2021-12_RegioBusiness
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Dezember 2021 IJahrgang 20 INr. 231
Blickpunkt 05
Neue Impulse durch die Krise
Nicht in allen Branchen herrscht Corona-Tristesse.MancheUnternehmen wachsen sogar: Oft sind es bestimmte Geschäftsbereiche oder
Produktgruppen, die in Folge der Pandemie boomen und Verluste in anderen Feldern ausgleichen. VONFRANK LUTZ
Warum kann die Folienindustrie
derzeit kaum Metallicfolien
liefern? Weil
in der Pandemie zu wenig geflogen
wird: „Ein Nebenprodukt bei
der Kerosinherstellung sind die
Metallspäne. Wenn stark weniger
Kerosin benötigt wird, wird
hier auch weniger Material hergestellt“,
erklärt Markus Schäffler,
Geschäftsführer von Signal
Design. Das Haller Unternehmen
ist aber auf die Folien angewiesen,
denn die Flottenbeschriftung mit
Folien ist und bleibt sein wichtigstes
Standbein. In Folge der Corona-Pandemie
brach das Projektgeschäft
letztes Jahr um 75 Prozent
ein. Und doch sagt Schäffler
heute: „Unsere Auftragsbücher
für 2022 sind so voll wie noch
nie.“ Wie konnte Signal Design so
gut durch die Krise kommen?
INNOVATIV Durch Flexibilität
und Mut zur Veränderung: „Wir
konnten innerhalb von zwei Tagen
einen Corona-Onlineshop aufsetzen
und unsere Produktionsstraßen
sofort umstellen. Anstatt
Schilder und Werbeanlagen produzierten
wir Schutzscheiben aus
Acrylglas und viele weitere Produkte
zur Bekämpfung der Pandemie.
Anstatt Projektmanagement
stand Produktentwicklung
auf dem Tagesprogramm und
Flexibel: Statt Sportwagen und andere Fahrzeuge fuhr der Renntransporter von Signal Design Schutzmaterial durch ganz Deutschland. Foto: Signal Design
statt Autos mit Folie zu folieren,
haben wir Schutzprodukte nach
ganz Europa verpackt und versendet“,
zählt Schäffler auf. Die Folge:
Überstunden statt Kurzarbeit
–und am Jahresende 1500 Euro
steuerfreie Coronaprämie für alle
Mitarbeiter.
Auch andere Unternehmen aus
der Region sind bisher gut durch
die Corona-Krise gekommen. Oft
sind es bei ihnen bestimmte Geschäftsbereiche
oder Produktgruppen,
die in Folge der Pandemie
boomen und –trotz der
von allen befragten Unternehmen
beklagten Lieferengpässe –
zu einem zufriedenstellenden Geschäftsverlauf
führen. „Wir beobachten
eine verstärkte Nachfrage
nach Holzbauschrauben, DINund
Normteilen, Solarunterkonstruktion
und vor allem auch chemisch-technischen
Produkten wie
PU-Schaum, Silikon oder Klebebänder“,
berichtet etwa Thomas
Klenk, Geschäftsführer für den
Bereich Einkauf, Produkt, Marketing
und Divisionen bei der Adolf
Würth GmbH. „Im Zuge des ersten
Lockdowns im Frühjahr 2020
wurden oftmals die Produktionskapazitäten
reduziert. Daraus
sind bei unseren Kunden Nachholbedarfe
entstanden, welche
mit einer nach wie vor florierenden
Bauwirtschaft zu einer massiven
Nachfrage führen.“ Hinzu
komme noch, dass die Kunden oft
größere Mengen bestellen, weil
sie befürchten, nicht genug Ware
zu bekommen.
Während Würth also von Nachholeffekten
profitiert hat, macht
sich bei Kärcher ein anderes Phänomen
bemerkbar: der durch die
Lockdowns erzwungene Rückzug
vieler Menschen in die eigenen
vier Wände, genannt „Cocooning“.
