br />
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Neben den USA, China<br />
und Russland unterhalten<br />
längst auch andere Länder<br />
eigene Weltraumtruppen.<br />
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0 4 0<br />
S I C h E R h E I T & W I R T S C h A F T<br />
DAS COMEBACK DER<br />
SCHLACHTKREUZER<br />
Es ist gar nicht so lange her, da galten Schlachtschiffe und -kreuzer als veraltet<br />
und als nicht mehr zeitgemäß. Die erst 1986 vom Stapel gelassene nukleargetriebene<br />
russische „Admiral Nachimow“ wurde daher schon 1999 wieder<br />
außer Dienst gestellt. Allerdings nur vorübergehend, wie sich nun zeigt –<br />
in Russland scheint man in dem Dickschiff neue Qualitäten zu erkennen.<br />
Seit 2014 und voraussichtlich noch bis 2023 wird die „Nachimow“ daher umfassend<br />
modernisiert. Dabei wird insbesondere die Bewaffnung mit 174 Startern<br />
für insgesamt 300 Flugkörper (!) auf weltweit höchsten Stand gebracht.<br />
Statt der ehemals verbauten schrägen Starter für SS-N-19 bekommt das Schiff<br />
nun solche für hochmoderne S-500 (die sogar Interkontinentalraketen abfangen<br />
können soll) sowie zehn Senkrechtstartanlagen für bis zu 80 Flugkörper<br />
der Typen Kalibr (3.000 Kilometer Reichweite) und Oniks sowie<br />
für den Hyperschallgleiter 3M22 Tsirkon. Damit kann der russische<br />
Schlachtkreuzer selbst US-Trägergruppen ernsthaft bedrohen,<br />
von Oberwasserschiffen anderer Nationen gar nicht zu reden.<br />
Nach der „Nachimow“ durchläuft auch das Schwesternschiff<br />
„Pjotr Velikiy“ denselben Modernisierungsprozess, sie<br />
soll 2024 wieder in Dienst gestellt werden. Kosten<br />
pro Schiff: rund 1,5 Milliarden Euro.<br />
IM FOKUS<br />
DER KONZERN<br />
IM ÜBERBLICK<br />
Gründung<br />
1987<br />
Umsatz<br />
2,6 Mrd. Euro (2020)<br />
Produkte<br />
Luftabwehrsystem<br />
Nasam, Flugkörper<br />
Naval Strike Missile &<br />
Joint Strike Missle, …<br />
KONGSBERG DEFENCE & AEROSPACE<br />
Laut einem aktuellen Bericht verkauften Norwegens Rüstungsbetriebe 2020 militärische<br />
Ausrüstung im Wert von 620 Millionen Euro ins Ausland. Der Löwenanteil<br />
davon entfällt auf Kongsberg Defence & Aerospace (KDA). Norwegens größtes<br />
Rüstungsunternehmen reüssierte zuletzt vor allem mit seinem Luftverteidigungssystem<br />
Nasams (Bild), das Luft-Luft-Flugkörper wie AIM-120 Amraam vom Boden<br />
aus zum Einsatz bringt. Inzwischen gibt es zwölf Kunden, zuletzt entschlossen<br />
sich Indonesien, Litauen und Ungarn für eine Beschaffung. Gemeinsam mit Thyssenkrupp<br />
Marine Systems darf sich KDA aktuell zudem über einen 5,5-Milliarden-<br />
Euro-Auftrag zur Lieferung von zwei U-Booten an die deutsche und vier an die<br />
norwegische Marine freuen. Der Bau soll 2023 beginnen, die Auslieferungen an<br />
Oslo 2029 und an Berlin 2032 erfolgen. Last, but not least, stellt KDA als Partner<br />
von Lockheed mit der 416 Kilogramm schweren Joint Strike Missile seit 2018 einen<br />
Flugkörper für alle Nutzer des F-35. Die griechische Marine nutzt zudem Kongsbergs<br />
Anti-Schiffsrakete Penguin für seinen Marinehubschrauber SH-60.<br />
FOTO S : K R E M L I N . R u, KO N g S B E R g , FA F<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
N E W S A U S D E R S I C H E R H E I T S B R A N C H E<br />
„EX-SCHWEIZER HAWK SIND EINE ERFOLGSGESCHICHTE“<br />
GENERALMAJOR<br />
PASI JOKINEN<br />
kommandiert die<br />
finnischen Luftstreitkräfte<br />
seit April 2019.<br />
In Finnland steht mit Jahresende die Typenentscheidung<br />
für die geplante Beschaffung von 64 Kampfflugzeugen<br />
als Ersatz für die aktuelle F/A-18-Flotte an. Militär Aktuell<br />
sprach darüber mit Generalmajor Pasi Jokinen, dem<br />
Kommandanten der finnischen Luftwaffe (Ilmavoimat).<br />
Herr Generalmajor, wie steht es um die geplante Jet-<br />
Beschaffung. Welche Innovationen erwarten Sie davon?<br />
Der Status des Programms ist solide, die Bedeckung steht.<br />
Das Jahresmilitärbudget wurde dafür um 54 Prozent angehoben,<br />
die Gesamtkonsten werden mit rund zehn Milliarden<br />
Euro kalkuliert. Am 30. April sind die finalen Anbote<br />
zu F-35, Eurofighter, Rafále und Super Hornet eingegangen.<br />
Nun werden diese bis Jahresende analysiert und<br />
bewertet. Wichtig ist uns vor allem, dass die Sensor- und<br />
Rechnerleistungen der neuen Plattformen auf dem neuesten<br />
Stand sind. Das ist notwendig, damit die Maschinen<br />
– angesichts erwartbarer zukünftiger Technologiesprünge,<br />
aber auch der sich in unserer Region aufbauenden<br />
Bedrohungen – langfristig ausreichend Aufwuchspotenzial<br />
bieten. Der Zulauf des neuen Musters soll dann<br />
ab 2025 beginnnen.<br />
Das heißt, zumindest ein Teil der F/A-18C/D wird bis etwa<br />
2030 in Betrieb sein. Braucht es dafür noch Updates?<br />
Nein. Wir haben an den Maschinen bereits zwei große<br />
Mid-Life-Aufwertungen durchgeführt, Primärwaffen,<br />
Avionik und Kommunikationssysteme sind auf dem<br />
neuesten Stand. 2006 bis 2010 erhielten die Maschinen AIM-<br />
9X-Lenkwaffen sowie ein Helmvisier. 2012 bis 2016 folgten Luft-<br />
Boden-Präzisionswaffen Joint Direct Attack Munition, die gleitende<br />
AGM-154 Joint Standoff Weapon, 70 Stück des angetriebenen<br />
AGM-158A Joint Air-to-Surface-Flugkörpers mit 270 Kilometern<br />
Reichweite und elektro-optische Litening-Zielbehälter.<br />
2007 übernahm die Ilmavoimat alte BAE Hawk Mk.66-Trainer<br />
(Bild) der Schweizer, frühe Exemplare mit Analog-Cockpit.<br />
Fliegen die Maschinen noch und inwieweit wurden sie an die<br />
Hawks angeglichen, über die Finnland bereits zuvor verfügte?<br />
Sie fliegen noch und die Beschaffung ist eine einzige Erfolgsgeschichte.<br />
