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Zukunft Forschung 01/2022

Das Forschungsmagazin der Universität Innsbruck

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STANDORT<br />

RICHTIGKEIT VOR<br />

SCHNELLIGKEIT<br />

APA-Geschäftsführer Clemens Pig über das seinerzeitige Start-up MediaWatch, Journalismus in Zeiten von<br />

Corona und Verschwörungstheorien sowie seinen Wunsch nach einer offensiven Wissenschaft.<br />

„Wir benötigen wieder Stimmen und glaubwürdige Autoritäten aus<br />

der Wissenschaft – in modern interpretierter Form.“<br />

Clemens Pig<br />

ZUKUNFT: In einer Zeit, als von Start-ups<br />

noch keine Rede war, haben Sie 1996 mit<br />

MediaWatch ein solches in Innsbruck gegründet.<br />

Wie kam es dazu?<br />

CLEMENS PIG: Ich studierte damals am<br />

Institut für Politikwissenschaft, meine<br />

zentralen Professoren waren Fritz Plasser,<br />

Günther Pallaver, Ferdinand Karlhofer<br />

und Gilg Seeber. Günther Pallaver organisierte<br />

eine Exkursion nach Italien zum Osservatorio<br />

di Pavia. Dieses Beobachtungszentrum<br />

war von der italienischen Regierung<br />

mit dem Eintritt Silvio Berlusconis<br />

in die Politik ins Leben gerufen worden.<br />

Hintergrund war, dass die öffentlichrechtlichen<br />

Sender Italiens ausgewogen<br />

zu berichten hatten – das Osservatorio<br />

wurde beauftragt, die Politikerpräsenz zu<br />

analysieren. Das hat mich und eine Gruppe<br />

von Studierenden nicht mehr losgelassen.<br />

Wir wollten das auch für Österreich<br />

in die Anwendung bringen.<br />

ZUKUNFT: Was war die erste solche „Anwendung“?<br />

PIG: Im Herbst 1996 war der erste österreichische<br />

EU-Wahlkampf. Die Universität<br />

stellte uns im Sommer einen Seminarraum<br />

zur Verfügung, um unsere eigene<br />

Initiative zur medialen Analyse des Wahlkampfs<br />

zu verwenden. Es war tatsächlich<br />

so, dass wir mit Stoppuhr und Zettel Zeitim-Bild-Sendungen<br />

analysierten: Welche<br />

Politiker kommen vor? Wie lange? Haben<br />

sie Redezeit? Wird über sie gesprochen?<br />

Mit welchen Themen kommen sie vor?<br />

Wer dominiert Themen? Das war der Beginn<br />

der MediaWatch-Reise.<br />

ZUKUNFT: Wie ging die Reise weiter?<br />

PIG: Anfangs war es reines <strong>Forschung</strong>sinteresse,<br />

wir stellten aber schnell fest, dass<br />

die Daten, die wir für Österreich neuartig<br />

erhoben, auf Interesse stießen. Im Rahmen<br />

einer Diskussion in Innsbruck kamen wir<br />

mit Gerfried Sperl, dem damaligen Chefredakteur<br />

des Standard in Kontakt – daraus<br />

folgte der erste Auftrag für das Media-<br />

Watch-Institut, nämlich wöchentlich für<br />

den Standard Daten über Politikerpräsenz<br />

im ORF zu erheben.<br />

ZUKUNFT: MediaWatch maß die Präsenz<br />

von Politikern. Haben sie jemals diejenige<br />

von Wissenschaftlern analysiert?<br />

PIG: Wir führten immer wieder Vollerhebungen<br />

durch, welche Menschen, Funktionen<br />

und Geschlechter in der medialen<br />

Berichterstattung vorkommen. Damit war<br />

auch ein Teil der Wissenschaft abgedeckt.<br />

ZUKUNFT: Wissenschaftler dürften dabei<br />

nicht an erster Stelle stehen.<br />

PIG: Das stimmt, allerdings sind mit Corona<br />

die Wissenschaft insgesamt bzw. Virologinnen<br />

und Virologen massiv in den<br />

Vordergrund gerückt.<br />

ZUKUNFT: Mit Corona haben Fake News<br />

und Verschwörungstheorien noch mehr<br />

Raum und Anhänger gefunden. Warum<br />

dringen klassische Medien und Wissenschaftnicht<br />

zu ihnen vor?<br />

PIG: Meiner Meinung nach haben Corona<br />

den Rahmen und die sogenannten sozialen<br />

Medien – die ich persönlich weder als<br />

sozial noch als klassische Medien einordne<br />

– den Brandbeschleuniger für etwas<br />

geliefert, was es schon vorher gab: Verschwörungstheorien<br />

sowie Misstrauen gegenüber<br />

Eliten und klassischen Systemen<br />

wie Medien, Politik und Wissenschaft.<br />

Hand in Hand geht eine zunehmende Polarisierung,<br />

vor allem in den Online-Kanälen,<br />

aber auch eine Abwendung einiger<br />

Menschen von diesen Systemen. Es wäre<br />

24 zukunft forschung <strong>01</strong>/22<br />

Fotos: APA

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