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FINE - Das Festivalmagazin

Magazin zum 25. Rheingau Gourmet & Wein Festival

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DIE RIBERA DEL DUERO<br />

DIE KARGHEIT DER KASTILISCHEN HOCHEBENE FORDERT<br />

WINZER UND REBEN BESONDERS HERAUS – UND TREIBT<br />

SIE ZU HÖCHSTLEISTUNGEN AN. KAUM EINE WEINREGION<br />

SCHEINT BESSER FÜR DIE ZUKUNFT GERÜSTET.<br />

Von SIGI HISS<br />

Fotos RUI CAMILO und GUIDO BITTNER<br />

Der Klimawandel macht leider keinen Bogen um den Weinbau. Im Gegenteil, er hat<br />

massive Auswirkungen auf das Weinmachen in seiner kompletten Breite. Infolgedessen<br />

ändern sich Charakter und Stil der Weine wie von selbst: Schnell wird aus präziser Kraft<br />

eine übermäßige Wucht und die sonst feine Frucht hinterlässt einen – im fast wahrsten<br />

Sinne des Wortes – umwerfenden Abgang.<br />

Doch was die Weinmacher entlang des Duero<br />

in jener 115 Kilometer langen und bis zu<br />

über 35 Kilometer breiten Weinbauregion<br />

Altkastiliens vorfinden, ist ein Versprechen an die<br />

Zukunft. Vor ihrer Haustür liegen Antworten, um die<br />

sie in der Weinwelt beneidet werden: Ein perfektes<br />

Zusammenspiel von Böden, alten »Tinta del país«-<br />

Reben und schwindelnden Höhen.<br />

Ribera del Duero ist alles andere als eine neue,<br />

wie aus dem Nichts aufgetauchte Weinregion, die<br />

plötzlich den Markt mit Trendweinen überrascht.<br />

Schon vor vier Jahrhunderten produzierte man hier<br />

unter der Regentschaft der Habsburger hochwertige<br />

Weine. Im vergangenen Jahrhundert hingegen lag<br />

das Gebiet bis Ende der 1970er mehr als brach. Erst<br />

1980 wurde die Region aus ihrem Dornröschenschlaf<br />

geweckt: Sechs Bodegas und drei Kooperativen mit<br />

insgesamt 8000 Hektar betagter Rebstöcke legten<br />

den Grundstein für eine neue Ära der Region. Schon<br />

zwei Jahre später erhielt die Region den D.O.P-<br />

Status. Bemerkenswert ist, wie der Name zustande<br />

kam: Die Bodegas Protos, ehemals eine Genossenschaft<br />

und heute einer der größten Betriebe der<br />

Region, stellte die Bezeichnungen seines Markenweins<br />

»Ribera Duero« für die Namensgebung der<br />

Weinregion zur Verfügung. Doch vor allem Weingüter<br />

wie Vega Sicilia oder Alejandro Fernandez<br />

hatten an dieser Renaissance einen großen Anteil<br />

und gelten bis heute als Referenzen für die große<br />

Qualität der Weine.<br />

Vom Kalk dominiert<br />

Die vier Provinzen Soria, Burgos, Segovia und<br />

Valladolid strukturieren die Region Ribera del Duero,<br />

doch eine topografische Abgrenzung in drei Gebiete<br />

ergibt aus weinbaulicher Sicht mehr Sinn. Da ist<br />

einmal Soria im Osten mit gerade mal fünf Prozent<br />

der 23 353 Hektar und einem überdurchschnittlich<br />

hohen Anteil an alten Reblagen, aber auch dem<br />

harschesten Klima. Seit einigen Jahren schon weckt<br />

das große Potenzial dieser Region das Interesse der<br />

bekannteren Bodegas im Westen. Geografischer und<br />

weinbaulicher Mittelpunkt der Region ist Burgos mit<br />

Zweidrittel der gesamten Rebfläche: Jedes noch so<br />

kleine Dorf ist hier mit dem Tempranillo verbunden.<br />

Burgos ist der wirtschaftliche Motor und unverkennbar<br />

auch das Herz des Ribera del Duero. Doch was<br />

das Renommee der Bodegas betriff, kann es weder<br />

