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Katharina Will: Stiftungen und Reformation (Leseprobe)

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

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<strong>Katharina</strong> <strong>Will</strong><br />

<strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong><br />

Eine vergleichende Studie zur<br />

Transformation des Stiftungswesens<br />

in den Reichsstädten Nürnberg <strong>und</strong><br />

Ulm im 16. <strong>und</strong> frühen 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

Arbeiten zur Kirchen- <strong>und</strong> Theologiegeschichte


Danksagung<br />

Die vorliegende Studie wurde im Sommersemester 2020 von der Augustana-<br />

Hochschule Neuendettelsau als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung<br />

habe ich sie geringfügig überarbeitet.<br />

Allen voran möchte ich Frau Professor Dr. Gury Schneider-Ludorff meinen<br />

Dank aussprechen, die mich bei der Entstehung dieser Arbeit umfassend unterstützt<br />

<strong>und</strong> gefördert hat. VonBeginn an hat sie mir ihr Vertrauen entgegengebracht<br />

<strong>und</strong> mir bei der Auswahl der Quellen sowie der Arbeitsgestaltung ein<br />

hohes Maß an Freiheit ermöglicht. Ihre Impulse <strong>und</strong> ihre Kritik haben nicht nur<br />

wesentlich dazu beigetragen, die Arbeit im Hinblick auf Theologie <strong>und</strong> historische<br />

Verortung zu präzisieren, sondern prägten zudem meine persönliche Entwicklung<br />

als Theologin.<br />

Mein besonderer Dank gilt darüber hinaus Herrn Professor Dr. Volker Leppin<br />

für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens <strong>und</strong> – wie auch Herrn Professor Dr.<br />

Armin Kohnle – für die wertvollen Anregungen für die Überarbeitung zur<br />

Druckfassung. Herrn Professor Dr. Klaus Fitschen, Herrn ProfessorDr. Wolfram<br />

Kinzig, Herrn Professor Dr. ArminKohnle <strong>und</strong> Herrn ProfessorDr. Volker Leppin<br />

danke ich außerdem für die Aufnahme der Arbeit indie Reihe »Arbeiten zur<br />

Kirchen- <strong>und</strong> Theologiegeschichte«.<br />

Ich danke allen Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiternder Archive in Nürnberg<br />

<strong>und</strong> Ulm für ihre geduldige <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>liche Mithilfe bei der Quellen- <strong>und</strong> Literaturrecherche,<br />

in besonderem Maße Frau Dr. Gudrun Litz.<br />

Dem Doktorandinnen- <strong>und</strong> Doktorandenkolloquium des Lehrstuhls für Kirchen-,<br />

Dogmen- <strong>und</strong> Theologiegeschichte der Augustana-Hochschule Neuendettelsau,<br />

aber auch dem Seminar in Ulm zum Thema Stiftungswesen <strong>und</strong> dem<br />

Oberseminar in Tübingen bin ich für ihre weiterführenden <strong>und</strong> konstruktiven<br />

Hinweise sowie ihre Ermutigung sehr dankbar.<br />

Darüber hinaus gilt mein Dank allen, die einzelne Kapitel meiner Arbeit<br />

Korrektur gelesen haben, im besonderen Maße Stephanie Schwenkenbecher für<br />

ihre hilfreichen Rückfragen <strong>und</strong> Anmerkungen, sowie allen Mitarbeitern des<br />

Verlags, die den Druck dieser Arbeit begleitet <strong>und</strong> unterstützt haben.<br />

Der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern möchte ich meinen Dank<br />

dafür aussprechen, dass sie mir die Erarbeitung dieser Studie durch die großzügige<br />

Bewilligung eines Promotionsstipendiums ermöglicht hat. Der Vereinigten<br />

Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) sowie den »Fre<strong>und</strong>innen<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en der Augustana-Hochschule Neuendettelsau« danke ich<br />

sehr für Ihren Zuschuss zu den Druckkosten dieses Buches.<br />

Fachliche <strong>und</strong> finanzielle Unterstützung tragen einen bedeutenden Teil zum<br />

Gelingen eines Promotionsprojekts bei. Ohne die Unterstützung bei der Kin-


6 Danksagung<br />

derbetreuung hätte ich meine Arbeit dennoch nicht in der vorliegenden Form<br />

fertigstellen können. Deshalb gilt mein herzlichster Dank meiner lieben Fre<strong>und</strong>in<br />

Sabine Reger.<br />

Zu guter Letzt danke ich meinem Mann Roland <strong>Will</strong> <strong>und</strong> unseren Kindern<br />

Jakob <strong>und</strong>Emilia für ihre vielfältige Unterstützung, ihre Geduld, ihr Verständnis<br />

<strong>und</strong> ihre Liebe.<br />

München, im September 2021<br />

<strong>Katharina</strong> <strong>Will</strong>


Inhalt<br />

I. Einleitung: <strong>Stiftungen</strong> als Thema der <strong>Reformation</strong>s- <strong>und</strong><br />

Stiftungsforschung ...................................... 11<br />

1. Forschungsüberblick ................................. 13<br />

2. Stiftungsforschung ................................... 15<br />

3. <strong>Stiftungen</strong> im Mittelalter .............................. 20<br />

4. <strong>Stiftungen</strong> im 16. <strong>und</strong> frühen 17. Jahrh<strong>und</strong>ert in<br />

kirchengeschichtlicher Perspektive ...................... 33<br />

5. Die Reichsstädte Nürnberg <strong>und</strong> Ulm ..................... 39<br />

6. Zum Vorgehen der Untersuchung ........................ 44<br />

7. Hinweise zum Umgang mit den Quellen ................... 47<br />

II. Die Transformation des Stiftungswesens in den Reichsstädten<br />

Nürnberg <strong>und</strong> Ulm im 16. <strong>und</strong> im frühen 17. Jahrh<strong>und</strong>ert ........ 49<br />

1. Das Nürnberger Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen<br />

Messstiftungen (1522 bis 1526) ......................... 49<br />

1.1 Erste Veränderungen in Nürnberg (1522 bis 1525) ...... 49<br />

1.2 Das Nürnberger Gutachten (1525) ................... 60<br />

1.3 Das Wittenberger Gutachten (1526) .................. 74<br />

1.4 Die Entscheidung des Rats (1526) ................... 82<br />

1.5 Fazit ......................................... 87<br />

2. Das Ulmer Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen<br />

Messstiftungen (1531 bis 1543) ......................... 90<br />

2.1 Erste Veränderungen in Ulm (1531 bis 1538) .......... 90<br />

2.2 Das Bedenken der Religionsherren (1538) ............. 102<br />

2.3 Der Fürhalt des Rats <strong>und</strong> die Antworten der Stifterfamilien<br />

(1543) ........................................ 105<br />

2.4 Die Entscheidung des Rats (1543) ................... 112<br />

2.5 Fazit ......................................... 115<br />

3. Das Stiftungswesen in Nürnberg <strong>und</strong> Ulm zwischen Offenheit<br />

<strong>und</strong> Festlegung (1530 bis 1580) ......................... 117<br />

3.1 Die Stiftung Andreas Örtels (Nürnberg 1530) .......... 118<br />

3.2 Die Stiftung der Brüder Wilhelm <strong>und</strong> Hans Krafft (Ulm<br />

1543) ......................................... 124<br />

3.3 Die Stiftung Wolf Holzschuhers (Nürnberg 1547) ........ 128<br />

3.4 Die Stiftung Hans Vöhlins (Ulm 1554) ................ 131<br />

3.5 Die Stiftung Egidius Ayrers (Nürnberg 1568) ........... 132<br />

3.6 Fazit ......................................... 141


8 Inhalt<br />

4. Die Konsolidierung des Stiftungswesens in Nürnberg <strong>und</strong> Ulm<br />

(1580 bis 1635) ..................................... 144<br />

4.1 Ein Nürnberger Mustertestament (um 1580 bis 1600) .... 145<br />

4.2 Die Stiftung Lucas Plöds (Nürnberg 1596) ............. 151<br />

4.3 Die Stiftung Egidius Arnolds (Nürnberg 1605) .......... 154<br />

4.4 Die Stiftung Cecilia Auers (Ulm 1606) ................ 166<br />

4.5 Die Stiftung <strong>Katharina</strong> Neubronners (Ulm 1621) ........ 173<br />

4.6 Die Stiftung Tobias Neubronners (Ulm 1626) ........... 176<br />

4.7 Der Discurs VonAllmusen des Conrad Dieterich (Ulm 1635) 185<br />

4.8 Fazit ......................................... 193<br />

III. Kontinuität <strong>und</strong> Diskontinuität im Stiftungswesen des 16. <strong>und</strong><br />

frühen 17. Jahrh<strong>und</strong>erts .................................. 197<br />

1. Vonder Frage nach den bestehenden Messstiftungen zu den<br />

neu aufgerichteten <strong>Stiftungen</strong> .......................... 199<br />

2. Stiftungszwecke ..................................... 202<br />

3. Motive ............................................ 204<br />

3.1 Lob, Ehre <strong>und</strong> Preis Gottes ......................... 205<br />

3.2 Verbreitung des protestantischen Glaubens ........... 207<br />

3.3 <strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong> Seligkeit .......................... 210<br />

