Verbundprojekt TAMIC Entwicklung eines taktilen - Experimentelle ...
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Sektion für Minimal Invasive Chirurgie Tübingen<br />
Chirurgische Klinik<br />
Eberhard-Karls-Universität<br />
Tübingen<br />
Schlußbericht<br />
<strong>Verbundprojekt</strong> <strong>TAMIC</strong><br />
<strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> <strong>taktilen</strong> Mikrosensorsystems<br />
für die Minimal Invasive Chirurgie
Inhalt<br />
I. Einleitung 3<br />
1. Problemstellung 3<br />
2. Zielsetzung 4<br />
3. Voraussetzungen 5<br />
4. Planung und Ablauf 6<br />
5. Stand der Wissenschaft und Technik vor Projektbeginn 9<br />
II. Ablauf und Ergebnisse 10<br />
Arbeitspaket 1 10<br />
Arbeitspaket 2 14<br />
Arbeitspaket 3 30<br />
Arbeitspaket 4 43<br />
Arbeitspakete 5 und 8 44<br />
Arbeitspaket 6 55<br />
Arbeitspaket 7 68<br />
Arbeitspaket 9 72<br />
Arbeitspaket 10 73<br />
Arbeitspaket 11 74<br />
III. Zusammenfassung und Ausblick 77<br />
IV. Veröffentlichungen aus dem Projekt 79<br />
V. Literatur 79<br />
VI. Erfolgskontrollbericht 80<br />
Danksagung 82<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 2
I Einleitung<br />
In der Minimal Invasiven Chirurgie (MIC) werden Operationen in der Regel unter endoskopischer<br />
Kontrolle mit verlängerten starren Instrumenten durchgeführt, die durch kleine<br />
Einschnitte oder über natürliche Öffnungen in den Körper eingebracht werden. Der Verzicht<br />
auf die weiträumige Eröffnung von Körperhöhlen reduziert das operative Trauma, vermindert<br />
die postoperativen Schmerzen signifikant und verkürzt die erforderlichen Klinikaufenthalte<br />
sowie Rehabilitationszeiten erheblich.<br />
Die minimal invasive Technik hat sich innerhalb der letzten 30 Jahre entwickelt und<br />
insbesondere seit Beginn des laufenden Jahrzehnts nach ihrer Einführung in der Thorakoskopie<br />
(Wittmoser) und Laparoskopie (Semm) weite Bereiche der unterschiedlichen<br />
chirurgischen Disziplinen wesentlich beeinflußt. Die laparoskopische Entfernung der Gallenblase<br />
und des Appendix haben sich in den Industrieländern als Standardoperationen<br />
durchgesetzt. Das Feld chirurgischer Aufgaben, die endoskopisch gelöst werden können,<br />
erweitert sich ständig.<br />
Die Durchführung einzelner Schritte in der MIC ist jedoch durch grundlegende Einschränkungen,<br />
die sich aus einem noch unzureichend entwickelten Instrumentarium ergeben,<br />
deutlich erschwert und oft zeitaufwendig. Diese Einschränkungen betreffen neben der reduzierten<br />
Bewegungsfreiheit der Instrumente auch den Verlust wichtiger Informationsquellen<br />
wie der optimalen Sichtschärfe, des räumliches Sehens und des weiträumigen Überblicks über<br />
das Operationsgebiet sowie den Wegfall der Tastinformation.<br />
1. Problemstellung<br />
Während der Chirurg bei konventionellen - offenen - chirurgischen Eingriffen seinen<br />
Tastsinn häufig und intensiv zum Auffinden, Eingrenzen und Beurteilen pathologischer,<br />
insbesondere karzinomatöser Gewebeveränderungen oder zur Erkennung größerer Blutgefäße<br />
nutzt, ist die diagnostische Palpation endoskopisch nicht anwendbar.<br />
Durch die Aufhebung der funktionellen Einheit zwischen den Händen des Chirurgen und den<br />
Instrumenten geht die sensorische Kontrolle der chirurgischen Manipulation nahezu<br />
vollständig verloren. So kann wegen der hohen Reibung in den verlängerten Instrumentenschäften<br />
eine traumatische Einwirkung beim Greifen von Gewebe nicht in jedem Fall sicher<br />
erkannt werden.<br />
Werden dem minimal invasiv arbeitenden Chirurgen Tast- und Kraftinformationen wieder<br />
verfügbar gemacht, so kann die Qualität und Sicherheit der Eingriffe erheblich verbessert, die<br />
Belastung für den Patienten weiter verringert und die Rate an Komplikationen, die teilweise<br />
intraoperativ den Umstieg auf die offene Technik erzwingen, gesenkt werden. Durch<br />
höchstmögliche Schonung des Patienten, verringerte Liege- und Ausfallszeiten sowie<br />
maximale Effizienz der Arbeit des Chirurgen kann trotz erhöhten technischen Aufwands<br />
insgesamt eine deutliche Senkung von Krankheitskosten erzielt werden.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 3
2. Zielsetzung<br />
2.1. Ermöglichung der intraoperativen Palpation in der MIC<br />
Vorrangiges <strong>Entwicklung</strong>sziel war es, die intraoperative Befunderhebung durch Palpation<br />
wieder zu ermöglichen und die Kontrolle der im Körperinneren an den Effektoren auftretenden<br />
Kräfte wiederherzustellen.<br />
Um dem minimal invasiv operierenden Chirurgen Tast- und Kraftinformationen wieder<br />
verfügbar zu machen, waren geeignete Sensoren und sensorische Instrumente zu konzipieren<br />
und zu entwickeln. Diese mußten mit einer sinnvollen Signalaufbereitung, günstigerweise<br />
einer Aktorik, ausgestattet werden, um dem Operateur die möglichst intuitive Nutzung der<br />
gewonnenen <strong>taktilen</strong> Information zu ermöglichen.<br />
Zur Festlegung der notwendigen und sinnvollen Spezifikationen dieses zu entwickelnden<br />
sensorischen und aktorischen Instrumentariums waren zunächst die folgenden Grundlagen zu<br />
untersuchen.<br />
• Die mechanoelastischen, pulsatilen und sonstigen taktil erfaßbaren<br />
Eigenschaften der zu untersuchenden Gewebe.<br />
• Die Mechanismen und Leistungsmerkmale der <strong>taktilen</strong> Reizaufnahme und<br />
-verarbeitung beim Menschen.<br />
• die Techniken der chirurgischen Palpation, um sensorische Instrumente so auszulegen,<br />
daß sie ähnliche Bewegungen ausführen können.<br />
Mit Blick auf die grundlegenden Differenzierungsmerkmale für die palpatorische Erkennung<br />
und Klassifizierung pathologischer Gewebetypen einerseits - der Härte bzw. Elastizität, der<br />
Oberflächenrauhigkeit und der Verschieblichkeit gegenüber dem umgebenden Gewebe -<br />
sowie andererseits der Detektion von Blutgefäßen durch palpable Pulsation wurden die<br />
folgenden Aufgaben definiert:<br />
• <strong>Entwicklung</strong> einer Faßzange, deren Mechanik eine Simulation der Daumen-Zeigefinger-<br />
Palpation erlaubt.<br />
• <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> pulsatilen Taststabs zur Erfassung von Druckschwankungen der<br />
Gefäßpulsation.<br />
• <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> vibro<strong>taktilen</strong> Taststabs zur punktuellen Messung von Gewebeimpedanzen,<br />
die mit dem palpatorischen Härteeindruck korrelieren.<br />
• <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> Taststabs mit taktilem Sensorarray zur Aufnahme von Druckkräften<br />
und ortsaufgelösten Härtedetektion.<br />
Angestrebt wurde die Integrierbarkeit aller drei Taststäbe in die Faßzange (taktiles Sensorsystem),<br />
wobei die Faßzange als Routineinstrument auch nichtsensorisch gut nutzbar sein<br />
sollte.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 4
2.2. Datenbasis standardisierter Gewebe- und Tastparameter<br />
Weiteres Ziel war die Bereitstellung einer Datenbasis standardisierter Gewebe- und Tastparameter<br />
als Grundlage für die Weiterentwicklung des Instrumentariums sowie für die<br />
Modellierung von Trainingsaufbauten und elektronischen Medien, um Chirurgen in der<br />
Anwendung der neuen sensorischen und aktorischen Techniken zu schulen. Darüberhinaus<br />
wurde eine Standardisierung von Tastbefunden mit dem Ziel angestrebt, ein Feld diagnostischer<br />
Möglichkeiten zu erschließen, das bislang aufgrund fehlender Objektivierbarkeit nicht<br />
nutzbar war.<br />
3. Voraussetzungen<br />
Aufgrund ihrer engen klinischen Anbindung und des interdisziplinären Ansatzes verfügt die<br />
Forschungs- und <strong>Entwicklung</strong>sgruppe der Sektion für Minimal Invasive Chirurgie an der<br />
Chirurgischen Universitätsklinik Tübingen über besonders günstige Voraussetzungen für eine<br />
am klinischen Bedarf orientierte, anwendernahe Konzeption und Evaluation von Prototypen<br />
innovativer medizintechnischer Instrumente und Verfahren. Die Gruppe besteht aus<br />
Chirurgen, Naturwissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern und ist seit 17 Jahren in der<br />
<strong>Entwicklung</strong> und klinischen Einführung neuer operativer Verfahren in der endoskopischen<br />
Chirurgie tätig, etwa der Transanalen Endoskopischen Mikrochirurgie (TEM) und der<br />
Endoskopisch Mediastinalen Dissektion des Ösophagus (EMDE). Weiter wurden neue<br />
Methoden der Behandlung des Gallensteinleidens und der laparoskopischen Dickdarmchirurgie<br />
erarbeitet. Innerhalb der Gruppe wurden im Bereich Technologie- und Systementwicklung<br />
neue Instrumentarien prototypisch entwickelt, erprobt und gemeinsam mit<br />
Industriepartnern realisiert.<br />
Aus der Analyse des technologischen Bedarfs für die MIC hat die Sektion im Jahr 1988 die<br />
folgende Trias der <strong>Entwicklung</strong>sziele definiert:<br />
• Wiedererlangung der räumlichen Sicht,<br />
• Wiedererlangung der Freiheitsgrade der Bewegung und<br />
• Wiederherstellung des Tastsinns.<br />
Seit 1990 besteht eine intensive <strong>Entwicklung</strong>szusammenarbeit mit dem Forschungszentrum<br />
Karlsruhe. In diesem Rahmen war unter anderem bereits eine taktile Zange entstanden, mit<br />
der erste experimentelle Erfahrungen in der Anwendung sensorischer Instrumente gesammelt<br />
werden konnten.<br />
In der hauseigenen Prototypenwerkstatt konnten für das vorliegende Projekt kleinere technische<br />
Arbeiten wie die Anfertigung von Handgriff-Funktionsmustern und Komponenten für<br />
taktile Prüfvorrichtungen und Phantomaufbauten durchgeführt werden.<br />
Für die Erprobung der bei den technischen Partnern entwickelten Funktionsmuster in Tierversuchen<br />
stand der Tier-Operationssaal des Bereichs <strong>Experimentelle</strong> Chirurgie der Universität<br />
Tübingen zur Verfügung. Erprobungen an frischem, intraoperativ entfernten<br />
menschlichen Tumorgewebe konnten in der Chirurgischen Universitätsklinik Tübingen sowie<br />
aufgrund guter bestehender Kontakte an anderen Kliniken durchgeführt werden.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 5
Das Verbundvorhaben wurde gemeinsam mit den folgenden technischen Partnern realisiert:<br />
Adolf Bausch GmbH, Medizintechnik, 80337 München<br />
Daimler-Benz AG, Forschung und Technik, 81663 München<br />
Daum GmbH, 19061 Schwerin<br />
Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (FhG-IBMT), 66386 St. Ingbert<br />
ViewPoint Bildverarbeitung GmbH, 82205 Gilching.<br />
4. Planung und Ablauf<br />
Für das Verbundvorhaben wurde der folgende Arbeitsplan definiert:<br />
Arbeitspaket 1<br />
Untersuchung der Sensorik des menschlichen Hand-Arm-Systems/ Spezifikation<br />
physiologischer Anforderungen<br />
an technische Tastverfahren für die MIC<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.01.95-01.06.95 3 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
2 Personenmonate tech. Personal BAT IVb<br />
Arbeitspaket 2<br />
Mechanische Eigenschaften pathologischer Humangewebe<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.01.95-01.06.95 3 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
1 Personenmonat tech. Personal BAT IVb<br />
1 Personenmonat wiss. Hilfskraft<br />
Arbeitspaket 3<br />
Medizinische Konzeption taktiler Instrumente für die endoskopische Chirurgie<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.06.95-01.09.95 1 Personenmonat wiss. Personal BAT IIa<br />
1 Personenmonat wiss. Hilfskraft<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 6
Arbeitspaket 4<br />
<strong>Entwicklung</strong> einer experimentellen Testumgebung für die Grundlagenerprobung<br />
taktiler Instrumentensysteme<br />
einschließlich <strong>eines</strong> standardisierten Validierungsprotokolls<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.06.95-01.09.95 1 Personenmonat wiss. Personal BAT IIa<br />
3 Personenmonate tech. Personal BAT IVb<br />
3 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
Arbeitspaket 5<br />
Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM A1/A2 - makroskopisch<br />
(Vibrotaktiler Sensor, Pulsatiler Sensor)<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.09.95-01.11.95 2 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
3 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
Arbeitspaket 6<br />
Grundlagenerprobung FM B1/B2<br />
(Faßzange / Taststab mit taktilem Mikrosensorarray)<br />
Zeitraum Aufwand<br />
15.10.95-01.01.96 2 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
3 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
Arbeitspaket 7<br />
Überarbeitung und Detaillierung der medizinischen Konzeption für taktile<br />
Sensorsysteme / Erarbeitung <strong>eines</strong> klinischen Erprobungsplans<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.01.96-31.03.96 2 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
2 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 7
Arbeitspaket 8<br />
Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM A1/A2 - miniaturisiert<br />
(Vibrotaktiler Sensor, Pulsatiler Sensor)<br />
Zeitraum Aufwand<br />
31.03.96-31.05.96 2 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
2 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
Arbeitspaket 9<br />
Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM H<br />
(Matching von taktiler Information und Videosignal)<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.05.96-31.06.96 2 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
2 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
Arbeitspaket 10<br />
Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM C1/C2<br />
(Faßzange / Taststab mit taktilem elektrorheologischen Aktorarray)<br />
Zeitraum Aufwand<br />
31.08.96-31.11.96 2 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
2 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
Arbeitspaket 11<br />
Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM G<br />
(Taktiler Manipulator)<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.10.96-31.12.96 2 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
2 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
Arbeitspaket 12<br />
Erarbeitung <strong>eines</strong> Trainings- und Demonstrationskonzepts<br />
Zeitraum Aufwand<br />
01.08.96-31.12.96 2 Personenmonate wiss. Personal BAT IIa<br />
2 Personenmonate wiss. Hilfskraft<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 8
5. Stand der Wissenschaft und Technik vor Projektbeginn<br />
Die Minimal Invasive Chirurgie hatte in den vorausgegangenen Jahren weite Bereiche der<br />
verschiedenen chirurgischen Fachrichtungen beeinflußt. Unter Nutzung moderner Technologie<br />
kann auf die breite Öffnung von Körperhöhlen verzichtet werden. Die Sicht wird über<br />
Endoskope und Videosysteme gewährleistet, der chirurgische Eingriff mit Instrumenten<br />
vorgenommen, die über kleine Zugänge in die Körperhöhle eingeführt werden. Grundsätzlich<br />
wird durch diese Vorgehensweise das operative Trauma vermindert, die postoperativen<br />
Schmerzen werden signifikant gesenkt und die Zeit des Klinikaufenthaltes kann deutlich<br />
reduziert werden, so daß in der Regel zwar ein größerer operativer Aufwand erforderlich ist,<br />
wegen der kurzen Liege- und Rehabilitationszeiten aber trotzdem Krankheitskosten gesenkt<br />
werden können. Die typische Operation, bei der die Vorteile der MIC erstmals in größerem<br />
Rahmen dargestellt werden konnten, ist die laparoskopische Cholezystektomie.<br />
Zunehmende Erfahrung und technischer Fortschritt erlauben heute auch die Ausführung<br />
größerer Eingriffe auf endoskopischem Wege, so daß mit einer weiteren Ausweitung<br />
endoskopischer Operationsverfahren zu rechnen ist.<br />
Für den endoskopisch arbeitenden Chirurgen ist im allgemeinen das zweidimensionale<br />
Videobild die einzige Quelle von Informationen über das Operationsgebiet. Die Lokalisation<br />
von Tumorgrenzen und Beurteilung der Dignität ist damit erheblich erschwert. Intraoperativ<br />
verwendbare technische Hilfsmittel zur Gewinnung taktiler Gewebe- oder Greifkraftinformation<br />
stehen nicht zur Verfügung.<br />
Bereits seit längerem existieren detaillierte theoretische und experimentelle Arbeiten zum<br />
Vibrationsverhalten und der Messung vibroelastischer Eigenschaften biologischer Gewebe<br />
[1]-[3]. Die Ausrichtung auf konkrete medizinische Anwendungen ist verstärkt in den letzten<br />
Jahren zu beobachten [4]. Große <strong>Entwicklung</strong>sanstrengungen in der Nutzung vibrotaktiler<br />
Sensorik für endoskopische Disziplinen der Chirurgie werden derzeit in Japan unternommen,<br />
z.B. am Nihon University College of Engineering, der Hirosaki University School of<br />
Medicine und dem University of Tokyo Dept. of Cardiothoracic Surgery.<br />
Die <strong>Entwicklung</strong> ortsauflösender kapazitiver Tastsensorarrays speziell für die Minimal<br />
Invasive Chirurgie wird insbesondere von Gruppen in den USA vorangetrieben, beispielsweise<br />
an der Division of Applied Sciences der Harvard University, Cambridge, Mass.. Hier<br />
wird auch auf dem Gebiet der Pulsdetektion [5] sowie der Aktorik gearbeitet. In Deutschland<br />
laufen Arbeiten im Bereich der kapazitiven Tastsensorik beispielsweise an der Universität<br />
Duisburg in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Mikroelektronische Schaltungen<br />
und Systeme.<br />
Laseroptische Methoden für taktile Anwendungen werden in Japan mit Unterstützung der<br />
Olympus Optical Co. erprobt.<br />
Ein optisches Tastsensorarray einschließlich einer vibrationsbasierten Aktorik wurde in<br />
Zusammenarbeit mit unserer Gruppe bereits am Forschungszentrum Karlsruhe entwickelt.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 9
II. Ablauf und Ergebnisse<br />
Arbeitspaket 1: Untersuchung der Sensorik des menschlichen Hand-Arm-<br />
Systems/ Spezifikation physiologischer Anforderungen an technische<br />
Tastverfahren für die MIC.<br />
1.1 Die Physiologie des menschlichen Tastsinns<br />
Die Physiologie des menschlichen Tastsinns sowie die Palpationsmanöver, die in der Chirurgie<br />
intraoperativ zur Anwendung kommen, wurden hinsichtlich Tastergonomie und Palpationstechnik<br />
untersucht. Dies geschah in enger Abstimmung zwischen Physikern unserer<br />
Gruppe sowie des FhG-IBMT und Chirurgen unterschiedlicher Disziplinen.<br />
In Zusammenarbeit mit Einrichtungen für Sehbehinderte konnten grundlegende Leistungsmerkmale<br />
des menschlichen Tastsinns wie das maximale Auflösungsvermögen, Techniken<br />
des hochauflösenden Tastens und die zugeordneten physikalischen Daten erhoben werden.<br />
Der Sinneseindruck der Palpation entsteht durch die Reizung der exterozeptiven Sensoren, die<br />
sich in der Haut befinden in Verbindung mit den Reizen der propriozeptiven Sensoren in den<br />
Gelenken. Die propriozeptiven Sensoren geben die Anpreßkraft der Hand wieder. Untersuchungen<br />
der Haptik Sehbehinderter zeigten, daß die propriozeptive Sensorik ohne visuelle<br />
Unterstützung nur eine sehr ungenaue Orts- und Positionsbestimmung der Hand erlauben. Die<br />
Positionsbestimmung der Taststelle im Raum wird hauptsächlich visuell geleistet, während<br />
die räumliche Struktur des Tastobjektes durch die exterozeptive Sensorik erfaßt wird. Um<br />
dem Chirurgen einen natürlichen takilen Eindruck zu vermitteln, müssen sowohl die propriozeptive<br />
Sensorik als auch die exterozeptive Sensorik stimuliert werden. Die Anpreßkraft sollte<br />
durch Stimulation der propriozeptiven Sensorik und die räumliche Erfassung des Tastbjektes<br />