Wir haben die 18 Schweizer Maschinen und unsere 16<br />
älteren Mk.51 gemeinsam mit unserem Industriepartner Patria<br />
auf die gleiche Bildschirm-Cockpit-Konfiguration aufgerüstet.<br />
Heute umfasst unsere operationelle Flotte noch 32 Stück.<br />
Genügt die Pilotenausbildung damit zukünftigen Ansprüchen?<br />
Das System wird mit simuliertem Bordradar, Radarwarnempfänger<br />
und mit Datalink bis in die späten 2030er-Jahre eine<br />
bedeutende Rolle in unserer Ausbildung spielen. Die kritische<br />
Situationsübersicht lässt sich damit mehr als ausreichend<br />
erlernen und trainieren. Um die künftige Pilotenschnittstelle<br />
noch besser abzubilden, wollen wir aber gemeinsam mit Patria<br />
nach der Kampfjetbeschaffung weitere Soft- und Hardwareanpassungen<br />
durchführen. Unabhängig davon sind die Hawks<br />
auch für den „Download“ teurer Kampfjet-Stunden wichtig und<br />
werden auch für Blue- und Red Air-Simulationen eingesetzt.<br />
Ihr Partner für Sicherheit und Verteidigung
0 4 2 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
DIE NETFLIX REVOLUTION<br />
Am 13. November fand im Madinat Jumeirah in Dubai die bereits zehnte Auflage<br />
der Dubai Air Chiefs Conference statt. Wie schon in den vergangenen Jahren war<br />
Militär Aktuell auch heuer als Medienpartner mit dabei. Ein Rückblick.<br />
Text & Foto: GEORG MADER<br />
A<br />
ls Schirmherr der Dubai<br />
Air Chiefs Conference<br />
wurde Scheich<br />
Mohammed bin Rashid<br />
Al Maktoum, Premierminister<br />
der VAE<br />
und Herrscher von Dubai, bei der Eröffnung<br />
von seinem Staatsminister für Verteidigung<br />
Mohammed bin Ahmad Al<br />
Bowardi vertreten. Al Bowardi konzentrierte<br />
sich in seinem Vortrag auf die<br />
sich verändernde Natur der Kriegsführung<br />
und die künftige Entwicklung der<br />
Luftwaffen mit Multi-Domain-Operationen.<br />
Er bekräftigte die Bedeutung der<br />
internationalen Zusammenarbeit bei der<br />
Bewältigung zukünftiger Herausforderungen<br />
und hob die Schlüsselrolle neuer<br />
Technologien und Konzepte für zukünftige<br />
Lufterfolge hervor. „Wir müssen unsere<br />
Bemühungen und all unsere Kreativität<br />
konsolidieren, um anhaltende und<br />
zukünftige Bedrohungen zu lösen und<br />
um Sicherheit, Frieden und Entwicklung<br />
in unseren Ländern zu schützen.“<br />
In Folge drehten sich die Vorträge vor allem<br />
um das Thema Informationsdominanz<br />
und die Ausformung operationeller<br />
Strategien über alle Domänen hinweg.<br />
Für Aufsehen sorgte dabei USAF-Stabschef<br />
General Charles Q. Brown (Bild,<br />
Zweiter von rechts), der die Gefahr<br />
„disruptiver“ Bedrohungen hervorhob.<br />
Um diesen zu begegnen, müsse man neu<br />
denken und sollten sich Kommandeure<br />
durchaus an Netflix orientieren, so<br />
Brown. Von dem TV-Streaming-Pionier<br />
könnten sie lernen wie sich mit neuen<br />
Technologien ein ganzer Markt – oder<br />
umgelegt auf die militärische Ebene:<br />
das Schlachtfeld – revolutionieren lasse.<br />
Netflix habe ein Hardwareprodukt<br />
(DVD) durch innovative Software ersetzt<br />
und so für völlig neue Realitäten<br />
gesorgt. „Wir müssen nun die Art und<br />
Weise, wie Militär wirkt, in ein ähnli-<br />
HOCHRANGIG Vertreter aus rund 70 Staaten nahmen an der Dubai Air Chiefs Conference teil.<br />
ches, interoperables Modell überleiten.“<br />
Der US-Airchief weiter: „Information ist<br />
heute eine Waffe und für Militärs genauso<br />
wichtig wie Treibstoff oder Raketen.<br />
Sie ist die ‚Software‘, die man entweder<br />
hat, dem Gegner vorenthält und verfälscht<br />
– oder die einem selbst genommen<br />
wird.“ Um das volle Potenzial neuer<br />
Technologien nutzen zu können, müssten<br />
moderne Streitkräfte laut Brown in<br />
Zukunft noch interoperabler werden<br />
und sich auf Informationsebene verstärkt<br />
mit Verbündeten zusammentun.<br />
Im Moment würden dem noch zu viele<br />
bürokratische Hürden im Weg stehen.<br />
„Nationale Richtlinien dürfen uns nicht<br />
daran hindern, Daten zu teilen, von denen<br />
unsere Besatzungen profitieren und<br />
von denen letztlich ihr Leben abhängt.“<br />
Anschließend gingen die Luftwaffenchefs<br />
aus Frankreich, Australien und<br />
Deutschland auf bevorstehende Revolutionen<br />
in der Kriegsführung ein. Die<br />
Rede war dabei von künstlicher Intelligenz,<br />
Supercomputing, Cyberwaffen,<br />
einem Trend zu nicht-kinetischen Effekten,<br />
der steigenden Abhängigkeit von<br />
Daten und Software sowie Entwicklungen<br />
mit Blickrichtung Weltraum, die<br />
neben den großen vor allem auch kleine<br />
Luftwaffen zunehmend vor Herausforderungen<br />
stellen. Diesen könne man<br />
aber auch mit vergleichsweise geringen<br />
Investitionen erfolgreich begegnen, so<br />
General Dennis Luyt, Kommandeur der<br />
Niederländischen Luftwaffe. „Die Bedeutung<br />
der Verschmelzung der Weltraum-<br />
und Cyberspace-Domänen ist für<br />
zukünftige Luftoperationen entscheidend.“<br />
Um dabei nicht ins Hintertreffen<br />
zu geraten, haben die Niederlande kürzlich<br />
– wie Luyt sichtlich stolz ausführte<br />
– einen eigenen, gerade einmal zwei<br />
Schuhkartons großen, Kleinsatelliten<br />
gestartet. Das weniger als fünf Millionen<br />
Euro teure System erledige nun wertvolle<br />
Aufklärungsarbeit auch für Verbündete<br />
und könne zudem frühzeitig vor<br />
Sonnenwinden und Magnetstürmen<br />
warnen. Luyt abschließend: „Der Kosten-Nutzen-Faktor<br />
ist eindeutig.“<br />
Militär Aktuell dankt Memoona Batool<br />
(SPPS) für die reibungslose Zusammenarbeit<br />
im Vorfeld und auf der Konferenz.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 4 S I C H E R H E I T & W I R T S C H A F T<br />
GLOBALE ENTRÜSTUNG<br />