3.4 Gemeiner Nutzen ................................ 211<br />

3.5 Göttliches <strong>und</strong> weltliches Recht ..................... 214<br />

3.6 Gewissen ...................................... 217<br />

3.7 Christliche Pflichten ............................. 218<br />

3.8 Bewahrung des Friedens <strong>und</strong> Rücksicht auf die Schwachen 219<br />

3.9 Nicht-religiöse Stiftungsmotivationen ................. 219<br />

3.10 Memoria ...................................... 221<br />

3.11 Segen Gottes ................................... 222<br />

3.12 »Ad pias causas« ................................ 224<br />

3.13 Nächstenliebe .................................. 225<br />

4. Fazit .............................................. 226<br />

IV. Die Pluralität des Stiftungswesens im 16. <strong>und</strong> frühen<br />

17. Jahrh<strong>und</strong>ert ......................................... 231<br />

1. Unterschiede zwischen den Reichsstädten … ............... 231<br />

1.1 … im Umgang mit den mittelalterlichen Messstiftungen .. 231<br />

1.2 … hinsichtlich der neu aufgerichteten <strong>Stiftungen</strong> ........ 235<br />

2. Die theologische Vielfalt innerhalb der Reichsstädte ......... 238<br />

2.1 Matthäus 25,31–46 in Quellen zum Stiftungswesen ...... 238<br />

2.2 Fünf Interpretationen von Matthäus 25,31–46 .......... 244<br />

3. Fazit .............................................. 249<br />

V. <strong>Stiftungen</strong> als Gaben ..................................... 251<br />

1. Der Gabe-Begriff in Mittelalter <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>szeit ......... 251<br />

2. Der Gabe-Begriff im Stiftungswesen ...................... 257


Inhalt 9<br />

VI. Der Ertrag für die Stiftungs- <strong>und</strong> für die <strong>Reformation</strong>sforschung ... 269<br />

1. Die Transformation des Stiftungswesens im 16. <strong>und</strong> frühen<br />

17. Jahrh<strong>und</strong>ert ..................................... 269<br />

2. Die Frage nach dem Umgang mit den mittelalterlichen<br />

Messstiftungen ...................................... 270<br />

3. Die Gestaltung neuer <strong>Stiftungen</strong> ......................... 270<br />

4. Die Transformation der mittelalterlichen Stiftungszwecke ..... 272<br />

5. Die Transformation der mittelalterlichen Stiftungsmotivationen 273<br />

6. Der Rückgriff auf das Motiv des göttlichen Segens als zentrale<br />

Stiftungsmotivation .................................. 274<br />

7. Mt 25,31–46 <strong>und</strong> die bleibende Bedeutung der Frage nach dem<br />

Zusammenhang zwischen <strong>Stiftungen</strong>, guten Werken <strong>und</strong><br />

Rechtfertigung ...................................... 274<br />

8. <strong>Stiftungen</strong> als Elemente eines Gabentauschs ............... 276<br />

9. Vier gr<strong>und</strong>legende Gabentausch-Modelle .................. 276<br />

10. Die Ambivalenz zwischen der Freiwilligkeit der Gabe <strong>und</strong> der<br />

Pflicht zur Gabe ..................................... 278<br />

Quellen- <strong>und</strong> Literaturverzeichnis .............................. 279<br />

Quellen ............................................... 279<br />

Archivalische Quellen ................................ 279<br />

Bayerisches Staatsarchiv Nürnberg (BStAN) ............ 279<br />

Historisches Archiv des Germanischen Nationalmuseums<br />

(GNM) ........................................ 279<br />

Stadtarchiv Nürnberg (StadtAN) ..................... 279<br />

ASammlungen <strong>und</strong> Selekte .................... 279<br />

BAmtliche Provenienzen der reichsstädtischen Zeit .. 280<br />

D<strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong> Stiftungsverwaltungen ........... 281<br />

EDokumentationsgut privater Provenienz ......... 282<br />

Stadtarchiv Ulm (StadtA Ulm) ...................... 283<br />

AReichsstädtische Überlieferung ................ 283<br />

D<strong>Stiftungen</strong> ................................ 284<br />

EFamilien- <strong>und</strong> Herrschaftsarchive, […] ........... 285<br />

GChroniken, Theatersammlung, Zeitungen, Schrift-,<br />

Bild- <strong>und</strong> Tondokumentation .................... 286<br />

Stadtbibliothek Ulm (StB Ulm) ...................... 286<br />

Gedruckte Quellen ................................... 287<br />

Literatur .............................................. 294<br />

Personenverzeichnis ........................................ 335<br />

Stiftungsverzeichnis ........................................ 351<br />

Personen- <strong>und</strong> Stiftungsregister ................................ 359


I. Einleitung: <strong>Stiftungen</strong> als Thema<br />

der <strong>Reformation</strong>s- <strong>und</strong><br />

Stiftungsforschung<br />

»Dem hungrrigen daß broth brechen, dem, so im Ellendt umbzeucht beherrbergen,<br />

den Nackhernden beklaiden, mit angehencktem herrlichen Trost, <strong>und</strong><br />

verhaißung, […]unnd unßer ainiger haÿlandt <strong>und</strong> Seeligmacher Christusselber,<br />

will solche werckh der Barmherzigkeit nit anderst, alß ob sie ime erzaigt, <strong>und</strong><br />

bewißen weren, annemmen, erkennen, <strong>und</strong> rüemen.« 1 – Im Jahr 1606stiftete die<br />

WitweCecilia Auer aus Ulm insgesamt 15.000 Gulden für wohltätigeZwecke. Das<br />

Interessante daran ist: Sie begründete ihre Stiftung theologisch <strong>und</strong> berief sich<br />

dabei sowohl auf die Bibel als auch auf den Theologen Augustin. Das anfangs<br />

genannte Zitat ist, mit Rückgriff auf Jes 58,7–9, 2 dem Matthäusevangelium,<br />

Kapitel 25, entnommen. Die Bibelstelle im Ganzen – Vers 31 bis 46 – liest sich auf<br />

den ersten Blick, als würde sie ein Gericht nach Werken am Jüngsten Tag beschreiben:<br />

Wersich seines Nächsten angenommen habe, erlange das ewige Leben,<br />

wer nicht, die ewige Strafe. Cecilia Auer schrieb, Christus würde zeitliche mit<br />

ewigen Gaben vergelten. Folgte sie also der Interpretation, die Mt 25,31–46 als<br />

Darstellung eines Jüngsten Gerichts betrachtet, in dem die Menschen auf Gr<strong>und</strong><br />

ihrer Taten beurteilt werden würden? Müsste man dann nicht davon ausgehen,<br />

Cecilia Auer bekenne sich zum katholischen Glauben? Es zeigt sich, dass die<br />

Stifterin 1601 ihre Heimat Österreich auf Gr<strong>und</strong> ihres protestantischen Glaubens<br />

verlassenmusste. In ihrer Stiftungbedachte sie Studentensowie Vertriebene der<br />

Augsburger Konfession. Wiepasst das mit Mt 25,31–46 zusammen?Oder anders<br />

gesagt: Wie verhielt sich Cecilia Auer zur reformatorischen Überzeugung,allein<br />

der Glaube <strong>und</strong> nicht die Werke seien ausschlaggebend für die Seligkeit?<br />

Die theologischenVeränderungen des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts lassen sich nicht nur<br />

anhand der Lebensläufe <strong>und</strong> Schriften von Theologen beschreiben. Auch das<br />

1<br />

StadtA Ulm AUrk. 1606 August 27.<br />

2<br />

Die Aufzählung der Bedürftigen hatte die Stifterin aus Jes 58,7–9entnommen. Sie selbst<br />

verknüpfte diese Stelle bereits mit Mt 25,31–46. Das gewählte Zitat greiftdiese Interpretation<br />

auf (vgl. S. 167).