durch Stimulation der exterozeptiven Sensorik vermittelt werden.<br />
Die exterozeptive Sensorik reagiert auf Druck, seine Änderung sowie auf Vibration und<br />
Beschleunigung der Hautoberfläche.<br />
Der taktile Sinneseindruck durch die exterozeptive Sensorik entsteht durch eine Kombination<br />
dieser Einflüsse. Die höchste räumliche Auflösung der <strong>taktilen</strong> Information durch den<br />
Tastsinn in der Fingerbeere ist 0.5 mm [1] und wird durch den gemeinsamen Reiz des Drucks<br />
auf die Fingerbeere und der Vibration der Hautoberfläche durch Abtasten des Objekts<br />
erreicht. Weder eine alleinige vibrotaktile Reizung noch eine reine Druckreizung führt zu dieser<br />
Empfindlichkeit. Die alleinige Reizung <strong>eines</strong> Sensortyps führt zu einem deutlich geringeren<br />
räumlichen Auflösungsvermögen von 3 mm im Vergleich zu 0.5 mm bei kombinierter<br />
Stimulation der Sinnesreize.<br />
Die taktile Erfassung einer größeren Struktur erfolgt normalerweise iterativ. Nach Gewinn<br />
<strong>eines</strong> groben Überblicks durch grobes Abtasten der Struktur werden die interessantesten<br />
Stellen der Struktur wiederholt und fein abgetastet. Dieses Vorgehen ermöglicht schnelles und<br />
effizientes Erfassen einer Struktur sowie schnelles Auffinden von morphologisch interessanten<br />
Bereichen der ertasteten Struktur.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 10
Im Ergebnis konnten aus physiologischer Sicht die folgenden Spezifikationen definiert werden,<br />
die bei der technischen Nachbildung der menschlichen Wahrnehmung durch taktile<br />
Instrumentarien zu fordern sind. Diese Ergebnisse sind als Anforderungen, Konzepte und<br />
Realisierungsvorschläge in alle weiteren Arbeitspakete eingeflossen<br />
Das Auflösungsvermögen der Fingerkuppe wurde in Abhängigkeit von Art und Intensität der<br />
Impulse untersucht. Die maximale Kraft, die die Fingerbeere beim aktiven Ertasten von<br />
Oberflächenstrukturen ausübt, wurde für monopolares Tasten zu 50 bis 100 cN bestimmt.<br />
Diese Kraft entspricht bezogen auf die Fläche der Fingerbeere von etwa 0,5 cm² einem Druck<br />
von 200 mbar. Untersuchungen an Gewebeproben zeigten, daß ein höherer Anpreßdruck das<br />
Gewebe verletzen kann. Die maximale laterale Auflösung des menschlichen Tastsinns beim<br />
Überstreichen von Strukturen mit mehreren Fingern beträgt etwa 500 µm; dies wird<br />
beispielweise durch die von geübten sehbehinderten Personen verwendete Technik des Lesens<br />
von Braille-Texten illustriert, vergleiche hierzu [6]. Geringfügig höhere Punktauflösungen<br />
können beim Reiben z.B. zwischen Daumen und Zeigefinger erreicht werden, vgl. dazu [7].<br />
Die differentielle Auflösung der Fingerkuppe beträgt etwa 1 mbar mit nur geringfügigen<br />
Abweichungen zwischen den einzelnen Fingern.<br />
Die Verwendung anderer Hautareale als taktile Empfänger wurde geprüft, jedoch von chirurgischer<br />
Seite für klinisch nicht praktikabel erachtet.<br />
Die Mechanismen der sensorischen Reizaufnahme über die Rezeptoren der Haut und die Propriozeption<br />
in Gelenken, Muskeln und Sehnen wurden einander gegenübergestellt und die<br />
Bedeutung der visuellen Unterstützung für die Positionsbestimmung der tastenden Hand untersucht.<br />
1.2 Operatives Umfeld<br />
Das taktile Instrument soll in ein endoskopisches operatives Umfeld integriert werden, in dem<br />
das Personal hohen Belastungen ausgesetzt ist. Die Kosten zum Betrieb <strong>eines</strong> Operationssaals<br />
sind hoch und das Personal ist knapp. Schon beim Aufbau der Geräte und beim sterilen Herrichten<br />
der Instrumente herrscht oft Zeitdruck. Die Organisation des sterilen Instrumentariums,<br />
Einleitung des Patienten, des kompletten Operationsteams und eventuell hinzuzuziehender<br />
Experten muß zeitlich optimal abgestimmt werden, um Kosten und Narkosezeit zu minimieren.<br />
Die Operation erfordert bestmögliche Präzision und oft schnellstmögliches richtiges Handeln.<br />
Deshalb steht insbesondere der verantwortliche Operateur, der eine Vielzahl von chirurgischen,<br />
anästhesiologischen, medizintechnischen und organisatorischen Bedingungen einhalten<br />
muß, unter hoher Belastung. Das sterile Personal hat nur begrenzte Bewegungsfreiheit und<br />
unterliegt teilweise erheblichen ergonomischen Belastungen. Deshalb müssen Instrumente<br />
und Geräte, die in einer solchen endoskopischen Operation verwendet werden, einfach,<br />
schnell montierbar, zuverlässig und dennoch wirkungsvoll sein.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 11
1.3 Anforderungen an den Sensor<br />
Das Sensorarray sollte eine realistische chirurgische Palpation ermöglichen. Aus diesem<br />
Grund muß es mindestens die physiologische Auflösung und Empfindlichkeit wiedergeben.<br />
So ergibt sich für den Sensor eine zu fordernde räumliche Auflösung von<br />
0,5 mm - 1 mm. Das Sensorarray sollte im Betrieb als taktiler Sensor einem Anpreßdruck von<br />
mindestens 200 mbar standhalten<br />
Die realistische Palpation von Strukturen erfordert eine Kraft- bzw. Druckauflösung jedes<br />
einzelnen Sensorelements von mindestens 1 mbar differentieller Auflösung bei einer absoluten<br />
Genauigkeit von 10 mbar.<br />
Die Temperatur des Gewebes wird in der minimal-invasiven Chirurgie wie in der offenen<br />
Chirurgie bisher nicht gemessen. Es ist sicher von Interesse, die Temperatur des Gewebes zu<br />
bestimmen, um eventuell zusätzliche Aussagen über das Gewebe erhalten zu können. Temperaturmessungen<br />
können vorab vom MIC Tübingen mit einem Thermoelement im Tierversuch<br />
vorgenommen werden.<br />
1.4 Anwendungszenarien<br />
Die in <strong>TAMIC</strong> geplante taktile Faßzange sollte dem Chirurgen bei einem minimal-invasiven<br />
chirurgischen Eingriff ein Abtasten des Gewebes ermöglichen. Dieses Abtasten ermöglicht<br />
sowohl die Unterscheidung von gesundem und pathologischem Gewebe als auch die<br />
Erkennung von Gefäßen.<br />
Die taktile Faßzange soll durch die Bestimmung von Härte, Oberflächenrauhigkeit und Verschieblichkeit<br />
des Gewebes bzw. von Strukturen im Gewebe einen <strong>taktilen</strong> Eindruck des ertasteten<br />
Gewebes ermöglichen. Dieser taktile Eindruck sollte dem Chirurgen in der minimalinvasiven<br />
Chirurgie die Identifikation von pathologischem Gewebe ermöglichen. In der<br />
minimal-invasiven Chirurgie sind pathologische Veränderungen des Gewebes z. B. in Form<br />
von<br />
• Gallengangssteinen,<br />
• endoluminalen Tumoren ( Rektumtumor, Magenkarzinom),<br />
• oberflächennahen Tumoren im Parenchymgewebe,<br />
• Lebermetastasen und<br />
• Morbus Crohn im Dünndarm (endzündliche Verhärtungen)<br />
interessant. Eine Identifikation von Gefäßen durch die taktile Faßzange ist in der minimalinvasiven<br />
Chirurgie sehr wünschenswert, um Verletzungen dieser Gefäße zu vermeiden. Die<br />
Faßzange sollte die Pulsation von Arterien digital detektieren können. Die digitale Erkennung<br />
von Venen wäre wünschenswert, ist aber vermutlich schwer zu realisieren. Die taktile Faßzange<br />
soll sowohl zur Palpation als auch zum Fassen von Gewebe in der laparoskopischen<br />
MIC eingesetzt werden. Die Kombination von Greif- und taktilem Instrument kann die taktile<br />
Faßzange zu einem Routineinstrument des Chirurgen in der minmalinvasiven Chirurgie<br />
machen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 12
In einigen Fällen konnte den Partnern die Anwesenheit bei chirurgischen Operationen ermöglicht<br />
werden. Die diagnostischen und therapeutischen Bedingungen, die Anforderungen an<br />
Reinigbarkeit und Sterilisierbarkeit sowie an die elektrische und mechanische Sicherheit der<br />
Instrumente wurden spezifiziert. In Ergänzung wird auch hier auf die Ergebisse von Arbeitspaket<br />
3 verwiesen, weiter auf die Ergebnisse in Arbeitspaket 7.<br />
Das Arbeitspaket wurde im Zeitplan abgeschlossen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 13
Arbeitspaket 2: Mechanische Eigenschaften pathologischer Humangewebe<br />
2.1 Messungen mit dem Kraft-Weg-Aufnehmer<br />
Inhalt des Arbeitspakets war die Bestimmung mechanischer Eigenschaften, wie Elastizität,<br />
Härte, Rauhigkeit oder Verschieblichkeit, pathologischer und gesunder Gewebe. Sowohl die<br />
statisch <strong>taktilen</strong> als auch die mechanische Impedanz - das heißt die vibro<strong>taktilen</strong> Eigenschaften<br />
pathologisch veränderter Gewebetypen in Bezug auf das umgebende gesunde Gewebe -<br />
wurden untersucht.<br />
Zur Messung statisch taktiler Gewebeeigenschaften wurde eine standardisierte Testumgebung<br />
aufgebaut, die auf statischer Kraft-Weg-Messung beim Zusammendrücken von Resektatgeweben<br />
gegen eine feste Unterlage basiert. Es konnten somit Elastizitästmodule fester Proben<br />
aufgenommen werden.<br />
Weg [mm]<br />
14<br />
12<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
-2 0 2 4 6 8 10 12 14 16<br />
Zeit [s]<br />
Abb. 1. Messung des Weges bei Auf- und Zubewegung des Maulteils.<br />
Hauptergebnis dieser Messungen war, daß das undurchblutete Resektatgewebe bei langsamen<br />
Bewegungen schlecht durch ein elastisches Modell beschrieben werden kann. Vielmehr<br />
überwiegt der plastische Charakter des Gewebes. Außerdem hingen die Meßwerte stark vom<br />
Zustand des Resektats ab (Alter, Autolysegrad).<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 14
Kraft [mN]<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-10 -8 -6 -4<br />
Weg [mm]<br />
Abb. 2. Hysterese bei der Kraftmessung der Auf- und Zubewegung von Abb. 1.<br />
2.2 Messungen mit dem vibro<strong>taktilen</strong> Referenzmeßsystem<br />
Weiter wurden mit einem vibro<strong>taktilen</strong> Referenzmeßsystem des FhG-IBMT Impedanzeigenschaften<br />
verschiedener Proben vermessen. Die Funktionsweise des Referenzsystems ist ausführlich<br />
im Bericht der FhG-IBMT beschrieben.<br />
Die vibro<strong>taktilen</strong> Eigenschaften von Gewebe können durch eine Anregung des Gewebes zu<br />
einer erzwungenen Schwingung ermittelt werden. Für die Messung der Impedanz des schwingenden<br />
Systems wird sowohl die Anpreßkraft als auch die Schwingungsamplitude zeitabhängig<br />
detektiert. Durch Variation der Frequenz des anregenden schwingenden Stößels kann die<br />
Eigenresonanz des schwingenden Systems bestimmt werden. Ziel der Bestimmung der Impedanz<br />
des Gewebes ist ein vibrotaktiles Instrument, mit dessen Hilfe Aussagen über die Härte<br />
(Scher- und Kompressionsmodule) des Gewebes getroffen werden können.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 15
Im Dezember 1995 wurden mit dem vom FhI-IBMT zur Verfügung gestellten Referenzsystem<br />
von Brüel & Kjaer die vibro<strong>taktilen</strong> Eigenschaften folgender Humanresektate gemessen.<br />
• Lebermetastasen,<br />
• gesundes Lebergewebe,<br />
• Dickdarm-Adenom,<br />
sowie aus der Hals-Nasen-Ohren-Klinik:<br />
• Polyp,<br />
• Schleimhaut,<br />
• Schleimhaut mit Schwellkörper,<br />
• Lymphknoten,<br />
• glandula submandibularis (Unterkiefer-Speicheldrüse),<br />
• Plattenepithelkarzinom,<br />
• Knorpel,<br />
• Gesichtsknochenfragmente,<br />
• Unterkieferknochen.<br />
Für die Messungen wurde mit einer Waage eine konstante Anpreßkraft des schwingenden<br />
Stößels von 2 cN eingestellt. Die Gewebeproben lagen für die Messungen auf einer harten<br />
Unterlage. Die Leberresektate hatten eine Dicke von 7 mm. Bei den anderen Resektaten war<br />
die Größe von der natürlichen Ausdehnung der Gewebeproben abhängig. In den beiliegenden<br />
Schaubildern sind die Einzelmessungen dargestellt. Die Resonanzfrequenzen variieren für die<br />
verschiedenen Gewebe zwischen 18 Hz und 110 Hz. Die Schwankungen innerhalb einer<br />
Gewebeprobe waren wie die durch die Meßungenauigkeit des Systems bedingten<br />
Schwankungen gering. Eine Unterscheidung der unterschiedlichen Gewebeproben läßt sich<br />
eher durch eine Bestimmung der Eigenresonanz des schwingenden Systems bewerkstelligen,<br />
als durch eine Messung der Kraft oder Amplitude bei definierter Frequenz. Die<br />
Resonanzfrequenz von gesundem und pathologisch verändertem Gewebe unterscheidet sich in<br />
diesem Laborexperiment um etwa einen Faktor zwei. Die einzelnen Messungen werden im<br />
folgenden kurz diskutiert.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 16
• Lebermetastasen im Vergleich zu gesundem Gewebe (siehe Abb. 3): Die Resonanzfrequenz<br />
von gesundem Gewebe war bei zwei Präparaten zwischen 21 Hz und 24 Hz während<br />
sie für das pathologisch veränderte Gewebe zwischen 28 Hz und 35 Hz war. Eine<br />
vibrotaktile Unterscheidung zwischen gesundem und pathologisch verändertem Gewebe<br />
scheint demnach möglich.<br />
Abb. 3: Vibrotaktile Messungen von Lebermetastasen im Vergleich zu gesundem Gewebe.<br />
Es wurde auch nach einem zweiten Prinzip gemessen. Es wurde die Schwingungsamplitude<br />
konstant gehalten und die zur Erzielung dieser Auslenkung notwendige Kraft ermittelt. Die<br />
zur Anregung notwendige Kraft bei konstanter Schwingungsamplitude und einer Frequenz<br />
von 15 Hz lag bei gesundem Gewebe zwischen 20 mN und 25 mN und bei dem pathologisch<br />
veränderten Gewebe zwischen 40 mN und 60 mN.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 17
• Bei den Messungen des Kolon-Adenoms war die Resonanzfrequenz des Adenoms mit 21-<br />
26 Hz geringer als die Frequenz der gesunden Darmwand mit 30-50 Hz (Abb. 4, 5). Dies<br />
entspricht dem <strong>taktilen</strong> Eindruck des gegenüber der Darmwand weicheren Adenoms. Die<br />
Schwankungen der Resonanzfrequenz der Darmwand liegen im verwendeten Meßaufbau<br />
begründet, da die dünne Darmwand direkt auf einer harten Korkauflage plaziert war und<br />
nicht frei schwingen konnte. Dies wird in der folgenden Messung korrigiert werden. Eine<br />
Unterscheidung der Gewebesorte aufgrund der Kraft ist hier nicht möglich.<br />
Abb. 4: Vibrotaktile Messungen von Kolon im Vergleich zu gesundem Gewebe.<br />
Abb. 5: Streuung der vibro<strong>taktilen</strong> Messungen bei verschiedenen Organen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 18
• Die Messung an Lymphknoten im Hals-Bereich offenbarte keine Unterschiede zwischen<br />
Lymphknoten und umgebendem Bindegewebe (Abb. 6). Dies entspricht dem <strong>taktilen</strong> Eindruck,<br />
da die Härte der Gewebe taktil nicht zu unterscheiden ist. In der chirurgischen<br />
Praxis ist dies jedoch durch Messung der Verschieblichkeit der Lymphknoten möglich.<br />
Abb. 6: Vibrotaktile Messungen an Lymphknoten im Hals-Bereich im Vergleich zum umliegenden<br />
Bindegewebe.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 19
• Die Resonanzfrequenzen des Plattenepithelkarzinoms waren mit 25-30 Hz deutlich größer<br />
als die Resonanzfrequenzen der umgebenden Schleimhaut mit 21-22 Hz (Abb. 7). Eine<br />
taktile Lokalisation ist demnach bei einer Bestimmung der Resonanzfrequenz möglich,<br />
nicht jedoch bei Bestimmung der Kraft oder Amplitude. Besonders hervorzuheben ist hier<br />
die Detektion des karzinomatösen Gewebes im Hintergrund von gesunder Schleimhaut.<br />
Abb. 7: Vibrotaktile Messungen an Plattenepithelkarzinom im Vergleich zur umgebenden<br />
Schleimhaut.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 20
• Nasenschleimhaut kann ebenso von Gesichtsknochen durch eine Bestimmung der<br />
Resonanzfrequenz unterschieden werden (Abb. 8). Die Messungen der Resonanzfrequenz<br />
größerer Knochenfragmente ist jedoch noch ungenau, da der Knochen mechanisch nicht<br />
fixiert war und so bei einer vibro<strong>taktilen</strong> Anregung bezüglich der Unterfläche zu<br />
Schwingungen angeregt wurde. Diese Ungenauigkeit wird in der nächsten Messung durch<br />
eine mechanische Fixierung, die auch in vivo vorhanden ist, korrigiert.<br />
Abb. 8: Vibrotaktile Messungen an Nasenschleimhaut im Vergleich zum Gesichtsknochen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 21
• Die Resonanzfrequenz von Nasen-Polypen (Abb. 9) war bedingt durch die<br />
unterschiedliche Größe der Polypen mit 15-30 Hz großen Schwankungen unterworfen.<br />
Dennoch ist eine vibrotaktile Unterscheidung zwischen Polyp und Knochen möglich.<br />
Abb. 9: Vibrotaktile Messungen an Nasenpolypen im Vergleich zum Gesichtsknochen.<br />
Aufgrund dieser Ergebnisse scheint eine vibrotaktile Messung zur Bestimmung von Gewebehärten<br />
und damit auch zur Unterscheidung der verschiedenen Gewebetypen grundsätzlich<br />
möglich (Abb. 10). So ist z. B. mit dem verwendeten Referenzsystem eine Differenzierung<br />
zwischen Lebermetastasen und gesundem Umgebungsgewebe bei Bestimmung der<br />
Resonanzfrequenz des Gewebes möglich. Diese Differenzierung ist auch in gewissen Grenzen<br />
für verdeckte Strukturen möglich. Einschränkend ist anzumerken, daß die hier vorgestellten<br />
Messungen mit einem Labor-Meßsystem für vibrotaktile Sensorik durchgeführt wurden. Bei<br />
Verwendung <strong>eines</strong> natürlicherweise ungenaueren miniaturisierten vibro<strong>taktilen</strong> Sensors<br />
könnten die Unterschiede in der Resonanzfrequenz von maximal einem Faktor zwei geringer<br />
als die Meßungenauigkeit sein. Die Anpreßkraft ist intraoperativ größeren Schwankungen<br />
unterworfen, die zusätzlich die Ungenauigkeit der Meßmethode vergrößern. Da das Signal<br />
<strong>eines</strong> vibro<strong>taktilen</strong> Sensors bei kleineren Strukturen (
waren zu ungenau, da bei diesen Präparaten bedingt durch den Meßaufbau die gesamten Präparate<br />
zu Schwingungen angeregt wurden. Diese Schwingungen verfälschten die Messung<br />
stark, weshalb hier die Meßfehler am größten waren. Es wird vorgeschlagen, daß die Präparate<br />
in einem nachfolgenden Experiment fixiert werden, so daß sie nicht mehr schwingen<br />
können. Des weiteren ist die Schwingungsamplitude von gegenwärtig 50 µm wesentlich zu<br />
verringern, um einen ständigen Kontakt des Stößels mit dem Präparat zu gewährleisten.<br />
Resonanzfrequenz /Hz<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Polyp<br />
Lymph.<br />
Schwellk.<br />
Schleimhaut<br />
PE-Karzinom<br />
Knorpel<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 23<br />
Ges.-knochen<br />
Abb. 10: Unterscheidung von Gewebearten in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde nach den<br />
vibro<strong>taktilen</strong> Messungen.<br />
Die Lokalisation von karzinomatösem Gewebe wie einem Plattenepithelkarzinom in der umgebenden<br />
Schleimhaut ist ebenfalls in der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde von großem Interesse,<br />
da die Tumoren häufig verdeckt sind. Die grundsätzliche Möglichkeit dieser Lokalisation<br />
wurde mit dem Referenzsystem an einem Resektat gezeigt.<br />
Abschließend läßt sich sagen, daß eine Unterscheidung der einzelnen Gewebetypen durch<br />
vibrotaktile Sensorik grundsätzlich möglich ist. Die hier gewonnenen Ergebnisse müssen<br />
jedoch weiter vertieft werden, bevor sich abschließende Aussagen treffen lassen.<br />
2.3 Messungen mit dem vibro<strong>taktilen</strong> Versuchsaufbaus in Tübingen<br />
2.3.1 Einleitung und Problemstellung<br />
Schon vor Beginn des <strong>TAMIC</strong>-Projekt war von MICT mit der <strong>Entwicklung</strong> zweier Vorstudien<br />
<strong>eines</strong> vibrotaktiler Sensoren begonnen worden. Begleitend zum <strong>TAMIC</strong>-Projekt wurde die<br />
<strong>Entwicklung</strong> im Rahmen einer Diplomarbeit, die gemeinsam mit Prof. Dipl.-Ing. Fritz Seutter<br />
bei der FHTE in Esslingen betreut wurde, fortgeführt.<br />
Unterkiefer<br />
gl.sub.
