50 Jahre im Dienste Deutschlands - MTU Aero Engines
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Anekdoten<br />
Zweistrahler wie der Airbus A330 sind heute Alltag auf Überwasserrouten.<br />
„Wenn Midway geschlossen wird, müssten<br />
unsere Flüge von Tokio nach Los Angeles,<br />
San Francisco und Honolulu eine viel nördlichere<br />
Route nehmen“, klagt Rob Henderson,<br />
Sprecher der japanischen Fluggesellschaft<br />
All Nippon Airways (ANA), „das würde bis zu<br />
eine Stunde mehr Flugzeit und bis zu zehn<br />
Prozent höhere Kosten bedeuten.“ Continental<br />
Airlines plant eine Route von Nagoya nach<br />
Honolulu – ohne Midway würde daraus allerdings<br />
nichts. „Dann müssten unsere Boeing<br />
767-Jets eine komplizierte Zickzack-Route<br />
fliegen, um in der Nähe von Mikronesien zu<br />
bleiben“, so Continental-Sprecher Rahsaan<br />
Johnson, „und so viel Extra-Kerosin tanken,<br />
dass wir Passagiere und Fracht zurücklassen<br />
müssten, lohnt sich nicht.“<br />
52 REPORT<br />
Die entscheidende Größe in dieser Diskussion<br />
ist ETOPS. Die Abkürzung steht für<br />
„Extended Twin Operations“ und bezeichnet<br />
die strenge Regel, dass sich zweistrahlige<br />
Verkehrsflugzeuge heute max<strong>im</strong>al 207<br />
Minuten Flugzeit weit – gerechnet mit der<br />
Kraft eines verbleibenden Triebwerks - vom<br />
nächsten Landeplatz über den Ozean hinauswagen<br />
dürfen, also fast dreieinhalb Flugstunden<br />
vom Land entfernt.<br />
Begonnen hat der Trend einst über dem<br />
Nordatlantik: Anfang der 80er-<strong>Jahre</strong> wollte<br />
die US-Gesellschaft TWA ihre kostengünstigere,<br />
zweistrahlige Boeing 767 von Amerika<br />
nach Europa einsetzen anstelle der bis dahin<br />
üblichen drei- oder vierstrahligen Maschinen<br />
wie der Lockheed TriStar oder der Boeing<br />
747. Bis dahin galt eine Regel der US-Luftfahrtbehörde<br />
FAA aus dem Jahr 1953, nach<br />
der zwe<strong>im</strong>otorige Verkehrsflugzeuge stets in<br />
max<strong>im</strong>al 60 Minuten in der Lage sein mussten<br />
einen Landeplatz anzusteuern. Die<br />
damals üblichen Kolbenmotoren schafften<br />
es kaum, selbst den Katzensprung von Irland<br />
nach Neufundland zuverlässig zu fliegen;<br />
Pannen waren an der Tagesordnung, aber bei<br />
vier Motoren kein Problem. Für die meisten<br />
europäischen Airlines galt damals eine ICAO-<br />
Regelung, nach der 90 Minuten oder etwa<br />
1.280 Kilometer Entfernung vom nächsten<br />
Flugplatz für Zwe<strong>im</strong>otorige vorgeschrieben<br />
waren. Auch dann noch wäre mit der Boeing<br />
767 oder dem Airbus A310 ein Umweg ent-<br />
lang der Ausweichflughäfen Keflavik (Island),<br />
Kangerlussuaq (Grönland) und Goose Bay<br />
(Kanada) unvermeidlich gewesen.<br />
Dann kam das Jahr 1984: TWA durfte zunächst<br />
die Frist auf 90 und bald auf 120 Minuten<br />
ausdehnen; später erlaubten die kanadischen<br />
Behörden Air Canada sogar 138<br />
Minuten mit einer speziell ausgerüsteten<br />
Boeing 767.<br />
Anfangs gab es unter Piloten Proteste, doch<br />
bald zeigte sich, dass moderne Triebwerke<br />
eine unvergleichliche Zuverlässigkeit lieferten:<br />
Lag das Risiko eines doppelten Triebwerksausfalls<br />
bei Kolbenmotoren statistisch<br />
bei einem Fall pro acht Millionen Flugstunden,<br />
so passiert dies bei einem heutigen Jet<br />