12 I. Einleitung<br />

Bürgertum setzte sich mit religiösen Fragen auseinander. 3 Dabei ist hervorzuheben,<br />

dass von Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern zu sprechen ist. Wie wir bei Cecilia<br />

Auer bereits gesehen haben, orientierten auch Frauen ihr Handeln an ihrem<br />

Glauben <strong>und</strong> zogen daraus die Konsequenz, <strong>Stiftungen</strong> ins Leben zu rufen. Mit<br />

den zahlreichen Stiftungsurk<strong>und</strong>en <strong>und</strong> Testamenten des 16. <strong>und</strong> frühen<br />

17. Jahrh<strong>und</strong>erts sind uns bemerkenswerte Zeugnisse der theologischen Ansichten<br />

der Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger erhalten geblieben. Die Quellen zum Stiftungswesen<br />

bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen<br />

Veränderungen <strong>und</strong> das erstarkende Selbstbewusstsein des Bürgertums<br />

im 16. <strong>und</strong> frühen 17. Jahrh<strong>und</strong>ert. Dabei ist hervorzuheben, dass Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger gerade auch theologische Feinheiten wahrnahmen. 4 Um auf Cecilia<br />

Auer zurückzukommen: Oben wurde die Frage aufgeworfen,wie Auer Mt 25,31–<br />

46 als Protestantin wahrnahm. Ausgegangen sind wir dabei von einer Polarität –<br />

das Gericht nach Werken auf der einen <strong>und</strong> die Rechtfertigung allein aus Gnade<br />

auf der anderen Seite. Ein näherer Blick in die Urk<strong>und</strong>e Cecilia Auers lässt die<br />

Annahme, es habe im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert nur diese beiden Überzeugungen gegeben,<br />

als Konstrukt erscheinen. Darauf wird im Hauptteil dieses Buches zurückzukommen<br />

sein.<br />

Dass gerade ein Zitat aus Mt 25,31–46 für den Beginn dieses Buches ausgewählt<br />

wurde, ist kein Zufall. Diese – <strong>und</strong> thematisch vergleichbare – Bibelstellen<br />

wurden in Quellen zum Stiftungswesen vergleichsweise häufig zitiert.<br />

Bereits in Antike <strong>und</strong> Mittelalter wurde Mt 25,31–46 zu Rate gezogen, um den<br />

Zusammenhang zwischen Almosen <strong>und</strong> <strong>Stiftungen</strong> sowie dem ewigen Leben<br />

darzustellen. Theologen, Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger des 16. <strong>und</strong> frühen 17. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

knüpften daran an. Die Frage nach der Seligkeit stand im Zentrum der<br />

Stiftungspraxis <strong>und</strong> ihrer theologischen Reflexion. Im Mittelalter wurde den<br />

<strong>Stiftungen</strong> zugemessen, einen Beitrag zur Seligkeit zu leisten. Auf welche –<br />

3<br />

Vgl. Gury Schneider-Ludorff, Religion <strong>und</strong> Politik – Prägungen durch die <strong>Reformation</strong>szeit,<br />

geschichtliche Transformationen <strong>und</strong> Impulse, in: Doron Kiesel/Ronald Lutz (Hgg.),<br />

Religion <strong>und</strong> Politik. Analysen, Kontroversen, Fragen, Frankfurt a. M. 2015, 127.Gerade das<br />

gebildete Stadtbürgertum zeigte im Spätmittelalter reges Interesse daran, die von den<br />

Geistlichen vermittelten Glaubensinhalte zu verstehen (vgl. Volker Leppin, Die andere <strong>Reformation</strong><br />

– die neue Theologie in Oberdeutschland, in: Evangelisches Predigerseminar<br />

Wittenberg [Hg.], »… <strong>und</strong> alles, was wir erreicht haben, ist immer nur Anfang«. Johannes<br />

Calvin. Umstrittener Kirchenreformer <strong>und</strong> Vater der Moderne, Wittenberg 2009, 8f.).<br />

4<br />

In kirchengeschichtlichen Untersuchungen, welche die Schriften einzelner Bürgerinnen<br />

<strong>und</strong> Bürger im Hinblick auf die Rezeption reformatorischer Überzeugungen analysieren,<br />

erscheint es sinnvoll, besonders auf die theologischen Feinheiten zu achten (vgl. zum Beispiel<br />

Heinrich Richard Schmidt, Die Ethik der Laien in der <strong>Reformation</strong>, in: Bernd Moeller [Hg.],<br />

Die frühe <strong>Reformation</strong> in Deutschland als Umbruch. Wissenschaftliches Symposion des<br />

Vereins für <strong>Reformation</strong>sgeschichte 1996, Gütersloh 1998, 333–370).


1. Forschungs/berblick 13<br />

vielfältige – Weise diese Überzeugung im 16. <strong>und</strong> frühen 17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

transformiert wurde, zeigt sich in den Quellen zum Stiftungswesen. Darin lässt<br />

sich die Rezeption der reformatorischen Abgrenzung gegenüber mittelalterlichen<br />

Vorstellungen, insbesondere aber die Rezeption der theologischen Differenzen<br />

innerhalb der reformatorischen Bewegung erkennen.<br />

1. Forschungs=berblick<br />

Kulturen übergreifend wurden über die Jahrtausende <strong>und</strong> über die Grenzen der<br />

Kontinente hinweg <strong>Stiftungen</strong> ins Leben gerufen. 5 Doch was versteht man eigentlich<br />

unter einer Stiftung? Das Wort stiften bezeichnete bereits im Mittelhochdeutschen<br />

unter anderem die Gründung oder Ausstattung einer dauerhaften<br />

Einrichtung. 6 Die Stiftung soll über den Todder Stifterin oder des Stifters hinaus<br />

Bestand haben. 7 Trotz der angelegten Dauerhaftigkeit lassen sich in der Stiftungswirklichkeit<br />

im Laufe der Zeit jedoch immer wieder Veränderungen innerhalb<br />

der <strong>Stiftungen</strong> beobachten, etwa die Veränderung des Stiftungszwecks. 8<br />

Um eine Stiftung ins Leben zu rufen, stellt die Stifterin oder der Stifter ein<br />

bestimmtes Vermögen – mobil oder immobil – zur Verfügung, welches einem<br />

mehr oder weniger konkret umschriebenen Zweck zukommen soll. Damit sind<br />

drei wesentliche Merkmale der <strong>Stiftungen</strong> benannt: Vermögen, Zweck <strong>und</strong><br />

Dauerhaftigkeit. Schon 1914 beschrieb Bernhard Laum eine Stiftung anhand<br />

5<br />

Vgl. Michael Borgolte, Weltgeschichte als Stiftungsgeschichte. Von3000 v.u.Z. bis 1500<br />

u.Z., Darmstadt 2017, 9;ders., Fünftausend Jahre <strong>Stiftungen</strong>. Eine Typologie von Mesopotamien<br />

bis zu den USA, in: HZ 301,3 (2015), 593–625; ders., Art. <strong>Stiftungen</strong>, Kirchliche I. Alte<br />

Kirche <strong>und</strong> Mittelalter, in: TRE 32 (2001), 167; Sitta von Reden, Einleitung: <strong>Stiftungen</strong><br />

zwischen Politik <strong>und</strong> Wirtschaft, in: Dies. (Hg.), <strong>Stiftungen</strong> zwischen Politik <strong>und</strong> Wirtschaft.<br />

Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart im Dialog, Berlin/Boston 2015, 7.<br />

6<br />

Vgl. Peter Fleischmann, <strong>Stiftungen</strong> in der Reichsstadt Nürnberg, in: Helmut Neuhaus<br />

(Hg.), <strong>Stiftungen</strong> gestern <strong>und</strong> heute. Entlastung für die öffentlichen Kassen? Atzelsberger<br />

Gespräche 2005, Erlangen 2006, 107; Beate Hennig, Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch,<br />

Tübingen 3 1998, 306 f.; Bettina Kirschstein/Ursula Schulze (Hgg.), Wörterbuch der<br />

mittelhochdeutschen Urk<strong>und</strong>ensprache. Auf der Gr<strong>und</strong>lage des Corpus der altdeutschen<br />

Originalurk<strong>und</strong>en bis zum Jahr 1300. Erarbeitet von Sibylle Ohly, Peter Schmitt <strong>und</strong> Nicole<br />

Spengler. Band 2. hinnen dar – swester, Berlin 2003, 1666f.<br />

7<br />

Zum Problem der Dauerhaftigkeit einer Stiftung vgl. Tillmann Lohse, Die Dauer der<br />

Stiftung. Eine diachronisch vergleichende Geschichte des weltlichen Kollegiatstifts St. Simon<br />

<strong>und</strong> Judas in Goslar, Berlin 2011, 14–19.211–214.<br />

8<br />

A.a. O., 189–200.201–209.


14 I. Einleitung<br />

dieser drei Charakteristika. 9 In der gegenwärtigen Stiftungsforschung besteht<br />

Konsens über diese drei Elemente. 10<br />

Gelegentlich wird diese Definition erweitert: Klaus Neuhoff, Ambros<br />

Schindler<strong>und</strong> Hans-Jürgen Zwingmann fügten die Absicht der Stifterin oder des<br />

Stifters, eine Stiftung zuerrichten, <strong>und</strong> die Existenz einer bleibenden Organisation,<br />

welche die Stiftung über den Todder Stifterin oder des Stifters hinaus<br />

handlungsfähig erhält, als Kriterien hinzu. 11 Tillmann Lohse machte zudem auf<br />

den periodisch wiederkehrenden Stiftungsvollzug aufmerksam, beispielsweise<br />

ein regelmäßiges Totengedenken oder Almosen. 12 Mit Blick auf einzelne Epochen<br />

oder Kulturen lassen sich weitere Charakteristika einer Stiftung erkennen, die<br />

jedoch nicht universell anwendbar sind, sondern jeweils in dieser bestimmten<br />

Epoche oder Kultur Gültigkeit erlangten. Dazu zählen etwa die unterschiedlichen<br />