China ist nach den USA inzwischen der weltweit größte Waffenproduzent, die<br />
Qualität der exportierten Flugzeuge, Radarsysteme, Kampfpanzer und Drohnen<br />
lässt allerdings vielerorts zu wünschen übrig.<br />
Text: GEORG MADER<br />
B<br />
ei Militärs in Pakistan,<br />
Bangladesch, Myanmar,<br />
Algerien, Nigeria und<br />
im Sudan ist die Ernüchterung<br />
derzeit groß: Die<br />
Länder sind die Hauptexportdestinationen<br />
der florierenden<br />
chinesischen Rüstungsindustrie, mit dem<br />
gelieferten Material ist man dort aber<br />
nur sehr eingeschränkt zufrieden: Drohnen<br />
fliegen nicht, Kampfpanzer fahren<br />
nicht, Radarsysteme funktionieren nicht.<br />
Ersatzteile zu bekommen erweist sich als<br />
schwierig bis unmöglich, Support und<br />
Service lassen zu wünschen übrig, einige<br />
Systeme konnten noch nicht einmal in<br />
Betrieb genommen werden.<br />
Aber alles der Reihe nach: Beginnen wir<br />
mit aktuellen Zahlen des Stockholmer<br />
Forschungsinstituts SIPRI, das 2020<br />
erstmals das Volumen des chinesischen<br />
Waffensektors schätzte. Demnach gehören<br />
die Aviation Industry Corporation<br />
(AVIC), China Electronics Technology<br />
Group (CETC), China North Industries<br />
Group (NORINCO) und China South<br />
Industries Group (CSGC) zu den 20<br />
weltweit größten Rüstungsfirmen – drei<br />
davon sogar zu den Top Ten. Zusammen<br />
produzierten sie von 2015 bis 2019 Rüstungsgüter<br />
im Wert von 49 Milliarden<br />
Euro. „Made in China“ liegt damit um<br />
zwölf Milliarden Euro über dem Niveau<br />
der zehn größten russischen Unternehmen,<br />
aber noch weit hinter den marktbeherrschenden<br />
US-Konzernen.<br />
Größter Abnehmer der von NORINCO<br />
und Co hergestellten Produkte ist die<br />
Volksarmee, immer mehr Systeme gehen<br />
aber auch ins Ausland. Zwischen 2015<br />
und 2019 war China laut SIPRI immerhin<br />
für 5,2 Prozent der globalen Rüstungsexporte<br />
verantwortlich. Die Liste<br />
der Abnehmer umfasst 53 Staaten, wobei<br />
satte 63 Prozent aller Exporte alleine<br />
nach Pakistan gegangen sind.<br />
SEHEN GUT AUS, FUNKTIONIEREN ABER NICHT Rund um die aus China beschafften<br />
FM-90-Luftabwehrflugkörper-Systeme sind mittlerweile 87 (!) Fehler dokumentiert.<br />
Hinter den steigenden Zahlen steht nicht<br />
immer Kundenzufriedenheit, wie das<br />
Beispiel bewaffneter Drohnen zeigt: Bislang<br />
beschafften elf Staaten – darunter<br />
Ägypten und Saudi-Arabien – derartige<br />
Systeme bei chinesischen Firmen, wirklich<br />
zufrieden ist man nirgendwo. Im Irak<br />
und in Jordanien will man die gekauften<br />
CH-4B-Drohnen sogar schnellstmöglich<br />
wieder loswerden, wie die dortigen Luftwaffenchefs<br />
gegenüber Militär Aktuell<br />
sagten. Die versprochenen Leistungsdaten<br />
werden trotz Nachbesserungen<br />
nicht erreicht. In Europa betreibt Serbien<br />
ähnliche CH-92A-UAVs und auch dort<br />
dürfte nicht alles reibungslos laufen.<br />
Ähnliches hört man aus Bangladesch,<br />
wie bereits in unserer Ausgabe 3/<strong>2021</strong><br />
berichtet. Zwischen 2010 und 2020<br />
stammten 73,6 Prozent aller Beschaffungen<br />
der dortigen Armee aus China, die<br />
Liste der Mängel ist lang: Bei den K-8W-<br />
Jet-Trainern funktionieren Funkgeräte<br />
nicht und lösen Waffen nicht aus, die<br />
SLC-2-Radare zeigen Ziele falsch oder<br />
gar nicht an und die Boden-Luft-Systeme<br />
FM-90 wurden für ein integriertes<br />
Abwehrsystem beschafft, sind aber nach<br />
drei Jahren immer noch nicht voll einsatzbereit.<br />
Besonders viele Probleme<br />
scheint es rund um chinesische Kampfpanzer<br />
zu geben, da hakt es auch am<br />
„After Sales Support“. Seit 2015 modernisierte<br />
NORINCO in Bangladesch 174<br />
alte T-59, das zog sich bis heuer, statt<br />
ursprünglich geplant bis 2018. In Abnahmetests<br />
diesen Februar versagten aber<br />
Nachtsicht- und Wärmebildgeräte, an<br />
sechs T-59G sind zudem Torsionsstäbe<br />
gebrochen. Massive Probleme gibt es<br />
auch bei den 2012 gelieferten 44 MBT-<br />
2000-Panzern, von denen die Hälfte<br />
Motorschäden erlitt. Bislang wurden nur<br />
fünf 6TD-2E-Diesel repariert und da<br />
stammen die Triebwerke aus der Ukraine.<br />
Im Vergleich dazu fallen korrodierte Raketen<br />
für den Werfer WS-22 oder verbogene<br />
und korrodierte Läufe am MG Typ-<br />
80 kaum ins Gewicht. Deutlich gefährlicher<br />
sind aber die gemessenen sieben<br />
Grad Abweichung (!) im optischen Visier<br />
der 76-mm-Kanone des Patrouillenschiffs<br />
BNS Nishan und die überraschende<br />
Explosion einer FL3000N-Abwehrrakete<br />
in diesem April, nur 1,55 Sekunden<br />
nach dem Start von der BNS Prottosha.<br />
FOTO : M O D B D/ S H A R I H A R<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
A U S T R I A N S E C U R I T Y & D E F E N C E<br />
WAS GIBT ES NEUES VON<br />
„MADE IN AUSTRIA“?<br />
FOTO : E M P L FA H R Z E U GW E R K G M B H<br />
Gute Nachrichten von Schiebel: Der heimische<br />
UAV-Hersteller darf sich über<br />
einen neuen Auftrag aus ailand freuen<br />
– die Royal ai Navy beschafft zwei<br />
weitere Camcopter S-100. Der oberösterreichische<br />
Löschfahrzeughersteller<br />
Rosenbauer wiederum konnte einen<br />
Auftrag der deutschen Bundeswehr über<br />
76 Feuerlösch-Kraftfahrzeuge Waldbrandbekämpfung<br />
(FlKfz WBBk) auf Basis des<br />
Tatra Offroad-Chassis T-815-7 4x4 Force<br />
an Land ziehen. Es handelt sich dabei um<br />
Fahrzeuge der MT-Baureihe, die von einem<br />
395-PS-Euro-6-Motor angetrieben<br />
werden. Rosenbauer ist darüber hinaus<br />
mit AKKA und der PFW Aerospace<br />
GmbH eine Partnerschaft „zur Kommerzialisierung<br />
von Schnellwechselsystemen<br />
