2021-12_RegioBusiness
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08 Industrie
Dezember 2021 IJahrgang 20 INr. 231
Vorwürfe vor dem Werkstor
IG Metall klagt über miese Stimmung bei EBM-Papst. Das Unternehmen weist die Anschuldigungen ausdrücklich zurück. VONADINA BAUER
Bei Dometic in Krautheim
war die IG Metall Schwäbisch
Hall im Sommer sehr
aktiv –und das erfolgreich. Trotz
zweistelliger Gewinne wollte der
Caravan-Zulieferer die Produktion
verlagern. Doch die Angestellten
haben mit Unterstützung der
Gewerkschaft einen Zukunftstarifvertrag
erkämpft. Standort und
Beschäftigung sind bis 2027 gesichert.
„Während unserer Aktivitäten
bei Dometic wurden wir aber
von EBM-Papst-Beschäftigten darauf
hingewiesen, dass auch in
diesem Unternehmen Missstände
herrschen“, erklärt Uwe Bauer,
erster Bevollmächtigter der IG
Metall Schwäbisch Hall.
UNMUT Seit September ist die
Gewerkschaft daher vor den
Werkstoren des Ventilatorenbauers
und befragt hier die Mitarbeiter.
Dabei ergab sich laut IG
Metall ein negatives Stimmungsbild
–von Personalmangel, Mobbing,
Lohnklau und hohem Arbeitsdruck
ist die Rede. 55 Prozent
der befragten Angestellten
sind laut einer Online-Umfrage
der IG Metall der Meinung, dass
die Eingruppierungen beim Lohn
willkürlich sind und 91 Prozent
wünschen sich einen Tarifvertrag
mit mehr Geld und klaren Regeln.
Zudem gaben nur 40 Prozent an,
von ihren Vorgesetzten Anerkennung
zu erhalten und etwas mehr
als die Hälfte der Teilnehmer beklagte
die Arbeit des Betriebsrates
als ungenügend.
„Überrascht hat uns die Vehemenz,
mit der die Beschäftigten
auf uns zu kamen“, macht Bauer
deutlich. Und er führt aus,
dass es unter anderem das Bündnis
für Arbeit und die Leistungsorientierte
Vergütung (LeiV) sind,
die den Mitarbeitern sauer aufstoßen
oder für Unsicherheiten sorgen.
Insgesamt herrsche laut Bauer
nun Aufbruchstimmung. „Uns
hat ein Hilferuf der Beschäftigten
erreicht, der von der Geschäftsführung
bislang ignoriert wird“,
fasst der Bevollmächtigte zusammen.
Ziel der Gewerkschaft sei es nun,
gemeinsam mit den Beschäftigten
einen neuen Betriebsrat aufzubauen
und hierfür eine starke
IG Metall-Liste zu erstellen. „Es ist
viel Arbeit, die auf uns zukommt.
Aber wir freuen uns darauf. Denn
wir wollen helfen“, gibt sich das
Mitglied der IG Metall Schwäbisch
Hall kämpferisch. Und Bauer ist
überzeugt: „Mit uns haben die Beschäftigten
einen starken Partner
an ihrer Seite.“
Befragung: Seit September sucht die Gewerkschaft vor Ort das
Gespräch mit Mitarbeitenden des Ventilatorenbauers.Dieser betont,
dass die Umfragen kein repräsentatives Bild abgeben. Foto: IG Metall
STELLUNGNAHME EBM-Papst
distanziert sich klar von den Anschuldigungen.
„Es ist richtig,
dass Mitarbeitende der IGM seit
ein paar Monaten Kollegen ansprechen
und Infomaterial verteilen.
Aber die Vorwürfe aus diesen
nicht-repräsentativen Umfragen
können und wollen wir nicht
unkommentiert stehen lassen
und weisen diese ausdrücklich
von uns“, teilt Hauke Hannig, Bereichsleiter
Unternehmenskommunikation
und Politik, mit.
