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2021-12_RegioBusiness

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04 Blickpunkt

Dezember 2021 IJahrgang 20 INr. 231

Die Lage spitzt

sich weiter zu

Die vierte Welle der Pandemie hat die Region fest im Griff.

Abgesagte Veranstaltungen und verschärfte Maßnahmen machen

den Unternehmen zu schaffen. Derweil korrigieren sämtliche

Indizes ihr Erwartungsbild nach unten und auch das

Wirtschaftswachstum fällt mäßig aus. VONMARIUS STEPHAN

Die Maßnahmen gegen die

vierte Coronawelle nehmen

an Härte zu: Einer aktuellen

Trendumfrage des Handelsverbandes

Deutschland zufolge

brachen die Umsätze am zweiten

Adventswochenende um 26

Prozent im Vergleich zum Vorkrisenniveau

2019 ein. Die Besucherzahlen

im Innenstadthandel

sind unter den teilweise bereits

geltenden 2G-Regeln sogar um

rund 41 Prozent gesunken. Besonders

hart traf es Modeläden.

Diese verzeichneten ein Umsatzminus

von 35 Prozent zum Vorkrisenniveau.

77 Prozent der Einzelhändler

fürchten laut HDE-Umfrage

nun ein ähnlich schwaches

Weihnachtsgeschäft wie im vergangenen

Jahr.

EINTRÜBUNG Nicht nur der

Einzelhandel leidet: Die Stimmung

in der deutschen Wirtschaft

hat sich zuletzt weiter verschlechtert.

Der Ifo-Geschäftsklimaindex

„Momentan

überlagert

Corona wieder

alles.“

Verschärfung: Die Anpassung der Maßnahmen, insbesondere die 2G-Plus-Regelung, machen dem Einzelhandel

und der Gastronomie derzeit das Leben schwer.

Foto: NPG-Archiv

sinkt bereits seit fünf Monaten.

Lieferengpässe und Corona machen

den Unternehmen zu schaffen.

Zudem fiel das Wirtschaftswachstum

in China deutlich geringer

aus, als erwartet. Wegen

des guten Jahresauftakts dürfte

die Wirtschaft 2021 in der zweitgrößten

Volkswirtschaft der Welt

zwar um rund acht Prozent wachsen.

Ökonomen der Academy of

Social Sciences, ein Institut der

chinesischen Regierung, rechnen

für das kommende Jahr aber nur

noch mit 5,3 Prozent, was für chinesische

Verhältnisse wenig wäre.

Dies wirkt sich auch auf den Rest

der Welt aus. Ökonomen rechnen

daher mit einer deutlichen Abkühlung

der Konjunktur in den

kommenden Monaten auch wegen

der Zuspitzung der Corona-Infektionslage,

die den privaten

Konsum als wichtige Konjunkturstütze

dämpfen dürfte.

Zuletzt sah es so aus, als ob der

Sommer das Wirtschaftswachstum

in Europa etwas stabilisiert

habe. Im dritten Quartal stieg das

Bruttoinlandsprodukt (BIP) im

Quartalsvergleich laut Eurostat

zwar um 2,2 Prozent, zwischen

den Ländern der Euro-Zone gibt

es aber merkliche Unterschiede.

Unter den großen Mitgliedsländern

verzeichnete Frankreich mit

3,0 Prozent das höchste Wachstum

im Quartalsvergleich. Auch

in Italien liegt es mit 2,6 Prozent

überdurchschnittlich hoch. Spanien

mit 2,0 Prozent und Deutschland

mit 1,7 schneiden merklich

schwächer ab.

LANDKREIS Die Region kämpft

indes weiter mit hohen Inzidenzwerten

und in der Folge abgesagten

Weihnachtsmärkten und anderen

Veranstaltungen. In der ersten

Dezemberwoche sank die Sieben-Tage-Inzidenz

pro 100 000

Einwohner bei den Corona-Neuinfektionen

im Landkreis Schwäbisch

Hall wieder unter die Marke

von 500, nur um eine Woche

später wieder über 500 zu liegen.

