50 Jahre im Dienste Deutschlands - MTU Aero Engines
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Technik + Wissenschaft<br />
Intelligente Winzlinge<br />
Nicole Geffert<br />
Im Antrieb der Zukunft steckt Intelligenz auf engstem Raum: Micro<br />
Electro Mechanical Systems (MEMS) heißen die stark miniaturisierten<br />
Systeme, die elektronische und mechanische Bestandteile vereinen.<br />
Im Einsatz dieser Mikrosysteme sehen Experten der <strong>MTU</strong> <strong>Aero</strong><br />
<strong>Engines</strong> großes Potenzial, Triebwerkskomponenten, insbesondere<br />
Verdichter, weiter zu opt<strong>im</strong>ieren. Im „Smart Compressor“ soll durch<br />
aktive Strömungsbeeinflussung unter anderem der Wirkungsgrad verbessert<br />
werden.<br />
Verdichter der heutigen Generation sind für<br />
best<strong>im</strong>mte Drehzahlen ausgelegt und für<br />
häufig auftretende Betriebszustände, zum<br />
Beispiel den Reiseflug, opt<strong>im</strong>iert. „Damit der<br />
Verdichter auch in Lastbereichen außerhalb<br />
des Auslegungspunktes, etwa bei schnellen<br />
Schubänderungen in Teillast, einwandfrei<br />
funktioniert, müssen die Konstrukteure derzeit<br />
noch Kompromisse bei Wirkungsgrad<br />
und Gewicht in Kauf nehmen“, erklärt <strong>MTU</strong>-<br />
Ingenieur Hugo Pfoertner, Referent Triebwerksüberwachung<br />
<strong>im</strong> Center Entwicklung<br />
und Werkstoffe.<br />
Die <strong>MTU</strong>-Spezialisten haben es sich deshalb<br />
zum Ziel gesetzt, den Betriebsbereich der<br />
Verdichter-Beschaufelung so zu erweitern,<br />
dass auf derartige Kompromisse künftig verzichtet<br />
werden kann. Ein möglicher Ansatz:<br />
Mikrosysteme werden auf der Schaufeloberfläche<br />
platziert, um die Strömung <strong>im</strong><br />
Verdichter aktiv zu beeinflussen. Im Idealfall<br />
könnte der Einsatz von MEMS <strong>im</strong> Triebwerk<br />
der Zukunft einzelne Schaufeln oder sogar<br />
komplette Verdichterstufen überflüssig<br />
machen. Für den Kunden hätte das einen<br />
entscheidenden Vorteil: weniger Gewicht<br />
und damit geringerer Kraftstoffverbrauch.<br />
Um diese Vision Realität werden zu lassen,<br />
arbeiten die Spezialisten der <strong>MTU</strong> unter<br />
anderem <strong>im</strong> europäischen ADVACT-Programm,<br />
in dem Potenziale fortschrittlicher<br />
Aktuatorik in Triebwerken untersucht werden.<br />
ADVACT gehört zum 6. EU-Forschungsrahmenprogramm<br />
und ist in einzelne Arbeitspakete<br />
aufgeteilt. „Die <strong>MTU</strong> übern<strong>im</strong>mt eine<br />
führende Rolle in der Anwendung der<br />
Mikrosystemtechnik in Triebwerken und leitet<br />
das MEMS-Arbeitspaket, in dem auch die<br />
Triebwerkshersteller Snecma Moteurs und<br />
Rolls-Royce sowie Forschungseinrichtungen<br />
und Hochschulen mitwirken“, so Dr. Sven-<br />
Jürgen Hiller, Projektleiter und Entwicklungsingenieur<br />
<strong>im</strong> Center Entwicklung und Werkstoffe.<br />
Gemeinsames Ziel der Partner: Bis<br />
2007 sollen Labormuster von mit MEMS<br />
bestückten Schaufeln <strong>im</strong> Windkanal getestet<br />
werden.<br />
Dr. Frank Grauer, Technologie-Programmleiter<br />
Triebwerkssysteme <strong>im</strong> Center Entwicklung<br />
und Werkstoffe der <strong>MTU</strong>, beschreibt einen<br />
der innovativen Lösungsansätze: „Teile der<br />
Schaufel enthalten miniaturisierte Einrichtungen,<br />
die mittels erzwungener Schwingungen<br />
dünner Membranen pulsierende Luft-<br />
Intelligente Lösung zur Lärmreduktion: Ein aktiver<br />