Die Problemstellung war grundsätzlich die gleiche, wie für die <strong>Entwicklung</strong> des vibro<strong>taktilen</strong><br />
Sensors bei der FhG IBMT. Allerdings sollte nicht die Resonanzfrequenz des Gewebes<br />
gemessen werden, sondern die Dämpfung des schwingenden Taststößels durch den Gewebekontakt.<br />
Dieser Ansatz erschien technisch wesentlich einfacher und damit kostengünstiger<br />
realisierbar. Der Vergleich mit der ganz ähnlichen und erfolgreichen <strong>Entwicklung</strong> von<br />
AXIOM [4, 8, 9] zeigt die Richtigkeit dieses Gedanken.<br />
Dafür sollte eine Geometrie angestrebt werden, die endoskopisch einsetzbar sein sollte. Der<br />
Grundgedanke war ein zylindrisches vibro-taktiles Sensorinstrument mit einem Außendurchmesser<br />
von 10mm, 12mm oder höchstens 15mm, so daß es durch die handelsüblichen Trokare<br />
eingesetzt werden kann. Dieses Instrument soll in Berührung, vergleichbar einem Kugelschreiber<br />
auf Papier, über das suspektes Gewebe bewegt werden und in Echtzeit die Gewebehärte<br />
messen und anzeigen können. Die Übermittlung der Tastinformation kann visuell in<br />
Form <strong>eines</strong> Graphen und / oder akustisch (z. B. als Tonhöhe) geschehen. Eine optische Anzeige<br />
wäre für den Chirurgen eine Ablenkung, da er zur Beurteilung des Tastens die Tastbewegung<br />
im endoskopischen Bild verfolgen muß. Daher sollte eine akustische Übermittlung<br />
der Tastinformation angestrebt werden.<br />
Das Anwendungsszenario für ein späteres Produkt war ein batteriebetriebenes, kabellos und<br />
sterilisierbares vibrotaktiles Sensorinstrument.<br />
2.3.2 Funktionsweise des optimierten vibro<strong>taktilen</strong> Versuchsaufbaus<br />
Das Abtasten geschieht mit Hilfe <strong>eines</strong> schwingenden Taststößels der über das zu prüfende<br />
Gewebe geführt wird. Die Gewebehärte und die mitschwingende Gewebemasse bestimmt die<br />
Dämpfung der resultierenden Schwingung. Im Tastkopf befindet sich ein Stabmagnet der<br />
axial magnetisiert ist. Dieser wird in einer Meßspule hin und her bewegt und induziert dort<br />
eine Spannung die von dem Verfahrweg der Prüfspitze abhängt. Die Induktionsspannung wird<br />
mit dem Ziel elektronisch weiterverarbeitet, daraus die mechanische Dämpfung des abgetasteten<br />
Gewebes zu ermitteln.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 24
1 mm Hub<br />
Taststößel<br />
Magnet<br />
Steckbuchse 6-Polig<br />
Spule 2:<br />
Drahtdurchmesser = 0,25 mm<br />
N = 2100 Windungen<br />
R = 19 Ohm<br />
L = 50 mH<br />
Abb. 11 Gesamtansicht des vibro<strong>taktilen</strong><br />
Versuchsaufbaus im Schnitt<br />
Der Versuchsaufbau verwendet drei<br />
koaxial übereinander liegende Spulen.<br />
Die mittlere Erregerspule 1 wird von<br />
einem Gleich-, die obere Erregerspule<br />
2 von einem Wechselstrom einstellbarer<br />
Frequenz durchflossen (Abb. 11).<br />
Dadurch entsteht in Spule 1 ein festes<br />
in Spule 2 ein wechselndes Magnetfeld.<br />
Spule 2 ist auf einen festen Eisendorn<br />
gewickelt. Spule 1 umhüllt den in<br />
achsialer Richtung beweglichen Taststößel.<br />
Der Taststößel wird abwechselnd<br />
vom Eisendorn angezogen und<br />
abgestoßen. So wird die Schwingung<br />
angeregt, die dann durch Gewebekontakt<br />
des Stößels gedämpft wird.<br />
Zur Erfassung der gedämpften Schwingung<br />
ist in den Taststößel zusätzlich<br />
Spule 1:<br />
ein Permanentmagnet integriert, der<br />
Drahtdurchmesser = 0,25 mm<br />
von der unten liegenden Spule 3<br />
N = 2100 Windungen<br />
R = 19,7 Ohm<br />
(Meßspule) umhüllt ist. Durch die<br />
L = 35,5 mH<br />
Bewegung wird in Spule 3 eine<br />
Spannung induziert.<br />
Für den Anschluß der Versorgungsund<br />
Meßleitungen wurde ein Stecker<br />
angebracht und um die empfindlichen<br />
Spulendrähtchen zu schützen, wurde<br />
die ganze Anordnung mit einem<br />
Schrumpfschlauch umschlossen.<br />
Spule 3:<br />
Dieser Versuchsaufbau erreichte einen<br />
Drahtdurchmesser = 0,09 mm Hub von 1mm mit ausreichender Kraft,<br />
N = 2600 Windungen um Gewebe auszulenken. In der Meß-<br />
R = 199 Ohm<br />
spule wurde eine ausreichend hohe zu<br />
messende Spannung induziert. Nur die<br />
mit Gleichstrom bestromte Spule<br />
wurde noch etwas warm. Dies konnte<br />
durch Bestromung mit pulsierendem<br />
Gleichstrom behoben werden.<br />
Mßtb1 1<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 25
Um eine bessere Signalauswertung zu erlangen, wurde parallel zu dem ungefilterten Signal<br />
ein RC-Glied als Tiefpaß geschaltet, welches die hochfrequenten Spannungsspitzen ausfiltert.<br />
Durch einen Meßgleichrichter wird das verbleibende Wechselspannungssignal gleichgerichtet<br />
und als proportionaler Gleichspannungswert über ein LCD-Display dargestellt. Die Anzeige<br />
auf dem Display ist somit ein Maß für den Flächeninhalt zwischen Spannungsverlauf und<br />
Zeitachse (Abb. 12).<br />
Abb. 12 Blockschaltbild der Elektronik des vibro<strong>taktilen</strong> Versuchsaufbaus<br />
2.3.3 Ausgangssignale<br />
Die folgenden drei Diagramme zeigen drei typische ungefilterte Ausgangssignale des Versuchsaufbaus,<br />
abgegriffen direkt am Stecker.<br />
2.3.3.1 Ungedämpfter Signalverlauf<br />
Der Stift kann frei schwingen. Es wird die maximale Spannung induziert.<br />
Ordinate: 50 mV /[Div]<br />
Abszisse: 0,2 s /[Div]<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 26
2.3.3.2 Schwach gedämpfter Signalverlauf<br />
Der Stift wird durch ein beliebiges Objekt in seinem Schwingungsweg begrenzt, es wird nur<br />
ein Teil der maximalen Spannung induziert.<br />
Ordinate: 50 mV/[Div]<br />
2.3.3.3 Vollständig gedämpfter Signalverlauf<br />
Abszisse: 0,2 s /[Div]<br />
Der Stift kann nicht mehr schwingen, es wird die minimale Spannung (durch Streufelder) induziert.<br />
Ordinate: 50 mV /[Div]<br />
Abszisse: 0,2 s /[Div]<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 27
2.3.4 Erprobung des vibro<strong>taktilen</strong> Versuchsaufbaus an Tastphantomen<br />
Versuchsziel und -aufbau<br />
Gefragt war der Zusammenhang zwischen subjektiver Gewebehärte (manueller Tastbefund)<br />
und Meßwert des vibro<strong>taktilen</strong> Versuchsaufbaus. Dazu wurden vorbereitete Tastphantome<br />
verschiedener Größe aus Einweghandschuhen, gefüllt mit Ultraschallgel und Schaumstoffkügelchen<br />
(Modelle 1b, 1c, 1d, 1e) mit dem vibro<strong>taktilen</strong> Sensorsystem abgetastet. Die Phantome<br />
wurden zur Kraftmessung auf eine Briefwaage gelegt.<br />
Es wurde stets die maximale Erregerspannung verwendet, damit der Taststößel bei Berührung<br />
in Bewegung blieb. Je härter das Gewebe war, desto höher war der erforderliche Betrag der<br />
Erregerspannung, um ein Verklemmen des Taststößels zu verhinden. Als anregende Frequenz<br />
wurden 26 Hz verwendet, da dieser Versuchsaufbau bei dieser Frequenz die maximale<br />
Auslenkung erreichte.<br />
Über die Spitze des vibro<strong>taktilen</strong> Sensor wurde ein Fingerling (OP-Handschuh) gestülpt, um<br />
das Eindringen von Flüssigkeiten zu verhindern. Gleichzeitig sollte die Funktionalität des<br />
Sensors mit Fingerling geprüft werden, um die Möglichkeit zu erproben, ihn mit Hilfe <strong>eines</strong><br />
Überzugs steril zu halten und so die Sterilisation des gesamten Sensors zu vermeiden.<br />
Versuchsreihe 1<br />
Da durch das Eigengewicht des Schwingers die Induktionsspannung nicht lageunabhängig ist,<br />
wurde der Sensor in aufrechter, kopfstehender, horizontaler und diagonaler Stellung im Leerlauf<br />
(F = 0N) gemessen.<br />
Bedingungen: Frequenz f = 26 Hz, Auflagekraft F = 0<br />
Meßreihe 1<br />
ohne Fingerling<br />
2<br />
ohne Fingerling<br />
3<br />
mit Fingerling<br />
Vertikal, nach unten getastet 68 65 63<br />
Vertikal, nach oben getastet 31 29 33<br />
Horizontal getastet 46 46 43<br />
45° nach unten getastet 58 61 52<br />
45° nach oben getastet 27 29 32<br />
Interpretation:<br />
• Die Lageabhängigkeit der Messung war bei Neigungen bis 45° gegen die Vertikale gering.<br />
• Horizontales oder gar nach oben gerichtetes Messen waren nicht sinnvoll.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 28
Im folgenden wurden alle Messungen vertikal nach unten tastend durchgeführt.<br />
Versuchsreihe 2<br />
Bedingungen: Frequenz f = 26 Hz, mit Fingerling, Modell 1e im weichen Bereich getastet.<br />
Auflagekraft F / N 1 1,5 2 2,5 3<br />
Phantom ohne Schaumstoff und ohne Fingerling 62 56 52 55 54<br />
Phantom ohne Schaumstoff und mit Fingerling 52 50 50 49 49<br />
Phantom mit Schaumstoff und mit Fingerling 53 52 51 50 50<br />
Interpretation:<br />
• Die Induktionsspannung war von der Auflagekraft abhängig.<br />
• Je höher die Auflagekraft gewählt wurde, desto geringer war die Eigeninduktion.<br />
• Wurde der Taststößel durch einen starren Körper festgehalten, wurde lageunabhängig ein<br />
Meßwert von 26 angezeigt. Diese Induktion wurde offenbar durch dieStreufelder der Erregerspulen<br />
verursacht.<br />
Versuchsreihe 3<br />
Bedingungen: Frequenz f = 26 Hz, Amplitude maximal, Fingerling übergestülpt,<br />
Lage senkrecht, mehrere Schaumstoffplatten (Dicke 5mm) übereinander<br />
auf eine harte Unterlage gelegt.<br />
Anzahl der Schaumstoffplatten<br />
1 2 3 4 5 6 7 8<br />
Meßwert bei 150 cN 30 39/40 44 44 44 44 44 44<br />
Meßwert bei 280 cN 29 29 40/34 43/40 43/40 41 41 41<br />
Meßwert bei 410 cN 27 27 27 30 37 35 35 35<br />
Interpretation:<br />
• Sowohl die Auflagekraft als auch die Dicke der gesamten Schaumstoffschicht gingen in<br />
den Meßwert ein.<br />
• Bei zu geringer Schaumstoffdicke wurde der Schaumstoff so stark komprimiert, daß die<br />
harte Unterlage gemessen wurde. War jedoch die Schaumstoffschicht dicker, hatte ihre<br />
Dicke keinen Einfluß mehr auf die Messung und ein konstanter Wert wurde angezeigt.<br />
Messung des Schaumstoffs<br />
Messung der harten Unterlage<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 29
Versuchsreihe 4<br />
Bedingungen: Aufsetzen des Applikators mit Aufklagekraft F = 0,8 N (Eigengewicht)<br />
Probe<br />
Reihe 1 b 1 c 1 d 1 e<br />
weich hart weich hart weich hart weich hart<br />
1 54 50 50 42 51 43 53 55<br />
2 53 48 49 46 53 47 54 55<br />
3 53 40 51 46 50 46 54 55<br />
weich = Ultraschallgel hart = Schaumstoffkügelchen im Ultraschallgel<br />
Interpretation:<br />
• Die harten Schaumstoffkügelchen erzeugten eine geringere Induktionsspannung als das<br />
weichere Ultraschallgel.<br />
Versuchsreihe 5<br />
Bedingungen: Aufsetzen des Applikators mit Aufklagekraft F = 2,84 N<br />
(Eigengewicht und Zusatzgewicht)<br />
Probe<br />
Reihe 1 b 1 c 1 d 1 e<br />
weich hart weich hart weich hart weich hart<br />
1 50 44 52 33 49 35 53 41<br />
2 49 39 48 31 48 38 52 45<br />
3 49 40 52 37 51 42 55 46<br />
Interpretation:<br />
• Mit dem Sensor ließen sich grundsätzlich Härteunterschiede messen. Jedoch waren nur<br />
unter standardisierten Bedingungen reproduzierbare Ergebnisse erreichbar.<br />
• Der Sensor müßte für chirurgische Anwendungen so modifiziert werden, daß er lageunabhängig,<br />
mit Kompensation der Meßkraft und mit stärkerer Anregung mißt.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 30
2.3.4 Verbesserungsvorschläge<br />
2.3.5.1 Mechanik<br />
• Lagerung des Stiftes, zur Verringerung der Reibung.<br />
• Kleinere Abmessungen ⇒ kleinere Massenträgheit ⇒ höhere Frequenzen.<br />
• Spulen vergießen.<br />
• Parallele Druckmessung (Differenzmessung) ⇒ Unabhängiger Anpreßdruck.<br />
• Spitze abwinkelbar.<br />
• Magnetische Abschirmung der Spulen.<br />
• Stärkeren Magnet für die Meßspule.<br />
• Kleinerer Luftspalt zwischen Spule und Magnet.<br />
• Abdichtung gegen Flüssigkeiten an der Spitze.<br />
• Eine Erregerspule durch Permanentmagnet ersetzen.<br />
• Dämpfungselement, zur Minimierung des Geräuschpegels.<br />
• Tastende Auflagefäche kann kleiner sein (∅1 mm bis ∅2 mm sind vermutlich ausreichend)<br />
• Steilerer Kegel an der Spitze, für eine bessere endoskopische Sicht auf den Tastbereich.<br />
2.3.5.1 Elektronik<br />
• Verbesserung der Abschirmung der Signalleitungen.<br />
• Zusätzliche akustische Signalauswertung.<br />
• Höhere Verstärkerleistung.<br />
• Zusätzliche Differenz-Meßschaltung für parallele Druckmessung.<br />
• Frequenzanzeige.<br />
• Beschränkung der Auswertung auf den relevanten Teil des analogen Meßsignals.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 31
Arbeitspaket 3: Medizinische Konzeption taktiler Instrumente<br />
für die endoskopische Chirurgie<br />
3.1 Zusammenfassung<br />
Aus dem klinischen Umfeld, den erhobenen Daten und gewonnenen Erkenntnissen zum<br />
menschlichen Tastsinn, den chirurgischen Palpationstechniken sowie den <strong>taktilen</strong> Gewebeeigenschaften<br />
wurden klinische Anwendungsszenarien für taktile Instrumente erarbeitet.<br />
Aus diesen Anwendungsszenarien wurden Konzepte und Anforderungsprofile für eine taktile<br />
Faßzange, ein vibrotaktiles Instrument und ein Instrument zur Pulsdetektion abgeleitet. Das<br />
chirurgisch Wünschenswerte wurde in Form von <strong>Entwicklung</strong>szielen für die einzelne Instrumente<br />
wie folgt formuliert.<br />
Den technischen Partnern wurde von unserer Seite eine Beschreibung des Operationsfeldes<br />
(Körperinneres und Operationssaal-Systemumfeld) für unterschiedliche Anwendungsszenarien<br />
an die Hand gegeben, um eine von Anfang an anwendungsnahe <strong>Entwicklung</strong> zu gewährleisten.<br />
Hervorzuheben ist, daß in Zusammenarbeit mit Chirurgen unterschiedlicher Disziplinen, darunter<br />
Gynäkologie, Urologie, Thoraxchirurgie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Anwendungsmöglichkeiten<br />
taktiler Sensorik und Aktorik über die Minimal Invasive Chirurgie hinaus<br />
in weiten Bereichen der Medizin aufgezeigt werden konnten. So konnten über den vorgesehenen<br />
Projektumfang hinaus bereits Lösungsansätze für die <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> speziellen<br />
vibro<strong>taktilen</strong> HNO-Sensors für endonasale Eingriffe erarbeitet werden. Die Erstellung<br />
weiterer Anwendungsszenarien wurde parallel zu den Erprobungsarbeiten während der<br />
gesamten Projektlaufzeit fortgesetzt.<br />
Das Arbeitspaket wurde für die im Rahmen des vorliegenden <strong>Verbundprojekt</strong>s zu entwickelnden<br />
MIC-Instrumente im Zeitplan abgeschlossen.<br />
3.2 Anforderungen an die Sensorzange<br />
Die taktile Faßzange sollte die exterozeptive Daumen-Zeige- und Mittelfinger-Palpation<br />
ermöglichen. Dies schließt die freie Beweglichkeit zweier Finger mit ein. Diese tridigitale<br />
Palpation ermöglicht ein vollständiges Erfassen der untersuchten Strukturen einschließlich der<br />
Verschieblichkeit. Somit wären drei frei bewegliche Maulteile ideal. Dieses Instrument sollte<br />
idealerweise an allen Maulteilen mit Sensoren ausgestattet sein, um den vollen exterozeptiven<br />
Sinneseindruck zu vermitteln. Dennoch scheint eine Faßzange mit einem sensorisch empfindlichen<br />
Maulteil und nicht sensorischen Anpreßmaulteilen vorerst in der minimal-invasiven<br />
Chirurgie ausreichend zu sein.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 32
Für den vollständigen haptischen Sinneseindruck muß dem Chirurgen zusätzlich die Anpreßkraft<br />
der Zange durch Kraftreflexion an die propriozeptive Sensorik als Schließkraft der Hand<br />
vermittelt werden. Die Anpreßkraft kann mechanisch vom Maulteil an den Handgriff transformiert<br />
werden. Falls die mechanische Reibung durch Verunreinigungen zu stark ist, wäre<br />
eine elektronisch unterstützte Kraftreflexion sinnvoll.<br />
Die taktil zu erfassenden Strukturen befinden sich teilweise nicht am Geweberand sondern im<br />
Hintergrund. Eine Erfassung dieser Strukturen wären durch mit einer Hohlkehle ausgestattete<br />
Maulteile möglich. Große Strukturen wie z.B. die Leber können nur monodigital ohne Verwendung<br />
<strong>eines</strong> Anpreßmaulteils erfaßt werden. Für diese monodigitale Messung sollte entweder<br />
das Sensormaulteil drehbar ausgestaltet sein oder sich die Anpreßmaulteile im Schaft<br />
der Faßzange befinden.<br />
Die Anforderungen an eine taktile Faßzange umfassen außerdem<br />
•• Kompatibilität zu 5 mm oder maximal 10 mm Trokar,<br />
•• HF-Festigkeit gegenüber Einstreuung elektromagnetischer Felder,<br />
•• HF-Festigkeit gegenüber versehentlichem direktem elektrischem Kontakt mit HF-führendem<br />
Instrument,<br />
•• Ultraschallverträglichkeit für endoskopischen US,<br />
•• Zerlegbarkeit der Zange für Reinigungszwecke,<br />
•• Dampfsterilisierbarkeit der gesamten Zange, alternativ Gassterilisierbarkeit,<br />
•• Verzicht auf Kabelzuführung.<br />
Die Sensorzange sollte sowohl zur Palpation als auch zur atraumatischen Manipulation geeignet<br />
sein. Die Palpation sollte sowohl mit Anpreßmaulteil als auch ohne dieses möglich sein,<br />
um Oberflächenstrukturen erfassen und Organe abtasten zu können. Zusätzlich muß die Verschieblichkeit<br />
von Verhärtungen im Gewebe meßbar sein.<br />
Dies kann durch Bewegung der Sensorzange entlang der Struktur mit seitlicher Detektion<br />
geschehen.<br />
Um Strukturen, die sich nicht am Geweberand befinden, abtasten zu können, ist eine Hohlkehle<br />
am Anpreßmaulteil erforderlich (Abb. 13). Bei diesen Strukturen handelt es sich z. B.<br />
um Dickdarm, der auch monodigital, d. h. ohne Anpreßmaulteil mit einer klassisch geformten<br />
Faßzange schwer zu ertasten ist. Die Hohlkehle im Anpreßmaulteil sollte mit 1-2 cm Länge<br />
und mit einer maximalen Öffnung von 1 cm ausgestaltet sein.<br />
Abb. 13 Hohlkehle des Maulteils<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 33
Das Sensormaulteil sollte eine glatte Oberfläche haben, um ein Gleiten entlang von Strukturen<br />
zu ermöglichen. Dieses Maulteil sollte um seine Längsachse um mindestens 90° drehbar sein,<br />
um monodigitales Tasten und Messung von Verschieblichkeit zu ermöglichen. Die Anpreßmaulteile<br />
sollten das Gewebe atraumatisch fixieren, um es gegenüber dem Sensormaulteil<br />
verschieben zu können. Es sollte parallel und eventuell auch orthogonal zum Sensorarray<br />
verschoben werden können, um die gefaßte Struktur optimal durch das Sensorarray erfassen<br />
zu können.<br />
Da diese klinischen Anforderungen sehr komplex sind, sollte die <strong>Entwicklung</strong> einer <strong>taktilen</strong><br />
Faßzange in drei Stufen erfolgen.<br />
1. Stufe<br />
Fehler! Textmarke nicht definiert.<br />
Abb. 14 1. <strong>Entwicklung</strong>sstufe der <strong>taktilen</strong> Faßzange<br />
Die erste <strong>Entwicklung</strong>sstufe der <strong>taktilen</strong> Faßzange ist die Integration des Sensorarrays in eine<br />
Faßzange, die mit einem Anpreßmaulteil und einem Sensormaulteil ausgestattet ist<br />
(Abb. 14). K<strong>eines</strong> der Maulteile ist in dieser Stufe mit einer Hohlkehle ausgestattet. Das Sensormaulteil<br />
sollte um seine Längsachse frei rotierbar sein. Die Rotation ermöglicht eine taktile<br />
Messung mit und ohne Anpreßmaulteil sowie eine Messung der Verschieblichkeit.<br />
2. Stufe<br />
In dieser Realisierungsstufe sollte die Erfassung von Strukturen im Hintergrund ermöglicht<br />
werden. Dies kann durch eine Hohlkehle am Sensormaulteil mit einer Länge von 1-2 cm und<br />
einer maximalen Öffnung von 1 cm realisiert werden. Das Sensormaulteil sollte wie in der 1.<br />
Stufe rotierbar gestaltet sein.<br />
3. Stufe<br />
Diese Faßzange sollte dem Chirurgen tridigitales Tasten ermöglichen. Auch in dieser Realisierungsstufe<br />
soll das Sensormaulteil rotierbar sein. Das tridigitale Tasten ermöglicht eine<br />
vollständige Erfassung der Struktur, da auch ungleichmäßige Verhärtungen meßbar sind.<br />
Realisierungsvorschlag 1: Integration des Sensors in das starre Maulteil des "Endo-Fingers",<br />
wobei die rotierbare Ausgestaltung dieses Maulteils wünschenswert wäre, um monopolare<br />
Palpation zu ermöglichen. Dieser "Endo-Finger" sollte zur Manipulation geeignet sein.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 34
Realisierungsvorschlag 2: Konstruktion einer eher klassischen Faßzange, in der das Sensorarray<br />
integriert ist. Das Sensormaulteil sollte starr sein, jedoch um die eigene Achse rotierbar.<br />
Eine Rotation des Sensormaulteils von mindestens 90 o ermöglicht sowohl die Messung der<br />
Verschieblichkeit als auch Palpation ohne Verwendung des Anpreßmaulteils.<br />
Das Anpreßmauteil hat eine Hohlkehle um auch weiter vom Geweberand entfernte Strukturen<br />
tasten zu können.<br />
3.3 Anforderungen an den Handgriff<br />
Das Instrument soll sowohl als taktiles Instrument als auch zur atraumatischen Manipulation<br />
von Gewebe geeignet sein. Ein abgewinkelter Handgriff hat sich bei den auf dem Markt befindlichen<br />