Rund 1000 Neuinfektionen

pro Woche zählt das Gesundheitsamt

im Schnitt. „Es gibt zwar noch

andere Themen, aber momentan

überlagert Corona wieder alles“,

erklärte Landrat Gerhard Bauer

kürzlich während eines Pressegesprächs.

Die Infektionszahlen im

Landkreis seien weiter „besorgniserregend

hoch“.

„Das Geschäft leidet aufgrund des Kasperletheaters“

Jürgen Ulrich ist seit November Vorsitzender beim Stadtmarketing Crailsheim. Im Interview spricht der Geschäftsführer von Götz Optik und

selbstständige Rentenberater über die aktuellen Herausforderungen für den stationären Einzelhandel. INTERVIEW VONADINA BAUER

REGIOBUSINESS Herr Ulrich,

Sie sind seit Kurzem Vorsitzender

beim Stadtmarketing Crailsheim.

Warum ist es Ihnen wichtig, sich

für den Handel vor Ort stark zu

machen?

JÜRGEN ULRICH Crailsheim ist

seit 1969 meine Heimat. Ich fühle

mich in Crailsheim stark verwurzelt

und sehr wohl. Der örtliche

Einzelhandel liegt mir am Herzen.

Er hat mehr Potenzial, als er derzeit

nach außen zeigt. Wir müssen

hier vor Ort kaufen, um die derzeitigen

Einkaufsmöglichkeiten zu

erhalten oder sogar erweitern zu

können. Die Voraussetzung hierfür

ist allerdings, dass alle Gewerbetreibende

an einem Strick in

die gleiche Richtung ziehen. Nach

vorne blicken ist die Devise.

REGIOBUSINESS Was sind allgemein

die Ziele des Vereins?

JÜRGEN ULRICH Wir wollen

Crailsheim in Zusammenarbeit

mit unseren Mitgliedern, den Gewebetreibenden

in Crailsheim,

der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat

attraktiver machen und

weiterentwickeln.

REGIOBUSINESS Der stationäre

Handel trägt einen großen Anteil

an der Attraktivität einer Innenstadt.

Welche Handlungsfelder

hat sich das Stadtmarketing

auf die Fahne geschrieben, um die

Horaffenstadt voranzubringen?

JÜRGEN ULRICH Wir wollen

den Handel unterstützen und versuchen

diesen auszubauen. Wir

wollen den Gewerbetreibenden

zur Seite stehen und diesen mit

Aktionen helfen, Kunden nach

Crailsheim zu holen. Wir wollen

versuchen, die Stärken unserer

großartigen Betriebe herauszuarbeiten

und sie den Menschen,

die in Crailsheim arbeiten und die

in der Umgebung leben, nahezubringen.

REGIOBUSINESS In welcher Situation

befindet sich der örtliche

Einzelhandel derzeit?

JÜRGEN ULRICH In einer sehr

schwierigen, existentiellen Lage.

Ich verstehe, dass Corona die Geschehnisse

der Stadt bestimmt

und beeinflusst. Den Menschen,

die nach wie vor zum Einkaufen

kommen wollen, werden Steine

in den Weg gelegt, weil Menschenansammlungen

vermieden

werden müssen. Doch diese Men-

Optimismus: Trotz aller Widrigkeiten schaut Jürgen Ulrich mit einem

positiven Gefühl in die Zukunft.

Foto: privat

schenmassen gibt es in Crailsheim

nicht. Wir dürfen für Crailsheim

nicht dieselben Maßstäbe ansetzen,

wie beispielsweise für Stuttgart.

REGIOBUSINESS Unter anderem

die 2G-Regelung bremst aktuell

ja das für die Händler so

wichtige Weihnachtsgeschäft. Mit

welchen Auswirkungen rechnen

Sie dadurch?