zur Brandbekämpfung“ eingegangen, die<br />
mit verschiedenen militärischen Frachtflugzeugtypen<br />
wie Airbus A400M und<br />
C-130 Hercules kompatibel sein sollen.<br />
Dabei geht es um Rüstsätze mit großen<br />
Wasserbehältern, die bei Bedarf rasch<br />
im Frachtraum verzurrt sein sollen.<br />
Eine interessante Partnerschaft hat kürzlich<br />
auch Spezialfahrzeughersteller Franz<br />
Achleitner bekannt gegeben: Gemeinsam<br />
mit der deutschen Farmingtons Automotive<br />
wollen die Wörgler ein Sonderschutzfahrzeug<br />
auf Basis des neuen Toyota<br />
Land Cruiser 300 entwickeln und fertigen.<br />
Auch Mercedes-Benz hat ein neues<br />
Fahrzeug in Entwicklung: Der deutsche<br />
Hersteller zeigte in seinem G-Klasse Experience<br />
Center in Graz einen als LAPV<br />
464 (Light Armored Patrol Vehicle) bezeichneten<br />
Demonstrator auf Basis des<br />
traditionsreichen Geländewagens. Beim<br />
Prototypen baut ein gepanzerter Rumpf<br />
im STANAG 4561 Level 2-Standard<br />
der israelischen Firma Plasan auf einem<br />
verbesserten G464-Fahrgestell auf.<br />
Bei General Dynamics European Land<br />
Systems-Steyr in Wien-Simmering ist<br />
einstweilen die Fertigung der 30 neuen<br />
vom Bundesheer Anfang des Jahres bestellten<br />
Pandur-Mannschaftstransporter<br />
angelaufen. Nachdem im Frühjahr zahlreiche<br />
Unterbaugruppen gefertigt wurden<br />
und mit der Wannenproduktion begonnen<br />
worden war, startete im August<br />
die Montage. Auch bei Empl läuft die<br />
Produktion auf vollen Touren: Der Aufbau-Spezialist<br />
konnte in den vergangenen<br />
Wochen mehrere Transportpritschen inklusive<br />
Containerverriegelung auf Mercedes-Benz<br />
Arocs 4152 8×8 und Arocs 3348<br />
6×6 sowie acht Bison-Bergefahrzeuge auf<br />
Tatra 815-7 Force 6×6.1R (Foto) an Kunden<br />
im Nahen Osten liefern. 60 Transporter<br />
mit Winde auf MAN TGS 26.440<br />
6×6 gingen an einen Kunden in Asien.<br />
Gleich drei neue Aufträge aus Deutschland<br />
gibt es für Goldeck Textil. Das für<br />
seine Marke Carinthia bekannte Unternehmen<br />
hat mit der Bundeswehr einen<br />
Rahmenvertrag zur Lieferung von 15.000<br />
bis 22.000 Schlafsacksystemen vom Typ<br />
Schlafsack Daunen SpezKr vereinbart, die<br />
ab sofort bis Sommer 2025 zulaufen sollen.<br />
Die Bundeswehr hat bei Goldeck zudem<br />
12.000 Nässeschutzbekleidungssätze<br />
für das KSK und 9.500 Daunenjacken für<br />
seine Spezialkräfte und Gebirgstruppen<br />
bestellt. Hirtenberger Defence wiederum<br />
erhielt einen Auftrag der italienischen<br />
Armee zur Lieferung von Munition für<br />
seine 60-mm-Granatwerfer im Wert von<br />
3,2 Millionen Euro und Ulbrichts Protection<br />
zeigte auf der „MiliPol <strong>2021</strong>“ in<br />
Paris seinen neuen VPAM 6 Rifle-Helm.<br />
Die schwedischen Streitkräfte beschaffen<br />
zudem bei Glock um 800.000 Euro Pistolen<br />
der Typen Pistol 88D/T (Glock 19),<br />
88C2 (Glock 17 Generation 3) und 88D<br />
(Glock 19 Generation 2) nach.<br />
Apropos Schweden: Die Test-Fuchs<br />
GmbH arbeitet aktuell eng mit Saab zusammen.<br />
Das Waldviertler Unternehmen<br />
liefert fünf hochautomatisierte, multifunktionale<br />
Prüfstände für Hydraulik,<br />
Pneumatik und Kraftstoff sowie On-Site-<br />
Aktivitäten und Wartungsaufgaben für<br />
die Gripen E-Kampets der brasilianischen<br />
Luftwaffe. Bereits im April konnte<br />
dafür der Shop Acceptance Test (SAT)<br />
erfolgreich abgeschlossen werden.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 6 P A N O R<br />
A<br />
M<br />
A<br />
NEUER<br />
WETTLAUF<br />
INS ALLText:<br />
MAYA JANIK<br />
Der Weltraum entwickelt sich zunehmend zu einem<br />
Schauplatz globalen Wettrüstens. Immer mehr<br />
Staaten erklären das All zu ihrem militärischen<br />
Operationsgebiet, die Entwicklung neuer<br />
Technologien schreitet rasant voran. Steuern<br />
wir auf einen Krieg der Sterne zu?<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
B L I C K I N D I E Z U K U N F T<br />
FOTO : 1 2 3 R F<br />
m 15. November zerstörte<br />
Russland mit<br />
A<br />
einer Rakete vom Typ<br />
A-235 Nudol in 482<br />
Kilometern Höhe<br />
seinen ausgedienten<br />
Spionagesatelliten Kosmos-1408. Das<br />
Ereignis stieß im Westen nicht nur wegen<br />
der Gefahr, die durch die Trümmer<br />
des Satelliten für die Astronauten der<br />
internationalen Raumstation ISS ausgingen,<br />
auf heftige Kritik. Der Nordatlantikrat<br />
der NATO verurteilte den Abschuss<br />
als „unverantwortliches Verhalten“,<br />
das die Sicherheit ebenso wie die<br />
wirtschaftlichen und wissenschaftlichen<br />
Interessen aller Raumfahrtnationen<br />
gefährde. Auch stehe der Test des<br />
Raketensystems im Widerspruch zu<br />
Russlands Beteuerungen, die Stationierung<br />
und den Einsatz von Weltraumwaffen<br />
abzulehnen. Doch Russland ist<br />
nicht das einzige Land, das seine militärischen<br />
Fähigkeiten im Weltall testet.<br />
Auch die USA, China, Indien und andere<br />
Staaten entwickeln und testen<br />
Waffen, die fremde Satelliten zerstören<br />
können.<br />
Die Nutzungsmöglichkeiten des Weltraums<br />
für militärische Zwecke haben<br />
Staaten nicht erst gestern entdeckt. Ob<br />
zur Aufklärung, Frühwarnung, Kommunikation,<br />
Navigation oder als<br />
Radar – Satelliten sind seit<br />
dem Ersten Golfkrieg<br />
ein wichtiger Bestandteil militärischer<br />
Einsätze, sagt Małgorzata Polkowska,<br />
Professorin an der polnischen Landesverteidigungsakademie<br />
in Warschau<br />
und Expertin für Weltraumsicherheit.<br />
Auch an offensiven Waffen zum Einsatz<br />
im Weltraum wird bereits seit dem<br />
Kalten Krieg gearbeitet. Heute bietet<br />