Faßzangen bewährt, so daß diese Form auch für die taktile Faßzange vorgeschlagen<br />
wird.<br />
Die Faßzange wird während des Einsatzes als taktiles Instrument nur von der rechten Hand<br />
des Chirurgen bedient werden. Für den Einsatz als Faß- und Haltezange sollte es jedoch von<br />
beiden Händen gehalten werden können. Die Greifzange sollte verriegelbar sein.<br />
Wenn der Handgriff über einen Aktor zur Vermittlung der Tastinformation verfügt, sollten<br />
außerdem ein oder zwei Druckknöpfe integriert werden, um zwischen visueller und/oder taktiler<br />
Vermittlung der Tastinformation wählen zu können.<br />
3.4 Darstellung der <strong>taktilen</strong> Information<br />
Die Darstellung kann sowohl visuell als auch durch einen Aktor erfolgen, der die taktile<br />
Information dem Chirurgen wiederum taktil vermittelt.<br />
Der Aktor in Funktionsmodell B2/C2 sollte die Tastinformation als statisches Höhenrelief<br />
darstellen, das mit der Fingerbeere wiederholt abgetastet werden kann. Die volle physiologische<br />
räumliche Auflösung wird erst durch mehrmaliges Abtasten des Aktors ausgeschöpft.<br />
Die taktile Erfassung einer größeren Struktur benötigt einen Aktor, der sich dynamisch den<br />
Kraftmeßwerten des Sensors anpaßt. Dieses statische Höhenprofil soll sich dynamisch den<br />
Meßwerten des Sensorarrays anpassen, um ein kontinuierliches Abtasten entlang der Gewebestrukturen<br />
zu ermöglichen. Mit solch einem Aktor kann sich der Chirurg schnell und effizient<br />
einen Überblick über die Gewebestruktur verschaffen.<br />
Die taktile Information sollte optional visuell in das endoskopische Videobild in Falschfarbendarstellung<br />
eingeblendet werden können. Diese Visualisierung dient der Weitergabe der<br />
<strong>taktilen</strong> Information an das gesamte Operationsteam wie auch der Dokumentation, da das<br />
Videobild i. a. archiviert wird. Die Position und Richtung der Sensorzange im endoskopischen<br />
Videobild kann durch Sensoren, die sich am Handgriff der Faßzange und an der Optik befinden,<br />
ermittelt werden. An dieser Position wäre die Tastinformation optional einzublenden.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 35
Diese Visualisierung soll eine Vergrößerungsoption beinhalten, da das taktile Array durch<br />
Projektion mitunter zu klein sein kann, um die Information sinnvoll darzustellen. Die visuelle<br />
Darstellung kann alternativ zur Falschfarbendarstellung als Balkendiagramm in einer Ecke des<br />
endoskopischen Videobildes oder US-Bildes erfolgen. Ein zusätzlicher Monitor zur Visualisierung<br />
der <strong>taktilen</strong> Information ist nicht erwünscht. Im Funktionsmodell B1/C1 sollte die<br />
taktile Information als erster Schritt in einem Balkendiagramm auf einem externen Monitor<br />
dargestellt werden.<br />
3.5 Anforderungen an den vibro<strong>taktilen</strong> Sensor<br />
3.5.1 Anforderungen für den Einsatz in Bauch- und Brustraum<br />
Mit einem vibro<strong>taktilen</strong> Sensor ist eine Oberflächenstruktur wohl kaum so detailliert wie mit<br />
einem Kraftsensor zu erfassen, so daß der vibrotaktile Sensor speziell zur Erfassung der Tiefenstruktur<br />
optimiert werden sollte.<br />
Der vibrotaktile Sensor sollte deshalb als Taststab ähnlich einer endoskopischen Ultraschallsonde<br />
konzipiert werden, mit dem man die interessierenden Strukturen kontinuierlich abfahren<br />
kann. Dieser Taststab wäre idealerweise flexibel zu gestalten, um auch verdeckte Strukturen<br />
erfassen zu können. Als Prototyp und preiswertere Lösung kann ein starrer Taststab ausreichend<br />
sein.<br />
Die Anforderungen umfassen außerdem<br />
• Kompatibilität zu 5 mm oder maximal 10 mm Trokar<br />
• HF -Festigkeit gegenüber Einstreuung elektromagnetischer Felder<br />
• Ultraschallverträglichkeit für endoskopischen US<br />
• Zerlegbarkeit für Reinigungszwecke<br />
• Dampfsterilisierbarkeit der gesamten Zange, alternativ Gassterilisierbarkeit<br />
• Verzicht auf Kabelzuführung<br />
3.5.2 Anforderungen für den endonasalen Einsatz<br />
Die räumliche Enge bei den Eingriffen bedingt einen maximalen Durchmesser des Instruments<br />
von 4 mm. Für die Sensorqualität ist eine sichere Unterscheidung zwischen Knochen<br />
und Knorpelgewebe auch im Hintergrund von Schleimhaut zu fordern. Ein räumlich auflösendes<br />
Instrument wird nicht gefordert.<br />
3.5.3 Darstellung<br />
Die taktile Information dieses vibro<strong>taktilen</strong> Taststabs kann analog zur <strong>taktilen</strong> Faßzange in das<br />
endoskopische oder Ultraschallbild eingeblendet werden. Auch hier wird eine genaue Ortung<br />
des Taststabs im Bild durch Positionssensoren benötigt. Die Information könnte alternativ<br />
akustisch durch Variation der Tonhöhe vermittelt werden. Diese Vermittlung könnte in einem<br />
netzunabhängigen Taststab realisiert werden.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 36
3.6 Anwendungsszenarien<br />
3.6.1 Anwendungsszenarien in der Urologie<br />
In der Urologie gibt es noch keinen Standardeingriff im Abdomen mit hohen Fallzahlen, der<br />
routinemäßig endoskopisch operiert wird. Die endoskopischen Operationen der Urologie<br />
verlaufen retroperitoneal oder seltener transperitoneal.<br />
Nieren- und Urethersteine<br />
Die Behandlung ist konventionell so gut, daß kein Bedarf an taktiler Sensorik besteht.<br />
Benigne Nierenerkrankungen<br />
Verschiedene Formen von hydronephrotischer Schrumpfniere können endoskopisch angegangen<br />
werden. Dabei kommt sowohl die retroperitoneale als auch die transperitoneale Methode<br />
in Frage. Nach der Freipräparierung wird das Organ in mehrere Teile getrennt und entfernt.<br />
Bei der Präparation im Bereich des Nierenhilus könnte der Pulssensor hilfreich sein.<br />
Die Organerkrankung selbst ist unter dem CT leicht zu diagnostizieren.<br />
Tumorerkrankte Niere<br />
Die Frage der endoskopischen Operation beim Nierenzellkarzinom wird noch kontrovers diskutiert.<br />
Falls die Operation endoskopisch vorgenommen wird, wäre der Pulssensor während<br />
der Präparation interessant.<br />
Nierenzysten<br />
Bei Beschwerden können Nierenzysten retroperitoneoskopisch oder transperitoneal angegangen<br />
werden. Zur Abgrenzung der Zyste vom normalen Nierengewebe ist der vibrotaktile Sensor<br />
interessant.<br />
Lymphknotenausräumung RLA<br />
Zur Auffinden verbliebener Lymphknoten und zur Feststellung deren lokaler Ausbreitung<br />
könnte eine taktile Sensorzeile nützlich sein.<br />
Die Unterscheidung von entzündlich reaktiven und tumorösen Lymphknoten wäre wichtig,<br />
scheint jedoch auch mit einem sehr guten Sensor schwer erreichbar.<br />
Radikale Prostatektomie<br />
Diese Operation wird nicht endoskopisch durchgeführt. Vene und Arterie sind visuell unterscheidbar.<br />
Lap. extraperitoneale Penisrevaskularisation<br />
Mögliche Anwendung des Pulssensors bei Präparation und Nähen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 37
Lap. extraperitoneale Kolpossuspensionsplastiken<br />
Mögliche Anwendung des Pulssensors bei Präparation und Nähen.<br />
Wanderniere<br />
Bei der Nephropexie wird eine Wanderniere fixiert.<br />
Mögliche Anwendung des Pulssensors bei Präparation und Nähen.<br />
Pyeloplastik<br />
Plastische Umformung am Nierenkelchsystem.<br />
Mögliche Anwendung des Pulssensors bei Präparation und Nähen.<br />
Ureterolysen<br />
Mögliche Anwendung des Pulssensors bei der Präparation.<br />
Morbus Ormond<br />
Für den Morbus Ormond kommt der Einsatz des vibro<strong>taktilen</strong> Sensors in Frage, um die Konsistenzvermehrung<br />
des retroperitonealen Bindegewebes zu beurteilen.<br />
Varikozele<br />
Die Varikozele ist eine laparoskopische Standardoperation zur Unterbindung von Venen im<br />
Samenstrang. Mögliche Anwendung des Pulssensors zur Detektion von Arterien und Unterscheidung<br />
von Venen und Arterien.<br />
3.6.2 Anwendungsszenarien für den vibro<strong>taktilen</strong> Sensor<br />
Mit einem Druck- oder Kraftsensor kann die Oberfläche von Gewebe gut untersucht werden.<br />
Ein solcher Sensor erlaubt auch die Erfassung von Gewebehärte und insbesondere von Gewebeverhärtungen.<br />
Die Verschieblichkeit bezüglich des umgebenden Gewebes kann zusätzlich<br />
erfaßt werden. Ein Kraftsensor kann jedoch kaum die Tiefenstruktur <strong>eines</strong> Organs erfassen.<br />
Lebermetastasen zum Beispiel befinden sich teilweise nicht an der Oberfläche sondern in<br />
tieferen Gewebeschichten. Diese verhärteten Tiefenstrukturen könnten in der minimalinvasiven<br />
Chirurgie durch einen vibro<strong>taktilen</strong> Sensor taktil erfaßt werden.<br />
Für den vibro<strong>taktilen</strong> Taststab sind dieselben Anwendungsszenarien zur Detektion pathologischer<br />
Veränderungen wie für die taktile Faßzange möglich. Der Einsatzbereich <strong>eines</strong> vibro<strong>taktilen</strong><br />
Taststabs ist jedoch vermutlich auf größere Strukturen wie Leber oder Magen begrenzt.<br />
Bei endonasalen Eingriffen ist eine Unterscheidung von Knorpel-, Knochen- und Weichteilgewebe<br />
von großem Interesse, da bei solchen Eingriffen häufig Knorpelstrukturen zerstoßen<br />
werden müssen, ein Durchstoßen der Schädelbasis jedoch verhindert werden muß.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 38
3.6.3 Anwendungsszenarien für die Früherkennung von Mammatumoren<br />
Eine objektive nicht-invasive Tastsensorik zur Früherkennung von Mammatumoren ist sehr<br />
wichtig, da oft Fernmetasatsierung droht. Hauptziel ist die Unterscheidung von gut- und bösartigen<br />
Strukturveränderungen.<br />
gutartig bösartig<br />
Mastopathie:<br />
oft fibrosiert, mit Bindegewebe umlagert<br />
mit zystischen Einlagerungen.<br />
Infizierte und entzündete Mastopathie:<br />
zunehmende Verhärtung und abnehmende<br />
Verschieblichkeit.<br />
Mammakarzinom: fein verteilte tumoröse<br />
Verkalkungen, sternförmige Infiltration,<br />
ist eine Neoplasie, die Mikrokalifikationen<br />
bildet, unscharf begrenzete Verhärtung, keine<br />
Bindegewebekapsel, häufig zentrale<br />
Einschmelzungen, Regression sowie<br />
Dysplasie Schrumpfung und Einziehung umliegender<br />
Fiboadenom:<br />
Gewebe, derbe feste Knoten.<br />
ähnlich Mastopathie<br />
• ductales Karzinom (häufig):<br />
Strukturveränderungen des Drüsengewebe geht von Milchgängen aus<br />
im Monatszyklus (Hormonänderungen) • lobuläres Karzinom (selten):<br />
geht von Drüsenendstücken aus<br />
Feine verteilte tumoröse Verkalkungen sind oft nicht mit der Hand tastbar. Deshalb kann die<br />
Tumorklassifizierung nach morphologischen Kriterien schwierig sein. Tastbare Karzinome<br />
haben häufig schon in die drainierenden Lymphknoten metastasiert. Radiologisch gibt es bei<br />
Karzinomen oft schon Anzeichen, wenn sie noch nicht tastbar sind. Ein Sensor für die Mammadiagnostik<br />
müßte also dem menschlichen Tastsinn überlegen sein. Das wäre mit Hilfe <strong>eines</strong><br />
vibro<strong>taktilen</strong> Sensors denkbar, da Kalzifikationen deutlich weniger elastisch sind als<br />
umgebendes Gewebe. Da maligene Tumoren oft umliegendes Gewebe regional infiltrieren,<br />
könnte dies zu einer unterschiedlichen Elastizität (biomorphiologisches E-Modul) führen.<br />
Eine taktile Sensorik könnte deshalb dienen zur<br />
• Unterscheidung von gut- und bösartigen Tumoren (Dignität) und zur<br />
• zuverlässigen Bestimmung der Tumorgrenzen.<br />
Dazu scheinen statische Drucksensoren in einer Faßzange (bimanuelle Palpation) sowie vibrotaktile<br />
Sensoren denkbar.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 39
3.6.4 Übersicht Anwendungsszenarien<br />
Disziplin Zweck des Tastsinns Alternativen Anz. Art*) Chancen<br />
Viszeralchirurgie<br />
Gallenblase Erkennung Choledocholithiasis<br />
(2-3% der Fälle; Therapie: auch<br />
ERCP möglich;<br />
Letalität 0,5-1,0%)<br />
Gallenblase Erkennung anatom.<br />
Besonderheiten<br />
Gallenblase Erkennung<br />
Gallenblasenkarzinom<br />
Kolon Lokalisat. von Karzinom /<br />
Adenom (bis 4% Portmetas. bei<br />
Lap.; USA/ F: häufiger als in D<br />
lap. operiert)<br />
Kolon Erkennung von Lymphnotenmetastasen<br />
(lokale Ausbreitung)<br />
Kolon Gefäßlokalisation im<br />
Mesenterium<br />
Oesophagus/ Erkennung von Lymphknoten-<br />
Thorax<br />
metastasen<br />
60<br />
USA:<br />
500<br />
A mittel<br />
end. Doppler-<br />
US<br />
P mittel<br />
endoskop. US A/V gering<br />
endoskop. US,<br />
farbl.<br />
Markierung<br />
15<br />
- 20<br />
A/V hoch<br />
US? A/V sehr<br />
hoch<br />
end. Doppler- P/A sehr<br />
US<br />
hoch<br />
A/V gering<br />
Leber Lokalisation von Rundherden endoskop. US V gering<br />
Dünndarm Eingrenzung von Morbus Crohn endoskop. US? A/V sehr<br />
Dünndarm Differenzierung zwischen<br />
Colitis ulcerosa und« Morbus<br />
Crohn<br />
Retroperitoneum Alle Eingriffe mit Lymphknotendiagnostik,<br />
Erkennung von<br />
Lymphknotenmetastasen<br />
endoskop. US? A<br />
hoch<br />
gering<br />
endoskop. US?,<br />
CT, Biopsie<br />
A/V sehr<br />
hoch<br />
Pankreas Frühdiagnose von Tumoren - V ?<br />
Pankreas Operabilität V<br />
Pankreas Lokalisation von Tumoren<br />
(endokrine/ exokrine)<br />
V/A<br />
Pankreas Pankreasgangsteine endoskop. US? A<br />
Magen Erkennung von neoplastischen endoskop. US A/V Markt<br />
Veränderungen / Operabilität<br />
v.a.<br />
(Markt v.a. Japan)<br />
Japan<br />
Leistenhernie Erkennung von Gefäßpulsation end. Doppler-<br />
US<br />
120 P/A<br />
Leistenhernie Erkenn. Samenstrang /<br />
Samenleiter<br />
Sonde? A<br />
*) A = Sensorzeile, P = Pulssensor, V = vibrotaktiler Sensor<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 40
Übersicht Anwendungsszenarien (Fortsetzung)<br />
Disziplin<br />
Urologie<br />
Zweck des Tastsinns Alternativen Anz. Art*) Chancen<br />
Pelvine / periaortaleLymphadenektomie<br />
A<br />
allgemein<br />
Gynäkologie<br />
retroperitoneale Eingriffe A/P/<br />
V<br />
Mamma- Unterscheidung von gut- und US V/A gering<br />
diagnostik<br />
HNO<br />
bösartigen Tumoren,<br />
Bestimmung von Tumorgrenzen<br />
Siebbein- Unterscheidung von Knorpel-, - V sehr<br />
Polypektomie Knochen- und Weichteilgewebe<br />
hoch<br />
Plattenepithelkarzinom<br />
Thorakoskopie<br />
US V/A hoch<br />
allgemein Lokalisation von Rundherden (z.<br />
Z. bei kollabierter Lunge schwer<br />
erkennbar - oft Umstieg auf<br />
offene OP nötig)<br />
endoskop. US V hoch<br />
*) A = Sensorzeile, P = Pulssensor, V = vibrotaktiler Sensor<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 41
Arbeitspaket 4: <strong>Entwicklung</strong> einer experimentellen Testumgebung für die<br />
Grundlagenerprobung taktiler Instrumentensysteme einschließlich <strong>eines</strong><br />
standardisierten Validierungsprotokolls<br />
Es wurde eine standardisierte Testumgebung für die Erprobung taktiler Instrumente<br />
(Faßzangen-Referenzsystem) aufgebaut, die auf statischer Kraft-Weg-Messung beim Zusammendrücken<br />
von Gewebe gegen eine feste Unterlage basiert. Es können somit Elastizitästsmodule<br />
fester Proben aufgenommen werden.<br />
Am IBMT wurde ein Wirbelstrommeßsystem zur Detektion taktiler Gewebeeigenschaften<br />
entwickelt, das im Abschlußbericht des FhG-IBMT zum vorliegenden <strong>Verbundprojekt</strong> im<br />
Detail beschrieben wird.<br />
Es kamen dort Tastphantome aus sehr weichem Silikonkautschuk zur Verwendung, in die<br />
Scheiben von festerem Silikonkautschuk unterschiedlicher Härte, Abmessungen und Einbett-<br />
Tiefen eingelassen waren. Diese Phantome wurden von Chirurgen als gutes taktiles Modell<br />
bewertet. Die Detektierbarkeit von Knoten in weichem Umgebungsgewebe konnte damit realistisch<br />
simuliert werden.<br />
Die <strong>Entwicklung</strong> einer Testumgebung für pulssensorische Instrumente zeigte sich komplexer<br />
als angenommen, so daß diese Aufgabe als Unterauftrag an die Gesellschaft für<br />
Interventionelle Radiologie, Mühlheim, ausgegliedert wurde. Das dort konzipierte und<br />
gebaute Pulsphantom ermöglicht die Simulation <strong>eines</strong> Spektrums von Pulsationsamplituden<br />
und -frequenzen unter mehreren verschiedenen Deckgewebestärken. Die zu untersuchenden<br />
Blutgefäße werden durch Silikonschläuche unterschiedlicher Wandstärke repräsentiert. Eine<br />
Integration resezierter Blutgefäße unterschiedlichen Kalibers in den flexibel gestalteten<br />
Aufbau ist möglich, so daß ein Pulssensor etwa auch realistisch mit dem konkurrierenden<br />
Verfahren der Doppler-Endosonographie verglichen werden kann, für welches das<br />
Silikonmaterial aufgrund seiner hohen Ultraschallabsorption ein Hindernis darstellt.<br />
Ein standardisiertes Testprotokoll für die Erprobung der Funktionsmuster wurde in Zusammenarbeit<br />
mit der Fa. Dornier Medizintechnik erstellt und liegt den Erprobungsberichten<br />
zugrunde.<br />
Das Arbeitspaket wurde mit Ausnahme der <strong>Entwicklung</strong> des Pulsphantoms innerhalb des<br />
vorgesehenen Zeitrahmens abgeschlossen. Das Pulsphantom stand ab dem 18.03.97 für<br />
Messungen und qualitative Erprobungen zur Verfügung.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 42
Arbeitspaket 5: Grundlagenerprobung des Funktionsmuster FM A1/A2 -<br />
makroskopisch (Vibrotaktiler Sensor, Pulssensor) und<br />
Arbeitspaket 8: Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM A1/A2 -<br />
miniaturisiert (Vibrotaktiler Sensor, Pulssensor).<br />
5.1 Pulssensor<br />
5.1.1 Zusammenfassung<br />
Kernstück des am FhG-IBMT entwickelten und gebauten Pulssensors ist eine auf Druckschwankungen<br />
empfindliche piezoelektrische Folie, die in konvexer Verwölbung am Frontende<br />
des Sensorstabs angebracht ist.<br />
Versuche mit einem makroskopischen Labormuster des Pulssensors wurden am FhG-IBMT<br />
durchgeführt, es wird hierzu auf den Abschlußbericht des FhG-IBMT verwiesen.<br />
Das erste mikrosensorische Funktionsmuster konnte von uns zunächst nicht in vivo erprobt<br />
werden, da wegen technischer Schwierigkeiten noch unzureichende Flüssigkeitsdichtigkeit<br />
und Sterilisierbarkeit bestand.<br />
Aufgrund der Ergebnisse von 10 Kaltsterilisationszyklen in Ethylenoxid wurde die piezoelektrische<br />
PVDF-Sensorfolie künftig als Disposal definiert und für die Versuche mit dem<br />
nachfolgenden Funktionsmuster regelmäßig ausgetauscht.<br />
Das flüssigkeitsdichte zweite Funktionsmuster wurde bis zum 14.05.97 in einer Reihe von<br />
Final-Tierversuchen erprobt. Der Pulstaststab erfüllt die mechanischen Voraussetzungen für<br />
eine Integration in die Sensorzange, die im Zusammenhang mit der <strong>Entwicklung</strong> des ortsauflösenden<br />
Sensorarrays in Mikrosystemtechnik (MST) entwickelt wurde. Die Zielvorstellung<br />
<strong>eines</strong> mehrkomponentigen <strong>taktilen</strong> Systems konnte damit bereits teilweise realisiert werden.<br />
In den Tierversuchen konnten mehrere für den Einsatz in der MIC interessante Arterien zweifelsfrei<br />
auch hinter Bindegewebe identifiziert werden, insbesondere die Arteria hepatica und<br />
die Arteria cystica, die bei der Cholezystektomie (Entfernung der Gallenblase) von Bedeutung<br />
sind.<br />
Der Sensor wurde darüberhinaus am Phantom und in Eigenpulsversuchen mit einer Ultraschall-Dopplersonde<br />
(EndoDop) hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und Handhabbarkeit<br />
verglichen.<br />
Der Pulssensor ist bei geeigneter technischer Modifikation für die Anwendung in der Minimal<br />
Invasiven Chirurgie gleichwertig mit der Dopplersonde und in der Herstellung erheblich<br />
günstiger. Der Preis für den zum Produkt weiterentwickelten Sensor wird auf lediglich 20 %<br />
des derzeitigen Kaufpreises endosonographischer Dopplersonden geschätzt.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 43
Der Sensor zeigte eine deutliche Empfindlichkeit auf Bewegungs-, Anpreßdruck- und andere<br />
Artefakte. Die noch vorhandenen technischen Probleme sind jedoch nicht konzeptioneller Art<br />
und können in einem weiteren Technologiedurchlauf für diesen Sensor gelöst werden.<br />
Technische Lösungsmöglichkeiten wurden gemeinsam mit dem FhG-IBMT erarbeitet.<br />
5.1.2 Versuchsprotokoll vom 22.02.96<br />
Der Pulssensor wurde MICT in 10/95 für einige Tierversuche zur Verfügung gestellt. Das<br />
Signal des PVDF-Sensors wurde nach Vorverstärkung und Tiefpaß auf einem Oszilloskop<br />
angezeigt. Das so verarbeitete Signal des Pulssensors sollte idealerweise den Druckverlauf in<br />
der Arterie wiedergeben.<br />
Der Sensor wurde während der Tierversuche bei der Lokalisation der arteria cystica und arteria<br />
hepathica erprobt. Neben diesen für den Einsatz als minimal-invasives Instrument interessanten<br />
Arterien wurde der Puls der Aorta detektiert. Die Erprobung wurde sowohl laparoskopisch<br />
als auch nach einer Laparotomie durchgeführt.<br />