JÜRGEN ULRICH Das Weihnachtsgeschäft

leidet stark aufgrund

des Kasperletheaters, das

die Landesregierung letzte Woche

initiiert hat. Es hätten die Regelungen

aus der Ministerpräsidentenkonferenz

genügt. Die Kunden

wurden ohne Grund verunsichert.

Deshalb bleiben sie Zuhause.

REGIOBUSINESS Die Krise hat

insgesamt vor allem den Handel

seit beinahe zwei Jahren fest im

Griff. Rechnen Sie mit dauerhaften

Auswirkungen? Wird der stationäre

Handel in Crailsheim überhaupt

wieder einmal den Stand

„vor Corona“ erreichen?

JÜRGEN ULRICH Ja, damit

rechne ich schon. Ich denke es

bietet sich für jeden Betrieb die

Chance, sich zu hinterfragen und

neu auszurichten. Damit ergeben

sich neue Betätigungsfelder.

REGIOBUSINESS Wie schätzen

sie die Überbrückungsmaßnahmen

ein? Sind/Waren das die richtigen

Wege? Welche Hilfe würden

Sie sich wünschen?

JÜRGEN ULRICH Ich bin mir

leider nicht sicher, obdie Überbrückungsmaßnahmen,

so wie

sie durchgeführt wurden, der

richtige Weggewesen sind. In den

letzten Tagenhäufen sich die Aussagen

vieler unserer Mitglieder,

dass sie die Unterstützung zurückzahlen

sollen. Meine Meinung

hierzu ist ganz klar: Derjenige,

der Läden und Betriebe schließt

oder diese beschränkt, muss für

den Schaden oder Aufwendungen

aufkommen und diese ersetzen.

Dies muss einfach und unbürokratisch

erfolgen. Es kann nicht

sein, dass alle unter Generalverdacht

gestellt werden, weil einige

„schummeln“.

REGIOBUSINESS Die Maßnahmen

zur Corona-Bekämpfung haben

den Trend des veränderten

Konsumverhalten weiter gestärkt.

Laut aktueller Kaufkraftanalyse

der IHK fließt mehr denn jeder

fünfte verfügbare Euro mittlerweile

nicht mehr in die lokalen Geschäfte.

Wichtigster Treiber ist der

Onlinehandel. Wie kann sich der

Laden vor Ort diesen Kanal besser

öffnen?

JÜRGEN ULRICH Ich weiß

nicht, ob er das unbedingt muss.

Die großen Onlinehändler können

das viel besser. Dagegen anzukommen

ist ein Kampf gegen

Windmühlen. Der Händler

vor Ort kann viele Dinge besser

als der Onlinehandel. Diese

Dinge muss er herausstellen und

auch erklären, weshalb er für

eine Leistung –wie beispielsweise

Beratung –Bezahlung braucht,

denn das ist eine Leistung, die der

Onlinehandel nicht anbietet.

REGIOBUSINESS Wo sehen Sie

generell Entwicklungs- und Erfolgspotenzial

für den Handel?

JÜRGEN ULRICH In allen Bereichen,

in denen der Onlinehandel

seine Schwächen hat. Das sehe

ich in der Beratung, in der Produktkenntnis,

in der individuellen

Problemlösung für die Kunden

und in der Kundenbindung

über persönliche Beziehungen.

Der Handel muss das herausstellen,

was er besonders gut kann,

worauf er sich spezialisiert hat. Es

stellt sich die Frage: Wo können

wir die Kunden persönlich mit

Namen begrüßen und die Hände

schütteln.

REGIOBUSINESS Mit welchen

Gefühl schauen Sie ganz persönlich

in das neue Jahr?

JÜRGEN ULRICH Mit einem Positiven.

Ich glaube noch immer

an die Vernunft der Menschen,

gepaart mit der Erkenntnis, dass

uns nur die Impfung aus der Pandemie

führt.

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