der technologische Fortschritt zahl -<br />
reiche neue Möglichkeiten, diese Entwicklung<br />
voranzutreiben. Die Robotisierung,<br />
Automatisierung und Autonomisierung<br />
würden dazu führen, dass<br />
unbemannte Waffen qualitativ und<br />
quantitativ künftig an Bedeutung<br />
gewinnen, erklärt Marcel Berni,<br />
wissenschaftlicher Assistent an der<br />
Militärakademie an der ETH Zürich.<br />
„Wer den Weltraum beherrscht, beherrscht<br />
die Welt.“ Dieser berühmte<br />
Satz des späteren US-Präsidenten Lyndon<br />
B. Johnson aus dem Jahr 1961 ist<br />
heute auch für aufstrebende Mächte<br />
ein Leitsatz. Denn nicht nur das Ausmaß<br />
der Investitionen und das Tempo<br />
der Aufrüstung im All haben zugenommen.<br />
Auch die Zahl der Staaten, die<br />
Antisatellitenwaffen entwickeln, ist in<br />
den vergangenen Jahren gestiegen. Der<br />
wohl wichtigste neue Akteur in diesem<br />
Rüstungswettlauf ist China,<br />
ein Weckruf für die<br />
internationale Gemeinschaft<br />
war der 11. Jänner 2007. An dem Tag<br />
zerstörte China mit der Rakete SC-19<br />
den chinesischen Wettersatelliten Fengyn-1C<br />
in einer Höhe von 863 Kilometern.<br />
Derartige Tests hatte es bis dahin<br />
seit fast drei Jahrzehnten nicht mehr<br />
gegeben. Im März 2019 verkündete<br />
dann Indien eine Antisatellitenwaffe<br />
erfolgreich getestet zu haben und auch<br />
Russland treibt die Entwicklung seiner<br />
militärischen Weltraumfähigkeiten voran.<br />
Moskau sei überzeugt davon, dass<br />
Angriffe auf feindliche Infrastruktur im<br />
Weltraum genauso wie auf der Erde<br />
entscheidend sein werden im Kampf<br />
um die Informationshoheit und die<br />
globale Vormachtstellung, erläutert<br />
Polkowska.<br />
Dass andere Mächte versuchen, den<br />
Vorsprung der USA im All zu verkleinern,<br />
führt dazu, dass Letztere noch<br />
stärker aufrüsten. Es gehe nicht mehr<br />
darum, im Weltraum präsent zu sein:<br />
die Vereinigten Staaten müssten dort<br />
die Vorherrschaft haben, sagte 2019 der<br />
damalige US-Präsident Donald Trump,<br />
als er die „US Space Force“ ins Leben<br />
rief. Die 6.400 Mann starke Weltraumtruppe<br />
soll sicherstellen, dass China<br />
und Russland den Ambitionen der USA<br />
zur Sicherung der Vormachtstellung im<br />
All keinen Strich durch die Rechnung<br />
machen. Die zuletzt intensivierten<br />
Bemühungen Pekings und Moskaus<br />
mögen auch der Grund dafür sein,<br />
weshalb die USA Bemühungen zur<br />
Weltraumverteidigung im Rahmen der<br />
NATO antreiben. Schon im Juni 2019<br />
erklärte die Allianz den Weltraum zu<br />
ihrem fünften Einsatzgebiet. „Ein Angriff<br />
auf einen Verbündeten aus dem<br />
Weltraum heraus ist ein Angriff auf<br />
alle“, sagte damals NATO-Generalsekretär<br />
Jens Stoltenberg. Welches Ereignis<br />
konkret den Bündnisfall auslösen<br />
würde, ließ er allerdings offen. Ende<br />
2020 einigten sich die Alliierten zudem<br />
auf die Errichtung eines „Space Centers“,<br />
also eines Koordinationszentrums<br />
für die Weltraumüberwachung, das im<br />
französischen Toulouse seinen Sitz<br />
haben soll. Neben den USA haben<br />
Frankreich, Deutschland und das<br />
Vereinigte Königreich bereits<br />
ihre eigenen Weltraumkommandos.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 4 8 P A N O R A M A<br />
DIE WELT IST NICHT GENUG<br />
Am 20. Dezember 2019 schuf Donald<br />
Trump die United States Space Force<br />
als sechste Teilstreitkraft. Das Ziel der<br />
6.400 Mann starken Weltraumtruppe:<br />
die Sicherung der militärischen<br />
Vorherrschaft der USA im All.<br />
Eine Vielzahl von Waffentechnologien<br />
Welche Waffen als Weltraumwaffen<br />
gelten, lasse sich aufgrund von nationalen<br />
Unterschieden und dem schnellen<br />
technologischen Wandel nicht einfach<br />
beantworten, erklärt Berni. Mit Blick<br />
auf die Fähigkeiten, die in der Lage<br />
sind, Objekte im All zu stören oder<br />
funktionsunfähig zu machen, könne<br />
allerdings eine Reihe von Technologien<br />
identifiziert werden.<br />
Am einfachsten lassen sich Satelliten<br />
mittels einer Rakete von der Erde aus<br />
zerstören. Durch die hohe kinetische<br />
Energie wird für die Zerstörung kein<br />
Sprengkopf benötigt. Bisher durchgeführte<br />
Tests zeigen: die USA können<br />
zu diesem Zweck die seegestützte Abwehrrakete<br />
RIM-161 Standard Missile<br />
3 (SM-3) des Aegis-Raketenabwehrsystems<br />
einsetzen, Russland verfügt über<br />
solche Fähigkeiten mit der PL-19<br />
Nudol, und China hat dafür die Dong-<br />
Feng 21 (DF-21). Die Raketen treffen<br />
Objekte auf niedrigen Umlaufbahnen,<br />
womit sie vor allem zur Ausschaltung<br />
von Spionagesatelliten eingesetzt werden<br />
können.<br />
Neben der Verwendung von Raketen<br />
als Antisatellitenwaffen können auch<br />
im Weltraum stationierte Objekte mit<br />
einer Dual-Use-Funktion Satelliten stören<br />
oder zerstören. Vermeintlich friedliche<br />
Objekte wie etwa jene zur Beseitigung<br />
von Weltraumschrott oder solche,<br />
die der Reparatur oder dem Auftanken<br />
von anderen Satelliten dienen,<br />
können diesen Zweck erfüllen.<br />
Umgekehrt könnten Objekte als Antisatellitenwaffen<br />
oder Spionagesatelliten<br />
interpretiert werden, die keine sind. Die<br />
Verwendbarkeit von Weltraumobjekten<br />
zu zivilen und militärischen Zwecken<br />
führe dazu, dass die Grenzen zwischen<br />
dem zivilen und dem militärischen Bereich<br />
immer mehr verschwimmen, sagt<br />
Polkowska. Dadurch sei die Nutzung<br />
der zivilen Satelliten zusätzlich bedroht.<br />
Daneben gibt es manövrierfähige Flugkörper,<br />
die zur Spionage oder zu<br />
Kampfzwecken kleinere Objekte auf einer<br />