Motivationen der Stifterin oder des Stifters, warum sie ihre Stiftung errichteten,<br />

oder die Auswahl der Stiftungszwecke, wozu die Stiftung dienen sollte. 13<br />

9<br />

Vgl. Bernhard Laum, <strong>Stiftungen</strong> in der griechischen <strong>und</strong> römischen Antike. Ein Beitrag<br />

zur antiken Kulturgeschichte 1. Darstellung, Aalen 1964, 1f.; Michael Borgolte, Die <strong>Stiftungen</strong><br />

des Mittelalters in rechts- <strong>und</strong> sozialhistorischer Sicht, in: Tillmann Lohse (Hg.),<br />

Stiftung <strong>und</strong> Memoria, Berlin 2012, 5.<br />

10<br />

Vgl. Borgolte, Jahre, 594; ders., Planen für die Ewigkeit – <strong>Stiftungen</strong> im Mittelalter, in:<br />

GWU 1/2 (2012), 37 f.; ders., Einleitung, in: Ders., <strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong> Stiftungswirklichkeiten.<br />

VomMittelalter bis zur Gegenwart, Berlin 2000, 7f.; Tillmann Lohse, 1. Stiftung – Mittelalterlicher<br />

Sprachgebrauch <strong>und</strong> moderner Begriff 2. Lateinische Christen, in: Michael Borgolte<br />

(Hg.), Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften 1.<br />

Gr<strong>und</strong>lagen, Berlin 2014, 31 f.; Christoph Mecking, Art. Stiftung/Stiftungsrecht, in: Jörg<br />

Hübner u. a. (Hg.), Evangelisches Soziallexikon, Stuttgart 9 2016, 1499; Martin Schulte, Art.<br />

Stiftung, in: Werner Heun/Martin Honecker/Martin Morlok/Joachim Wieland (Hgg.), Evangelisches<br />

Staatslexikon. Neuausgabe, Stuttgart 2006, 2390; Reiner Schulze, Art. Stiftungsrecht,<br />

in: HRG 4(1990), 1980; Martin Pennitz, §80–89. Juristische Personen II: Stiftung <strong>und</strong><br />

juristische Personen des öffentlichen Rechts, in: Mathias Schmoeckel/Joachim Rückert/<br />

Reinhard Zimmermann (Hgg.), Historisch-kritischer Kommentar zum BGB I. Allgemeiner<br />

Teil. §1–240, Tübingen 2003, 273–276.<br />

11<br />

Vgl. Klaus Neuhoff/Ambros Schindler/Hans-Jürgen Zwingmann, Stiftungshandbuch,<br />

Baden-Baden 1983, 12.<br />

12<br />

Vgl. Lohse, Dauer, 15.<br />

13<br />

Vgl. Michael Borgolte, Einleitung, in: Ders. (Hg.), <strong>Stiftungen</strong> in Christentum, Judentum<br />

<strong>und</strong> Islam vor der Moderne. Auf der Suche nach ihren Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschieden<br />

in religiösen Gr<strong>und</strong>lagen, praktischen Zwecken <strong>und</strong> historischen Transformationen, Berlin<br />

2005, 10.


2. Stiftungsforschung 15<br />

2. Stiftungsforschung<br />

Die Stiftungsforschung war bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts hinein<br />

vor allem ein rechtshistorisches Interesse. Gr<strong>und</strong>legend war über weite Strecken<br />

die Geschichte des Stiftungsrechts des Rechtswissenschaftlers Hans Liermann von<br />

1963, welche einen ausführlichen Durchgang durch die Veränderungen des<br />

Stiftungswesens <strong>und</strong> -rechts von der vorchristlichen Antike bis ins 20. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

bietet. Ein Kapitel widmete Liermann dem »späte[n] Mittelalter <strong>und</strong><br />

de[m] Zeitalter der <strong>Reformation</strong>«. Viele seiner Thesen <strong>und</strong> Fragestellungen sind<br />

nach wie vor in der Forschung präsent, etwa die Annahme, dass sich ab dem<br />

Spätmittelalter eine zunehmende »Verweltlichung« des Stiftungswesens beobachten<br />

ließe. Den reformatorischen Veränderungen sprach Liermann einen<br />

transformierenden Einfluss auf das Stiftungswesen ab. 14<br />

Spätere Arbeiten, die einen chronologischen Überblick über die Entwicklung<br />

des Stiftungsrechts bieten, dabei in der Regel jedoch einen wesentlich kürzeren<br />

Umfang aufweisen, orientierten sich mehr oder weniger an der Darstellung<br />

Liermanns. Besonders deutlich wird dies bei dem Aufsatz Axel Freiherr von<br />

Campenhausens über die Geschichte des Stiftungswesens von 1998, der zudem die<br />

Gliederung – fast wortwörtlich – von Liermann übernahm. 15 Andere Kurzfassungen<br />

zu diesem Thema finden sich insbesondere in den Einleitungen zuAbhandlungen<br />

über das Stiftungsrecht. 16<br />

Die rechtshistorische Stiftungsforschung konturiert bestimmte Probleme,<br />

Fragestellungen <strong>und</strong> Entwicklungen, welche zum Teil auch für andere Fachrichtungen<br />

– etwa die Kirchengeschichte – Relevanz aufweisen. Andererseits<br />

kann von kirchengeschichtlicher Seite hinterfragt werden, ob gerade diereligiöse<br />

<strong>und</strong> theologische Ebene ausreichend betrachtet wurde. Die Gesellschaft des<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>erts lässt sich nicht als »weltlich«indem Sinn beschreiben, dass sie<br />

ohne religiöse Bezüge <strong>und</strong> Überzeugungen zu denken ist. Religiöser <strong>und</strong> weltlicher<br />

Bereichwaren vielmehr ineinander verwoben. In der zweiten Auflage von<br />

14<br />

Vgl. Hans Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts, Tübingen 2 2002, 124–168.<br />

15<br />

Vgl. Axel Freiherr von Campenhausen, Geschichte des Stiftungswesens, in: Bertelsmann<br />

Stiftung (Hg.), Handbuch <strong>Stiftungen</strong>. Ziele – Projekte – Management – Rechtliche Gestaltung,<br />

Wiesbaden 1998, 23–45.<br />

16<br />

Vgl. Martin Schulte, Staat <strong>und</strong> Stiftung. Verfassungsrechtliche Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Grenzen<br />

des Stiftungsrechts <strong>und</strong> der Stiftungsaufsicht, Heidelberg 1989, 23–29; Pennitz, §80–89,<br />

272–305; Albrecht Fiedler, Kirchliche <strong>Stiftungen</strong> zwischen Säkularisierung <strong>und</strong> Rekonfessionalisierung,<br />

in: Ansgar Hense/Martin Schulte (Hgg.), Kirchliches Stiftungswesen <strong>und</strong><br />

Stiftungsrecht im Wandel, Berlin 2009, 40–43; vgl. auch die Zusammenfassung Hesses (vgl.<br />

Andreas Hesse, Evangelische <strong>Stiftungen</strong>: Überblick, Gr<strong>und</strong>legung, Geschichte, in: W. Rainer<br />

Walz [Hg.], Religiöse <strong>Stiftungen</strong> in Deutschland. Beiträge <strong>und</strong> Diskussionen des Workshops<br />

in der Bucerius Law School am 9. Juni 2006, München 2006, 44–46).


16 I. Einleitung<br />

Liermanns Geschichte des Stiftungsrechts von 2002 wurde daher ein Beitrag<br />

Michael Borgoltes vorangestellt, der Liermanns Abhandlung kritisch würdigt.<br />

Neben der zu geringen Beachtung religiöser Aspekte weist Borgolte vor allem auf<br />

die Unvollständigkeit der Beschreibung Liermanns <strong>und</strong> darauf hin, dass <strong>Stiftungen</strong><br />

im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert noch nicht als juristische Personen zu begreifen<br />

waren, wovon Liermann ausgegangen war. 17 Gerade an letzterem Kritikpunkt<br />

lässt sich beobachten, inwiefern diePerspektive des Forschenden – in diesem Fall<br />

der rechtshistorische Blickwinkel – Einfluss auf das Ergebnis der Forschung<br />

nehmen kann: Eine Stiftung wird heutzutage als juristische Person betrachtet, für<br />

das 16. <strong>und</strong> frühe 17. Jahrh<strong>und</strong>ert stellt diese Interpretation jedoch einen Anachronismus<br />

dar.<br />

Die rechtshistorische Stiftungsforschung wandte sich – neben einem umfassenden<br />

geschichtlichen Überblick – einzelnen Problemfällen aus dem Verlauf<br />

der Geschichte zu. Für die vorliegende Untersuchung ist allem voran die Frage<br />

nach dem Umgangmit dem Kirchengut im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert relevant. Infolge der<br />

reformatorischen Veränderungen kam es zu Umwidmungen von Kirchengut,<br />

etwa von Kirchen <strong>und</strong> Klöstern, entsprechend der reformatorischen Überzeugungen.<br />

Bereits seit Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts beschäftigten sich eine Reihe<br />

von Darstellungen mit diesem Thema. Dabei waren jedoch weniger die genauen<br />

geschichtlichen Ursachen, Anlässe <strong>und</strong> Abläufe von Belang als vielmehr die<br />

Bewertung der Umwidmungen aus juristischer Perspektive. Soging beispielsweise<br />