Und so hat sich für die
Reinigungsexperten das Privatkundengeschäft
sehr positiv entwickelt:
„Die Menschen waren
mehr zu Hause und hatten dadurch
einen erhöhten Bedarf an
Reinigung und Hygiene. Vor allem
Dampfreiniger, Hochdruckreiniger
und Gartengeräte wurden
stärker nachgefragt“, sagt
David Wickel-Bajak, Leiter der
Kommunikationsabteilung. Auch
hätten die Privatkunden mehr online
eingekauft als zuvor. Noch
stärker profitiert die IT-Branche
von der beschleunigten Digitalisierung:
„Durch die Pandemie
hat die Digitalisierung in der Industrie,
aber auch im öffentlichen
Sektor deutlich an Dynamik gewonnen“,
sagt Oliver Hambrecht,
Geschäftsführer von Bechtle. Die
Unternehmen mussten sich zu Beginn
der Pandemie in kürzester
Zeit mit Homeoffice-Equipment
ausstatten, Schulen und andere
Bildungseinrichtungen benötigten
Notebooks und Tablets. Seither
sei die Nachfrage nach leistungsfähigen
IT-Lösungen und -Services,
nach Notebooks und anderen
mobilen Endgeräten ungebrochen
hoch.
OPTIMISTISCH Ein Ende des
Booms sei nicht absehbar: „Die
Investitionsneigung der Kunden in
IT-Infrastruktur, IT-Lösungen und
Managed Services sowie in digitale
Prozesse ist hoch. Wir sehen
das an unserem Auftragseingang,
der kontinuierlich wächst.“ Und
so blickt Hambrecht trotz anhaltender
Lieferengpässe voller Optimismus
nach vorne: „Bechtle ist
bisher ausgesprochen gut durch
die Pandemie gekommen und ist
bestens aufgestellt, um auch in
Zukunft von dem Bedarf nach zukunftsfähigen
IT-Lösungen überdurchschnittlich
profitieren zu
können.“
Schaffen mit „angezogener Handbremse“
Die Gastronomie und der Einzelhandel, die Reisebranche und Veranstalter
haben am meisten mit abgesagten Weihnachtsfeiern und sinkenden
Frequenzen in den Geschäften zu kämpfen. Dennoch sind die Vertreter
dieser Branchen optimistisch und können mit der 2G-Regel besser
umgehen als mit dem Lockdown vor einem Jahr. VONKERSTIN DORN
Die Kritik vom Branchenverband
der Gastronomen
und Hoteliers kam
postwendend auf die Verschärfung
der Corona-Maßnahmen:
Als „Lockdown durch die Hintertür“
kritisierte der Dehoga die
2G-Plus-Regel, die laut Beschluss
der Landesregierung ab Samstag,
4. Dezember, in der Gastronomie
Baden-Württembergs gelten
sollte. „Spontane Gasthausbesuche
sind unter diesen Bedingungen
nicht mehr möglich, zumal
es fast überall im Land an einer
ausreichenden Testinfrastruktur
fehlt“, begründete der Vorsitzende
Fritz Engelhardt diese eindeutigen
Worte.“ Die Politik reagierte
und „entschärfte“ die Maßnahmen
für geboosterte Menschen
und alle, deren vollständiger
Impfschutz nicht älter als ein halbes
Jahr besteht. Die Gastronomen
waren erleichtert, die Gäste
bleiben verunsichert. „Sie stehen
im Eingang und fragen, ob sie
rein dürfen. Die meisten klären
den Stand der Dinge vorher telefonisch
ab“, sagt Ute Weidinger,
die in Vellberg-Großaltdorf die
Pizzeria Noodles führt. Das ganze
Hickhack hat die Besucherzahlen
deutlich einbrechen lassen.
GASTRONOMIE Die große
Welle der Stornierungen von
Weihnachtsfeiern sei bereits im
Oktober über ihnen zusammengebrochen,
sagt Enst Kunz vom
Landhaus Rößle in Veinau. Mit
Einführung der 2G-Regel hätten
dann auch die kleineren Gruppen,
die Abteilungsfeiern und
Handwerksbetriebe abgesagt.
„Dieses Weihnachten ist durch,
da gibt es nichts mehr zu holen“,
sagt der Gastronom. Seine Hoffnungen
ruhen noch auf dem àla
carte Geschäft am Wochenende.