Stator mit Membran, die elektronisch angesteuert<br />
wird und Gegenschall erzeugt.<br />
ströme erzeugen und so gezielt die Strömungsverhältnisse<br />
an der Schaufel beeinflussen.“<br />
Was sich s<strong>im</strong>pel anhört, ist in der<br />
Umsetzung äußerst kompliziert. So müssen<br />
die Ingenieure vorab eine Reihe von Fragen<br />
klären. Zum Beispiel, ob jede oder nur einzelne<br />
Schaufeln mit MEMS bestückt, an welcher<br />
Stelle die MEMS platziert und mit welcher<br />
Frequenz sie angesteuert werden müssen.<br />
Außerdem sollen zusätzlich zu den Stellgliedern<br />
(Aktuatoren), die entsprechende Eingriffe<br />
ermöglichen, auch Sensoren, die eine<br />
Strömungsinstabilität frühzeitig erkennen, in<br />
den Verdichter integriert werden.<br />
„Beides gibt es bereits in konventioneller<br />
Bauweise, vor allem die Aktuatoren sind aber<br />
noch viel zu groß“, erläutert Grauer. „Die<br />
Miniaturisierung erlaubt dagegen Eingriffe direkt<br />
an der Quelle der Strömungsinstabilität,<br />
ohne die globalen Strömungsverhältnisse zu<br />
beeinträchtigen.“ Besonders zu schaffen<br />
machen den intelligenten Winzlingen noch<br />
die extremen Randbedingungen in einem<br />
Triebwerk, zum Beispiel die hohen Temperaturen.<br />
Die MEMS für höhere Temperaturbereiche<br />
werden aus Siliziumcarbid hergestellt<br />
und können Temperaturen bis zu 5<strong>50</strong><br />
Grad Celsius standhalten. „Deshalb müssen<br />
wir uns derzeit mit den MEMS-Applikationen<br />
<strong>im</strong> vorderen Bereich des Verdichters bewegen,<br />
wo es noch nicht so heiß ist“, ergänzt<br />
Grauer.<br />
� Spritzgegossene Teile einer Mikroturbine aus Zirkoniumoxid:<br />
Düsenplatte, Gehäuse, Welle, Rotor und Zahnrad<br />
- hier <strong>im</strong> Größenvergleich zu einer Büroklammer.<br />
Mikroventile in MEMS-Technologie werden schichtweise aufgebaut. Dieses Mikroventil dient zur aktiven<br />
Strömungsbeeinflussung. Der Pfeil zeigt die Strömungsrichtung.<br />
Die Integration von Sensorik, Mikro-Computern<br />
und Aktuatorik auf engstem Raum eröffnet<br />
noch weitere Möglichkeiten. So forschen<br />
die <strong>MTU</strong>-Experten an neuartigen Regelungsund<br />
Überwachungsmethoden. „Eine weitere<br />
Anwendung für MEMS sehen wir in intelligenten<br />
Monitoring-Systemen, mit denen sich<br />
schon kleinste Schäden <strong>im</strong> Triebwerk frühzeitig<br />
lokalisieren und bewerten lassen“, sagt<br />
Heinz-Werner Seibel, Systemingenieur Regelung,<br />
Überwachung und Geräte <strong>im</strong> Center<br />
Erprobung/Regelung. Mittels der ausgeklügelten<br />
Elektronik ließen sich darüber hinaus<br />
Prinzip „Active Flow Control“ durch „Zero Flow Device“<br />
Referenz-Sensor Fehler-Sensor<br />
Aktuator<br />
20 REPORT REPORT 21<br />
U∞<br />
kritische Betriebszustände <strong>im</strong> Triebwerk<br />
erkennen und vermeiden – mit dem Ziel,<br />
die Lebensdauer der Bauteile zu erhöhen,<br />
Instandhaltungsintervalle zu verlängern<br />
und damit Fly-by-hour-Konzepte zu unterstützen.<br />
analog/<br />
digital<br />
Für nähere Informationen steht Ihnen<br />
Dr. Frank Grauer gerne zur Verfügung:<br />
+49 89 1489-6156<br />
Weitere Informationen finden Sie <strong>im</strong><br />
Internet unter www.mtu.de/report<br />
MEMS ermöglichen die Integration von Sensorik und Aktuatorik zur aktiven Strömungskontrolle<br />
– hier am Beispiel einer Tragfläche.<br />
V I<br />
digital/<br />
analog<br />
analog/<br />
digital<br />
Digitaler Signal Prozessor<br />
LMS-adaptive FIR-Filter