Hans Lehnert auf die Frage ein, obdie Umwidmungen von <strong>Stiftungen</strong> im<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>ert als Übergang des Eigentums zu bewerten seien – seiner Ansicht<br />

nach nicht –, <strong>und</strong> unterschied zwischen verschiedenen rechtlichen Formen der<br />

Umwidmungen. 18 Diese Unterscheidung wurde später durch Martin Heckel im<br />

Zusammenhang mit dem »Problem der ›Säkularisation‹ in der <strong>Reformation</strong>«<br />

wieder aufgegriffen. 19 Klaus Besseys Studie von 1968 thematisierte die Interpretation<br />

des Kirchenguts durch protestantische Juristen vor <strong>und</strong> nach 1555,<br />

orientierte sich dabei jedoch vor allem an den Territorien, nicht an den Reichsstädten.<br />

20 Andere Forschungenboten anhand eines konkreten Beispiels Einblick<br />

17<br />

Vgl. Michael Borgolte, Vonder Geschichte des Stiftungsrechts zur Geschichte der <strong>Stiftungen</strong>,<br />

in: Axel Freiherr von Campenhausen/Christoph Mecking (Hgg.), Geschichte des<br />

Stiftungsrechts, Tübingen 2 2002, 13*–22*; vgl. auch ders., Die <strong>Stiftungen</strong> des Mittelalters, 7;<br />

Schulze, Art. Stiftungsrecht, 1980; Pennitz, §80–89, 273–276.<br />

18<br />

Vgl. Hans Lehnert, Kirchengut <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>. Eine kirchenrechtsgeschichtliche<br />

Studie, Erlangen 1935, 20–25.50–135.<br />

19<br />

Vgl. Martin Heckel, Das Problem der »Säkularisation« in der <strong>Reformation</strong>, in: Irene<br />

Crusius (Hg.), Zur Säkularisation geistlicher Institutionen im 16. <strong>und</strong> im 18./19. Jahrh<strong>und</strong>ert,<br />

Göttingen 1996, 41–43.<br />

20<br />

Vgl. Klaus Bessey, Das Kirchengut nach der Lehre der evangelischen Juristen<br />

Deutschlands im ersten Jahrh<strong>und</strong>ert nach der <strong>Reformation</strong>, Stuttgart 1968.


2. Stiftungsforschung 17<br />

in die rechtliche Problematik des Umgangs mit dem Kirchengut im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />

21<br />

In der Stiftungsforschung vollzog sich maßgeblich mit den Arbeiten des<br />

Mittelalterhistorikers Michael Borgolte circa ab den 1990er Jahren ein Paradigmenwechsel.<br />

Neben die rechtsgeschichtliche trat verstärkt eine sozial- <strong>und</strong><br />

kulturwissenschaftliche Perspektive. Die Frage nach dem Umgang mit dem<br />

Kirchengut im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde aufgegriffen <strong>und</strong> weiterentwickelt. Während<br />

rechtliche Problemkreise in den Hintergr<strong>und</strong> gerieten, wandte sich die<br />

Forschung einer genaueren Analyse des geschichtlichen Verlaufs, der Frage,<br />

welche verschiedenen Positionen Einfluss darauf hatten, <strong>und</strong> den gesellschaftlichen<br />

<strong>und</strong> kulturellen Zusammenhängen zu. Darin ist zugleich der Wert dieser<br />

Forschungsarbeit zu sehen. Die Bedeutung der theologischen Veränderungen<br />

durch die reformatorische Bewegung wurde in diesem Zusammenhang zwar<br />

eingeräumt, eine detaillierte Darstellung, die sich auf Quellen aus dem Kontext<br />

des Stiftungswesens stützte, fehlte jedoch nach wie vor. 22<br />

Die sozial- <strong>und</strong> kulturgeschichtliche Stiftungsforschung zum 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

widmete sich in der Regel differenzierten Fragestellungen, wie zum Beispiel dem<br />

Problem der Dauerhaftigkeit der <strong>Stiftungen</strong>. Unter diesem Blickwinkel erschienen<br />

die reformatorischen Veränderungen als Umbruch im Stiftungswesen,<br />

nachdem inderen Folge Messstiftungen umgewidmet <strong>und</strong> das Sozialwesen<br />

transformiert wurde. Die weltliche Obrigkeit konnte einen Machtzuwachs im<br />

Stiftungswesen verzeichnen. 23 Ein weiteres Interesse der sozial- <strong>und</strong> kulturgeschichtlichenStiftungsforschung<br />

bestand in der Beziehung zwischen <strong>Stiftungen</strong><br />

<strong>und</strong> den Todes- <strong>und</strong> Jenseitsvorstellungen bestimmter Kulturen oder Epochen. 24<br />

Die Frage, ob <strong>und</strong> in welcher Form eine postmortale Existenz erwartet wurde,<br />

21<br />

Etwa Dietrich Kratsch anhand vierer Klosterprozesse am Reichskammergericht (vgl.<br />

Dietrich Kratsch, Justiz – Religion – Politik. Das Reichskammergericht <strong>und</strong> die Klosterprozesse<br />

im ausgehenden sechzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert, Tübingen 1990) <strong>und</strong> Wolfgang Friedrich<br />

anhand der hessischen Klöster <strong>und</strong> Hospitäler (vgl. Wolfgang Friedrich, VomKloster zum<br />

Hospital. Rechtsgr<strong>und</strong>lagen geistlicher <strong>Stiftungen</strong> in Hessen vor <strong>und</strong> nach der <strong>Reformation</strong>,<br />

in: Arnd Friedrich/Fritz Heinrich/Christina Vanja [Hgg.], Das Hospital am Beginn der<br />

Neuzeit. Soziale Reform in Hessen im Spiegel europäischer Kulturgeschichte. Zum<br />

500. Geburtstag Landgraf Philipps des Großmütigen, Petersberg 2004, 63–77).<br />

22<br />

Vgl. Tillmann Lohse, 18. Kritik, Reform <strong>und</strong> Aufhebung 2. Lateinische Christen, in:<br />

Michael Borgolte (Hg.), Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften<br />

3. Stiftung <strong>und</strong> Gesellschaft, Berlin/Boston 2017, 348–359.<br />

23<br />

Vgl. Benjamin Scheller, Memoria, Caritas <strong>und</strong> das Problem der Dauer. Wahlverwandtschaften<br />

zwischen den <strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong> der Kirche im Mittelalter, in: Ansgar Hense/Martin<br />

Schulte (Hgg.), Kirchliches Stiftungswesen <strong>und</strong> Stiftungsrecht im Wandel, Berlin 2009, 19–<br />

37; Lohse, Dauer, 200.<br />

24<br />

Vgl. Borgolte, Die <strong>Stiftungen</strong> des Mittelalters, 8–10.


18 I. Einleitung<br />

hatte Einfluss auf das Stiftungsverhalten. 25 Die Todes-<strong>und</strong> Jenseitsvorstellungen<br />

wurzelten dabei in den religiösen Überzeugungen. Kam es zu einem Wandel<br />

dieser Überzeugungen – wie etwa infolge der reformatorischen Veränderungen –,<br />

hatte dies Auswirkungen auf das Stiftungswesen.<br />

Andere Abhandlungen beschäftigten sich näher mit bestimmten Stiftungsarten,<br />

etwa Spitalstiftungen. Auch in diesem Zusammenhang wurde die transformierende<br />

Rolle der reformatorischen Veränderungen beschrieben. 26 Mit Blick<br />

auf die Stipendienstiftungen kam Sabine Holtz jedoch zu dem Ergebnis, dass<br />

diese <strong>Stiftungen</strong> kaum von konfessionellen Gegensätzen, sondern vielmehr von<br />

konfessionsübergreifenden Aspekten geprägt gewesen seien. 27 Ob <strong>und</strong> inwiefern<br />

die verschiedenen Ergebnisse in kirchengeschichtlicher Hinsicht zu verifizieren<br />

sind, wird im Verlauf der vorliegenden Untersuchung zu klären sein.<br />

Gelegentlich hoben Studien einzelne Stifterinnen- <strong>und</strong> Stiftergruppen –<br />

insbesondere Witwen – hervor. Das Interesse richtete sich in diesem Zusammenhang<br />

vor allem auf die Frage nach einem geschlechterspezifischen Stiftungsverhalten.<br />

Britta-Juliane Kruse kam in ihrer Forschungsarbeit zu Witwen<br />

aus Braunschweig <strong>und</strong> Nürnberg zu dem Ergebnis, dass sich kaum Unterschiede<br />

zwischen Stifterinnen <strong>und</strong> Stiftern feststellen ließen. 28 Hinsichtlich möglicher<br />

theologischer Differenzen kommt die vorliegende Arbeit zum selben Schluss.<br />

Indem die Forschung anhand von beispielhaften <strong>Stiftungen</strong> Ergebnisse erarbeitete,<br />

nahm sie zugleich eine Eingrenzung auf bestimmte Orte vor, etwa<br />

Forchheim <strong>und</strong> Weismain, 29 Strals<strong>und</strong>, 30 Münster, 31 Memmingen, 32 Lübeck <strong>und</strong><br />