Eine Bewegung des Sensors wurde direkt auf dem Pulssignal angezeigt, so daß der Puls einer<br />
Arterie nur bei ruhiger Stellung des Sensors zu sehen war. Der Puls der interessierenden<br />
Arterien konnte nach Freipräparierung dieser Strukturen nachgewiesen werden. Der Puls der<br />
verdeckten Arterien konnte nicht in jedem Fall eindeutig neben dem Rauschen des Detektors<br />
dargestellt werden.<br />
Die gegenüber der arteria cystica stärker pulsierende arteria hepathica wurde jedoch auch hinter<br />
dem Fett-Bindegewebe nachgewiesen.<br />
Leider konnten keine weiteren ausgedehnten Messungen durchgeführt werden, da Blut in den<br />
Sensorkopf eindrang und die dort positionierte Elektronik zerstörte.<br />
In einem Vorversuch wurde ein Pulssensor 10-fach mit EO gassterilisiert. Die für das Signal<br />
verantwortliche PVDF-Folie nahm bei diesem Sterilisationsverfahren keinen Schaden, die<br />
elektronischen Kontakte waren jedoch beschädigt. Grundsätzlich ist der aus PVDF aufgebaute<br />
Pulssensor somit wiederverwendbar, da gassterilisierbar.<br />
Unserer Ansicht nach sind für den Pulssensor folgende Verbesserungen durchzuführen:<br />
• Abdichtung des Sensorkopfes<br />
• Der Durchmesser der Sensorkopfes sollte 5 mm betragen.<br />
• Adaptation der Elektronik im Sensorkopf auf Sterilisierbarkeit<br />
• Implantierung einer Elektronik, die den Puls der Arterie eindeutig auch bei kleineren<br />
Bewegungen des Sensors erkennt. Die Elektronik kann u. U. auf das Signal <strong>eines</strong> extern<br />
am Patienten angebrachten Pulssensors zurückgreifen. Eine eindeutige Erkennung des<br />
Pulses nach 3-5 Herzschlägen wäre hierfür ausreichend.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 44
5.1.3 Erprobungsbericht der Tierversuche vom 25.01.97 - 14.05.97<br />
Das erste Funktionsmodell des pulsatilen Sensors wurde zwischen dem 22.1.97 und dem<br />
14.5.97 in vier Tierversuchen (Schwein) am eröffneten Abdomen sowie mehrfach im Phantomversuch<br />
(Pulsatiles Phantom, G.I.T.) und im Eigenpulsversuch erprobt. In einem der<br />
Tierversuche und einem Phantomversuch sowie einigen Handgelenkspulsversuchen wurde ein<br />
Vergleich mit dem Prototyp einer Ultraschall-Dopplersonde (EndoDop) angestellt.<br />
Im Tierversuch wurden die freiprapärierten Arterien A. gastroepiploica und A. lienalis sowie<br />
einige Mesenterialarterien nachgewiesen. Die zur Detektion von Druckschwankungen verwendete<br />
PVDF-Sensorfolie reagierte hochsensitiv auf geringfügige Bewegungen des Bedieners,<br />
Atmungsbewegungen des Tieres, Luftzug sowie Schalldruck. Es konnten daher lediglich<br />
Arterien mit einem Gefäßdurchmesser von mindestens 2,5 mm unter maximal 1 mm starkem<br />
Deckgewebe akustisch detektiert werden, wobei die Detektion häufig lediglich über 3 bis 5<br />
Pulsperioden und nicht reproduzierbar erfolgte. Demgegenüber konnten mit der Dopplersonde<br />
noch Mesenterialgefäße von weniger als einem Millimeter Durchmesser sicher detektiert<br />
werden.<br />
Die Darstellung des Ausgangssignals auf einem Speicheroszilloskop zeigte, daß beim Pulssensor<br />
der Untergrund aus Bewegungen und Luftdruckschwankungen das zu messende Pulssignal<br />
bei Arterienkalibern von etwa 3 mm meist um einen Faktor 4 bis 5 übertrifft. Hervorzuheben<br />
ist, daß durch Erneuern der PVDF-Folie mehrmals eine erhebliche Verringerung der<br />
Störsignale erreicht wurde.<br />
Bei Eigenpuls- und Phantommessungen, wo der Sensor sehr ruhig gehalten werden kann,<br />
wurde ein klares, detailliertes und reproduzierbares Oszilloskopsignal beobachtet. Das Oszilloskopsignal<br />
ließ in allen Versuchen eine schnellere und eindeutigere Pulserkennung zu als<br />
die akustische Anzeige der Amplitudenspitzen.<br />
Eine akustische Darstellung der Pulsinformation ist im Prinzip ideal. Die Möglichkeit einer<br />
Lautstärkeregelung, insbesondere jedoch eine detailreichere Signaldarstellung - ähnlich wie in<br />
Ultraschall-Doppler-Geräten realisiert - ist wünschenswert. Die Regelung der Ansprechschwelle<br />
für das akustische Signal solIte ohne Zerlegen des Handgriffs zugänglich sein. Die<br />
Integration der Spannungsversorgung sowie der Elektronik in den Handgriff erwies sich als<br />
zweckmäßig, ebenso die Abdichtung der Piezopolymerfolie gegen das Edelstahlgehäuse durch<br />
einen O-Ring. Für die Verbindung des Dichtungsrings mit der Sensorfolie sollte ein<br />
Klebermaterial gewählt werden, das von den gängigen Reinigungsmitteln nicht angelöst wird.<br />
Die Aluminium-Kontaktschicht der Folie muß durch eine sterilisierbare Überbeschichtung<br />
oder Deckfolie vor dem Abtrag durch Kontakt mit Blut und Gewebe geschützt werden. Beim<br />
Wechseln der Folie konnte der lose einliegende leitende Silikonschaum nur schwer neu eingelegt<br />
werden. Das Schaummaterial sollte an der Folie oder am Spannungsabgriff befestigt, oder<br />
die konvexe Wölbung der Sensorfolie sollte auf andere Weise erreicht werden.<br />
Die Änderungen der Sensitivitat auf Störsignale nach Einlegen einer neuen PVDF-Folie<br />
können entweder durch eine unterschiedliche Qualität der Folien oder durch Schwierigkeiten<br />
bei der Klemmung der Folie gegenüber dem Gehäuse bzw. beim Kontakt mit dem leitenden<br />
Silikonschaum verursacht sein. In der vorliegenden Version müssen Folie und Silikonschaum<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 45
lose auf das Frontende des Sensorstabs aufgelegt und durch das Überrohr hindurch nach vorn<br />
geschoben werden, wobei eine Positionskontrolle nicht möglich ist. Ein korrektes Einspannen<br />
der Folie sollte durch Anbringen einer Folienaufnahme am Sensorstab oder durch eine<br />
spezielle Einführhilfe sichergestelIt werden. Die Sensorfolie solIte wie im Laboraufbau streng<br />
frontbündig angebracht werden, um den Gewebekontakt zu verbessern.<br />
Für eine klinische Anwendbarkeit des Pulssensors ist neben einer erheblichen Dämpfung der<br />
Folie gegen äußere Translationsbewegungen eine Nachbearbeitung des Ausgangssignals oder<br />
Triggerung mit einem extern aufgenommenen Pulssignal zur gezielten Erkennung der Pulsanteile<br />
zu erwägen. Die hohe Empfindlichkeit der PVDF-Folie erlaubt grundsätzlich auch die<br />
Aufnahme <strong>eines</strong> differenzierten Pulssignals. Dies läßt den Sensor über die qualitative Pulsdetektion<br />
hinaus für Anwendungen geeignet erscheinen, die eine quantitative Kenntnis des<br />
Pulsverlaufs erfordern, sofern eine weitgehende Ausschaltung der Störsignale gelingt.<br />
5.1.4 Erprobungsbericht vom Tierversuch am 25.03.97<br />
Versuchsaufbau<br />
Sensorstab zur piezoelektrischen Detektion von Druckänderungen; akustische Anzeige von<br />
Druckspitzen sowie Darstellung des Ausgangssignals auf handelsüblichem Speicheroszilloskop<br />
Ziel<br />
Es sollte untersucht werden, ab welchem minimalen Gefäßdurchmesser und bis zu welcher<br />
maximalen Dicke der Deckgewebsschicht eine Detektion der Gefäßpulsation möglich ist.<br />
Die vorgesehene Anwendung ist dabei die Gefäßdetektion zur Vermeidung der versehentlichen<br />
Durchtrennung von Gefäßen in endoskopischen Disziplinen der Chirurgie.<br />
Versuchsdurchführung<br />
Am offenen Tier wurden die Arteria lienalis, A. gastroepiploica und mehrere Mesenterialarterien<br />
bis zu einem minimalen Durchmesser von 2,5 mm untersucht.<br />
Beteiligt waren B. Mentges, O. Weiss und S. Oberkirsch<br />
Ergebnis<br />
Pulsdetektion gelang bei allen untersuchten Gefäßen; bei einem Gefäßdurchmesser von 2,5<br />
mm unter 1 mm Deckgewebe war die Detektion nur kurzzeitig möglich. Gefäße höheren Kalibers<br />
wurden bei senkrechtem Aufsetzen des Sensorstabs sicher und reproduzierbar detektiert.<br />
Weiteres Vorgehen: Vergleich mit Ultraschall-Dopplersonde; evtl. Triggerung des Pulssignals<br />
mit dem EKG-Signal, um durch Bewegungen des Bedieners und Atembewegungen des Patienten<br />
verursachte Störsignale zu unterdrücken.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 46
5.1.5 Erprobungsbericht der Relaparotomie des Schw<strong>eines</strong><br />
vom Tierversuchs am 26.03.97<br />
Versuchsaufbau und -durchführung<br />
Beteiligt waren B. Mentges, O. Weiss und S. Oberkirsch<br />
Es wurde in offener Operationstechnik operiert.<br />
Modifikationen am Pulssensor seit dem letzten Versuch:<br />
• Die PVDF-Folie war ausgetauscht worden.<br />
• Die Stellschraube war auf akustisches Ansprechen bei geringerem Signal eingestellt.<br />
Ergebnisse<br />
Gefäß Ø / mm Deckgewebe<br />
/ mm<br />
Meßergebnis<br />
A. lienalis 4 0 mehrfach kurzzeitig über etwa drei<br />
Pulsperioden detektiert, sonst durch<br />
Störsignale (Bedienerbewegung) zu stark<br />
verrauscht<br />
A. gastroepiploica 5 0 sicher, dauerhaft und reproduzierbar<br />
detektiert; sehr schönes, detailliertes<br />
Oszilloskopsignal<br />
Mesenterialarterie 2,5 1 mehrfach ca. 10s bis 20s lang detektiert,<br />
sonst zu stark verrauscht<br />
Mesenterialarterie 3 0 dauerhafte Detektion, sehr schönes Oszi-<br />
Signal<br />
• Die Folie sollte bei Redesign ganz frontbündig angebracht werden - bei der vorliegenden<br />
Version gelang die Pulsdetektion nur, wenn Sensorstab senkrecht auf Arterie gedrückt<br />
wurde.<br />
• Der Sensor erzeugte bei Gewebekontakt häufig hochfrequente Oszillation, die die Pulsdetektion<br />
jedoch nicht beeinträchtigt.<br />
• Die Al-Beschichtung der PVDF-Folie war nach Versuchsende (makroskopisch) intakt<br />
(beim letzten Versuch: fast vollständiger Abrieb der Beschichtung).<br />
• Bewegliche Arterien (lienalis) sind sehr viel schwieriger zu detektieren als festliegende<br />
(gastroepiploica).<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 47
5.1.6 Vergleich des Pulssensors (IBMT)<br />
mit der Ultraschall-Dopplersonde Endo-Dop (DWL) vom 26.03.97<br />
5.1.6.1 Vergleichende Messungen am Pulsphantom (MRI) (B. Mentges, S. Oberkirsch)<br />
Versuchsaufbau<br />
Der Pulssensor und die US-Sonde werden je ca. 20 mal an unterschiedlichen Stellen senkrecht<br />
unter leichtem Druck gegen den pulsstärksten der drei Zweige des Pulsphantoms gehalten. Für<br />
Endo-Dop wird US-Gel verwendet. Simultane Darstellung und Beobachtung der Signale<br />
beider Geräte (Pulssensor: Speicheroszilloskop; Endo-Dop: Videomonitor).<br />
Ergebnisse<br />
Mit beiden Geräten kann die Pulsation ohne Gegenhalt detektiert werden.<br />
Am Phantom ist der Pulssensor im grafischen wie im akustischen Signal der Dopplersonde<br />
deutlich überlegen.<br />
Endo-Dop ist nicht in der Lage, den zeitlichen Druckverlauf wiederzugeben. Lediglich die<br />
amplitudenstärkste Pulsspitze jeder Periode erscheint im grafischen und akustischen Signal.<br />
Der Pulssensor liefert eine differenzierte grafische Wiedergabe des Druckverlaufs (u. a. zwei<br />
deutlich unterschiedene Druckspitzen je Periode) sowie ein akustisches Signal, das die Pulsation<br />
klar erkennen läßt.<br />
5.1.6.2 Vergleichende Detektion des Pulses am Handgelenk<br />
(B. Mentges, S. Gillner, S. Oberkirsch)<br />
Versuchsaufbau<br />
Mit beiden Geräten wird der Puls jeweils mehrfach bis zur erfolgten Detektion gesucht. Für<br />
Endo-Dop wird Ultraschallgel verwendet. Keine simultane Messung.<br />
Ergebnisse<br />
Die Pulsdetektion mit dem Pulssensor gelingt bei ruhig gehaltenem Sensor, wobei ein Aufstützen<br />
auf eine feste Unterlage nicht erforderlich ist. Im Vergleich mit früheren Messungen<br />
(Eigenpuls und Tierversuch) muß bemerkt werden, daß die Sensitivität auf Bewegungen des<br />
Bedieners von der Qualität der PVDF-Folie bzw. dem Einspannen der Folie abhängt. Die hier<br />
verwendete Folie zeigt vergleichsweise geringe Störsignale.<br />
Nach Aufsetzen auf das zu untersuchende Gewebe ist die US-Dopplersonde weniger sensitiv<br />
auf kleine Bewegungen des Bedieners als der Pulssensor. Ein Entlangführen der Sonde längs<br />
des Gewebes führt jedoch ebenfalls zu Störsignalen, die in ihrer Amplitude das zu messende<br />
Signal um den Faktor 3 bis 4 (Schätzung) übertreffen.<br />
Der Pulssensor liefert bei der Eigenpulsmessung ein deutlich differenzierteres, jedoch stärker<br />
von Störgeräuschen überlagertes grafisches Signal als die US-Dopplersonde. Hinsichtlich des<br />
akustischen Signals ist die Dopplersonde bei der Detektion des Handgelenkpulses dem Pulssensor<br />
in der vorliegenden Version überlegen. Während Endo-Dop akustisch ein an- und<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 48
abschwellendes Signal darstellen kann, verfügt der Pulssensor über nur eine Lautstärke und<br />
Frequenz.<br />
5.1.6.3 Für beide Versuchsteile<br />
Bei beiden Geräten gelingt die Pulsdetektion nur mit einiger Erfahrung. Sowohl der Pulssensor<br />
als auch die US-Sonde müssen senkrecht zum zu untersuchenden Gefäß stehen, um die<br />
Pulsation detektieren zu können. Eine Translation der sensorischen Enden führt sowohl beim<br />
Pulssensor als auch bei Endo-Dop zu Störsignalen, die das zu messende Signal um ein Mehrfaches<br />
übertreffen. Beim Pulssensor tritt ein hohes Untergrundsignal jedoch bereits bei<br />
erheblich geringeren Bewegungen auf als bei Endo-Dop.<br />
5.2 Vibrotaktiler Sensor<br />
5.2.1 Zusammenfassung<br />
Beim Vibro<strong>taktilen</strong> Sensor des FhG-IBMT regt ein vibrierender permanentmagnetischer Stößel<br />
das zu untersuchende Gewebe zu erzwungenen Schwingungen an. Die resultierende Phase<br />
des Sensorstößels läßt Rückschlüsse auf die niederfrequente Gewebeimpedanz zu.<br />
Die erste Erprobung <strong>eines</strong> vibro<strong>taktilen</strong> Aufbaus erfolgte mit einem vom FhG-IBMT zur Verfügung<br />
gestellten makroskopischen Meßsystem an verschiedenen resezierten Gewebeproben<br />
aus der Allgemeinchirurgie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (siehe 5.2.2).<br />
Das Spektrum der Gewebe-Resonanzfrequenzen erstreckte sich von 18 Hz bis 110 Hz.<br />
Eine Unterscheidung zwischen gesundem und pathologischem Gewebe mit diesem Meßaufbau<br />
war für Lebermetastasen, Kolonadenome und insbesondere Plattenepithelkarzinome<br />
möglich, ebenso konnte zwischen Nasenschleimhaut und Gesichtsknochen sowie zwischen<br />
Nasenpolypen und Knochen differenziert werden.<br />
Der fertiggestellte vibrotaktile Taststab mit modifizierter Regelung stand der Sektion für<br />
Minimal Invasive Chirurgie ab November 1996 zur Verfügung.<br />
Er wurde an Silikonphantomen, in mehreren Tierversuchen sowie an intraoperativ entfernten<br />
frischen und nicht fixierten Humanresektaten erprobt. Bei den Resektaten handelte es sich um<br />
mehrere Tonsillen und karzinomatöse HNO-Resektate, darunter Zungentumoren, teils unter<br />
gesundem Gewebe, weiter um zwei inguinale Lymphknotenmetastasen, einen Lungenlappen<br />
mit Tumor sowie zwei Rektumtumoren.<br />
Die Differenzierung zwischen gesundem und pathologischem Gewebe war in den meisten<br />
Fällen möglich, variierte jedoch in ihrer Signifikanz stark. Für Zungentumoren und Lungentumor<br />
war eine sehr gute Unterscheidbarkeit und Abgrenzung des Tumorrands sowie eine<br />
gute Beurteilbarkeit der Einbettungstiefe des Tumors gegeben.<br />
Die gemessenen Resonanzfrequenzen korrelierten meist mit dem subjektiven Härteeindruck.<br />
In einigen Fällen trug vermutlich eine hohe mitoszillierende Tumormasse zu einer Verringerung<br />
der gemessenen Resonanzfrequenzen bei. Teilweise behinderte die noch häufige Verkantung<br />
des Stößels die Messungen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 49
Der Sensor liefert bereits sehr aussagekräftige Daten und wird von Chirurgen aus den Bereichen<br />
Urologie, Thoraxchirurgie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Allgemeinchirurgie als<br />
sehr hilfreiches Instrument beurteilt. Auch hier ist ein weiterer Technologiedurchlauf zur<br />
Behebung noch bestehender Schwierigkeiten notwendig, um anschließend mit einer klinischen<br />
Studie die Voraussetzungen für eine Markteinführung zu schaffen.<br />
Die beiden Arbeitspakete konnten nur teilweise innerhalb des Zeitplans abgeschlossen werden,<br />
da sich durch den höheren <strong>Entwicklung</strong>s- und Korrekturaufwand die Bereitstellung der<br />
Sensoren verzögerte und die Erprobungen mehrfach unterbrochen werden mußten. Die Arbeiten<br />
wurden parallel zu den übrigen Arbeitspaketen bis Juni 1997 forgesetzt.<br />
5.2.2 Bericht der Messung vibrotaktiler Eigenschaften von Humangewebe<br />
in der HNO vom Dez. 1995<br />
Die vibro<strong>taktilen</strong> Eigenschaften von Gewebe können durch eine Anregung des Gewebes zu<br />
einer erzwungenen Schwingung ermittelt werden. Diese erzwungene Schwingung wird durch<br />
einen schwingenden Stößel angeregt, der ständig in direktem Kontakt mit dem Gewebe sein<br />
muß. Bei diesen Messungen werden die Anpreßkraft des Stößels sowie die Schwingungsamplitude<br />
des schwingenden Stößels zeitabhängig detektiert. Durch Variation der Frequenz<br />
des anregenden schwingenden Stößels kann die Eigenresonanz des schwingenden Systems<br />
bestimmt werden. Die Eigenresonanz des Systems ist durch ein Maximum der Amplitude<br />
oder durch ein Minimum der zur Erreichung einer konstanten Auslenkung notwendigen Kraft<br />
charakterisiert. Durch die zeitabhängige Detektion der Meßwerte kann zur Bestimmung der<br />
Resonanzfrequenz einfacherweise die Phasendifferenz zwischen der anregenden Kraft des<br />
Stößels und der Schwingungsamplitude des Stößels detektiert werden. Diese Phasendifferenz<br />
ist im Resonanzfall 90°. Diese Detektionmechanismen der Eigenresonanz bei einer erzwungenen<br />
Schwingung sind in der Physik wohlbekannt.<br />
Ziel der Bestimmung der Eigenresonanz des schwingenden Stößel-Gewebe-Systems ist ein<br />
vibrotaktiles Instrument, mit dessen Hilfe Aussagen über die Härte (Scher- und Kompressionsmodule)<br />
des Gewebes getroffen werden können. Die Eigenresonanz des Gewebes ist von<br />
der Härte des Gewebes abhängig. Je härter das untersuchte Gewebe ist, desto größer ist die<br />
Resonanzfrequenz. So können durch eine vibrotaktile Bestimmung der Resonanzfrequenz<br />
Aussagen über die Härte getroffen werden.<br />
Die Resonanzfrequenz des schwingenden Systems ist jedoch neben der Härte noch von anderen<br />
Faktoren abhängig. Dies sind<br />
• Masse des anregenden Stößels,<br />
• Größe und<br />
• Masse des untersuchten Gewebestücks,<br />
• Hintergrund des Gewebestücks,<br />
• Anpreßkraft des Stößels auf das Gewebe und<br />
• Auslenkungsamplitude des schwingenden Stößels.<br />
Dies zeigt die außerordentliche Schwierigkeiten, in einem klinischen Einsatz standardisierbare<br />
Bedingungen und somit verläßliche Meßergebnisse zu erzielen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 50
Die Resonanzfrequenz hängt in komplexer Weise von den geometrischen und mechanischen<br />
Eigenschaften des untersuchten Gewebes ab. Diese Abhängigkeit wird zur Zeit am Fraunhofer<br />
Institut für Biomedizinische Technik in St. Ingbert ermittelt und in wenigen Wochen vorliegen.<br />
Die Abhängigkeit der Resonanz von der Anpreßkraft kann durch Messung der Resonanzfrequenz<br />
bei wohldefinierter Anpreßkraft berücksichtigt werden. Die Abhängigkeit von der<br />
Größe des Gewebestücks kann nicht korrigiert werden, hat jedoch geringeren Einfluß auf die<br />
Resonanzfrequenz.<br />
Neben der Eigenresonanz des Gewebes könnte die Schwingungsamplitude sowie die Anregungskraft<br />
des Stößels zur Bestimmung der Härte des Gewebes herangezogen werden.<br />
Im Dezember 1995 wurden Messungen zur Bestimmung der vibro<strong>taktilen</strong> Eigenschaften folgender<br />
Humanresektate aus der HNO- Universitätsklinik durchgeführt: Polyp, Schleimhaut,<br />
Schleimhaut mit Schwellkörper, Lymphknoten, glandula submandibularis (Unterkiefer-Speicheldrüse),<br />
Plattenepithelkarzinom, Knorpel, Gesichtsknochenfragmente und Unterkieferknochen.<br />
Die vibro<strong>taktilen</strong> Eigenschaften dieser Resektate wurde mit einem Referenzsystem, das vom<br />
FhI-IBMT für diese Messungen zur Verfügung gestellt wurde, bestimmt.<br />
Abb. 15 Resonanzfrequenz<br />
verschiedener<br />
Humanresektate<br />
aus der HNO,<br />
gemessen mit dem<br />
Referenzsystem.<br />
Legende:<br />
SK<br />
SKnoch<br />
Submand<br />
LK-Meta<br />
ZuTuG<br />
ZuTuGTU<br />
ZuTuTu<br />
Septumknochen<br />
Tonsille<br />
Gl. Submandibularis<br />
Lymphknotenmetastase<br />
Zungentumor-Resektat: gesundes Gewebe<br />
Zungentumor-Resektat:<br />
Tumor unter gesundem Gewebe<br />
Zungentumor-Resektat: Tumor<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 51
Die Resonanzfrequenzen variierten für die verschiedenen Gewebe zwischen 18 Hz und<br />
110 Hz (Abb. 15). Die Schwankungen innerhalb einer Gewebeprobe waren wie die Schwankungen,<br />
bedingt durch die Meßungenauigkeit, gering. Dies galt jedoch nicht für die Messungen<br />