Doch auch hier wirken die neuerlichen
Verordnungen wie eine
„angezogene Handbremse.“
EINZELHANDEL Auch die stationären
Einzelhändler spüren die
2G deutlich. „Die Frequenz in unseren
Filialen ist gesunken, wohingegen
das Online-Geschäft
sprunghaft anwächst mit einer
Quote von 60 Prozent“, sagt die
Marketingbeauftrage vom Modepark
Röther in Schwäbisch Hall.
Dabei sei man ein Einzelhändler
und kein reiner Online-Anbieter
und wolle das auch bleiben. Der
Online-Shop soll nur ergänzend
zum stationären Handel funktionieren.
Deshalb sei man froh,
aufgrund der großen Flächen die
Kunden bedienen zu können. Die
2G-Regelung sei immer noch die
bessere Alternative zum Lockdown
im vergangenen Jahr. Mit
„schönen Sparaktionen für unsere
Stammkunden“ soll das Weihnachtsgeschäft
gerettet werden.
REISEBRANCHE Durchdie steigenden
Zahlen und die neue Virusvariante
herrscht auch in den
Reisebüros wieder Verunsicherung,
sagt Jeanette Leyh vom Reiseland
am Karlsplatz in Crailsheim.
Dennoch seien die Kunden
voller Hoffnung auf nächstes
Jahr. „Wir spüren das Fernweh,
aber auch die Unsicherheit“. Dabei
können wir mit den Flexoptionen
der Veranstalter eine relativ
hohe Sicherheit geben. Dabei
buchen die Kunden von vornherein
vorsichtiger: Für den Sommer
2021 haben sich nur 30 Prozent
der Kunden langfristig, das heißt
länger als acht Wochen im Voraus
festgelegt.
Der weitaus größere Teil, 70 Prozent,
habe kurz vor Abreise gebucht.
„Die Sehnsucht nach Sonne,
Strand und Meer überwiegt,
die Stornozahlen sind gering und
eher die Folge von Reiseabsagen
Erfolgreich: Die Sehnsucht der Menschen nach Sonne und Meer und einem normalen Leben ohne Einschränkungen
ist groß. Auch kulturelle Veranstaltungen –wie hier die Premiere von „Sister Act“ auf der
Großen Treppe in Schwäbisch Hall –wurden sehr gut angenommen.
Foto: Freilichtspiele Schwäbisch Hall
durch Einreisebeschränkungen,
Virusvarianten, Impfbestimmungen“,
weiß die Geschäftsführerin.
Mittlerweile habe man sich mit 2G
arrangiert: „Wir beraten seit Anfang
der Pandemie überwiegend
mit Terminvereinbarung, Videooder
Onlineterminen. So können
wir die Frequenz gut steuern und
haben keine Wartezeiten.“ Für
2021 erwarte sie einen höheren
Jahresumsatz als 2020, der aber
immer noch unter dem von 2019
liegt.
VERANSTALTER „Wir sehen
beim Publikum Interesse an unserem
diesjährigen Winterprogramm
aber natürlich auch Verunsicherung
bezüglich der Zugangsvoraussetzungen.
Die Kartenkäufer
erkundigen sich genau
nach den geltenden Rahmenbedingungen
und kaufen dann
ihre Tickets. Zu den Vorstellungen
kommen überwiegend vollständig
geimpfte Personen, die die entsprechenden
Nachweise mit sich
führen“, sagt Michael Saur, Kaufmännischer
Leiter der Freilichtspiele
Schwäbisch Hall. Auch die
Ticket-Nachfrage für die Sommerspielzeit
2022 sei zurückhaltender
als 2019, vor der Corona-Pandemie.
Da der Besuch der Vorstellungen
auf der Großen Treppe
im Sommer jedoch dank des gut
funktionierenden Hygienekonzepts
auch unter Corona-Bedingungen
weitestgehend risikolos
war,gehe man davon aus, dass die
Nachfrage für 2022 in den nächsten
Wochen noch zunehmen wird.
„Die Umsätze für 2021 liegen
deutlich über denen von 2020.
Das Niveau der Zeit vor Corona,
also 2019, haben wir jedoch noch
nicht erreicht. Trotz der diversen
Einschränkungen konnten in diesem
Sommer die von uns kalkulierte
Zuschauerzahl erreicht werden,
so dass wir im Ergebnis auf
ein gutes Jahr zurückblicken können“,
ist Saur zufrieden.