Er führt aus: „Ein sehr gutes Miteinander
sowie ein offener und
transparenter Dialog ist uns bei
EBM-Papst äußerst wichtig und
gelebte Praxis.“ Auch Betriebsratsvorsitzende
Anja Burkhardt
und ihr Stellvertreter Andreas
Schmitt sind von den Anschuldigungen
überrascht. Das Bild
der IGM decke sich nicht mit
ihren Einschätzungen. „Wir wollen
nicht wegreden, dass auch
bedingt durch die äußeren Faktoren
es teilweise zu angespannten
Situationen kommen kann. Aber
grundsätzlich ist die Stimmung
gut, das bestätigt auch eine Umfrage,
die aktuell läuft“, so Burkhardt.
Das Vorgehen derGewerkschaft
enttäusche den Betriebsrat:
„Es gab keinen Kontaktversuch,
dabei stehen wir für Gespräche
gern zur Verfügung.“
Hannig gibt darüber hinaus zu bedenken:
„Die Covid-19-Pandemie
sowie die aktuelle Materialkrise
stellt die gesamte Industrie
und alle Mitarbeitenden vor besondere
Herausforderungen. Dies
ist kein Normalzustand und erfordert
hohe Sicherheitsmaßnahmen,
denen wir beispielsweise
mit einer weitreichenden betrieblichen
Impfkampagne nachkommen.
Wir haben bei EBM-Papst,
insbesondere in der aktuellen
Krise, einen starken Zusammenhalt.
Vonfehlender Wertschätzung
kann keine Rede sein!“
Zudem habe das Industrieunternehmen
mit LeiV die Grundlage
für eine faire und transparente Bezahlung
aller Mitarbeitenden geschaffen.
Dabei werden neben der
eigentlichen Tätigkeit und dem
Arbeitsziel auch weiche Faktoren,
wie der faire Umgang mit Kollegen
berücksichtigt. Zudem werden
alle Arbeitsstunden exakt in
persönlichen Zeitkonten erfasst.
Abschließend betont Hannig: „Die
Geschäftsführung und der Betriebsrat
in Mulfingen stehen im
kontinuierlichen Austausch, um
EBM-Papst innerhalb seiner Unternehmenswerte
,Menschlichkeit,
Fortschritt und Effizienz’ in
eine weiterhin erfolgreiche Zukunft
zu führen.“
www.igmetall.de
www.ebmpapst.com
Wie ein Anker in stürmischer See
Das Bündnis für Transformation will die heimische Industrie in der derzeitigen Umbruchssituation
unterstützen. Vielleicht gibt es bald Fördergelder vom Bund. VONFRANK LUTZ
Auslieferung: Die 50. Optima-Maschine innerhalb von 18 Jahren macht
sich auf den Wegzum Kunden Hayat.
Foto: Optima
Erfolgreiche
Partnerschaft
Optima liefert 50. Bundler in die Türkei.
Hayat mit Sitz in der Türkei
produziert Produkte in den
Kategorien Hygiene, Home
Care und Personal Health, die in
über 100 Ländern vertrieben werden.
Seit 2003 verbindet Optima
und das Unternehmen eine enge
Partnerschaft, die nun in der Lieferung
des 50. Optima Bundlers
gipfelte.
Ein Schwerpunkt des Produktportfolios
von Hayat sind Papierhygiene-Produkte.
Die Firma
ist der fünftgrößte Produzent von
Marken-Babywindeln weltweit.
Erstmals bestellte Hayat 2003 einen
Optima Bundler –das erste
Modell, das der Weltmarktführer
für die Verpackung von Papierhygiene-Produkten
anbot. In diesem
Jahr folgte die 50. Maschine.
Ibrahim Güler, Vice President
Operations bei Hayat, sagt rückblickend:
„Als wir den Markt für
Babywindeln und Damenbinden
betraten, suchten wir einen Weltklasse-Partner.