an Knorpel und Knochen, da bei diesen Präparaten bedingt durch den Meßaufbau die<br />
gesamten Präparate zu Schwingungen angeregt worden waren. Diese Schwingungen verfälschten<br />
die Messung stark, weshalb hier die Meßfehler am größten waren. Es wurde vorgeschlagen,<br />
die Präparate in einem nachfolgenden Experiment zu fixieren, so daß sie nicht<br />
mehr schwingen können. Des weiteren sollte die Schwingungsamplitude von gegenwärtig<br />
50 µm wesentlich verringert werden, um einen ständigen Kontakt des Stößels mit dem Präparat<br />
zu gewährleisten.<br />
Eine Unterscheidung der einzelnen Gewebetypen scheint mit einem vibro<strong>taktilen</strong> Instrument<br />
aufgrund dieser Ergebnisse möglich zu sein.<br />
5.2.3 Messungen an Silikonphantomen und im Tierversuch<br />
mit dem ersten Funktionsmuster des vibro<strong>taktilen</strong> Sensors (17.12.1996)<br />
Die Messungen an den Silikonphantomen zeigten, daß die Handhabung des Instruments durch<br />
eventuelle Verkantung des Stößels erschwert werden kann. Die Resonanzfrequenz war auch<br />
von der Schwingungsamplitude abhängig, da das Schwingungsverhalten vermutlich nichtlinear<br />
ist. Bei einer der Amplitude, die einer Spannung von mindestens 20 mV entsprach, war<br />
die Abhängigkeit vernachlässigbar, so daß diese Messungen zuverlässig waren (Abb. 16).<br />
Abb. 16. Resonanzfrequenz <strong>eines</strong> Silikonphantoms in Abhängigkeit von der<br />
Induktionsspannung (~Schwingungsamplitude des Stößels).<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 52
Die Abhängigkeit der Resonanzfrequenz von der Anpreßkraft war bei diesem Funktionsmuster<br />
gegenüber den Messungen mit dem Laboraufbau geringer geworden, so daß bei Messungen<br />
mit einem DC-Offset, der ein Maß für die Anpreßkraft ist, zwischen 40 mV und<br />
150 mV keine deutliche Abhängigkeit festgestellt werden konnte (Abb. 17). Zu beachten war,<br />
daß die zur Abschirmung verwendete Latex-Membran für eine unverfälschte Messung nicht<br />
unter Spannung stehen durfte.<br />
Abb. 17. Resonanzfrequenz <strong>eines</strong> Silikonphantoms in Abhängigkeit vom DC-Offset<br />
des Stößels, der ein Maß für die Anpreßkraft ist.<br />
Die Regelung auf die Resonanzfrequenz war völlig unzureichend. Die Regelzeiten waren<br />
deutlich zu lang und teilweise konnte keine Resonanzfrequenz gefunden werden. Die Abschirmung<br />
des Stößels mit Hilfe einer Latexmembran war ideal, wenn auch die derzeitige Form<br />
nicht ausgereift war. Es wurde vorgeschlagen für den nächsten Prototyp auf vorhandene,<br />
sterilisierbare Latex-Fingerlinge zurückzugreifen.<br />
Die Messungen im Tierversuch zeigten (Abb. 18), daß bei homogenen Organen die statistische<br />
Streuung gering war, wie z.B. bei Messungen an der Leber mit Werten zwischen 95 Hz<br />
und 100 Hz. Die Varianz war bei Hohlorganen wie dem Magen oder dem Darm bedingt durch<br />
die teilweise härtere Füllung deutlich größer. Insgesamt erscheint das gesunde Bindegewebe<br />
bei den vibro<strong>taktilen</strong> Messungen recht homogen, was bereits bei den Laborversuchen<br />
beobachtet worden war. Lediglich die Darmwand war mit einer Resonanzfrequenz von<br />
110 Hz deutlich härter als die Leber.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 53
Abb. 18. Resonanzfrequenzen verschiedener Organe im Versuch am lebenden Schwein.<br />
5.2.4 Messung vibrotaktiler Eigenschaften am Lungenlappen (Humangewebe)<br />
am 18.02.1997.<br />
In Zusammenarbeit mit Herrn Dr. Linder am Stuttgarter Klinikum für Thorakoskopie und<br />
Pneumologie, Schillerhöhe wurden mit dem vibro<strong>taktilen</strong> Sensor an Humanresektaten der<br />
Lunge die vibro<strong>taktilen</strong> Eingenschaften, insbesondere die Resonanzfrequenzen ermittelt.<br />
Abb. 19. Resonanzfrequenzen des Lungenresektats.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 54
Außer am kollabierten Resektat konnte auch am beatmeten, befeuchteten und über einen<br />
Katheter mit einer Zytostatika-Lösung perfundierten Lungenlappen gemessen werden, da Dr.<br />
Linder derzeit unterschiedliche Zytostatika an frischen Resektaten erprobt.<br />
Während sich beim kollabierten Resektat die Resonanzwerte für gesundes und tumorunterlegtes<br />
Gewebe nicht überscheiden, führen die Druckschwankungen bei der beatmeten Lunge<br />
erwartungsgemäß zu einer breiteren Streuung der Härtewerte (Abb. 19).<br />
Der von gesundem Gewebe bedeckte Tumor unterschied sich vibrotaktil deutlich vom umgebenden<br />
gesunden Lungengewebe. Es wurden jedoch für das härtere tumorunterlegte Gewebe<br />
niedrigere Resonanzfrequenzen (um 85-90 Hz) ermittelt als für das direktpalpatorisch extrem<br />
weiche gesunde Lungengewebe (um 110 Hz). Damit entsprachen die Werte des tumorunterlegten<br />
Gewebes in etwa den HNO-Werten für Tonsillen, was vom subjektiven Härteeindruck<br />
bestätigt werden konnte. Nicht erklärlich waren die homogen höheren Resonanzfrequenzen<br />
für die gesunde Lungenoberfläche.<br />
Arbeitspaket 6: Grundlagenerprobung FM B1/B2<br />
(Faßzange / Taststab mit taktilem Mikrosensorarray)<br />
6.1 Zusammenfassung<br />
Die Fa. Bausch hat anhand der Ergebnisse der Arbeitspakete 1 und 3 eine Faßzangenmechanik<br />
entwickelt, bei der das sensorische untere Maulteil rotierbar ist, so daß eine Palpationsbewegung,<br />
Prüfung der Scherelastizität und Verschieblichkeit des Gewebes sowie ein monopolares<br />
Tasten - ohne Greifen des Gewebes - möglich sind. Das obere Maulteil führt entsprechend den<br />
üblichen Faßzangenmechaniken die Öffnen/Schließen-Bewegung aus und ist bestimmend für<br />
dieAnpreßkraft des Gewebes auf die sensorische Unterlage.<br />
Um die Erfassung hinreichend großer Gewebeportionen zu ermöglichen, wurde das obere<br />
Maulteil in einem zweiten <strong>Entwicklung</strong>sdurchlauf auf unseren Vorschlag hin mit einer Hohlkehle<br />
ausgestattet. Zugleich wurde das Zangendesign nach Diskussion mit mehreren Chirurgen<br />
ergonomisch optimiert, wobei das später zu integrierende Aktorarray bereits Berücksichtigung<br />
fand. Eine Beschreibung des Zangendesigns findet sich im Abschlußbericht der<br />
Firma Bausch zum vorliegenden <strong>Verbundprojekt</strong>.<br />
Bei der Daimler-Benz AG wurde ein Taststab entwickelt, der am Frontende über ein Mikrosystemtechnik-Array<br />
aus 8 linear angeordneten Drucksensoren verfügt und in die Faßzange<br />
integriert werden kann. Es wurde eine Software entwickelt, die zunächst die optische Anzeige<br />
auf einem Notebook mittels Balkendiagrammen ermöglicht. Die technischen Spezifikationen<br />
und Leistungsdaten des Taststabs und der Software sind im Abschlußbericht der Daimler-<br />
Benz AG zum vorliegenden Projekt im Detail beschrieben.<br />
In ersten Erprobungen im Phantom- und Tierversuch zeigte sich, daß im Prinzip eine gute<br />
Härtedifferenzierung und Pulsdetektion mit der sensorischen Faßzange möglich war und das<br />
Zangendesign einen sinnvollen Einsatz als Routineinstrument der rechten Hand zuließ. Zange<br />
und Taststab konnten autoklavierbar gestaltet werden.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 55
Es konnte jedoch während der Projektlaufzeit kein vollständig funktionsfähiges Sensorarray<br />
bereitgestellt werden. Unter den funktionierenden Einzelsensoren waren die Empfindlichkeitsabweichungen<br />
in den meisten Fällen in nicht reproduzierbarer Weise unterschiedlich, so<br />
daß beispielsweise ein exaktes Abtasten der Randbereiche von Gewebeverhärtungen nicht<br />
möglich war.<br />
Weiter ließ die Empfindlichkeitsregelung der Sensoren eine Tastbefundung nur bei traumatisch<br />
hohem Anpreßdruck zu. Die Sensorkomponente erwies sich als mechanisch noch sehr<br />
empfindlich.<br />
In der Meßwertanzeige bestand noch eine für den klinischen Einsatz zu hohe Hysterese (siehe<br />
6.2).<br />
In diesem Arbeitspaket war umfangreiche Grundlagenarbeit in Konzeption und Realisierung<br />
zu leisten. Es mußten zahlreiche technische Schwierigkeiten überwunden werden, die vorab<br />
nicht absehbar waren. Aus diesen Gründen wurden Erprobungen und Weiterentwicklung der<br />
Funktionsmuster während der gesamten Projektlaufzeit fortgeführt.<br />
Neben den Arbeiten innerhalb des <strong>Verbundprojekt</strong>s wurde in unserer Arbeitsgruppe im Rahmen<br />
einer Design-Diplomarbeit ein zusätzlicher Designvorschlag für eine ergonomische sensorische<br />
Faßzange entwickelt.<br />
6.2 Erste vorklinische Erprobungen der <strong>taktilen</strong> Faßzange / Taststab<br />
(03.04.96-17.04.96)<br />
Durchführende waren G. Bueß, B. Mentges, O. Weiß, E. Flemming, K. Roth, W. Kunert<br />
Die taktile Faßzange wurde in diesem Zeitraum während zweier Tierversuche eingesetzt. In<br />
diesen Tierversuchen zeigte sich, daß mit einer Faßzange im derzeitigen Design in der<br />
Laparoskopie kaum taktile Information gewonnen werden kann. Es war keine Sensorzeile mit<br />
8 funktionstüchigen Sensorzellen verfügbar. Ein Greifen der für die Faßzange interessanten<br />
Strukturen wie Dickdarm war aufgrund des zu kurzen und zu gering öffnenden Maulteils<br />
kaum möglich. Eine Erfassung von Strukturen im Hintergrund ist durch die fehlende Hohlkehle<br />
nicht möglich. Die zur Detektion der <strong>taktilen</strong> Information notwendigen Kräfte sind zu<br />
groß. Die Detektion der Härte <strong>eines</strong> Leberlappens oder von Darm ist nicht atraumatisch möglich,<br />
da die aufzubringenden Kräfte zu Verletzungen führen würden. Die Verwendung der<br />
<strong>taktilen</strong> Faßzange als Taststab war nicht möglich, da selbst bei unüblich großer Anpreßkraft<br />
kein Signal detektiert werden konnte. Eine Detektion von Gefäßpulsation war ebenfalls nicht<br />
möglich, da hierfür eine Darstellung des differenzierten Signals notwendig ist. Nach Beendigung<br />
der ersten Erprobung befand sich Blut in der gesamten Faßzange einschließlich der Sensorelektronik.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 56
Zur Behebung der genannten Schwierigkeiten wurden von der MICT folgenden<br />
Modifikationen vorgeschlagen.<br />
Faßzangendesign<br />
• Redesign der Maulteilmechanik.<br />
• Integration einer Hohlkehle.<br />
• Maulteile bei einem Abstand von 3 mm parallel schließend.<br />
• Sinusriffelung (0.6 mm Höhe) des Anpreßmauteils. Die Periode sollte dem Abstand der<br />
Sensoren angepaßt sein.<br />
• Abdichtung der Faßzange, insbesondere der Sensorelektronik.<br />
• Optimierung der Kraftreflexion bei linearer Skalierung.<br />
• Minimierung der Haftreibung der Maulteilbewegung.<br />
Integration des Sensors in das Maulteil.<br />
• Die empfindliche Fläche des Sensorarrays sollte gegenüber der Gesamtfläche vergrößert<br />
werden. Dies kann vermutlich durch eine veränderte Integration einschließlich des Vergusses<br />
bei gleichzeitiger Reduktion der gesamten Auflagefläche realisiert werden.<br />
• Die Sensoroberfläche sollte gegenüber dem Sensormaulteil erhöht montiert werden oder<br />
die Ecken des Sensormaulteils abgerundet sein. Alternativ könnte das Sensormaulteil elliptisch<br />
oder rund ausgestaltet werden.<br />
• Kein Spalt zwischen Vergußmasse und Sensormaulteil.<br />
Software<br />
• Kalibrierung der Empfindlichkeit der Sensoren einschließlich Nullabgleich.<br />
• Integration einer optionalen Visualisierung des Pulssignals durch Darstellung des differenzierten<br />
Signals.<br />
• Optionale Abspeicherung der Sensorsignale in definierbaren Zeitabständen für die Testphase.<br />
• Integration der Anzeige des Summenbalkens zur Visualisierung der Anpreßkraft.<br />
• Integration einer optionalen Vergrößerungsoption der Empfindlichkeit um die Faktoren 2<br />
und 4.<br />
• Optionale logarithmische Darstellung des Sensorsignals in der Testphase.<br />
Die Modifikationen der Software sind bereits durchgeführt. Eine neue Maulteilmechanik<br />
wurde von der DLR in Zusammenarbeit mit der MICT konstruiert. Ein erster Prototyp wurde<br />
dann zur Evaluation der MICT zur Verfügung gestellt. Die Implementierung des Sensorarrays<br />
in das Sensormaulteil sollten wie das Design des Sensormaulteils in Kürze modifiziert werden.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 57
6.2 Zweite vorklinische Erprobungen der <strong>taktilen</strong> Faßzange / Taststab<br />
am 16.07.97<br />
Die taktile Faßzange wurde anhand von Silikontastphantomen und am Pulsphantom erprobt.<br />
Dabei wurden folgendes festgestellt.<br />
• Die Empfindlichkeit hatte sich im Vergleich zum Sensorarray vom Mai 1996 nicht merklich<br />
verbessert. Nach wie vor war die Anpreßkraft zur Erreichung <strong>eines</strong> Sensorsignals so<br />
groß, daß atraumatisches Greifen nicht möglich war.<br />
• Die Sensoren maßen nicht zuverlässig reproduzierbar und waren somit nicht eichbar. Für<br />
das Auffinden von beispielsweise tumorösen Gewebeverhärtungen, Gallengangssteinen<br />
oder Lymphknoten müssen die acht Balken im gleichen Maßstab anzeigen.<br />
• Die Anzeige war träge. Das System brauchte ca. 10 Sekunden um zwischen Minimal- und<br />
Maximalauschlag zu wechseln. Damit war Pulsdektektion zur Ortung von Arterien ausgeschlossen.<br />
Auch für die Warnfunktion bei zu kräftigem Zugreifen ist eine Echtzeitanzeige<br />
notwendig.<br />
• Die Abdeckfolie war sehr empfindlich. Schon mit dem Fingernagel konnte sie verkratzt<br />
werden. Dies wäre solange die Folie wasserdicht bleibt unproblematisch, nicht jedoch,<br />
wenn dadurch die Kennlinie des Sensors verändert wird.<br />
• Die Einzelsensoren waren unzuverlässig. Bei Sensorarray #4 zeigten die Einzelsensoren 2<br />
und 3 kein Signal. Einzelsensor 3 zeigte oft Maximum und nur einmal kraftabhängige<br />
Meßwerte. Sensorarray #2 zeigte nur sehr geringe Anzeigewerte. Als mit der flachen Fingerkuppe<br />
kräftiger gedrückt wurde, sprangen plötzlich der Einzelsensor 8 auf Maximum<br />
und die Einzelsensoren 1-7 auf Minumum. Dieser Ausfall konnte später auf Kontaktprobleme<br />
der elektrischen Zuleitungen zurückgeführt werden.<br />
• Die Dichtigkeit des Sensors insbesondere an den Rändern der Sensorfolie wurde nicht geprüft,<br />
da die Abdichtung mit Einkomponentenklebstoff nicht sterilisierbar und nur für den<br />
Prototyp gedacht war.<br />
• Die Riffelung an der Sensorunterseite ermöglichte bei 180°-Drehung des Sensorstabs griffigeres<br />
Greifen ohne Sensorfunktion und schaffte damit die Grundlage zum Einsatz der<br />
Tastzange auch als Routineinstrument.<br />
Zum Design der Faßzange konnte wie folgt Stellung genommen werden.<br />
• Der Handgriff hatte sich gegenüber der ursprünglichen Form verbessert.<br />
• Der Sensorstab konnte mit einer Hand gedreht werden.<br />
• Das Maulteil war mit der Riffelung und dem Spitzgriff jetzt wesentlich verbessert gegenüber<br />
dem letzten Prototyp.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 58
• Durch die Geometrie des beweglichen Maulteils berührte es nicht die Sensoren und verhindert<br />
somit punktförmige Überlastung <strong>eines</strong> Einzelsensors.<br />
• Das Einrasten in den zwei Extremdrehstellungen erfolgte mit der richtigen Kraft.<br />
• Der Durchschub von verschiedenen Sensorstäben mit 5mm Außendurchmesser funktionierte<br />
gut.<br />
Fazit<br />
Die Mechanik der Faßzange war schon sehr nahe an den Erfordernissen des Chirurgen.<br />
Das Tastsensorarraysystem war in der derzeitigen Form noch zu unempfindlich, zu langsam<br />
und nicht geeicht, so daß eine Testung am vorliegenden Pulsphantom oder an (weichen) Geweben<br />
nicht sinnvoll war.<br />
6.3 Dritte vorklinische Erprobungen der <strong>taktilen</strong> Faßzange / Taststab<br />
am 11.11.1997<br />
Es wurden zwei neue Sensoren sowie ein Software-Update verwendet. Die Ergebnisse waren<br />
grundsätzlich kaum besser als bei der zweiten vorklinischen Erprobung.<br />
• Durch das Update der Software war der Effekt der Trägheit der Anzeige behoben.<br />
• Durch manipulierten "Nullabgleich" unter gleichförmiger Last auf alle Einzelsensoren<br />
konnte die Anzeige so manipuliert werden, daß die Schwankungen der Empfindlichkeit<br />
der Einzelsensoren reduziert waren. Dieses Vorgehen sollte mit Vorsicht gewählt werden,<br />
da dann höhere Kräfte auf die Sensoren wirken, als die Anzeige glauben macht. Dies<br />
zeigt, daß durch Software-Abgleich nicht nur des Offsets (Einstellung aller Balken auf<br />
Null ohne Krafteinwirkung) sondern zusätzlich der Empfindlichkeit (Einstellung aller Balken<br />
auf Maximum bei Einwirkung einer konstanten Maximalkraft auf alle Einzelsensoren)<br />
die Anzeige verbessert werden könnte.<br />
6.4 Erprobungen der <strong>taktilen</strong> Faßzange / Taststab im Tierversuch<br />
am 19.11.1997<br />
Beteiligt waren A. Arezzo, C. Fleisch, J. Knittel, W. Kunert, B. Mentges.<br />
Aufbau<br />
Die Faßzange mit Außendurchmesser 10mm hat anstatt <strong>eines</strong> unteren Maulteiles einen 5mm<br />
durchmessenden Arbeitskanal, durch den verschiedene Sensorstäbe eingeschoben werden<br />
können. Für den beschriebenen Versuch wurde ein Sensorstab mit 8 in einer Reihe liegenden<br />
seitlich messenden Drucksensorelementen eingeführt. Die Faßzange mit dem Sensorstab<br />
wurde über die mitgelieferte Elektronik an das PC-Notebook angeschlossen.<br />
Zur Dokumentation wurden ein endoskopisches Videosystem und eine BETACAM-Schulterkamera<br />
aufgebaut.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 59
Versuchsdurchführung<br />
Die Faßzange wurde vor Gebrauch ohne Belastung elektronisch auf Null zurückgesetzt.<br />
Zuerst wurde die Faßzange am Schwein (ca. 50kg) laparoskopisch eingesetzt. Es wurden<br />
damit verschiedene Organoberflächen sowie das Ligamentum umbilicalis abgetastet. Dabei<br />
wurde die Anzeige auf dem LCD des Notebooks beobachtet. Der Tastvorgang wurde auf<br />
Video aufgezeichnet.<br />
Danach wurde das Schwein medial laparotomiert und die Faßzange wurde konventionell eingesetzt.<br />
Es wurde der Dünndarm eröffnet und es wurde ein Tupfer hineingeschoben. Dann<br />
wurde von einer Person mit der Faßzange getastet während eine zweite Person, die den Darm<br />
nicht sehen konnte nur die Anzeige verfolgte.<br />
Versuchsergebnis<br />
Es konnte im Ligamentum umbilicalis keine Gefäßpulsation gefunden werden. Über die<br />
Anzeige war bestenfalls erkennbar, welche Einzelsensoren gerade auf das Gewebe gedrückt<br />
waren und welche nicht.<br />
Beim Tasten des Darmes zeigte sich, daß ein Druckverlauf relativ zwischen den Einzelsensoren<br />
keine Aussagen erlaubt, weil die Einzelsensoren unterschiedlich empfindlich sind, so daß<br />
z. B. bei Beaufschlagung mit konstanter Kraft über alle Sensoren teils sehr unterschiedliche<br />
Ausschläge resultieren. Defekte Einzelsensoren irritieren zusätzlich.<br />
Bewertung<br />
Die Anwendbarkeit zur örtlichen Auflösung von Verhärtungen ließe sich wesentlich<br />
verbessern, wenn zumindest alle Einzelsensoren ähnliche Kennlinien hätten. Es bleibt die<br />
Problematik, daß ein erhöhter Ausschlag <strong>eines</strong> Einzelsensors nicht Zeichen für eine<br />
Gewebeverhärtung sein muß, sondern genausogut durch örtlich dickere Gewebemengen verursacht<br />
sein kann.<br />
Die Mechanik der Faßzange hat einen sehr guten Eindruck dadurch gemacht, daß sie sehr reibungsarm<br />
öffnet und schließt und somit dem Operateur eine gute direkte Kraftempfindung<br />
über den Handgriff ermöglicht.<br />
6.5 Vierte vorklinische Erprobung der <strong>taktilen</strong> Faßzange / Taststab<br />
im Tierversuch am 19.11.1997<br />
Um das Auflösungsvermögen der MST-Sensoren zu messen, wurde von der Daimler-Benz-<br />
Forschung das Ausgangssignal <strong>eines</strong> ausgewählten Einzelsensor so stark verstärkt, bis die<br />
Rauschgrenze erreicht wurde. Es wurde außerdem wie von MICT vorgeschlagen durch eine<br />
neue Software eine logarithmische Anzeige erprobt.<br />
Die Meßwerte wurden in Ottobrunn erhoben, sie sind im folgenden der Vollständigkeit halber<br />
angefügt.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 60
6.5.1 Aufgabe<br />
Gesamtziel der Untersuchung war die Erhöhung der Empfindlichkeit der OP-Zange, um den<br />
Nachweis von Pulsen zu ermöglichen.<br />
Ausgehend von der linearen Empfindlichkeit des OPZ-Sensors (Abb. 20) sollte eine logarithmische<br />
Kennlinie entwickelt werden, mit der Eigenschaft, im Bereich des ersten Skalenteiles<br />
(A) des Balkendiagrammes (Abb. 21) eine hohe und entsprechend darüber (B) eine<br />
geringere Empfindlichkeit meßbar zu machen.<br />
Kraft in p<br />
Skalenteile<br />
15<br />
14,8<br />
14,6<br />
14,4<br />
14,2<br />
14<br />
13,8<br />
13,6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
80 80,5 81 81,5 82 82,5 83 83,5<br />
Meßweg in µm<br />
0<br />
80 80,5 81 81,5 82 82,5 83 83,5<br />
Abb. 20: Lineare Sensorkennlinie<br />
Meßweg in µm<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 61
