Zukunft Forschung 01/2022
Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck
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TITELTHEMA<br />
AN DER WETTER- UND SCHNEESTATION „Proviantdepot“ (2. 737 m) werden automatisch eine Vielzahl von meteorologischen und<br />
Schneevariablen gemessen und per GSM übertragen. Im Hintergrund der Hintereisferner und die Weißkugel (3. 738 m).<br />
EINZIGARTIGES<br />
FREILUFTLABOR<br />
Das Rofental zählt zu den besterforschten Hochgebirgsräumen der Welt, seit über 150 Jahren wird<br />
dort der Rückgang der Gletscher und dessen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt untersucht.<br />
Es ähnelt einer kleinen Biwakschachtel,<br />
doch der weiße Wellblechcontainer<br />
hoch oben am Grat über dem<br />
Hintereisferner ist ein Hightech-Labor,<br />
ausgestattet mit einem terrestrischen<br />
Laserscanner, der regelmäßig die Gletscheroberfläche<br />
abtastet – und dabei dem<br />
Hintereisferner beim dramatischen Rückgang<br />
zuschaut. „Unser <strong>Forschung</strong>sobjekt<br />
schmilzt uns unter den Fingern weg“, sagt<br />
Ulrich Strasser vom Institut für Geographie<br />
der Universität Innsbruck, trotzdem<br />
– oder gerade deshalb – sei es wichtig, das<br />
Eisfreiwerden der Alpen zu studieren und<br />
zu erforschen. Im Rofental mit den – immer<br />
noch – großen Hintereis-, Vernagtund<br />
Kesselwandferner finden Forscherinnen<br />
und Forscher wie der Schneehydrologe<br />
Strasser optimale Voraussetzungen vor.<br />
Zudem zählt das „Open Air Laboratory<br />
Rofental“ zu den besterforschten Hochgebirgsräumen<br />
der Welt, wurden hier doch<br />
erste hydrometeorologische und glaziologische<br />
Beobachtungen schon vor rund 150<br />
Jahren durchgeführt.<br />
Langzeitforschung im Eis<br />
„Für frühe Gletscherforscher war der<br />
Vernagtferner wahrscheinlich wegen<br />
seines besonderen Vorstoßverhaltens interessant“,<br />
vermutet Strasser. Über Jahrhunderte<br />
trafen solche schnellen Vorstöße<br />
im Rofental auf die gegenüberliegende<br />
Felswand, das Eis bildete einen gewaltigen<br />
Damm. Dieser staute das Wasser<br />
der Rofen ache, die dem Hintereisferner<br />
entspringt. Meist floss das Wasser des<br />
Rofener Eissees über den Eisdamm ab,<br />
doch immer wieder gab der Damm nach<br />
und gewaltige Eis- und Wassermassen<br />
stürzten sich das Tal hinab – mit katastrophalen<br />
Folgen für Mensch, Tier und<br />
Landwirtschaft in Vent, im Ötz-, ja sogar<br />
im Inntal. Nach einem solchen Ausbruch<br />
im Jahr 1600 untersuchten ein Jahr später<br />
kaiserliche Behörden das Rofental, dem<br />
daraus resultierenden Bericht nach Wien<br />
verdanken wir heute die älteste bildliche<br />
Darstellung eines Alpengletschers.<br />
Pionierarbeit leisteten in der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrhunderts etwa Sebas-<br />
14 zukunft forschung <strong>01</strong>/22<br />
Fotos: Ulrich Strasser