Erdumlaufbahn aussetzen können.<br />
Im Jänner 2020 etwa soll der russische<br />
Beobachtungssatellit Kosmos-2542 den<br />
Satelliten Kosmos-2543 ausgesetzt haben,<br />
der Wochen später sein amerikanisches<br />
Pendant USA-245 verfolgt und<br />
Informationen zu seiner Aktivität gesammelt<br />
haben soll. Die USA wiederum<br />
besitzen das unbemannte Mini-<br />
Spaceshuttle X-37B, das ebenfalls<br />
kleinere Objekte aussetzen kann und<br />
selbst in der Lage dazu wäre, feindliche<br />
Objekte im Weltraum zu zerstören.<br />
Darüber hinaus gibt es eine Reihe von<br />
nichtkinetischen Technologien: Dazu<br />
gehören etwa Laser, die optische Sensoren<br />
von Spionagesatelliten stören<br />
und sie damit funktionsunfähig machen<br />
können. Mit der elektromagnetischen<br />
Strahlung wiederum lässt sich<br />
der Funkverkehr von Kommunikationssatelliten<br />
stören (Jamming), oder<br />
das Signal so manipulieren, dass es<br />
dem angegriffenen Satelliten falsche<br />
Informationen schickt (Spoofing).<br />
Auch Cyberangriffe können als unsichtbare<br />
Waffe zur Störung gegnerischer<br />
Infrastruktur im Weltraum eingesetzt<br />
werden. Ein bekanntes Beispiel<br />
ist die 2014 vermutlich von chinesischen<br />
Hackern betriebene Attacke, bei<br />
STARTSCHUSS<br />
Am 12. April 1961<br />
flog der Russe<br />
Jurij Gagarin als<br />
erster Mensch in<br />
den Weltraum.<br />
108 Minuten<br />
dauerte sein<br />
Flug, bei dem<br />
er einmal die<br />
Erde umkreiste.<br />
FOTO S : P I C T U R E D E S K , G E T T Y I M AG E S , B E I G E ST E L LT<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
B L I C K I N D I E Z U K U N F T<br />
MEILENSTEIN Am 27. Jänner<br />
1967 wurde im Rahmen der<br />
Vereinten Nationen der Weltraumvertrag<br />
geschlossen,<br />
der die friedliche Nutzung<br />
des Weltalls festlegt.<br />
Immerhin: Das Thema findet weltweit<br />
zunehmend Beachtung. Denn Gefahren,<br />
die vom Wettrüsten im All aus -<br />
gehen, gebe es zahlreiche, warnt Polkowska.<br />
Angesichts der Bedeutung von<br />
Satelliten für unseren irdischen Alltag<br />
könnten gezielte Attacken auf Satelliten<br />
oder unbeabsichtigte Kollisionen<br />
mit Weltraumschrottfragmenten<br />
schwerwiegenden Schaden anrichten.<br />
der ein amerikanischer Wettersatellit<br />
für mehrere Tage lahmgelegt wurde.<br />
Was nicht verboten ist, ist erlaubt<br />
Die Entwicklung von Technologien zur<br />
militärischen Nutzung des Weltraums<br />
findet in einer rechtlichen Grauzone<br />
statt. „Solange es keine verbindlichen<br />
Regelungen gibt, wird der Rüstungswettlauf<br />
zunehmen“, sagt der Strategieexperte<br />
Berni. Der einzig existierende<br />
Vertrag – der Weltraumvertrag von<br />
1967 – wird dem technologischen<br />
Fortschritt nicht gerecht und lässt<br />
Staaten viel Spielraum bei der Aufrüstung.<br />
Der Vertrag regelt die friedliche<br />
Nutzung des Weltraums und verbietet<br />
lediglich die Stationierung von Nuklear-<br />
und anderen Massenvernichtungswaffen<br />
in einer Erdumlaufbahn sowie<br />
auf allen Himmelskörpern, militärische<br />
Tests, die Errichtung militärischer<br />
Stützpunkte, Anlagen und Befestigungen,<br />
und die Durchführung militärischer<br />
Übungen auf dem Mond und<br />
anderen Himmelskörpern. Der Vertrag<br />
untersagt jedoch nicht die Durchquerung<br />
des Weltraums mit konventionellen<br />
Raketen oder mit Massenvernichtungswaffen<br />
bestückten Raketen. Er<br />
behandelt auch nicht die Frage der Stationierung<br />
von konventionellen Waffen<br />
und von Satelliten für militärische<br />
Zwecke zur Aufklärung, Kommunikation<br />
und Navigation.<br />
Herausforderung für die Diplomatie<br />
Während die Aufrüstung im Weltraum<br />
kräftig voranschreitet, bleiben Maßnahmen<br />
zu ihrer Eindämmung aus.<br />
„Die internationale Staatengemeinschaft<br />
hat es verschlafen, den kleinsten<br />
gemeinsamen Nenner zu finden“, sagt<br />
Berni. Den Grund dafür sieht der<br />
Experte darin, dass das Problem nicht<br />
als dringlich empfunden wird. Denn<br />
bisher habe es noch keinen Krieg<br />
oder Konflikt vom All aus oder im<br />
All gegeben. „Jeder will der Erste und<br />
der Schnellste sein. Anreize, diesen<br />
Wettlauf einzudämmen, sind derzeit<br />
schlicht zu klein“, stellt Berni fest.<br />
Die Weltraumexpertin verweist in<br />
Zusammenhang mit der Weltraum -<br />
diplomatie auf zwei wichtige Initiativen.<br />
Zum einen auf die im Dezember<br />
2020 von der UN-Generalversammlung<br />
beschlossene Arbeitsgruppe, die sich<br />
mit der Ausarbeitung von Normen<br />
zum verantwortungsvollen Verhalten<br />
im Weltraum befassen soll. Zum<br />
anderen könnte auch der vor einigen<br />
Wochen an den Vorsitzenden der UN-<br />
Generalversammlung adressierte offene<br />
Brief des kanadischen Weltrauminstituts<br />
einen Anstoß zur Reglementierung<br />
geben. Darin fordert eine Reihe<br />
anerkannter Experten und Politiker die<br />
Ausarbeitung eines Vertrags, der den<br />
Einsatz von Antisatellitenwaffen verbieten<br />
würde. Beide Initiativen könnten<br />
ein wichtiger Schritt auf dem Weg<br />
zur Verrechtlichung der Aktivitäten im<br />
Weltraum sein, findet Polkowska. Bis<br />
dahin dürfte es allerdings noch ein<br />
langer Weg sein.<br />
GESPRÄCHSPARTNER Małgorzata Polkowska ist Professorin an der polnischen Landesverteidigungsakademie<br />
in Warschau und Expertin für Weltraumsicherheit. Marcel Berni ist wissenschaftlicher<br />
Assistent an der Militärakademie an der ETH Zürich.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 1 P A N O R A M A<br />
PANZERTRA<br />
Für diese Schwergewichte sind selbst<br />
Leopard-Kampfpanzer leicht zu stemmen.<br />