Abb.21: Balkendiagramm mit Zuordnung der verschiedenen Empfindlichkeitsbereiche A/B<br />
6.5.2 Vorgehensweise<br />
Die logarithmische Kennlinie des Sensors erreicht man, indem dem Signalverstärker des Sensors<br />
ein logarithmisches Verhalten verliehen wird. Dies geschieht durch Dioden in der Rückkopplung<br />
des Verstärkers. Dioden haben eine logarithmische Kennlinie - dadurch wird die<br />
Verstärkerkennlinie von Ausgang- zu Eingangsspannung logarithmisch.<br />
Mit Hilfe einer Simulation (Abb. 22) - die später eine hardwaremäßige Veränderung der Leiterplatte<br />
zur Folge hat - wird die entsprechend logarithmische Kennlinie (Abb. 23) dargestellt.<br />
Abb. 22: Simulation der log. Kennlinie<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 62
Abb. 23: Logarithmische Kennlinie der Verstärkung von Abb. 22<br />
Nach praktischer Erprobung der Elektronik, die nach der Simulation aufgebaut wurde, erhielt<br />
man folgende Kennlinie (Abb. 23 und 24).<br />
K ra ft [p ] b zw . M a ss e [g ]<br />
29<br />
28<br />
27<br />
26<br />
25<br />
24<br />
23<br />
22<br />
21<br />
20<br />
19<br />
18<br />
17<br />
16<br />
15<br />
14<br />
13<br />
12<br />
1<br />
Kennlinie OPZ-Em pfindlichkeit<br />
10<br />
2 , 2 2 , 3 2 ,4 2, 5 2 , 6 2, 7 2 , 8 2 ,9 3 3, 1 3 , 2 3 ,3<br />
S p annung [V ]<br />
Abb. 24: Sensorkennlinie nach Simulation<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 63
6.5.3 Empfehlungen<br />
Da man den hohen Empfindlichkeitsbereich nur sehr schwer “handeln” kann, wird es dem<br />
Operateur kaum möglich sein, eine Zange mit logarithmischer Kennlinie bedienen zu können,<br />
da es besonderen Verständnisses bedarf - die elektronischen Abläufe (während der Anwendung)<br />
bei Erzeugung der Kennlinie nachzuvollziehen. Bei Nichtbeachtung der verschieden<br />
empfindlichen Bereiche kann es dazu führen, daß das Meßergebnis falsch interpretiert wird.<br />
Aus dieser Betrachtung heraus entschloß man sich für die Realisierung von OP-Zangen mit<br />
linearer Kennlinie, jedoch verschiedenen Empfindlichkeiten. So können mit der einen Variante<br />
Pulse gemessen und mit der anderen widerum Härteunterschiede von Geweben mit Ortsauflösung<br />
erfaßt werden. Bei der Pulsmessung kann man auf die Ortsauflösung der 8 Sensoren in<br />
einer Reihe verzichten. In Absprache mit den Projektpartnern möchte wir weiterhin jenes<br />
Konzept verfolgen, welches vom Aufbau zwei verschiedenartiger OP-Zangen mit unterschiedlicher<br />
Empfindlichkeit ausgeht.<br />
6.5.4 Ergebnisse<br />
Mit entsprechend hoher (linearer) Empfindlichkeit der Zange ist es nachweisbar möglich, den<br />
menschlichen Puls mittels der Tastsensorik zu messen. Durch Abgreifen der Ausgangssignale<br />
an der Leiterplatte können die Pulse neben der Anzeige des Kontrollmonitors unter Verwendung<br />
<strong>eines</strong> Oszilloskopes mit Drucker dokumentiert werden (Abb. 25).<br />
Abb. 25: Dokumentation <strong>eines</strong> Pulszuges (mittels Oszilloskop)<br />
->Zeit<br />
Durch die software- und hardwareseitige Verstärkung können sehr hohe Empfindlichkeiten<br />
(Faktor >>100) erreicht werden, die jedoch in der operativen Anwendung wenig Sinn finden.<br />
Schon bei geringsten Belastungen des Sensors unter 11 cN kommt es zur maximalen Auslenkung<br />
der Balken, so daß man die wesentlichen Signale sehr schwer erfassen und erkennen<br />
kann.<br />
Aufgrund dessen sollte man Varianten entwickeln, deren Empfindlichkeit für den jeweiligen<br />
Anwendungsfall angemessen ist.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 64
6.6. Diplomarbeit zum Design <strong>eines</strong> ergonomischen Handgriffs<br />
Außerhalb des Arbeitsprogramms des <strong>TAMIC</strong>-Projekts wurde in Zusammenarbeit mit Prof.<br />
H. J. Lannoch von der Fachhochschule für Gestaltung in Pforzheim eine Diplomarbeit zur<br />
<strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> ergonomischen Handgriffs für endoskopische Tastinstrumente betreut.<br />
6.6.1 Ziel der Diplomarbeit<br />
Die endoskopische Operation erfordert bestmögliche Präzision und oft schnellstmögliches<br />
richtiges Handeln. Deshalb steht insbesondere der verantwortliche Operateur, der eine Vielzahl<br />
von chirurgischen, anästhesiologischen, medizintechnischen und organisatorischen<br />
Bedingungen einhalten muß, unter hoher Belastung. Instrumente und Geräte, die in einer solchen<br />
endoskopischen Operation verwendet werden, müssen daher einfach, sicher, ergonomisch<br />
und intuitiv zu bedienen sein.<br />
Ziel dieser Arbeit war einerseits die Sicherheit und Effizienz des operativen Verlaufs durch<br />
Berücksichtigung ergonomischer Gesetzmäßigkeiten zu verbessern. Hauptsächlich jedoch soll<br />
ein taktiles OP -Instrument dem Operateur die verlorengegangenen Fähigkeiten des Kraft- und<br />
Tastempfindens wiederbringen, die beim Umstieg von der offenen zur endoskopischen<br />
Operationstechnik verlorengegangen sind. In dieser, noch sehr jungen, medizinischen Disziplin,<br />
kann insbesondere die Möglichkeit des <strong>taktilen</strong> Erfahrens eine enorme Erweiterung bzw.<br />
Neuerschließung des operativen Einsatzbereichs bedeuten.<br />
In diesem Zusammenhang ist die Sektion für MIC der Chirurgischen Universitätsklinik<br />
Tübingen im Rahmen des <strong>Verbundprojekt</strong>s <strong>TAMIC</strong> an der <strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> <strong>taktilen</strong> endoskopischen-Instruments<br />
beteiligt.<br />
Als Ergebnis der Diplomarbeit wurde ein Demonstrationsmodell des Handgriffs für das taktile<br />
endoskopische Instrument konzipiert, der sich dadurch auszeichnet, daß das Instrument um<br />
180° geschwenkt werden kann, ohne es mir Daumen und Zeigefinger loslassen zu müssen.<br />
Dadurch wird das für ergonomisches Arbeiten in verschiedenen Arbeitspositionen erforderliche<br />
Umgreifen so vereinfacht, daß es ohne Hinzunahme der zweiten Hand möglich ist. In<br />
den Handgriff sind zwei Bedienelemente integriert. Ersteres ermöglicht die Betätigung der<br />
Öffnen-Schließen-Bewegung, letzteres soll das seitliche zweidimensionale Schwenken für die<br />
Tastbewegung nach links-rechts-hinten-vorn ermöglichen.<br />
6.6.2 Konstruktiver Lösungsvorschlag<br />
Aufbau<br />
Das Demonstrationsmodell besteht aus einem zylindrischen langen Schaft, zwei kugeligen<br />
Griffelementen zur Ablage des Handballens in den zwei Griffpositionen, einem Verstellmechanismus<br />
für die Griffelemente, einem Greifzylinder mit Bügelelement für die Öffnen-<br />
Schließen-Bewegung des Maulteils, einem Bügelelement zur Betätigung des Greifzylinders<br />
und einem Steuerelement zur Betätigung der zweidimensionalen Tastbewegung (Abb. 26).<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 65
Abb. 26 Ergonomischer Handgriff für endoskopische Tastinstrumente<br />
Verstellmechanismus der Griffelemente<br />
Die zwei kugeligen Griffelemente aus APEX oder PEEK sind jeweils mit einer Bohrung,<br />
rechtwinklig zur Instrumentenlängsachse versehen. Zur einmaligen Einstellung des geeigneten<br />
Druckes können Standardteile verwendet werden. Ein Kugelkopf wird über Druckfeder und<br />
Schraube in einer Hülse geführt. Ist das Element montiert, greift die federnd gelagerte Kugel<br />
in Stufen von 2,5 mm rastend in die kegelförmigen Vertiefungen auf der Instrumentenachse<br />
ein. Nach Montage wird die Schraubenbohrung formschlüssig mit einem Käppchen<br />
(Standardteil) abgedeckt. Im chirurgischen Einsatz ist die Längenverstellung durch einfaches<br />
Drücken oder Ziehen mit vorzuwählender Kraft zu realisieren. Die in Stufen rastende Verstellung<br />
der Instrumentenlänge bietet dem Operateur, der täglichen Umgang mit einer Vielzahl<br />
von chirurgischem Instrumentarium pflegt, Orientierung.<br />
Greifzylinder für die Öffnen - Schließen - Bewegung des Maulteils<br />
Der polierte Zylinder aus dem üblicherweise in der Medizintechnik verwendeten Edelstahl<br />
X5CrNi18 9 ist möglichst reibungsarm in der Führungshülse gelagert. Dazu wird die Innenfläche<br />
der Hülse durch PVD (Plasma - Vakuum - Dispersionsverfahren) mit einer sehr gut<br />
gleitfähigen verschleißfesten Schicht aus PFA (Perfluor - Alkoxy - Polymer) bedampft.<br />
Bügelelement<br />
Das Bügelelement, das ebenfalls aus APEX oder PEEK als Kunststoffspritzgußteil herzustellen<br />
ist, wird drehbar als Gleitlagersitz ausgeführt auf den Greifzylinder aufgesteckt. Durch<br />
einen Bund ist unter Gewährleistung der Drehbarkeit in der achsrotatorischen Ebene das Teil<br />
in Richtung der Längsachse fixiert. Durch einfache Demontage durch Abziehen ist das einer<br />
großen Beanspruchung ausgesetzte Teil leicht austauschbar.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 66
Steuerelement für die Steuermechanik der Tastbewegung<br />
Die starre, am maulteilseitigen Instrumentenende tastende Achse wird direkt über einen starren<br />
Hebel in Form <strong>eines</strong> einfachen zylindrischen Stifts vom Daumen bewegt. Der Steuerhebel<br />
ist innerhalb einem hochflexiblen kreisförmigen Faltenbalg eingebettet, der aufgrund der<br />
Dauerhaftigkeit aus Silikon gefertigt wird. Diese Materialien werden im sterilen Bereich im<br />
OP für Schlauchverbindungen verwendet.<br />
Reparatur, Wartung<br />
Die einzelnen an der Instrumentenlängsachse ansetzenden Hülsen sind schraubend, durch<br />
Feingewinde verbunden und damit zur Wartung bzw. Reparatur demontierbar.<br />
Reinigung und sterile Aufbereitung<br />
Zur Aufbereitung werden medizinische Instrumente gereinigt, desinfiziert und anschließend<br />
sterilisiert, wobei sich die Dampfsterilisation mit Sattdampf bei 134°C und 3 bar am besten<br />
eignet. Für die Reinigung ist aus konstruktiver Sicht die Anbringung <strong>eines</strong> genormten Spülkanalanschlußes<br />
(Luer-Lock-Anschluß mit ∅2,3 mm) zu berücksichtigen, der sich möglichst<br />
über die gesamte Instrumentenlängsachse erstrecken soll.<br />
Material, Gewicht, Temperatur<br />
Alle Griffteile sind aufgrund der verschiedenen klinischen Anforderungen aus den Kunststoffen<br />
PEEK oder APEX als Spritzgußteile herzustellen. Aus Gewichtsgründen, aber auch auf<br />
aufgrund der Temperatur, die innerhalb des operativen Umfelds eine nicht unbedeutende<br />
Rolle spielt, werden die Griffelemente als Hohlkörper gespritzt. Der Hohlraum weist bezüglich<br />
der Wärmeableitung günstigere Eigenschaften im Vergleich zu einem massiven Körper<br />
des gleichen Werkstoffs auf. Das Instrumentengewicht ist der praktischen Anwendung gemäß<br />
möglichst gering zu halten.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 67
Arbeitspaket 7: Überarbeitung und Detaillierung der<br />
medizinischen Konzeption für taktile Sensorsysteme /<br />
Erarbeitung <strong>eines</strong> klinischen Erprobungsplans<br />
7.1 Zusammenfassung<br />
Parallel zu den Erprobungen der Funktionsmuster wurden die Anwendungsszenarien für artefizielle<br />
Tastsensorik in verschiedenen medizinischen Bereichen erweitert und detailliert (siehe<br />
3.6.5). Modifikationsvorschläge für die einzelnen Funktionsmuster wurden erarbeitet und in<br />
deren Weiterentwicklung eingebracht. Die Voraussetzungen für klinische Erprobungen der<br />
entwickelten Instrumentarien wurden geprüft, und es wurden in Zusammenarbeit mit den<br />
jeweiligen technischen Partnern Vorbereitungen zu klinischen Studien getroffen.<br />
Der folgende Studienplan zum vorklinischen Test der Faßzange wurde in Kooperation mit<br />
Herrn Grözinger von der DBAG aufgestellt.<br />
7.2 Studienplan zum vorklinischen Test der Faßzange<br />
7.2.1 Einleitung<br />
7.2.1.1 Systemumfeld<br />
In der MIC werden Operationen in der Regel unter endoskopischer Kontrolle mit verlängerten<br />
starren Instrumenten durchgeführt, wobei die sensorische und propriozeptive Kontrolle der<br />
Manipulationen nicht vorhanden ist.<br />
Um die Operation nach allen medizinischen Regeln durchzuführen, braucht der Chirurg neben<br />
allen Freiheitsgraden der Bewegung die Kontrolle der im Körperinneren an den Instrumenten<br />
auftretenden Kräfte und die Möglichkeit des Tastbefundes von Objekten durch Palpation zur<br />
Unterscheidung von gesundem und pathologischem Gewebe wie auch zur Erkennung von<br />
Gefäßen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 68
7.2.1.2 Klinische Anwendungszenarien für eine taktile Faßzange<br />
Die im Projekt <strong>TAMIC</strong> geplante Faßzange B1 soll dem Chirurgen bei einem minimal-invasiven<br />
chirurgischen Eingriff ein Abtasten des Gewebes ermöglichen. Dieses Abtasten ermöglicht<br />
die Unterscheidung von gesundem und pathologischem Gewebe wie auch die Erkennung<br />
von Gefäßen. Dies beinhaltet die Bestimmung von Härte, Oberflächenrauhigkeit und Verschieblichkeit<br />
des Gewebes bzw. von Strukturen im Gewebe. In der MIC ist neben der<br />
Identifikation der Gefäßpulsationen die Erkennung folgender pathologischer Veränderungen<br />
interessant.<br />
• Gallengangsteine,<br />
• Endoluminale Tumoren (Rektumtumor, Magenkarzinom),<br />
• Oberflächennahe Tumore im Parenchymgewebe (z. B. Lebermetastasen),<br />
• Morbus Crohn im Dünndarm (entzündliche Verhärtungen).<br />
7.2.2 Ziel der Erprobung<br />
Bei dem Test der Faßzange B 1 werden in einer ersten Stufe die grundsätzlichen Funktionen<br />
und die Eignung für den klinischen Einsatz geprüft. Schwerpunkt ist die Untersuchung der<br />
Tauglichkeit des Funktionsmusters fiir die Befunderhebung in der MIC. Diese Tauglichkeitsprüfung<br />
wird sowohl durch Phantonversuche als auch im Tierversuch anhand der in<br />
7.2.1.2 dargestellten Anwendungsbereiche durchgeführt. Aus dem Ergebnis der Erprobung<br />
ergeben sich Modifikationsvorschläge für die Konstruktion des Prototyps des <strong>taktilen</strong> Instruments,<br />
der in einer breiten Verteilung zur klinischen Erprobung für in-vivo-Anwendungen<br />
eingesezt werden kann. Ergänzend soll mit Hilfe der Testergebnisse eine Testumgebung zur<br />
standardisierten Prüfung taktiler Instrumente konzipiert werden. Dieser Teststand soll die<br />
Validierung der <strong>Entwicklung</strong>en unter reproduzierberen Testbedingungen ermöglichen.<br />
7.2.3 Untersuchungskriterien der Erprobung<br />
Das Funktionsmuster wird anhand der Spezifikation zur Durchführbarkeit der Produktvorgaben<br />
geprüft. Die Tests beinhalten die Überprüfung der funktionalen Anforderungen und der<br />
technischen Leistungsdaten des Funktionsmusters zur <strong>Entwicklung</strong> der Komponenten für die<br />
Seriengeräte. Die Testparameter sind in den Abschnitten 7.2.5 - 7.2.12 genannt. Sämtliche<br />
Tests werden unter Berücksichtigung der detaillierten Anwendungszenarien durchgeführt.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 69
7.2.4 Methodik<br />
Dauer der Tests von KW 49/95 bis KW 04/96<br />
Anwesend waren G. Bueß, E. Flemming, W. Kunert, und zeitweise R. Grötzinger (DMT).<br />
Orte der Testdurchführung:<br />
Zentrum für medizinische Forschung Dornier Medizintechnik GmbH<br />
Abt. für Allgemeine Chirurgie und Poliklinik Industriestr. 15<br />
Sektion für Minimal Invasive Chirurgie 821 10 Germering<br />
Waldhörnlestr. 22<br />
72072 Tübingen<br />
7.2.5 Leistungsdaten des Sensorarrays<br />
Empfindlichkeit der Kraft / Druckmessung ausreichend<br />
Meßbereich der Kraft / Druckmessung ausreichend<br />
Kraft/Druckauflösung ausreichend<br />
Räumliche Auflösung der Kraft / Druckmessung voraussichtlich ausreichend<br />
Reproduzierbarkeit der Kraft / Druckmessung k. A. möglich<br />
Genauigkeit und Meßbereich<br />
der Temperaturmessung entfällt<br />
7.2.6 Leistungsdaten der Faßzange<br />
Maximale Anpreßkraft der Zange ausreichend<br />
Gleit- und Haftreibung in der Faßzange sehr gering<br />
Spiel der Schließfunktion gering<br />
Elastizität in der Faßzange gering<br />
Hebelwirkung beim Schließen ausreichend zur Aufbringung der<br />
Greifkraft<br />
Arretierfunktion fehlt<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 70
7.2.7 Reinigungs- und Sterilisierbarkeit<br />
Reinigbarkeit von Sensorarray: gut,<br />
sonst keine Aussagen möglich<br />
Zerlegbarkeit gut<br />
Funktion des Spülkanals nicht vorhanden<br />
Sterilisierbarkeit von Sensorarray: gut,<br />
sonst keine Aussagen möglich<br />
7.2.8 Technische Prüfung<br />
Kompatibilität zu 5 mm oder 10 mm Trokar i. O.<br />
Hochfrequenzfestigkeit (EMV, direkter Kontakt<br />
mit HF-Instrument) i. O. auch bei kurzem direktem Kontakt<br />
Ultraschallverträglichkeit i. O.<br />
Biokompatibilität keine Aussagen möglich<br />
Elektrische Sicherheit keine Aussagen möglich<br />
Mechanische Sicherheit und Stabilität keine Aussagen möglich<br />
7.2.9 Anwendungsmöglichkeiten<br />
Erreichbarkeit der laut Anwendungsmatrix<br />
genannten Strukturen in der Peritonealhöhle gut<br />
Greifbarkeit dieser Strukturen noch nicht ausreichend, bei größeren<br />
Strukturen Abrutschen häufig<br />
Detektierbarkeit der pathologischen Veränderungen keine Aussagen möglich,<br />
da keine voll funktionstüchtige Faßzange<br />
Kraftreflexion k.A.<br />
Pulsation bisher nur mit einem Einzelsensor<br />
im Laboraufbau möglich<br />
7.2.10 Manipulationsfunktion<br />
Greif- und Haltefunktion Kaufmann: Maulteile zu glatt, sonst gut<br />
Kraftreflexion Kaufmann: ausreichend<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 71
7.2.11 Bedienergonomie<br />
Intuitivität ausreichend<br />
Eindeutigkeit k. A.<br />
Flexibilität ausreichend<br />
Funktionalität ausreichend<br />
Griffdesign Handgriff nicht ausreichend<br />
Instrumentendesign gut<br />
7.2.12 Visualisierung<br />
Genauigkeit der Darstellung<br />
(Druck, Temperatur, Pulsation) nicht ausreichend<br />
Positionsgenauigkeit nur in Bildschirmecken realisiert<br />
Arbeitspaket 9: Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM H<br />
(Matching von taktiler Information und Videosignal)<br />
9.1 Zusammenfassung<br />
Von der Firma ViewPoint wurde ein Visualisierungsprogramm für die Tastinformation der<br />
Sensorzange konzipiert und entwickelt. Zwei alternative Programme wurden uns zur Erprobung<br />
zur Verfügung gestellt, die die Einblendung des Balkendiagramms am Rand des endoskopischen<br />
Videobildes bzw. die farblich differenzierte Darstellung am Ort des Zangenmauls<br />
vorsehen.<br />
Die Visualisierung der Sensorinformation am Ort des Zangenmauls setzte die technisch aufwendige<br />
Ortung des Instruments mit Methoden der Bildverarbeitung voraus. Hierfür wurde an<br />
der Faßzange eine leuchtend-grüne Markierung angebracht.<br />
Sowohl die Ortung des Instruments als auch die Überlagerung der Tastinformation in Echtzeit<br />
waren mit erheblichen technischen Problemen behaftet, so daß die Darstellung als Balkendiagramm<br />
am Bildschirmrand als sinnvollste Möglichkeit erscheint.<br />
Bei den ersten Tests konnte die Überlagerung auf einem Bildschirm nur auf einem Computermonitor<br />
realisiert werden. Nachdem die Qualitätseinbuße bezüglich Helligkeit und Kontrast<br />
des endoskopischen Bildes chirurgisch als unvertretbar bewertet worden war, wurde von der<br />
DBAG eine Elektronik entwickelt, die die Einblendung auf einen Videomonitor erlaubt.<br />
Eine Weiterentwicklung des Instrumentenortungs-("Tracing"-) Programms ist jedoch angesichts<br />
des wachsenden medizinischen Anwendungsfeldes, insbesondere im Bereich der Robotik,<br />
vielversprechend. So kann für die nähere Zukunft mit einer weiten Verbreitung von<br />
automatisierten Kamerasteuerungs- und Instrumentenführungssystemen in der endoskopischen<br />
Chirurgie gerechnet werden.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 72
Über den Umfang der Arbeitspakete des <strong>TAMIC</strong>-Projektes hinausgehend wurde die Software<br />
zusätzlich für die OP-Protokollierung entwickelt.<br />
9.2 Visualisierung<br />
• Die Darstellung der Tastinformation als Balkendiagramm an der Seite schien am sinnvollsten,<br />
der Linienplot war nicht übersichtlich.<br />
• Die Ortung der farblichen Markierung war sehr kritisch, es war nicht möglich, sie zuverlässig<br />
einzustellen.<br />
• Eine Überlagerung der <strong>taktilen</strong> Information war nur dann wirklich sinnvoll, wenn die<br />
Information wirklich am Ort des Zangenmauls dargestellt wurde. Eine Darstellung in der<br />
Nähe verdeckte unter Umständen wichtige Strukturen. Da die direkte Überlagerung der<br />
Tastinformation zu aufwendig schien, ist wohl die Beschränkung auf die Darstellung der<br />
Information an der Seite des Bildschirms notwendig. Trotzdem ist die Ortung <strong>eines</strong><br />
Instruments sehr interessant für die Verbesserung von Kamerasteuerungssystemen, die<br />
inzwischen auf dem Markt vordringen (z B. AESOP, FIPS).<br />
9.3 OP-Protokollierung<br />
• Die Bediener-Oberfläche war optisch sehr ansprechend gestaltet.<br />