25<br />

Vgl. Michael Viktor Schwarz, Vorwort, in: Wilhelm Maier/Wolfgang Schmid/Michael<br />

Viktor Schwarz (Hgg.), Grabmäler. Tendenzen der Forschung an Beispielen aus Mittelalter<br />

<strong>und</strong> früher Neuzeit, Berlin 2000, 7–10.<br />

26<br />

Vgl. Ulrich Knefelkamp, Materielle Kultur <strong>und</strong> religiöse Stiftung in Spätmittelalter <strong>und</strong><br />

<strong>Reformation</strong>szeit. Das Beispiel des Spitals, in: Gerhard Jaritz (Red.), Materielle Kultur <strong>und</strong><br />

religiöse Stiftung im Spätmittelalter. Internationales Ro<strong>und</strong>-Table-Gespräch. Krems an der<br />

Donau. 26. September 1988, Wien 2 1997,95–108; vgl. auch ders., Das Heilig-Geist-Spital in<br />

Nürnberg vom 14.–17. Jahrh<strong>und</strong>ert. Geschichte, Struktur, Alltag, Nürnberg 1989.<br />

27<br />

Vgl. Sabine Holtz, Universität <strong>und</strong> Studienstiftung in der Frühen Neuzeit. Ein konfessioneller<br />

Vergleich, in: RoJKG 29 (2010), 87–106.<br />

28<br />

Vgl. Britta-Juliane Kruse, Witwen als Stifterinnen in deutschen Städten der Frühen<br />

Neuzeit, in: Ariadne – Forum für Frauen- <strong>und</strong> Geschlechtergeschichte 42 (2002), 16–23; dies.,<br />

Witwen. Kulturgeschichte eines Standes in Spätmittelalter <strong>und</strong> Früher Neuzeit, Berlin 2007,<br />

461–478.<br />

29<br />

Vgl. Marlene Besold-Backm<strong>und</strong>, <strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong> Stiftungswirklichkeit. Studien zur Sozialgeschichte<br />

der beiden oberfränkischen Kleinstädte Forchheim <strong>und</strong> Weismain, Neustadt<br />

a. d. Aisch 1986.<br />

30<br />

Vgl. Johannes Schildhauer, Hansestädtischer Alltag. Untersuchungen auf der Gr<strong>und</strong>lage<br />

der Strals<strong>und</strong>er Bürgertestamente vom Anfang des 14. bis zum Ausgang des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />

Weimar 1992, 39–41.


2. Stiftungsforschung 19<br />

Köln, 33 Geislingen, 34 Zittau, 35 Frankfurt, 36 Nürnberg 37 <strong>und</strong>Ulm. 38 Der Raum, der<br />

dem Stiftungswesen im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert in diesen Darstellungen eingeräumt<br />

wurde, variierte in seiner Länge von einer knappen Zusammenfassung bis hin zu<br />

31<br />

Vgl. Ralf Klötzer, Kleiden, Speisen, Beherbergen. Armenfürsorge <strong>und</strong> soziale <strong>Stiftungen</strong><br />

in Münster im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert (1535–1588), Münster 1997; ders., Den Armen die Not<br />

wenden. Soziale <strong>Stiftungen</strong> in Münster (1500–1800), in: RoJKG 29 (2010), 73–86; Franz-Josef<br />

Jakobi/Hannes Lambacher/Jens Metzdorf/Ulrich Winzer (Hgg.), <strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong> Armenfürsorge<br />

in Münster vor 1800, Münster 1996.<br />

32<br />

Vgl. Benjamin Scheller, Damit dannocht etwas umb das gelt <strong>und</strong> des stifters willen<br />

beschech … Der Streit um den Stiftungsvollzug der Vöhlinschen Prädikatur bei St. Martin in<br />

Memmingen nach der <strong>Reformation</strong> (1526–1543), in: Michael Borgolte (Hg.), <strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong><br />

Stiftungswirklichkeiten. VomMittelalter bis zur Gegenwart, Berlin 2000, 257–278.<br />

33<br />

Vgl. August-Wilhelm Eßmann, VomEigennutz zum Gemeinnutz. Gemeine, fromme <strong>und</strong><br />

milde Legate von Lübecker <strong>und</strong> Kölner Bürgern des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts im Spiegel ihrer Testamente,<br />

Lübeck 2007.<br />

34<br />

Vgl. Eugen Trostel, Das Kirchengut im Ulmer Territorium. Eine Untersuchung der<br />

Verhältnisse vor <strong>und</strong> nach der <strong>Reformation</strong>, Ulm 1976. Die Untersuchung streiftdabei knapp<br />

den Umgang mit dem Kirchengut in Ulm (S. 121).<br />

35<br />

Vgl. Petr Hrachovec, Die Zittauer <strong>und</strong> ihre Kirchen (1300–1600). Zum Wandel religiöser<br />

<strong>Stiftungen</strong> während der <strong>Reformation</strong>, Leipzig 2019.<br />

36<br />

Vgl. Hans-Otto Schembs, »Die Hungernden speisen …«. Die mildtätigen <strong>Stiftungen</strong> in<br />

Frankfurt am Main von 1200 bis heute. Broschüre zur gleichnamigen Ausstellung 1994,<br />

Frankfurt a. M. 1994.<br />

37<br />

Vgl. Bernhard Ebneth, Stipendienstiftungen in Nürnberg. Eine historische Studie zum<br />

Funktionszusammenhang der Ausbildungsförderung für Studenten am Beispiel einer<br />

Großstadt (15.–20. Jahrh<strong>und</strong>ert), Nürnberg 1994; ders., Stipendienstiftungen in Bayern – Zur<br />

Geschichte der Studienförderung für Studierende der evangelisch-lutherischen Theologie<br />

vom 16. bis 21. Jahrh<strong>und</strong>ert, in: Udo Hahn/Thomas Kreuzer/Susanne Schenk/Gury<br />

Schneider-Ludorff (Hgg.), Geben <strong>und</strong> Gestalten. Brauchen wir eine neue Kultur der Gabe?,<br />

Berlin 2008, 91–105; Fleischmann, <strong>Stiftungen</strong>, 95–132; Michael Diefenbacher, Das Nürnberger<br />

Stiftungswesen – Ein Überblick, in: Die Mitteilungen des Vereins für Geschichte der<br />

Stadt Nürnberg 91 (2004), 1–34; Johann Winkler, Der Güterbesitz der Nürnberger Kirchenstiftungen<br />

unter der Verwaltung des Landalmosenamtes im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert, in: Die<br />

Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 47 (1956), 160–296. Ein<br />

knapper Einblick in das Nürnberger Stiftungswesen aus rechtshistorischer Perspektive<br />

findet sich bei Peter Fries, Das Nürnberger Stiftungswesen vom Ende der reichsstädtischen<br />

Zeit bis zur Verwaltung der <strong>Stiftungen</strong> durch den Magistrat, etwa 1795 bis 1820, Erlangen/<br />

Nürnberg 1964, 24–28.<br />

38<br />

Vgl. Michael Wettengel, Zur Geschichte der <strong>Stiftungen</strong> in Ulm, in: Ulmer Bürger Stiftung<br />

(Hg.), Handbuch Ulmer <strong>Stiftungen</strong>, Ulm 2004, 19–23; Gudrun Litz, Beispiele aus dem Ulmer<br />

Stiftungswesen des Mittelalters <strong>und</strong> der Frühen Neuzeit, in: Udo Hahn/Thomas Kreuzer/<br />

Susanne Schenk/Gury Schneider-Ludorff (Hgg.), Geben <strong>und</strong> Gestalten. Brauchen wir eine<br />

neue Kultur der Gabe?, Berlin 2008, 72–75.