Anforderungen<br />
an ETOPS-fähige<br />
Passagierflugzeuge<br />
• Verbesserte Zuverlässigkeit der<br />
Triebwerke durch höhere Instandhaltungsstandards<br />
• Verstärkte Kühlung der Avionik-<br />
Instrumente unterhalb des<br />
Cockpits<br />
• Verbesserte Feuer-Unterdrückung<br />
<strong>im</strong> Frachtraum bis zu157 Minuten<br />
• Zusätzliche hydraulische Not-<br />
Stromquelle für die Cockpit-<br />
Instrumente<br />
• Hilfsturbine (APU) muss während<br />
des Fluges in Betrieb gesetzt<br />
werden können<br />
• Zusätzliche Treibstoffreserve<br />
Die <strong>MTU</strong> Maintenance macht Triebwerke ETOPS-tauglich.<br />
rechnerisch einmal pro zehn Milliarden Flugstunden.<br />
Inzwischen ist der kostensparende<br />
und wirtschaftlichere Einsatz von Twin Jets<br />
wie dem Airbus A330 oder der Boeing 777<br />
über dem Atlantik zum Alltag geworden; die<br />
Boeing 777 dominiert mittlerweile auch viele<br />
Pazifik-Strecken. Innerhalb von 24 Stunden<br />
führen heute 125 verschiedene Fluggesellschaften<br />
auf der ganzen Welt etwa 1.100 Flüge<br />
unter ETOPS-Bedingungen durch. Fast <strong>im</strong>mer<br />
ohne Komplikationen.<br />
Im März 2003 musste allerdings eine Boeing<br />
777 nach einem Triebwerksausfall genau 192<br />
Minuten den einmotorigen Flug über dem<br />
Pazifik bis zur sicheren Landung in Kona auf<br />
Hawaii fortsetzen – der längste durch eine<br />
technische Panne bedingte einmotorige Jetflug<br />
in der Geschichte der Luftfahrt. Bis<br />
dahin hatte die 777-Familie rund 400.000<br />
Flüge hinter sich, und dies war erst der dritte<br />
Zwischenfall auf einem ETOPS-Flug, der<br />
eine vorzeitige Landung erforderte. Fazit: Die<br />
strengen Auflagen für ETOPS-Flüge (siehe<br />
Kasten) haben sich bewährt.<br />
„Die Hersteller haben die heutigen Triebwerke<br />
wesentlich ausfallsicherer konstruiert“,<br />
erklärt Christoph Zederer, Senior<br />
Manager Engineering bei der <strong>MTU</strong> Maintenance<br />
Hannover. „Der Trend geht dahin,<br />
ganze Teilflotten von Flugzeugen ETOPS-<br />
tauglich zu machen, um sie flexibel einsetzen<br />
zu können“, so Zederer. Eine Entwicklung,<br />
die sich vor allem bei jenen Jets zeigt, die in<br />
der Hand von Leasingfirmen sind und häufiger<br />
den Betreiber wechseln.<br />
In Hannover werden Triebwerke des Typs<br />
V2<strong>50</strong>0 für längere Überwasserflüge be<strong>im</strong><br />
A320 fit gemacht; auch GE CF6-80C-Aggregate<br />
für Boeing 767-300ER-Jets der Air<br />
Canada gingen bereits durch die <strong>MTU</strong>-<br />
Modifikation. Zederer: „Wichtige Verbesserungen<br />
zur Erhöhung der Ausfallsicherheit<br />
unter ETOPS-Bedingungen sind etwa eine<br />
opt<strong>im</strong>ierte Kühlung der Triebwerksschaufeln<br />
oder Modifikationen von hydromechanischen<br />
und elektrischen Regeleinheiten.“ Das alles<br />
geschieht gemäß des Mottos der unter<br />
Piloten kursierenden scherzhaften Übersetzung<br />
von ETOPS: „<strong>Engines</strong> turn or passengers<br />
sw<strong>im</strong>“ – entweder das Triebwerk dreht<br />
sich oder die Passagiere müssen schw<strong>im</strong>men.<br />
Für nähere Informationen steht Ihnen<br />
Sabine Biesenberger gerne zur Verfügung:<br />
+49 89 1489-2760<br />
Weitere Informationen finden Sie <strong>im</strong><br />
Internet unter www.mtu.de/report<br />
REPORT 53