• Eine Anpassung der Benutzerführung an übliche Windows-Standards wäre sinnvoll. Z.B.<br />
sollte jedes Fenster einen Schließen- und Abbrechen-button haben und nicht durch einen<br />
Doppelklick auf die freie Fläche des Fensters zu schließen sein.<br />
• Der Text des Protokolls sollte ständig sichtbar sein.<br />
• Für die Eingabe sollte es sowohl Pflicht- als auch optionale Eingabefelder geben.<br />
• Eine logische Verzweigung der Eingabe ist sinnvoll, z. B. "Auffälligkeiten im Abdomen",<br />
wobei bei pos. Beantwortung ein entsprechendes Submenü erscheint.<br />
• Es wird eine weitere Automatisierung gewünscht, d.h. mehr Text, der automatisch im<br />
Vor- und Nachspann erscheint.<br />
• Für das operative Vorgehen kann ebenfalls ein automatischer Text erscheinen, wenn der<br />
Operateur ein Feld mit "Übliche Vorgehensweise" markiert.<br />
• Die gesamte Menüoberfläche sollte zumindest im Evaluationsstadium in ini-files editierbar<br />
sein, um einfache Anpassungen vor Ort durchführen zu können.<br />
Arbeitspaket 10: Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM C1/C2<br />
(Faßzange / Taststab mit taktilem elektrorheologischen Aktorarray)<br />
Das Aktorarray auf der Basis elektrorheologischer Flüssigkeiten stand bis zum Projektende<br />
noch nicht zur Verfügung. Das Design der bei der Fa. Bausch entwickelten Sensorzange sieht<br />
jedoch den Einbau des Aktorarrays bereits vor.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 73
Arbeitspaket 11: Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM G<br />
(Taktiler Manipulator)<br />
11.1 Zusammenfassung<br />
Die Daum GmbH enwickelte Funktionsmuster zweier Gelenk-Faßzangen ("Endo-Finger"),<br />
die eine Simulation der Daumen-Zeigefinger-Palpationsbewegung ermöglichen und zusätzliche<br />
Freiheitsgrade der Bewegung bieten.<br />
Beide Faßzangen verfügen über ein starres einteiliges unteres Maulteil und ein bewegliches<br />
oberes Maulteil aus zwei gegeneinander anwinkelbaren Gliedern ("Fingergelenk"). Eine<br />
Version der Faßzange ist zusätzlich mit einem "Handgelenk" ausgestattet, das in einer Ebene<br />
angewinkelt werden kann.<br />
Diese Faßzangen ermöglichen durch ihre mechanische Auslegung eine Kraftreflexion, die<br />
eine Abschätzung der Dicke und Härte des untersuchten Gewebes erlaubt.<br />
Die Zangen wurden im Tierversuch erprobt und zeigten sich als vielversprechende atraumatische<br />
Greifinstrumente, deren untere Maulteile zusätzlich mit einem Sensorarray bestückt werden<br />
könnten.<br />
Bis zum Projektende stand uns keine sensorische Version des Endo-Fingers zur Verfügung.<br />
11.2 Beschreibung des Funktionsmusters<br />
Die Faßzange besteht aus einem starren Maulteil und einem zweiten Maulteil aus zwei<br />
beweglichen Gliedern. Beide Maulteile sind unsensitiv und haben einen Überzug aus Latex.<br />
Zusätzlich besitzt die Faßzange ein Gelenk zur Abwinkelung beider Maulteile. Die Faßzange<br />
ist analog zu einem festen Daumen und einem beweglichen Zeigefinger mit zwei Gelenken<br />
geformt.<br />
Das bewegliche Maulteil wird vom Zeigefinger der rechten Hand betätigt, der durch zwei<br />
Klemmen an den Handgriff fixiert wird. Der Handgiff wird von den restlichen Fingern fixiert.<br />
Die Bewegung des zusätzlichen Gelenks wird durch die Lage des Handgriffs relativ zur Führungsstange<br />
und damit zum Trokar bestimmt.<br />
11.3 Testumgebung im Tierversuch<br />
1. Magen <strong>eines</strong> Schweins nach Laparotomie: Untersuchung der Magenwand des Schweins<br />
mit dem Endo-Finger.<br />
2. Dünndarm <strong>eines</strong> Schweins. In diesem Dünndarm sind zur Simulation pathologischen<br />
Gewebes drei Mulltupfer eingenäht, ein Tupfer (5 mm), der frei beweglich war, ein im<br />
Darm fixierter Tupfer (5 mm) und ein dritter mit 15 mm Durchmesser, der sich lose im<br />
Darm befand.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 74
11.4 Ziel des Experiments<br />
Evaluierung des Funktionsmusters bezüglich der Kraftreflexion hinsichtlich der <strong>Entwicklung</strong><br />
einer <strong>taktilen</strong> Faßzange.<br />
11.5 Ergebnis der Evaluierung<br />
Der "Endo-Finger" ermöglichte durch die Kraftreflexion nach einem kurzen Training die<br />
grobe Abschätzung von Dicke und Härte des untersuchten Gewebes. Insbesondere Änderungen<br />
der Dicke und Härte konnten beim Abfahren entlang Strukturen wie zum Beispiel der<br />
Magenwand gut detektiert werden. Die Elastizität der Bowdenzüge ist hierbei nicht störend.<br />
Zum Abtasten größerer Strukturen, wie dem größeren Tupfer im Dünndarm war die Maulteilöffnung<br />
jedoch nicht groß genug. Eine Messung der Verschieblichkeit von Strukturen im<br />
Gewebe war nicht möglich, da der bewegliche Finger nicht entlang des starren Fingers bewegt<br />
werden konnte. Die Fixation von Gewebe ist mit diesem Endo-Finger möglich. Der Latex-<br />
Überzug über die Maulteile war nach kurzer Zeit defekt, so daß dieser Punkt noch deutlich<br />
verbessert werden muß.<br />
Die Hand ermüdete schnell durch unergonomische Haltung des Griffes. Die unergonomische<br />
Griffgestaltung erschwerte vermutlich den <strong>taktilen</strong> Sinneseindruck, so daß durch einen modifizierten<br />
Handgriff der taktile Eindruck verbessert werden könnte. Für Bediener mit kleinen<br />
Händen war der Handgriff zudem etwas zu groß.<br />
11.6 Verbesserungsvorschläge<br />
Ein "Handgelenk" am Endo-Finger wäre aus chirurgischer Sicht ideal. Bei einer Zange ohne<br />
"Handgelenk" können jedoch die interessierenden Strukturen in Richtung des Maulteils ausgerichtet<br />
werden, so daß zur Integration des <strong>taktilen</strong> Sensorarrays in den Endo-Finger das<br />
"Handgelenk" der Zange nicht zwingend notwendig ist. Eventuell wäre eine starre Winkelung<br />
sinnvoll. Ein solches Instrument könnte dann jedoch nur durch flexible Trokare eingeführt<br />
werden.<br />
Das starre Maulteil, in das der Tastsensor integiert wird, sollte deutlich um ca. 2 cm verlängert<br />
werden. Das bewegliche Maulteil sollte ebenfalls entsprechend verlängert werden. Mit der<br />
"Fingerspitze" der zweiten Balance sollte die gesamte Fläche des Sensors abgefahren werden<br />
können, um eine Messung der Verschieblichkeit zu ermöglichen.<br />
Der Handgriff sollte dergestalt modifiziert werden, daß zwischen dem Betätigungsmechanismus<br />
für den Endo-Finger und dem Griff ein Winkel von ca. 120° besteht. Der Handgiff sollte<br />
demnach Pistolenform besitzen. Die Klammer, mit der die erste Balance des Endo-Fingers<br />
betätigt wird, sollte näher am Fingergelenk positioniert sein, um diese Balance besser betätigen<br />
zu können.<br />
Auch wenn die Reibungsarmut des Instruments bereits die Beurteilung unterschiedlicher<br />
Härte von Gewebe durch Kraftreflexion ermöglicht, ist eine weitere Reduktion der Reibung<br />
wünschenswert.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 75
Die Reinigungs- und Sterilisationsaspekte des Endo-Fingers sind insbesondere bei Verwendung<br />
<strong>eines</strong> Latex-Überzugs genauer zu untersuchen.<br />
Der taktile Endo-Finger sollte als Routineinstrument in der MIC Verwendung finden. Dazu<br />
müssen von der MIC Tübingen detaillierte Anwendungszenarien entwickelt werden, die klären<br />
sollen, welche zusätzlichen Funktionen einen Einsatz als Routineinstrument ermöglichen<br />
können.<br />
11.7 Hygieneuntersuchungen<br />
Sowohl der MST-Taststab als auch der Endofinger wurden in Kooperation mit dem<br />
Prüfzentrum für Medizinprodukte (PMP) einer standardisierten Hygieneuntersuchung<br />
unterzogen.<br />
Die Kontamination erfolgte mit radioaktiv markiertem, frischem Humanblut. (Wert ca. 57<br />
Counts /[s]). Nach einer Stunde Antrocknungszeit, wurde der Reinigungsprozeß gestartet.<br />
Programmablauf der Spülmaschine war wie folgt.<br />
• 2 min. Vorspülen mit kaltem Wasser.<br />
• 5 min Spülen bei 60°C mit 3% Zusatz von Neodisher FA; während der Aufheizzeit wurde<br />
ständig durchspült, so daß die gesamte Spülzeit circa 15 min betrug.<br />
• 5 min Außenreinigung bei 60°C mit 3% Zusatz von Neodisher FA.<br />
• 10 min. Ultraschall mit 3% Zusatz von Neodisher FA.<br />
• Neutralisieren mit phosphorsaurem Wasser.<br />
• Nachspülen mit demineralisiertem Wasser.<br />
• Spüldruck 4,4 bar.<br />
Die Messungen der Restkontamination erfolgten nach der Radionuklidmethode.<br />
Das Ergebnis war, daß sowohl der MST-Taststab als auch der Endofinger reinig- und sterilisierbar<br />
waren. Insbesondere war die Abdichtung der Sensoroberfläche mit der aufgeschweißten<br />
Metallfolie dicht und sogar die Bowdenzüge des Endofingers konnten durch die gezielte<br />
Spülung hinreichend gereinigt werden.<br />
Arbeitspaket 12:<br />
Erarbeitung <strong>eines</strong> Trainings- und Demonstrationskonzepts<br />
Im Rahmen des Projektes kam es nicht zu einem serienmäßigen klinisch einsetzbaren Produkt.<br />
Es ist auch noch nicht absehbar, welche Art von Sensor - Tastsensorarray oder vibrotaktiler<br />
Sensor - zukünftig den Durchbruch in der minimal-invasiven Chirurgie haben wird.<br />
Deshalb war es nicht sinnvoll, ein produktspezifisch maßgeschneidertes medizintechnisches<br />
Ausbildungs- und Trainingsprogramm für den Chirurgen aufzustellen. Gleichfalls war es leider<br />
auch nicht möglich, das taktile System in den allgemeinen Trainingskursen für MIC einzusetzen.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 76
Im Arbeitspaket 12 wurde stattdessen ein Demonstrationsvideo mit Ton gedreht und geschnitten,<br />
in dem Hintergrund, Funktion und Arbeitsweise der <strong>taktilen</strong> Faßzange (FM B1/B2) allgemeinverständlich<br />
und anschaulich dargestellt und erklärt werden. Das Video wurde in Betacamtechnik<br />
aufgezeichnet und geschnitten, ist 4'30" lang und wurde am 14.04.1996 in der<br />
Sendung "Sonde" des SW3 im Fernsehen ausgestrahlt.<br />
Es wurden eine Reihe von Trainingsphantomen aus 4 verschieden harten Mischungen von<br />
Silikon hergestellt. Die Tastphantome wurden in Kugel- und Würfelform mit Durchmessern<br />
bzw. Kantenlängen von 4 mm, 6 mm, 8 mm und 10 mm gefertigt. Zur Erprobung können sie<br />
mit verschiedenen Unterlagen aus Silikon (Dicke 3 mm / 10 mm) und Schaumstoff (Dicke<br />
14 mm bzw. 30 mm), sowie mit Schläuchen verschiedener Härten, Durchmesser und Wandungsstärken<br />
kombiniert werden. Mit diesen Materialien können verschiedene chirurgische<br />
Anwendungsszenarien, z. B. Uretersteine, Gallengangssteine, Leberverhärtungen oder Tumore<br />
nachempfunden werden.<br />
Weiter wurde im Rahmen von <strong>TAMIC</strong> als Auftragsarbeit durch das G.I.T. Mühlheim ein<br />
Pulsphantom erstellt, daß in Silikonschläuchen einen pulsierenden Flüssigkeitsstrom erzeugt,<br />
der dem physiologischen Blutstrom nachempfunden ist. Die Frequenz und der Druck sind<br />
einstellbar. Verschiedene Gefäßkaliber sind einfach durch Austausch der Schläuche simulierbar.<br />
Darüberhinaus wurden in Zusammenarbeit mit dem MIC-Trainingszentrum der Universität<br />
Tübingen und in Zusammenhang mit dem Projekt VIRTUS weitere Arbeiten zur Ausbildung<br />
in der endoskopischen Chirurgie mit Hilfe virtueller Realität durchgeführt, die ebenso zur<br />
Simulation des Gebrauchs von Tastinstrumenten geeignet sind.<br />
III. Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die Konzeption und <strong>Entwicklung</strong> taktiler Instrumentarien für die endoskopische Chirurgie<br />
war mit sehr hohen Innovationsanforderungen von der Erarbeitung von Grundlagen bis zur<br />
technischen Realisierung verbunden.<br />
Die enge Zusammenarbeit zwischen technischen und klinischen Partnern war für den guten<br />
Erfolg der Projekts grundlegend.<br />
Im Bereich der vibro<strong>taktilen</strong> Sensorik konnten bereits gute Ergebnisse erzielt werden. Für<br />
speziell ausgelegte Versionen des vibro<strong>taktilen</strong> Sensors ist bereits mittelfristig mit guten<br />
Marktaussichten zu rechnen. Auch für die taktile Faßzange und den Pulssensor konnten vielversprechende<br />
Funktionsmuster vorgelegt werden, die zu einem <strong>taktilen</strong> System kombinierbar<br />
sind.<br />
Die erarbeiteten Anwendungsszenarien für taktile Sensorik, die Ergebnisse der Grundlagenuntersuchungen<br />
von <strong>taktilen</strong> Eigenschaften menschlicher Gewebe und die im Rahmen des<br />
Projekts entstandenen Phantom- und Prüfvorrichtungen sind auf weiten Gebieten der diagnostischen<br />
und therapeutischen Medizin sowie der medizinischen Ausbildung und Schulung<br />
verwertbar.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 77
Gemeinsam mit der DLR in Köln wurde die Maulteilmechanik der <strong>taktilen</strong> Faßzange zum<br />
Patent angemeldet (Abb. 27). Sie läßt genug Raum für den Sensorstab und zeichnet sich durch<br />
durch geringe Reibung und somit gute Erhaltung der Empfindung der Schließkraft des<br />
Maulteils aus.<br />
Abb. 27<br />
Einzelteile der patentierten<br />
Maulteilmechanik<br />
Während der Projektlaufzeit veröffentlichte Arbeiten zahlreicher universitärer und industrieller<br />
Gruppen vor allem in Japan und den USA auf dem Gebiet der <strong>taktilen</strong> Sensorik für<br />
endoskopische Disziplinen belegen, daß eine breite Palette taktiler Instrumentarien in naher<br />
Zukunft dem medizintechnischen Markt zur Verfügung stehen wird (z.B. "Axiom Biosensor",<br />
S. Omata et al., Japan, in [4, 8, 9]).<br />
Es ist zu wünschen, daß mit dem vorliegenden <strong>Verbundprojekt</strong> ein wesentlicher Beitrag zur<br />
Konkurrenzfähigkeit deutscher Produkte in diesem Marktsegment geleistet werden konnte.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 78
IV. Veröffentlichungen aus dem Projekt<br />
H. Hermeking, K.V. Hechtenberg, W. Kunert: Ziele und Status der verbundprojekte<br />
'<strong>Entwicklung</strong> <strong>eines</strong> <strong>taktilen</strong> Mikrosystems für die MIC' und 'Sichtsysteme für die MIC',<br />
VDI/VDE-IT Tagungsbericht (1995) 41-46.<br />
P.K. Plinkert, M.O. Schurr, W. Kunert, E. Flemming, G. Buess, H.P. Zenner: Minimally Invasive<br />
Ear, Nose and Throat surgery. Advances through modern technologies. HNO 44 (1996)<br />
288-301.<br />
P.K. Plinkert, E. Flemming, I. Baumann, E. Petter, M. Biehl, G. Bueß: Tactile Differentiation<br />
of Tissues in Minimally Invasive Head and Neck surgery. Archives of Otolaryngology.<br />
E. Flemming: Tactile Sense in Minimal Invasive Surgery: The <strong>TAMIC</strong>-Project. mst news<br />
19/97 13.<br />
V. Literatur<br />
[1] E. v. Gierke et al.: Physics of Vibrations in Living Tissues. Journal of Applied Physiology<br />
4 (1952) 886-900.<br />
[2] O. Russel et al.: The Dynamic Mechanical Properties of Human Skin in Vivo, Biomechanics<br />
16 (1981) 365-372.<br />
[3] H. Oka, T. Yamamoto: Dependence of Biomedical Impedance Upon Living Body<br />
Structure. Medical and Biological Engineering and Computing 25 (1987) 631-637.<br />
[4] S. Omata et al.: New Tactile Sensor Like The Human Hand and its Applications, Sensors<br />
and Actuators A, 35 (1992) 9-15.<br />
[5] W. Peine, J.S. Son, R.D. Howe: A Palpation System for Artery Localization in Laparoscopic<br />
Surgery, Philadelphia Meeting (1994).<br />
[6] E. Foulke , Braille in M.A. Heller, W. Schiff: The Physiology of Touch, Erlbauch, Hillsdale<br />
NJ (1991) 291-133.<br />
[7] J.C. Stevens, M.Q. Patterson: Dimensions of Spatial Acuity in the Touch Sense: Changes<br />
over the Life Span. Somatosensory and Motor Research 12 (1) (1995) 29-47.<br />
[8] T. Ohtsuka et al.: New Tactile Sensor Techniques for Localization of Pulmonary Nodules,<br />
International Surgery 82 (1997) 12-14.<br />
[9] S. Kaneko, M. Mizunaga, S. Yachiku, O. Yamaguchi, S. Omata: Clinical applicability of<br />
a new tactile sensor for evaluating rigidity of the penis: a comparative study with<br />
Rigiscan, Int-J-Urol. 1996 Sep; 3(5): 379-82.<br />
[10] A.Z. Hajian, R. D. Howe-RD: Identification of the mechanical impedance at the human<br />
finger tip. J-Biomech-Eng. 1997 Feb; 119(1): 109-14<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 79
VI. Erfolgskontrollbericht<br />
1. Beitrag zu den förderpolitischen Zielen von<br />
"Mikrosystemtechnik 1994 - 1999"<br />
Die Meßergebnisse mit den drei unterschiedlichen endoskopisch einsetzbaren Tastsensoren<br />
konnten zeigen, daß sensorisch erhobene Gewebeeigenschaften wichtige bisher unzugängliche<br />
Informationen über Anatomie und Pathologie aus dem Körperinneren des Patienten geben<br />
können. Grundlage für den routinemäßigen endoskopischen Einsatz von Tastsensoren ist die<br />
Integration in ein Standardinstrument, i. a. eine Faßzange. Dies fordert Dimensionen im Millimeterbereich.<br />
Eine weitere sehr wichtige Forderung ergibt sich aus der Handhabung <strong>eines</strong><br />
Tastinstruments. Wenn eine Verbindung des Instruments zu einem Versorgungsgerät notwendig<br />
ist, das unsteril nahe dem Operationstisch stehen muß, führt das zu Handhabungsproblemen,<br />
Einschränkung der Bewegungsfreiheit, "Kabelsalat" und unklaren Grenzen des<br />
Sterilbereichs. Mit dem in <strong>TAMIC</strong> entwickelten Pulssensor konnte ein Tastinstrument realisiert<br />
werden, das autark, d. h. ohne externes Versorgungsgerät arbeitet. Es ist batteriebetrieben<br />
und gibt die Tastinformation akkustisch. Ein solches Tastinstrument vereint auf kleinstem<br />
Raum Sensorik, Signalverarbeitung und Aktorik (hier Informationsausgabe). Die drei im<br />
<strong>TAMIC</strong>-Projekt realisierten Tastinstrumente zeigen eine <strong>Entwicklung</strong> an. Mit fortschreitender<br />
Optimierung der Sensoren und weiterer Minituarisierung des gesamten Mikrosystems werden<br />
neue Anwendungsmöglichkeiten erschlossen. Dadurch kann ein Markt entstehen, der dann<br />
den weiteren <strong>Entwicklung</strong>sgang trägt.<br />
2. Einhaltung des Finanzierung- und Zeitplans<br />
Der Finanzierungsrahmen konnte eingehalten werden.<br />
Die Projektdauer wurde kostenneutral bis zum 30.06.97 verlängert, um die Projektziele zu<br />
erreichen. Durch technische Schwierigkeiten und aufgrund des unerwartet hohen <strong>Entwicklung</strong>saufwandes<br />
bei einigen Arbeitspaketen, insbesondere bei der Fertigstellung der Funktionsmuster<br />
B 2 und C 2 des <strong>taktilen</strong> Sensorstabs durch die Daimler-Benz AG, war es zur Verzögerung<br />
der Arbeitspakete 4, 6, 7, 8 sowie 10 bis 12 gekommen (<strong>Entwicklung</strong> einer experimentellen<br />
Testumgebung für die standardisierte Grundlagenerprobung taktiler Instrumentensysteme,<br />
Grundlagenerprobung Funktionsmuster FM B1/B2, Detaillierung der medizinischen<br />
Konzeption und Erarbeitung <strong>eines</strong> klinischen Erprobungsplans, Grundlagenerprobung FM<br />
A1/A2, Grundlagenerprobung des aktorbestückten Funktionsmusters C1/C2, Trainings- und<br />
Demonstrationskonzept).<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 80
3. Verwertbarkeit der Ergebnisse<br />
Die erarbeiteten Anwendungsszenarien für taktile Sensorik, die Ergebnisse der Grundlagenuntersuchungen<br />
von <strong>taktilen</strong> Eigenschaften menschlicher Gewebe und die im Rahmen des<br />
Projekts entstandenen Phantom- und Prüfvorrichtungen sind auf weiten Gebieten der diagnostischen<br />
und therapeutischen Medizin sowie der medizinischen Ausbildung und Schulung<br />
verwertbar.<br />
Die Vermaktung der Projektergebnisse liegt in der Hand der am Projekt <strong>TAMIC</strong> beteiligten<br />
Industiepartner.<br />
4. Erfindungen und Schutzrechte<br />
Die Schutzrechte für die Maulteilmechanik liegen bei der DLR, Köln.<br />
5. Arbeiten, die zu keiner Lösung geführt haben<br />
Das Aktorarray auf der Basis elektrorheologischer Flüssigkeiten stand erst nach Projektende<br />
zur Verfügung. Deshalb konnte das Arbeitspaket 10 (Grundlagenerprobung Funktionsmuster<br />
FM C1/C2, Faßzange / Taststab mit taktilem elektrorheologischen Aktorarray) nicht von<br />
MICT erprobt werden.<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 81
Danksagung<br />
Mitverantwortlich für den Erfolg des Projektes war die freundliche Mitwirkung folgender<br />
nicht zum Projekt <strong>TAMIC</strong> gehörender Partner:<br />
• Städt. Krankenhaus Heilbronn, Urologische Klinik: PD Rassweiler.<br />
• Klinik Schillerhöhe Gerlingen, Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie: Chefarzt<br />
Dr. Linder.<br />
• HNO-Universitätsklinik Tübingen: Oberarzt PD P. Plinkert, Oberarzt Dr. I. Baumann.<br />
• FHTE in Esslingen, Prof. Dipl.-Ing. Fritz Seutter.<br />
• Fachhochschule für Gestaltung Pforzheim, Prof. H. J. Lannoch.<br />
• MIC-Trainingszentrum, Tübingen: Dipl.-Päd. L. Mailänder und Dr. O. Weiß.<br />
• Prüfzentrum für Medizinprodukte (PMP), Tübingen: K. Roth .<br />
<strong>TAMIC</strong>-Schlußbericht der Sektion MIC, Universität Tübingen 82