Die besonders geländegängigen<br />
Schwerlasttransportsysteme 70t wurden<br />
speziell für den militärischen Einsatz entwickelt<br />
und kommen beim Bundesheer<br />
in zwei Verbänden zum Zug.<br />
Text: CONNY DERDAK<br />
Was tun, wenn ein Leopard-Kampfpanzer<br />
von A nach B verlegt werden soll? Den<br />
55-Tonnen-Koloss selbst hinsteuern oder<br />
huckepack nehmen! Allerdings: Ersteres<br />
kostet enorme Mengen Treibstoff, letzteres<br />
ist mit handelsüblichen Transportern nicht<br />
so einfach möglich. Um das Problem zu lösen,<br />
hat das Heer kürzlich bei Rheinmetall<br />
MAN Military Vehicles und Doll Fahrzeugbau<br />
drei Stück des neuen Schwerlasttransportsystems<br />
70t beschafft. Der Transporter<br />
besteht aus einer Sattelzugmaschine<br />
und einem Aufleger mit gleich sieben<br />
Achsen und unterscheidet sich von zivilen<br />
Pendants nicht nur durch seine spezielle<br />
Lackieru<br />
die Infra<br />
militäris<br />
ist jedes<br />
Einbau v<br />
Bereich d<br />
kationste<br />
moderne<br />
Bundesh<br />
G R A F I K : T I B O E X E N B E R G E R / C A R O L I N E S E I D L E R .CO M FOTO : B U N D E S H E E R<br />
HÖHE<br />
3,70 Meter<br />
VERWENDUNG<br />
Dank des Schwerlasttransportsyste<br />
innerhalb Österreichs sowie für Üb<br />
tiert und der Bergepanzerpanzer M<br />
glücken rasch vor Ort eingesetzt w<br />
nur ein militärischer Nutzen, sonde<br />
bei der Katastrophenhilfe.<br />
BREITE 2,99 Meter<br />
LÄNGE 22,50 Meter<br />
BESATZUNG<br />
Die Fahrzeugbesatzung<br />
besteht aus drei Soldaten:<br />
Fahrer, Ver- und<br />
Entladegehilfe sowie<br />
Fahrzeugkommandant.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L<br />
ANTRIEB ZUGMASCHINE<br />
Die Zugmaschine wird von<br />
einem ZF-TC Tronic12 TL<br />
2740 OD-Getriebe mit permanentem<br />
Allradantrieb<br />
angetrieben.<br />
SEILWINDE<br />
Die zwei Rotzler-Seilwinden<br />
TR 200/7 haben eine maximale<br />
Zugkraft von je 250 kN<br />
(Kilonewton).<br />
BREMSANLAGE<br />
Die Betriebsbremse ist eine<br />
Druckluftbremsanlage Knorr<br />
EBS 5 mit Retarder und<br />
Gelände-ABS, die Feststellbremse<br />
präsentiert sich als<br />
auf alle Achsen wirkender<br />
Federspeicher.<br />
WENDEKREIS &<br />
WATFÄHIGKEIT<br />
Der Wendekreis des gesamten<br />
Gespanns beträgt 30,5<br />
Meter, die Watfähigkeit (das<br />
ist die Fähigkeit, Gewässer<br />
zu durchqueren) liegt bei<br />
0,75 Meter.<br />
STÜC<br />
STAT<br />
Das B<br />
über<br />
des S<br />
tems<br />
zeug<br />
Panz<br />
Wels<br />
sowi<br />
und T<br />
Panz
I N F O G R A F I K<br />
NSPORTER<br />
g. Auch das Beladesystem sowie<br />
otbeleuchtung sind eigens in<br />
her Ausführung konzipiert. Dazu<br />
ahrzeug mit Ausrüstung zum<br />
n speziellen Erweiterungen im<br />
er Informations- und Kommunihnologie<br />
ausgestattet. Mit den<br />
Schwerlastsystemen ist das<br />
er nun in der Lage, neben den<br />
s 70t können Kampfpanzer<br />
ngen ins Ausland transpor-<br />
88 zum Beispiel bei Zugunrden.<br />
Damit ergibt sich nicht<br />
rn auch ein zusätzliches Asset<br />
FACTBOX<br />
„Leos“ auch anderes schweres Gerät wie<br />
Bergepanzer zu transportieren. Dabei kann<br />
die zu befördernde Last entweder selbstständig<br />
oder per Seilwinde auf das System<br />
verfrachtet werden. Neben dem Bundesheer<br />
setzt übrigens auch die Bundeswehr<br />
auf das Transportsystem – dort ist das<br />
Fahrzeug unter der Bezeichnung Elefant 2<br />
eingeführt.<br />
Schwerlasttransportsystem 70t (SLTS)<br />
Hersteller Sattelzugmaschine Rheinmetall<br />
MAN Military Vehicles GmbH (RMMV)<br />
Hersteller Sattelaufleger Doll Fahrzeugbau GmbH<br />
Motor V8 4-Takt-Dieselmotor mit Abgasturbolader und<br />
Ladeluftkühlung sowie Common-Rail-Einspritzung<br />
Leistung 500 kW/680 PS<br />
Maximales Drehmoment 2.700 Newtonmeter (Nm)<br />
Hubraum 16.200 Kubikzentimeter<br />
Maximale Nutzlast 71,48 Tonnen<br />
Höchstzulässiges Gesamtgewicht 135 Tonnen<br />
Besatzung 3 Mann<br />
Bauartgeschwindigkeit 80 km/h<br />
INTERVIEW<br />
„Die Abmessungen<br />
werden unterschätzt“<br />
Oberstabswachtmeister<br />
Mario Schmidthaler<br />
ist Kommandant<br />
der Bergegruppe und<br />
speziell geschult, um<br />
das SLTS zu lenken.<br />
Wie fährt sich das Fahrzeug?<br />
Sehr angenehm – egal ob bei Beschleunigung<br />
oder Verzögerung mittels 6-Stufen-<br />
Retarder. Der Auflieger mit seinen sieben<br />
Achsen, davon sind sechs gelenkt, läuft<br />
traumhaft hinterher. Das System ist sehr<br />
spurtreu, deswegen ist auch voll beladen<br />
mit insgesamt 135 Tonnen eine Reisegeschwindigkeit<br />
von 80 km/h möglich.<br />
Worauf ist beim Fahren zu achten?<br />
Auf die Abmessungen, die sind nicht mit<br />
handelsüblichen Lkw zu vergleichen. Wir<br />
werden zwar im beladenen Zustand von der<br />
Militärpolizei gelotst, dennoch heißt es aufpassen,<br />
weil immer mit Verkehrsteilnehmern<br />
zu rechnen ist, die die Abmessungen<br />
des Sondertransportes unterschätzen.<br />
KZAHL &<br />
IONIERUNG<br />
ndesheer verfügt<br />
nsgesamt drei Stück<br />
hwerlasttransportsys-<br />
0t. Die drei Fahrbefinden<br />
sich beim<br />
rbataillon 14 in der<br />
r Hessen-Kaserne<br />
bei der Nachschubansportkompanie<br />
des<br />
rstabsbataillons 4.<br />
ZUSATZLENKUNG<br />
Die Zusatzlenkung des<br />
Tieflageauflegers dient<br />
dazu, das Fahrzeug unter<br />
Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit<br />
(das sind<br />
in diesem Fall maximal<br />
20 km/h) durch enge<br />
Kurven und um Hindernisse<br />
lenken zu können.<br />
MOTORISIERUNG<br />
Das Transportsystem wird<br />
mit einem 680 PS starken<br />
V8 4-Takt-Dieselmotor<br />
mit Abgasturbolader,<br />
Ladeluftkühlung und<br />