Soria noch Burgos mit dem Westen aufnehmen. Jene<br />

knapp 5000 Hektar sind derart vom Kalk dominiert,<br />

dass man meint, mitten in der Champagne zu stehen.<br />

Die Kreideformationen strahlen mit den berühmten<br />

Namen Protos, Alejandro Fernandez, Emilio Moro,<br />

Hacienda Monasterio, Aalto, Arzuaga und den zwei<br />

Ikonen, Dominio de Pingus und Vega Sicilia, um<br />

die Wette.<br />

Wie eine Lebensader durchquert der Duero von<br />

Osten nach Westen die Hochebene Kastiliens und<br />

bietet an seinen Flanken fabelhafte Bedingungen<br />

für den Weinbau. Während der Fahrt von Madrid<br />

Richtung Nordwesten lässt sich der Wandel der Landschaft<br />

bestaunen: Mit jedem zurückgelegten Kilometer<br />

wird es spürbar rauer und karger. Aus sanften<br />

Hügeln und grünen Flächen wird mehr und mehr<br />

ein eher schroffer, felsiger Landstrich mit kleinen,<br />

verlassen wirkenden Dörfern – authentisch und<br />

ungeschminkt und weit weg vom trubeligen Leben<br />

in Madrid. Doch nicht nur die Landschaft, auch das<br />

Klima ändert sich dramatisch. Spätestens beim ersten<br />

Espresso-Stopp in luftiger Höhe erscheinen lange<br />

Hosen und Jacke wie eine gute Idee. Überhaupt,<br />

viel ausgeprägter kann kontinentales Klima kaum<br />

sein: Die jährlichen Niederschläge von 400 Millimeter<br />

im Mittel treffen auf beachtliche 2400 Sonnenstunden.<br />

Sanfte Übergänge der Jahreszeiten kennt<br />

man hier nicht und Früh- und Spätfröste lassen die<br />

Winzer unruhig schlafen. Die Meseta, das kastilische<br />

Hochland, fordert Mensch und Rebe durch ihre<br />

permanente Unberechenbarkeit – und treibt so<br />

beide zu Höchstleistungen. Zum Tausch gibt sie<br />

den Winzern einzigartige Instrumente in die Hand,<br />

um unter diesen Bedingungen bestmögliche Ergebnisse<br />

zu erzielen.<br />

Da wären zum Beispiel die enormen Temperaturamplituden,<br />

die großen Unterschiede von Tages- zu<br />

Nachttemperaturen. Bei Tagestemperaturen bis zu<br />

38 Grad Celsius und mehr wird dem Rebstock einiges<br />

abverlangt. Über Nacht fällt dann das Thermometer<br />

mitunter um 20 Grad und die Rebe hat Zeit sich zu<br />

erholen. Ein weiterer großer Pluspunkt sind die<br />

Böden, die einen außergewöhnlich hohen Anteil an<br />

gelöstem Kalk aufweisen. In dieser gelösten Form<br />

kann die Wurzel des Rebstocks ihn gut aufnehmen;<br />

eine Tankstelle für Mineralstoffe.<br />

Die Vielfalt des Tempranillos<br />

Ähnlich wirkt sich auch die Höhe der Lagen aus,<br />

die sich auf 700 bis 1050 Meter über dem Meeresspiegel<br />

befinden. Je höher desto kühler, die Reife der<br />

Trauben vollzieht sich dadurch langsamer und wird<br />

nicht von Hitzewellen getrieben. Doch wie zeigt<br />

sich das alles im Wein? Mittels einer animierenden<br />

Säure, komplexer Mineralität sowie – trotz der Kraft<br />

und dem reifen Tanningerüst – einer erstaunlichen<br />

Frische. Die Weine der Ribera del Duero sind kraftvolle<br />

und dichte Crus mit Spannung und Struktur.<br />

Nase wie Gaumen wirken frisch und kühl und zeigen<br />

keine Schwere oder klebrige Süße.<br />

Der Bestand alter Rebstöcke – jene 8000 Hektar,<br />

mit denen in den 1980ern der Neuanfang begann –<br />

war zugleich Startkapital und Versprechen an die<br />

Zukunft. Ein Drittel der Reben hat inzwischen<br />

ein Alter von 45 Jahren erreicht, man findet tatsächlich<br />

