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Horazens Hymnus auf Bacchus 33<br />

a) Bacchum ... vidi docentem ... Nymphasque discentis – schreibt Horaz in der ersten<br />

Strophe. Numberger hat recht, wenn er sagt: „Bacchus spielt hier die für ihn<br />

ungewöhnliche Rolle“, weil Bacchus im allgemeinen nicht zu lehren, sondern<br />

hinzureißen pflegte. Daß er gut und richtig lehrt, zeigt die Tatsache, daß die Nymphen<br />

und die Satyrn von ihm lernen und auch Horaz von ihm lernt. Horaz ist hier nicht ironisch<br />

und nicht respektlos, weil das Lehren für ihn als Dichter, als vates wesentlich<br />

ist. Im Brief an Augustus schreibt er über die Funktion des Dichters wie folgt:<br />

Os tenerum pueri balbumque poeta figurat,<br />

torquet ab obscaenis iam nunc sermonibus aurem,<br />

mox etiam pectus praeceptis format amicis,<br />

asperitatis et invidiae corrector et irae;<br />

recte facta refert, orientia tempora notis<br />

instruit exemplis, inopem solatur et aegrum.<br />

Castis cum pueris ignara puella mariti<br />

disceret unde preces, vatem ni Musa dedisset? (126-133)<br />

So sei nach Horaz das Lehren die Rolle der Poesie. Nach der Theorie der Rhetorik<br />

lehrt man in einfachem Stil: sed quot officia oratoris, tot sunt genera dicendi: subtile<br />

in probando, modicum in delectando, vehemens in flectendo (Cic. Or. 21,69); tenues<br />

acuti, omnia ... dilucidiora ... facientes (Cic. Or. 20). Horaz sagt dasselbe über sich<br />

selbst: mihi ... spiritum Graiae tenuem Camenae Parca non mendax dedit (Carm. 2,<br />

16, 37-39).<br />

b) D. West schreibt über den Hymnus: „Most often such hymns end with a prayer [...],<br />

but here no prayer is necessary.“ 27 Ich denke, daß es auch in diesem Hymnus eine<br />

Bitte gibt, aber nicht in der letzten, sondern in der zweiten Strophe: parce Liber, parce<br />

gravi metuende thyrso (7-8) – „schone Liber, schone du durch den schweren Thyrsus<br />

Furchtbarer.“ 28 Dionysos kann auch furchtbar sein, wenn er jemanden der vollen<br />

Besinnung beraubt und ihn in Wahnsinn versetzt. Horaz bittet, ihn zu verschonen,<br />

weil er die Selbstkontrolle auch unter der Wirkung der Inspiration bewahren will. Um<br />

dasselbe bittet er in der Ode 1, 18:<br />

Saeva tene cum Berecyntio<br />

cornu tympana, quae subsequitur caecus amor sui<br />

et tollens vacuum plus nimio gloria verticem<br />

arcanique fides prodiga, perlucidior vitro (13-16)<br />

Der Rausch zeugt törichte Eigensucht, der Dünkel erhebt das Haupt über das Maß,<br />

und der Dichter wird geschwätzig, garrulus, wie Lucilius, und so kann er weder<br />

formell noch inhaltlich ein gutes Gedicht schreiben, darum will Horaz verecundum<br />

Bacchum ehren (c. 1, 27, 3). Der Betrunkene schwatzt aus, was im Schrein seines<br />

Herzens verborgen bleiben sollte, darum ist die bacchische Inspiration dulce periculum<br />

(3, 25, 18), und darum Est et fideli tuta silentio merces (3, 2, 25-26).<br />

27<br />

WEST: Horace, S. 140.<br />

28 Übersetzt von PÖSCHL: Dionysosode, S. 211.<br />

29<br />

OKSALA, TEIVAS: Religion und Mythologie bei Horaz. – In: Commentationes Humanarum Litterarum 51<br />

(1973), S. 47.

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