20 I. Einleitung<br />

einer breiten Besprechung. Eines gilt jedoch für alle Abhandlungen: Die sozial<strong>und</strong><br />

kulturwissenschaftlichen Stiftungsforschungen erkannten zwar die Relevanz<br />

religiöser <strong>und</strong> theologischer Faktoren im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert, stellten diese<br />

jedoch in vereinfachter Form dar oder leiteten aus einer allgemeinen, nicht differenzierten<br />

Sicht »der reformatorischen Theologie« deren Auswirkungen auf das<br />

Stiftungswesen ab. 39 Religiöse Motive <strong>und</strong> Stiftungsmotivationen wurden nicht<br />

oder oberflächlich erfasst. Das Stiftungswesen des 16. Jahrh<strong>und</strong>erts kann jedoch<br />

nicht ohne einen näheren Blick auf diese Aspekte verstanden werden, was eine<br />

genauere Untersuchung aus kirchengeschichtlicher Perspektive notwendig<br />

macht. 40<br />

3. <strong>Stiftungen</strong> im Mittelalter<br />

Vonden <strong>Stiftungen</strong> des Mittelalters hin zu den <strong>Stiftungen</strong> des 16. <strong>und</strong> frühen<br />

17. Jahrh<strong>und</strong>erts lassen sich einerseits Kontinuitäten, andererseits Diskontinuitäten<br />

feststellen. In jedem Fall aber bildet das mittelalterlicheStiftungswesen<br />

den Ausgangspunkt dafür, die Stiftungskultur im 16. <strong>und</strong> frühen 17.Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

zu verstehen. Daher gründet diese Studie auf der Forschung zum mittelalterlichen<br />

Stiftungswesen.<br />

Wie <strong>Stiftungen</strong> im Allgemeinen wurden auch mittelalterliche <strong>Stiftungen</strong><br />

weitgehend »dadurch errichtet, daß der Initiator ein größeres Vermögen zur<br />

Verfügung stellte – meist Landbesitz oder sonstige Immobilien –, das auf Dauer<br />

für sich bestehen, also nie in den Besitz eines Dritten übergehen sollte. Die Erträge<br />

oder Zinsen des Besitztums sollten bestimmten Personen <strong>und</strong> Personengruppen<br />

zufallen, die für ihre wirtschaftl. Förderung zum Stiftergedenken verpflichtet<br />

waren.[…]Vorauszusetzen war eineRechtsordnung, die den Bestand der<br />

Stiftung garantierte.« 41<br />

Das Spezifische an den <strong>Stiftungen</strong> des Mittelalters war ihreVerknüpfung mit<br />

theologischen Überzeugungen. Eine Unterscheidung in weltliche <strong>und</strong> religiöse<br />

<strong>Stiftungen</strong> geht an der Lebenswirklichkeit der mittelalterlichen Stifterinnen<strong>und</strong><br />

39<br />

Gleiches gilt für die sozial- <strong>und</strong> kulturwissenschaftliche Forschung zu den mittelalterlichen<br />

<strong>Stiftungen</strong>, wie die Monographie Tillmann Lohses von 2016 symptomatisch belegt.<br />

Darin untersucht Lohse das mittelalterliche Stiftungswesen unter einer Vielzahl von Perspektiven<br />

– nicht aber die Stiftungsmotivationen (vgl. Tillmann Lohse, <strong>Stiftungen</strong> im Okzident,<br />

ca. 500 bis 1500, Berlin 2016; vgl. auch Borgolte, Kirche, 121f.).<br />

40<br />

Zur Bedeutung der Kirchengeschichte für die Geschichtswissenschaftvgl. Volker Leppin,<br />

Auf der Grenze – auf einem weiten Raum. Kirchengeschichte interdisziplinär <strong>und</strong> ökumenisch,<br />

in: Bernd Jaspert (Hg.), Kirchengeschichte als Wissenschaft, Münster 2013, 107.110 f.<br />

41<br />

Vgl. Michael Borgolte, Art. Stiftung I. Abendländischer Westen, in: LMA 7(2003), 178f.


3. <strong>Stiftungen</strong> im Mittelalter 21<br />

Stifter vorbei. 42 Eine zentrale Motivation zur Stiftung bestand in der Angst vor<br />

dem Jüngsten Gericht. Durch die Stiftung meinten die Stifterinnen <strong>und</strong> Stifter,<br />

einen Beitrag zu ihrer Seligkeit leisten zu können <strong>und</strong> ihrer Rechtfertigung<br />

Genüge zu tun. Schon im Verlauf des antiken Christentums hatte sich diese<br />

Überzeugung zunehmend zum zentralen Motiv entwickelt, Almosengaben zu<br />

begründen. Um 600 »war aus dem Reichtum für die Kirche <strong>und</strong> die Armen ein<br />

Reichtum für die Toten geworden«. 43 Eine Reihe mittelalterlicher Theologen rezipierte<br />

diese Ansicht. 44 In seiner Summa theologiae vertrat beispielsweise<br />

Thomas von Aquin den Standpunkt, Almosen – also auch <strong>Stiftungen</strong> – würden<br />

von Gott vergolten werden. 45 Nach Bonaventura hätten Barmherzigkeit <strong>und</strong> Al-<br />

42<br />

Vgl. Rosi Fuhrmann, Kirche <strong>und</strong> Dorf. Religiöse Bedürfnisse <strong>und</strong> kirchliche Stiftung auf<br />

dem Lande vor der <strong>Reformation</strong>, Stuttgart/Jena/New York 1995, 8.<br />

43<br />

Vgl. Peter Brown, Der Schatz im Himmel. Der Aufstieg des Christentums <strong>und</strong> der Untergang<br />

des römischen Reiches, Stuttgart 2 2018, 765. Die Frage nach dem Zusammenhang<br />

zwischen Almosen <strong>und</strong> Seligkeit hatte im antiken Christentum erst im Verlauf der Jahrh<strong>und</strong>erte<br />

vermehrt an Bedeutung gewonnen. Neben der Hoffnung, durch Almosen die Seligkeit<br />

zu erlangen, lassen sich weitere Motive beobachten, wie zum Beispiel die Sorge um die<br />

Bedürftigen selbst, wie sie etwa Johannes Chrysostomus betonte. Die Überlegungen zur<br />

christlichen Sozialfürsorge waren dabei von einem zentralen Konflikt bestimmt: Auf der<br />

einen Seite wurde Reichtum an sich bereits negativ gedeutet – als Raub an den Armen – <strong>und</strong><br />

auf die menschliche Habgier zurückgeführt, welche auf dem freien <strong>Will</strong>en beruhen würde.<br />

Daraus resultierte die Verpflichtung, seinen ganzen Besitz zu verschenken. Auf der anderen<br />

Seite wurde Reichtum als Geschenk Gottes interpretiert, welches auf die richtige Art <strong>und</strong><br />

Weise verwendet werden sollte – als regelmäßige Gabe an die Bedürftigen. Dieser Konflikt<br />

lässt sich beispielhaft anhand des sogenannten Pelagianischen Streits nachzeichnen. Während<br />

Anhänger des Pelagius – insbesondere in der Schrift De divitiis von circa 408–414 – den<br />

ersten Standpunkt vertraten, zeigte sich Augustin als Vertreter der zweiten Möglichkeit. Er<br />

verneinte die Überzeugung seiner Gegner, dass ein Mensch von sich aus sündlos leben<br />

könne, <strong>und</strong> hob stattdessen die Notwendigkeit, täglich für die Vergebung der Sünden zu<br />

bitten, hervor (vgl. Brown, Schatz, 147–157.325–332.356–360.435–439.461–476.515–<br />

520.529–542.544–549.604–609.639–642.672 f.743–757; Krause, Art. Eleemosyna, 758–<br />

762; vgl. die Bewertung des Reichtums durch Clemens Alexandrinus, vgl. Jörg Ulrich, Clemens<br />

Alexandrinus’ »Quis dives salvetur« als Paradigma für die Beurteilung von Reichtum<br />

<strong>und</strong> Geld in der Alten Kirche, in: JBTh 21 [2006], 216–218).<br />

44<br />

Michael Basse (Hg.), Summa theologica Halensis: De legibus et praeceptis. Lateinischer<br />

Text mit Übersetzung <strong>und</strong> Kommentar III, Berlin/Boston 2018, 2178f.; vgl. Johann Nepomuk<br />

Foerstl, Das Almosen. Eine Untersuchung über die Gr<strong>und</strong>sätze der Armenfürsorge in Mittelalter<br />

<strong>und</strong> Gegenwart, Paderborn 1909, 23–31.<br />

45<br />

Thomas von Aquin, Summe der Theologie. Zusammengefaßt, eingeleitet <strong>und</strong> erläutert<br />

von Joseph Bernhart. Zweiter Band. Die sittliche Weltordnung, Stuttgart 3 1954, 231; vgl. auch<br />

Thomas von Aquin, Catena auea. Kommentar zu den Evangelien im Jahreskreis. Herausgegeben<br />

von Marianne Schlosser, Florian Kolbinger, Andreas <strong>und</strong> Gerhard Schmidt, Gudrun


22 I. Einleitung<br />

mosen einen »dreifachen Nutzen«: Sie befreiten von der Sünde, mehrten die<br />

geistlichen Güter <strong>und</strong> segneten den Gebenden. 46 <strong>Stiftungen</strong> bedeuteten religiöse<br />

Entlastung. 47 Die Stifterinnen <strong>und</strong> Stifter hatten die Absicht, »zeitliche[…] Güter<br />

gegen die himmlischeneinzutauschen«, wie es der Stifter des NürnbergerHeilig-<br />

Geist-Spitals 1339 formulierte. 48 Groß griff auf merkantile Begriffe zurück, um<br />

die Vorstellung zum Ausdruck zu bringen, mit Gott einen Handel über die Seligkeit<br />

abschließen zu können. Durchdie Sprache wurde der Inhalt verbalisiert. 49<br />

Nassauer, St. Ottilien 2012, 320. Die Dimension der göttlichen Belohnung würde dabei die<br />

Dimension des Almosens übertreffen (Thomas von Aquin, Catena, 213). Nach Thomas würde<br />

Gott dem Menschen durch die Taufe seine Gnade <strong>und</strong> damit die Möglichkeit schenken, gute<br />

Werke für seine Seligkeit vollbringen zu können (vgl. Volker Leppin, Thomas von Aquin,<br />

