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LÜBECKER WEG 224

Das Nachrichtenblatt des Deutschen Alpenverein Sektion Lübeck e.V.

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zulegen. Oben hängen noch Wolken, in<br />

denen die um den Pass herum aufgestellten<br />

Kunstinstallationen eher gespenstisch<br />

als künstlerisch wirken. Ich wandere auf<br />

dem „Panoramaweg“ gen Brunnenkogelhaus,<br />

zunächst über hügelige Weiden mit<br />

kleinen Seen, während sich die Wolken<br />

auflösen und den Blick freigeben auf das<br />

großartige Panorama der Ötztaler Gletscherberge.<br />

Dann wendet sich der Weg<br />

der Bergflanke zu, die steil ins Timmelstal<br />

abfällt. Inzwischen ist der Weg nur<br />

noch 2 Fußbreit schmal, ich verstelle meine<br />

Wanderstöcke auf Wolpertingermodus<br />

(Talseite lang und Bergseite kurz ) und<br />

bemühe mich, den Blick auf die Bergseite<br />

und nicht den Abgrund zu halten. Langsam<br />

wird mir ein bisschen mulmig und an<br />

einer etwas weniger ausgesetzten Stelle<br />

mache ich Rast. Zum ersten Mal ist es<br />

mir unangenehm, dass wirklich weit und<br />

breit kein anderer Mensch zu sehen ist.<br />

Ich habe bereits über die Hälfte des Weges<br />

hinter mir, aber trotzdem gehe ich weiter<br />

mit der Option, umzukehren, wenn<br />

mir zu unwohl wird.<br />

Nach 20 Minuten ist es dann so weit:<br />

Hinter einer Wegbiegung sehe ich vor mir<br />

die felsige Steilwand, durch die die Markierungen<br />

hochführen, und der Pfad dorthin<br />

über den langen und sehr steilen Geröllhang<br />

ist auf 2 Metern abgerutscht. Ich<br />

bekomme wackelige Knie und Schweißausbrüche<br />

und weiß: Hier geht es für<br />

mich nicht mehr weiter. Die Entscheidung<br />

zum Umkehren fällt mir erstaunlich<br />

leicht. Mir steckt die Schrecksekunde von<br />

der Windachscharte noch in den Knochen,<br />

außerdem will ich die nächsten Tage<br />

am Adriastrand verbringen und nicht<br />

im Krankenhaus. In den letzten Tagen<br />

habe ich meine Abenteuerzone kontinuierlich<br />

erweitert, aber hier ist nun endgültig<br />

die Grenze zur Panikzone erreicht.<br />

Also marschiere ich zurück zum Timmelsjoch,<br />

das ich nach 2 Stunden etwas<br />

enttäuscht, aber wohlbehalten erreiche.<br />

Unterwegs löst sich dann auch noch die<br />

Sohle meines Bergschuhs an der Schuhspitze,<br />

was bei einer Kraxelei in steilem<br />

Gelände richtig unangenehm geworden<br />

wäre - also alles richtig gemacht. Ich betrachte<br />

die verstreuten Kunstwerke nun<br />

mehr in der Sonne, tröste mich mit einem<br />

Apfelstrudel auf der Rasthausterrasse der<br />

Passhöhe und nehme den nächsten Bus<br />

zurück nach Sölden.<br />

Es war eine großartige Tour bei weitgehend<br />

fantastischem Wetter, aber für weitere<br />

Tourenplanungen bin ich etwas verunsichert<br />

bezüglich der Wegklassierungen.<br />

Offensichtlich sind nicht alle roten<br />

Wege nur "mittelschwer" und manche<br />

schwarzen Wege sind für mich leichter<br />

als die roten....

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