auch Anlagen, die vor einem Jahrhundert<br />

gepflanzt wurden. Eine wichtige Eigenschaft alter<br />

Rebstöcke ist ein natürlicher niedriger Ertrag und<br />

somit eine sagenhafte Qualität der Trauben. Die<br />

von der Kontrollbehörde vorgegebenen erlaubten<br />

Mengen von maximal 7000 Kilogramm pro Hektar<br />

werden daher nie auch nur annähernd erreicht. De<br />

facto liegt der durchschnittliche Ertrag der vergangenen<br />

15 Jahre bei 4200 Kilo, und damit etwa<br />

auf dem Niveau burgundischer Grand Crus.<br />

Unangefochtener Platzhirsch der Region mit 96<br />

Prozent der gesamten Rebflächen ist der Tempranillo,<br />

auch »Tinta del País«, »Tinto Fino« oder »Tinta<br />

Roriz« genannt. Perfekt an das raue Klima und<br />

Wetter angepasst und mit besonders dicker Schale<br />

ausgestattet, ist er einerseits vor der immensen<br />

Sonnenstrahlung geschützt und verleiht andererseits<br />

dem Wein den besonderen und klar erkennbaren<br />

Charakter: viel reifes Tannin, eine tiefe, fast<br />

schwarze Farbe zusammen mit einer dichtmaschigen,<br />

kompakten Frucht. Pinot Noir-Trauben würden aufgrund<br />

ihrer dünnen Haut in der Sonne Kastiliens<br />

einfach gekocht.<br />

Für den Reifeprozess und die Lagerung im<br />

Fass und auf der Flasche gibt es eine klare Klassifizierung:<br />

Der »Joven« hat keine oder nur maximal<br />

sechs Monate Fassreife und kommt meist im Jahr<br />

nach seiner Lese in den Verkauf. »Crianza« kommt<br />

frühestens nach 24 Monaten auf den Markt, wovon<br />

mindestens zwölf Monate im Fass vorgegeben sind.<br />

Eine »Reserva« reift 36 Monate mit ebenfalls<br />

mindestens zwölf Monaten im Fass. »Gran Reservas«<br />

reifen 60 Monate, davon sind mindestens 18 im Fass<br />

vorgeschrieben. Die Zeit der Reife im Fass und die<br />

Ruhe auf der Flasche während der Lagerung sind<br />

gerade für den kraftvollen und anfangs kantigen Stil<br />

eines Ribera del Duero wichtig.<br />

Inzwischen erscheinen auch die ersten Einzellagen-<br />

Weine auf dem Markt, man geht also parallel zum<br />

eigenen System auch den Weg der burgundischen<br />

Grand-Cru-Klassifizierung. Dieses Herausarbeiten<br />

einzelner Terroirs scheint ein zarter Trend zu sein,<br />

der ohne Frage weiterverfolgt und ausgebaut werden<br />

sollte. Ebenso ein erster Fingerzeig ist das vereinzelte<br />

Wiederauftauchen des traditionellen Rosado, dem<br />

Clarete, für den weiße und rote Trauben zusammen<br />

vergoren und ausgebaut werden. Damit ist das große<br />

Potenzial im Ribera del Duero jedoch längst nicht<br />

ausgeschöpft, viele Crus liegen noch brach, vor allem<br />

im Osten der Region.<br />

<strong>Das</strong> Versprechen in die stark vom Klimawandel<br />

begleitete Zukunft ist kein leeres: Die Höhenlage,<br />

der große Temperaturunterschied von Tag zu Nacht,<br />

die oftmals kalkhaltigen Böden und der hohe Anteil<br />

alter »Tinta del País«-Rebstöcke bürgen dafür. Wer<br />

kraftvolle und doch frische Tempranillos liebt, wer<br />

das Raue und Unerbittliche von 1000 Metern über<br />

dem Meer im Wein sucht, wer die Meseta schmecken<br />

möchte, findet im Ribera del Duero sein Weinglück.<br />

30 <strong>FINE</strong> DAS FESTIVALMAGAZIN | RIBERA DEL DUERO RIBERA DEL DUERO | <strong>FINE</strong> DAS FESTIVALMAGAZIN<br />

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