Unter allen potenziellen
Partnern ragte Optima
mit seinen hohen Standards und
cleveren Lösungen heraus. Auch
heute erfüllt Optima die Anforderungen
unserer Hochgeschwindigkeitsproduktionslinien,
die inzwischen
Industrie 4.0-tauglich
sind.“
In den 18 Jahren enger Partnerschaft
hat Optima den Bundler
immer weiter optimiert und an
die Kundenbedürfnisse angepasst.
Die Optima-Geräte sind bei Hayat
weltweit an verschiedenen Standorten
im Einsatz. Für das Unternehmen
arbeiten mehr als 9000
Mitarbeiter in 21 Werken. pm
www.optima-packaging.com
Ein niedriger zweistelliger
Millionenbetrag –diese
Förderung könnte Heilbronn-Franken
bald erhalten.
Die Entscheidung werde das
Bundeswirtschaftsministerium
voraussichtlich im Januar 2022
treffen, berichtete Ende November
Dr. Andreas Schumm, Geschäftsführer
der „Wirtschaftsregion
Heilbronn-Franken“
(WHF), bei der Mitgliederversammlung
der Bürgerinitiative
„Pro Region“ in Neckarsulm.
Anfang Juli hatte das Bundeswirtschaftsministerium
bekanntgegeben,
„Transformationsstrategien
für Regionen der
Fahrzeug- und Zulieferindustrie“
für den Zeitraum 1. Januar
2022 bis 30. Juni 2025 fördern
zu wollen. 340 Millionen Euro
beträgt die gesamte Fördersumme
für bis zu 70 Regionen in
Deutschland. Ende September
reichte Schumm eine entsprechende
Projektskizze für Heilbronn-Franken
ein –nun liegt
der Ball sozusagen im Spielfeld
des Ministeriums.
Turbulent: An Herausforderungen mangelt es in der heimischen Industrie nicht.
SCHLÜSSELAKTEURE Ein
Faktor, der für die Region sprechen
könnte, ist das „Bündnis
für Transformation“. Der Zusammenschluss
wirtschaftlicher
und politischer Schlüsselakteure
aus der Region will den beginnenden
Transformationsprozess
–insbesondere in der Automobilindustrie,
der Metall- und
Elektroindustrie und dem Maschinenbau
–unterstützen. Neben
Pro Region und der WHF gehören
zu den Bündnispartnern
bisher die Bezirksgruppe Heilbronn/Region
Franken von Südwestmetall,
die Arbeitsagenturen
Heilbronn und Schwäbisch
Hall-Tauberbischofsheim, die
IG Metall-Geschäftsstellen Heilbronn-Neckarsulm,
Schwäbisch
Hall und Tauberbischofsheim,
die Wirtschaftsförderung (WFG)
Raum Heilbronn, die IHK, die
Handwerkskammer sowie die
Städte Heilbronn und Neckarsulm.
Auf fünf Handlungsfeldern ist das
Bündnis aktiv, berichtete sein
Koordinator, Neckarsulms Oberbürgermeister
Steffen Hertwig:
Zum einen führe man Gespräche
mit Experten. Zudem versuchten
die Bündnispartner gerade kleine
und mittlere Betriebe bei der
Qualifizierung ihrer Mitarbeiter
zu unterstützen.
Zu diesem Zweck dienen auch
Veranstaltungen des Bündnisses
wie die erste Transformationskonferenz,
die im Januar dieses
Jahres online stattfand. Die
zweite Auflage ist für 7. Februar
2022 geplant. Ferner gelte es,
Kommunen und Öffentlichkeit
einzubinden. Nicht zuletzt wolle
das Bündnis auch bei der Gewinnung
von Zukunftstechnologien
mitarbeiten.
Derzeit wird ein „Transformotive“-Projektteam
mit einem übergeordneten
Projektbeirat aus
WFG-Aufsichtsräten, WHF-Gesellschaftern
und Vertretern des
Bündnisses aufgebaut, das sich
von verschiedenen Hochschulen,
Instituten, Verbänden und
Unternehmen beraten lässt. An
der Spitze des Beirats soll Dr.
Rudolf Luz stehen.
www.buendnis-fuertransformation.de
Grafik: Matthias Schubert