«Wer offen ist für Veränderungen, dem bieten sich Chancen, sich zu verändern. Man muss nur noch zugreifen.» Senad Delic Senad Delic, Jahrgang 1988, geboren in Bosnien und aufgewachsen in der Schweiz. Er hat das Steuern von LKWs aufgegeben, um Menschen im Rückkehrzentrum Gampelen BE den zeitlich befristeten Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. 12
Vom Ritter der Landstrasse zum Lenker eines Asylzentrums Am Steuer eines 40-Tonners zu sitzen und Güter von A nach B zu transportieren, bestimmte über mehrere Jahre den Berufsalltag von Senad Delic. Die Ungewissheit, ob es auf den Touren reicht, rechtzeitig am Abend wieder zu Hause bei der Familie zu sein, hat ihn zunehmend unzufrieden gemacht. «Senad, du bist der richtige Mann für <strong>ORS</strong>. Du musst zu uns kommen.» Die Worte seines Nachbarn, der bereits ein <strong>ORS</strong>-ler war, lösten Interesse aus, sich gedanklich und beruflich mit Asylsuchenden zu beschäftigen. Der Reihe nach: Kurz nach seiner Geburt in Bosnien siedelt die Familie über in die Schweiz. Nach der obligatorischen Schule absolviert er eine Ausbildung zum Maler. Die handwerkliche Ausbildung und die Berufspraxis als LKW-Chauffeur sind gute Voraussetzungen, sich für Unterhaltsaufgaben im Rückkehrzentrum Gampelen (BE) zu bewerben. «Ich packe dort an, wo ich gebraucht werde, und helfe, wo Not ist.» Seine Menschenkenntnis hilft ihm, sich im Umgang mit den dort lebenden Menschen mit einem negativen Asylentscheid schnell zurechtzufinden. Die Hilfsbereitschaft und der korrekte Auftritt verschaffen ihm Anerkennung. Schon bald übernimmt er die stellvertretende Teamleitung und wird später gefragt, ob er bereit ist, die Gesamtverantwortung für die Unterkunft zu übernehmen. «Ich arbeite gerne mit Menschen und freue mich, wenn es läuft. Was du mit Menschen erlebst, ist unbezahlbar», meint Senad und fügt gleich noch hinzu, dass er alle gleichbehandelt, egal welchen Asylstatus sie haben. Selbst in schwierigen Situationen bleibt er besonnen. Im letzten Jahr wurde er Opfer eines Messerangriffs, den er glücklicherweise nur mit leichten Verletzungen überstanden hat. Angst hat er dennoch nicht im Job. «Du lernst nie aus. Darum bin ich sehr dankbar, dass mir <strong>ORS</strong> die Chance gibt, mich im Leadership zu fördern.» Er möchte seine Erfahrungen weitergeben – sowohl im Bereich der Betreuungsarbeit als auch als Mensch. Wenn es ihm gut geht, sollen auch andere davon profitieren. So hat er es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Monat mindestens einer armutsbetroffenen Familie zu helfen – egal, ob in der Schweiz oder in seiner bosnischen Heimat. «Wenn du das Lächeln der Menschen siehst, denen geholfen wird, ist das mehr wert als Gold. Wenn du gibst, bekommst du meistens mehr zurück.» Auch die Zentrumsbewohnenden sollen von Senads Erfahrungen profitieren. Der gelernte Maler möchte Farbe kaufen und mit den im Zentrum lebenden Menschen die Flure und Aufenthaltsräume auffrischen. Eine Chance, Abwechslung in den Alltag zu bringen, und eine Gelegenheit, die Lebensumgebung schöner zu gestalten. 13