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LÜBECKER WEG 224

Das Nachrichtenblatt des Deutschen Alpenverein Sektion Lübeck e.V.

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einzupacken, was wir tragen konnten,<br />

denn es war der letzte Tag und die Reste<br />

würden vernichtet. Dieser Aufforderung<br />

kam ich gerne nach, nicht ohne das bei<br />

der Abrechnung zu bedenken.<br />

Um 8:30 Uhr stiefele ich in der Morgensonne<br />

über die letzten Weiden los bis<br />

zum Talschluss, der noch tief im Schatten<br />

liegt. Auf einem ansteigenden Schneefeld<br />

schnalle ich noch mal die Grödeln an, da<br />

der Schnee hier noch steinhart gefroren<br />

ist. Dann geht es stetig ein Geröllfeld<br />

hoch bis zu einem steilen Absatz aus großen<br />

Felsblöcken, an dem ich die Stöcke<br />

wieder verstaue, um mit Händen und Füßen<br />

hochzukraxeln. Zum Glück hatte die<br />

Sonne hier bereits den Raureif von den<br />

Steinen weggetaut. Für die anschließende<br />

Querung eines Geröllfelds unterhalb des<br />

Grats im Schatten brauche ich eine gefühlte<br />

Ewigkeit, da viele Steine entweder<br />

locker oder vereist sind. Der letzte kurze<br />

Abstieg zur Windachscharte ist eine<br />

völlig weglose Kletterpartie durch<br />

Felsblöcke entlang der Markierung, und<br />

beim Umklettern eines großen Blocks am<br />

Steilhang wäre ich beinahe, vom Rucksackgewicht<br />

rückwärts gezogen, abgerutscht.<br />

Endlich mit wackeligen Knien in<br />

der Scharte angekommen, kann ich meinem<br />

Schutzengel gar nicht oft genug danken.<br />

Jetzt weiß ich, was ein Wanderer in<br />

der Hochstubaihütte meinte, als er von<br />

einer "etwas heiklen Stelle an der Windachscharte"<br />

sprach ... Warum es hier im<br />

Gegensatz zu anderen leichteren Passagen<br />

keine Seilversicherung gibt und warum<br />

diese Tour als rot, also mittelschwer eingestuft<br />

wurde, ist mir rätselhaft.<br />

Irgendwo in der Scharte überquere ich<br />

unbemerkt die Grenze nach Italien und<br />

steige in Kehren den steilen, aber guten<br />

Weg das Geröllfeld hinunter. Der Steilhang<br />

geht allmählich in Gras über, und<br />

ich freue mich, wieder Vogelzwitschern<br />

und Murmelpfeifen zu hören. Der Weg<br />

zickzackt nach unten bis zu einem Bachlauf,<br />

dann über einen Grasrücken zum<br />

malerischen Timmler Schwarzsee.<br />

Hier zweigt der Weg zum Schneeberger<br />

Haus ab, das in der DAV Broschüre<br />

"Söldens stille Seite" ein zusätzliches<br />

Etappenziel ist. Ich steige aber direkt zur<br />

Timmelsalm ab und schnell wird klar,<br />

dass ich mich nicht mehr auf „Söldens<br />

stille Seite“ befinde. Zwischen Schwarzsee<br />

und dem Parkplatz Timmelsbrücke<br />

herrscht reger Betrieb. Kein Wunder,<br />

denn es ist ein wunderhübscher Weg<br />

durch die grünen Weiden, in denen das<br />

rote Heidelbeerlaub leuchtet, vorbei an<br />

malerischen Wasserfällen und kleinen<br />

Moortümpeln mit Wollgras. Lange bevor<br />

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