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Sommerabend in Balga - Stadtgemeinschaft Tilsit eV

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Die letzten Wochen vor Kriegsende 1945<br />

E<strong>in</strong> Bericht von Ursula Hornberger<br />

Anfang Januar 1945 war <strong>in</strong> unserem Dorf völlige Ruhe. Ke<strong>in</strong> Mensch glaubte an e<strong>in</strong> weiteres<br />

Vordr<strong>in</strong>gen der Russen nach hier. Es war e<strong>in</strong>e rauhe Kälte, und viel Schnee lag auf den<br />

Straßen. Das Haff war völlig zugefroren.<br />

Mitte Januar kamen dann die ersten Flücht<strong>in</strong>gstrecks von der Grenze. Es war e<strong>in</strong><br />

fürchterliches Schneetreiben, und e<strong>in</strong>ige Flüchtl<strong>in</strong>ge mußten ihre Pferde mit Wagen stehen<br />

lassen. Diese Landsleute erzählten schreckliche D<strong>in</strong>ge, die sie vom Russene<strong>in</strong>marsch gehört<br />

hatten. Sie hielten sich nur e<strong>in</strong>ige Tage <strong>in</strong> <strong>Balga</strong> auf, wurden <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaftsküche bei<br />

Pultke verpflegt und zogen <strong>in</strong> Richtung Danzig weiter. Der erste Flüchtl<strong>in</strong>g e<strong>in</strong> Junge von 14<br />

Jahren, wurde <strong>in</strong> <strong>Balga</strong> beerdigt. Es trafen dann bald die ersten Soldaten, und zwar e<strong>in</strong><br />

Feldlazarett aus Lötzen, <strong>in</strong> <strong>Balga</strong> e<strong>in</strong>. Sie wurden <strong>in</strong> der Kirche, bei Pultke, Schröder und <strong>in</strong><br />

der Jugendherberge untergebracht. Die Verpflegungsstelle war <strong>in</strong> der Schule. Die Ärzte und<br />

Sanitäter wurden privat untergebracht. Da für die vielen Verwundeten zu wenig Sanitäter<br />

waren und Hilfe dr<strong>in</strong>gend gebraucht wurde, stellten sich mehrere Frauen des Dorfes zur<br />

Verfügung. Die Jugendherberge war als Operationsstation e<strong>in</strong>gerichtet, hier wurden die<br />

schweren Fälle behandelt. Später reichte die Herberge nicht mehr aus, deshalb wurde <strong>in</strong> der<br />

Sakristei der Kirche e<strong>in</strong>e Notstelle für Operationen e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

Die Verwundeten, die gehen konnten, mußten zu Fuß über das zugefrorene Haff nach der<br />

Nehrung wandern und wurden dort weitergeleitet. Die Schwerverletzten wurden nach<br />

Heiligenbeil‐Rosenberg transportiert.<br />

Auf dem Friedhof neben dem Ehrenmal war auf der e<strong>in</strong>en Seite e<strong>in</strong> Platz für die gestorbenen<br />

Soldaten, auf der anderen Seite für die gestorbenen Flüchtl<strong>in</strong>ge vorgesehen worden.<br />

Ende des Monats Januar, als die Front immer näher kam, trafen die ersten Truppen e<strong>in</strong>. Es<br />

waren Teile der 21. Ostpreußischen Infanterie‐Division. Jedes Haus und jede Wohnung<br />

wurden mit Soldaten belegt. Täglich trafen nun auch Flüchtl<strong>in</strong>ge e<strong>in</strong>; sie durften sich aber<br />

nicht zu lange aufhalten, wurden nach e<strong>in</strong>igen Stunden Ruhe weitergeleitet. Auf Befehl der<br />

Partei wurden die älteren Männer, die <strong>in</strong> <strong>Balga</strong> waren, zum Bau e<strong>in</strong>es Panzergrabens <strong>in</strong> der<br />

Nähe von Brandenburg e<strong>in</strong>gezogen. Alle Männer kamen aber schon nach e<strong>in</strong>igen Tagen<br />

wieder zurück.<br />

Anfang Februar kam die Kunde, daß unser Dorf geräumt werden sollte. Es begann e<strong>in</strong> harter<br />

Kampf. Ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>wohner des Dorfes wollte fort, jeder glaubte, daß es sich noch ändern würde.<br />

<strong>Balga</strong> war noch nicht unter Beschuß. Der Russe kam immer näher, und als er bei Z<strong>in</strong>ten war,<br />

wurde das Dorf mit Gewalt geräumt. Frauen mit K<strong>in</strong>dern kamen mit Lkw. bis Deutsch<br />

Bahnau, von dort über das Haff nach der Nehrung. Die Räumung und der Abtransport der<br />

E<strong>in</strong>wohner zogen sich etliche Wochen h<strong>in</strong>. Das fe<strong>in</strong>dliche Feuer kam immer näher. Anfang<br />

März heulten russische Flugzeuge über <strong>Balga</strong> und warfen Bomben und schossen mit<br />

Bordwaffen.<br />

© Fördervere<strong>in</strong> Burg und Kirche <strong>Balga</strong> e.V. ‐ www.balga.de<br />

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