Common-Rail-Einspritzung<br />
angetrieben. Das Fassungsvermögen<br />
des Tanks beträgt<br />
840 Liter, in die Hydraulik -<br />
anlage passen 75 Liter<br />
Flüssigkeit.<br />
Was sind besondere Stärken und Schwächen<br />
des Schwerlasttransportsystems?<br />
Stärken sind eindeutig die Motorleistung<br />
und Geländegängigkeit. Ebenso zu erwähnen<br />
sind die zwei Seilwinden. Mit ihren 25<br />
Tonnen Zugkraft je Winde ist es ein Kinderspiel,<br />
einen nicht fahrfähigen Kampfpanzer<br />
auf den Aufleger zu ziehen. Als einzige<br />
Schwäche würde ich die Wendigkeit<br />
sehen – der Wenderadius beträgt fast<br />
31 Meter! Das bedeutet, dass die Marschstrecke<br />
vorab sorgfältig erkundet werden<br />
muss, was aber bei Sondertransporten<br />
ohnehin üblich ist. Die Transportweg -<br />
genehmigung gibt die zu erkundende<br />
Marschstrecke vor. Das Erkunden ist 24<br />
Stunden vor Antritt der Fahrt durchzuführen,<br />
um etwaige Engstellen oder Baustellen<br />
schon im Vorfeld beurteilen zu können.<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
0 5 0 s c h l u s s p u n k t<br />
KALTER KRIEG<br />
IN NEUEM GEWAND<br />
Russland schickt umfangreiche Truppen an seine Westgrenze, die NATO übt die Verteidigung<br />
Europas, China rüstet sein Atomwaffenarsenal rasant auf und die USA beleben ihre Allianz mit Japan,<br />
Australien und Indien. Weltweit wird das Säbelrasseln immer lauter, die Angst vor einem neuerlichen<br />
Kalten Krieg wächst. Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.<br />
der kalte krieg zwischen den usA<br />
und der sowjetunion (su) ist<br />
vielen noch in schlechter erinnerung.<br />
die Ära nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
bis zum Zerfall der su war geprägt<br />
von der ideologischen Auseinandersetzung<br />
des demokratischen und des kommunistischen<br />
systems. die Welt war in<br />
zwei Blöcke gespalten und jeder wollte<br />
den eigenen Machtbereich ausbauen,<br />
den einfluss des Gegners eindämmen<br />
oder zurückdrängen. dazu gehörten<br />
auch stellvertreterkriege wie in korea,<br />
Vietnam oder in afrikanischen staaten.<br />
Beide seiten produzierten zudem Zig -<br />
tausende Atomsprengköpfe, um im Fall<br />
der Fälle die Vernichtung des Gegners<br />
zumindest durch einen Zweitschlag garantieren<br />
zu können (Mutual Assured destruction).<br />
diese atomare Abschreckung<br />
bildet bis heute ein kernstück verteidigungspolitischer<br />
Überlegungen. Militärisch<br />
schlug sich die bipolare Weltordnung<br />
in Gestalt der nAto und des (1991<br />
aufgelösten) Warschauer pakts nieder.<br />
eine große konfrontation mit einem<br />
militärischen showdown ist uns aber –<br />
glücklicherweise – erspart geblieben.<br />
Gibt es heute ähnliche entwicklungen?<br />
Ja, doch die Ausgangslage ist komplexer.<br />
Aus der bipolaren Weltordnung wurde<br />
ein multipolares system mit den supermächten<br />
usA und china und dem global<br />
ambitionierten russland. dabei lassen<br />
sich bereits Versuche einer Blockbildung<br />
erkennen, indem die usA eine „Allianz<br />
aller demokratischen staaten“ anstrebt,<br />
während sich china als Führer einer Weltschicksalsgemeinschaft<br />
und Fürsprecher<br />
der entwicklungs- und schwellenländer<br />
geriert. russland spielt dabei keine besondere<br />
rolle, es hat mit china aber eine<br />
„umfassende strategische partnerschaft“<br />
geschlossen. dazu kommt, dass peking<br />
und Moskau denselben autoritären herrschaftsstil<br />
verfolgen. Von einer Militärallianz<br />
oder einem Beistandspakt sind die<br />
beiden länder trotzdem weit entfernt.<br />
europa ist im rahmen der nAto gebunden<br />
und sieht sich einerseits mit einem<br />
aggressiven russland konfrontiert,<br />
während sich andererseits die usA und<br />
ostasiatische staaten von Brüssel mehr<br />
engagement im indopazifik erwarten.<br />
„Der neue Kalte<br />
Krieg ist deutlich<br />
facettenreicher als der<br />
alte Kalte Krieg!“<br />
Verteidigungspolitisch betrachtet dreht<br />
sich die rüstungsspirale schon seit Jahren<br />
wieder schneller. china holt gegenüber<br />
den usA stark auf, auch wenn es nominell<br />
noch deutlich weniger ausgibt.<br />
Jüngste Meldungen über eine rasante<br />
Aufstockung seines nukleararsenals bis<br />
2030 (von aktuell 200 auf 1.000 sprengköpfe)<br />
lassen vermuten, dass peking<br />
neben modernisierten streitkräften vermehrt<br />
auch auf atomare Abschreckung<br />
setzt. Außerdem möchte es die us-Marine<br />
aus dem südchinesischen Meer zurückdrängen,<br />
auf das china den alleinigen<br />
nutzungsanspruch stellt. Washington<br />
hingegen hat seine sicherheitspolitische<br />
kooperation mit indien, Australien und<br />
Japan (QuAd) wiederbelebt sowie mit<br />
Großbritannien und Australien eine neue<br />
Allianz (Aukus) gebildet. diese richtet<br />
sich gegen chinas erstarken im Westund<br />
indopazifik und verfolgt eine klare<br />
eindämmungsstrategie.<br />
die elemente eines neuen – nunmehr facettenreicheren<br />
– kalten kriegs sind somit<br />
klar zu erkennen. dabei gehören auch cyberangriffe<br />
und Fake news zur destabilisierung<br />
potenzieller Gegner zum strategischen<br />
repertoire. eine rüstungskontrolle<br />
zur eindämmung dieser entwicklung steht<br />
hingegen auf verlorenem posten. Bleibt<br />
zu hoffen, dass – wie damals – alle Akteure<br />
imaginäre rote linien ziehen, um einen<br />
„heißen krieg“ zu verhindern.<br />
Brigadier a. D. Walter Feichtinger ist<br />
Präsident des Center for Strategic<br />
Analysis (CSA).<br />
Foto s : B u n d e s h e e r / M i n i c h , i sto c k<br />
M I L I T Ä R A K T U E L L
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