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nKUNST UND KULTUR
44
Radziwills Menschen
12. Mai 2022
„Familie. Freunde. Fremde“ im Franz Radziwill Haus: Erstmals widmet sich eine Ausstellung ausschließlich den Porträts des
Künstlers.
Auch Radziwill-Kenner werden Neues entdecken, versprechen Thomas Kossendey, Konstanze Radziwill,
Mara-Lisa Kinne und Dr. Anna Heinze | Foto: Lübbers
Von Britta Lübbers | Die „Frau
mit Buch“ (1924), die versonnen
in ihrem Korbstuhl sitzt. Der
schöne Schauspieler Alain Aubin
(1969). Die „Gaunerin“, deren
Darstellung an eine Karikatur
erinnert (1927): Bekannt wurde
Franz Radziwill (1895-1983)
zwar durch seine apokalyptischen
Landschaftsbilder, doch
auch in seinen Portraits zeigt
sich die ganze Könnerschaft
des Malers. Im Franz Radziwill
Haus in Dangast ist die Ausstellung
„Familie. Freunde. Fremde“
bis zum 8. Januar 2023 zu
sehen. Viele der Porträtierten
waren einst zu Gast im kleinen
Künstlerhaus am Jadebusen.
Nun sind sie für eine Weile
zurückgekehrt und treten in einen
vielstimmigen Dialog. Man
muss nur hinhören.
„Wir erleben hier einen ganz
anderen Radziwill“, betont Thomas
Kossendey, Vorsitzender
der Radziwill-Gesellschaft, anlässlich
der Vorstellung der
Schau. In Kooperation mit dem
Landesmuseum Oldenburg sei
eine einzigartige Ausstellung
gelungen. Und die stellvertretende
Museumsleiterin Dr. Anna
Heinze ergänzt, dass die Zusammenarbeit
schon lange besteht.
„Wir haben den größten
Bestand an Radziwill-Werken
weltweit. Wir leihen dem Radziwill
Haus Bilder und kennen
uns auch persönlich.“ Nun sei es
an der Zeit, die Kooperation zu
vertiefen. „Langfristig möchten
wir institutionell zusammenwachsen
und den Bestand des
Hauses sichern helfen.“
Dann hat Mara-Lisa Kinne
das Wort. Sie wird als „erste
Radziwill-Kuratorin“ drei Jahre
im Künstlerhaus beschäftigt
sein. „Ich habe Erfahrung
in acht Museen gesammelt“,
stellt sie sich vor. Zuletzt war
sie in der Bremer Kunsthalle
beschäftigt. Auch sie unterstreicht
das Einzigartige der
Porträt-Ausstellung. Immerhin
kämen mehr als die Hälfte der
Radziwill-Werke vollkommen
ohne Personen aus. Es gibt einen
beliebten Kalauer, weiß
Kinne: „Wer zuerst einen Menschen
auf einem Radziwill-Bild
findet, hat gewonnen.“ Das mache
die aktuelle Ausstellung
zum Unikat. „Selbst Radziwill-
Kenner werden Neues entdecken“,
verspricht die Kuratorin.
Mehr als 40 Werke werden gezeigt,
Gemälde, Ölbilder und
Aquarelle. Darunter sind zahlreiche
Bilder aus Privatbesitz,
die bisher nicht öffentlich zu
sehen waren. Schwerpunkt sind
die 1920er und die 1970er Jahre.
Der „Star der Schau“, wie
Kinne sagt, sei das „Selbstbildnis
mit weißer Kappe“ (1925).
Ein junger Radziwill blickt uns
entgegen, selbstbewusst und
weltläufig – obwohl er da bereits
seinen Lebensmittelpunkt
aufs flache Land verlegt hatte.
Nicht expressionistisch sei das
Ölgemälde aufgebaut, sondern
vielmehr eine Reverenz an die
Renaissancemalerei, erklärt die
Fachfrau.
Franz Radziwill porträtierte
sich selbst, Familienangehörige
und Freunde. Er malte seine Eltern,
seine Schwester Clara, seine
erste Ehefrau Inge, Dangaster
Nachbarn sowie Förderer
wie den Hamburger Kunsthistoriker
Wilhelm Niemeyer. Er war
beeinflusst von den Alten Meistern,
vom Expressionismus und
von Otto Dix – und hatte doch
eine eigene, unverwechselbare
Handschrift.
Porträts gibt es auch von
Tochter Konstanze. Die hat die
Schau gemeinsam mit Birgit
Denizel kuratiert und deutet
jetzt auf ein Bild, das sie als
junges Mädchen zeigt – mit
Wein und Zigaretten im Hintergrund.
Ihr Vater habe wohl
seine Sorge darüber ausdrücken
wollen, wie sie vielleicht
einmal leben werde, lächelt sie.
Und wird gleich wieder ernst.
Immer wieder sei Radziwill mit
der Einschätzung konfrontiert
worden, er sei kein guter Porträtmaler.
Gerade während der
NS-Zeit, als die Nazis ihn aus
der Kunstakademie Düsseldorf
warfen, sei dies ein Argument
gewesen. Und was glaubt sie
selbst, konnte er Menschen?
„Ja“, lautet die Antwort, „er
konnte das sehr gut auf eine
sehr originelle Weise.“ Auch für
seine Porträts gelte: „Er machte
sein eigenes Ding.“ n
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