Münster 2009, 79; Berndt Hamm, Augustins Auffassung von der Unmittelbarkeit des göttlichen<br />

Gnadenwirkens <strong>und</strong> die reformatorische Medialitätsproblematik, in: Johanna Haberer/<br />

Berndt Hamm [Hgg.], Medialität, Unmittelbarkeit, Präsenz. Die Nähe des Heils im Verständnis<br />

der <strong>Reformation</strong>, Tübingen 2012, 51–55).<br />

46<br />

Dabei griff Bonaventura auf merkantile Sprache zurück, insbesondere auf Zitate aus Dan<br />

4,24 <strong>und</strong> Prov 19,17, umden Nutzen der Barmherzigkeit <strong>und</strong> der Almosen zu beschreiben<br />

(Bonaventura, Lehrer der Weisheit. Auswahl aus seinen Werken. Herausgegeben von Marianne<br />

Schlosser mit Beiträgen von Johannes Schneider OFM, Florian Mair OFM <strong>und</strong> Florian<br />

Kolbinger, St. Ottilien 2017, 364–366).<br />

47<br />

Vgl. Arnold Angenendt, Geschichte der Religiosität im Mittelalter, Darmstadt 2 2000,<br />

581–584; ders., Missa specialis. Zugleich ein Beitrag zur Entstehung der Privatmessen, in:<br />

FMSt 17 (1983), 153–221, bes. 212–216; Berndt Hamm, Wollen <strong>und</strong> Nicht-Können als Thema<br />

der spätmittelalterlichen Bußseelsorge, in: Ders./Thomas Lentes (Hgg.), Spätmittelalterliche<br />

Frömmigkeit zwischen Ideal <strong>und</strong> Praxis, Tübingen 2001, 122–127; ders., Ablass <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>.<br />

Erstaunliche Kohärenzen, Tübingen 2016, 161–164.171; ders., Das Evangelium<br />

des Ablasses <strong>und</strong> das Evangelium der <strong>Reformation</strong>: die Geschichte einer erstaunlichen Kohärenz,<br />

in: Andreas Rehberg (Hg.), Ablasskampagnen des Spätmittelalters. Luthers Thesen<br />

von 1517 im Kontext, Berlin/Boston 2017,511f.; Bernd Moeller, Frömmigkeit in Deutschland<br />

um 1500, in: Ders., Die <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> das Mittelalter. Kirchenhistorische Aufsätze. Herausgegeben<br />

von Johannes Schilling, Göttingen 1991, 75–78; Lohse, <strong>Stiftungen</strong>, 59–64;<br />

Foerstl, Almosen, 23. Allerdings lässt sich diese Überzeugung auch in anderen Kulturen <strong>und</strong><br />

Epochen beobachten <strong>und</strong> kann nicht als Alleinstellungsmerkmal mittelalterlicher <strong>Stiftungen</strong><br />

in Europa gelten (vgl. Michael Borgolte, <strong>Stiftungen</strong> »für das Seelenheil« – ein weltgeschichtlicher<br />

Sonderfall?, in: ZfG 63,12 [2015], 1039–1056). Almosengaben insgesamt sind<br />

kulturübergreifend nachweisbar (vgl. Brown, Schatz, 112–115).<br />

48<br />

Georg Löhlein, Die Gründungsurk<strong>und</strong>e des Nürnberger Heilig-Geistspitals von 1339, in:<br />

Die Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 52 (1963/64), 67f.<br />

49<br />

Vgl. Berndt Hamm, Den Himmel kaufen. Heilskommerzielle Perspektiven des 14. bis<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>erts, in: JBTh 21 (2006), 239–275; ders., I.7 Theologie <strong>und</strong> Frömmigkeit im<br />

ausgehenden Mittelalter, in: Gerhard Müller/Horst Weigelt/Wolfgang Zorn (Hgg.), Handbuch<br />

der Geschichte der evangelischen Kirche in Bayern 1. Vonden Anfängen des Christentums bis


3. <strong>Stiftungen</strong> im Mittelalter 23<br />

Die Interpretation der <strong>Stiftungen</strong> als Beitrag zur Seligkeit lässt sich in diejenige<br />

spätmittelalterliche Frömmigkeit einordnen, welche die Religiosität als<br />

quantifizierbar <strong>und</strong> damit berechenbarverstand. 50 Wieder Beitrag der <strong>Stiftungen</strong><br />

zur Seligkeit im Einzelnen gedacht wurde, stellte sich erst durch die kirchengeschichtliche<br />

Perspektive heraus: Bereits die Stiftung selbst galt als verdienstvolle<br />

Tat. Darüber hinaus würden die liturgische Memoria sowie die Fürbitten<br />

der Stiftungsempfänger ihren Teil zur Rechtfertigung der Stifterin oder des<br />

Stifters beitragen. 51 Eine Präzisierung der Gr<strong>und</strong>these, dass <strong>Stiftungen</strong> einen<br />

Anteil an der Seligkeit erwirken könnten – etwa durch Beobachtung regionaler<br />

Unterschiede oder die Beschreibung einer Transformation 52 in temporaler Hinsicht<br />

–,wurde in der Stiftungsforschung bislang nicht vorgenommen. Zahlreiche<br />

mittelalterliche Theologen hattenimKontext der Frage nach dem Almosengeben<br />

auf die Bedeutung der inneren Einstellung hingewiesen. 53 Ob die mittelalterlizum<br />

Ende des 18. Jahrh<strong>und</strong>erts, St. Ottilien 2002, 206–209. Einen vergleichbaren Standpunkt<br />

vertrat beispielsweise Thomas von Aquin (vgl. Foerstl, Almosen, 23). Bereits im antiken<br />

Christentum lässt sich der Rückgriff auf merkantile Sprache in diesem Kontext beobachten.<br />

Gr<strong>und</strong>legend war dabei die Überzeugung, dass eine irdische Gabe im Jenseits<br />

vervielfacht zurückgezahlt würde (vgl. Brown, Schatz, 149–151).<br />

50<br />

Vgl. Volker Leppin, Die fremde <strong>Reformation</strong>. Luthers mystische Wurzeln, München 2016,<br />

27 f.; Berndt Hamm, Die Dynamik von Barmherzigkeit, Gnade <strong>und</strong> Schutz in der vorreformatorischen<br />

Religiosität, in: LuJ 81 (2014), 97–100; Thomas Kaufmann, Die Sinn- <strong>und</strong><br />

Leiblichkeit der Heilsaneignung im späten Mittelalter <strong>und</strong> in der <strong>Reformation</strong>, in: Johanna<br />

Haberer/Berndt Hamm (Hgg.), Medialität, Unmittelbarkeit, Präsenz. Die Nähe des Heils im<br />

Verständnis der <strong>Reformation</strong>, Tübingen 2012, 14 f.19–21.<br />

51<br />

Vgl. Berndt Hamm, »Zeitliche Güter gegen himmlische tauschen« – VomSinn spätmittelalterlicher<br />

<strong>Stiftungen</strong>, in: Udo Hahn/Thomas Kreuzer/Susanne Schenk/Gury Schneider-<br />

Ludorff (Hgg.), Geben <strong>und</strong> Gestalten. Brauchen wir eine neue Kultur der Gabe?, 56. Auf die<br />

Bedeutung des Almosens als verdienstvolles Werk sowie der Fürbitten durch die Bedürftigen<br />

hatte beispielsweise Thomas von Aquin hingewiesen (vgl. Foerstl, Almosen, 23).<br />

52<br />

Zur Verwendung des Transformationsbegriffs für die Veränderungen im Stiftungswesen<br />

im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert vgl. S. 198.<br />

53<br />

Thomas von Aquin vertrat die Ansicht, dass ein Almosen aus Nächstenliebe <strong>und</strong><br />

Barmherzigkeit, also aus Mitleid mit den Bedürftigen, gegeben werden sollte. Indem sich der<br />

Almosenspender in die Lage der Bedürftigen hineinversetzte, würde er von Mitleid erfasst<br />

werden (Thomas von Aquin, Summe der Theologie. Zusammengefaßt, eingeleitet <strong>und</strong> erläutert<br />

von Joseph Bernhart. Dritter Band. Der Mensch <strong>und</strong> das Heil, Stuttgart 2 1954, 151.161;<br />

vgl. Foerstl, Almosen, 31–39; Andreas Keck, Das philosophische Motiv der Fürsorge im<br />

Wandel. VomAlmosen bei Thomas von Aquin zu Juan Luis Vives’ De subventione pauperum,<br />

Würzburg 2010, 66–70). Der Hinweis auf die Bedeutung der innerlichen Frömmigkeit kann<br />

aus gegenwärtiger Perspektive als Gegenposition zur Annahme der Quantifizierbarkeit der<br />

Religiosität verstanden werden. Das Spätmittelalter war von beiden Tendenzen geprägt.<br />

Gelegentlich lassen sich beide Traditionen in ein <strong>und</strong> derselben Quelle beobachten. Sie


24 I. Einleitung<br />

chen Stifterinnen <strong>und</strong> Stifter diese theologische Überzeugung rezipierten, stellt<br />

ein Forschungsdesiderat dar.<br />

Gr<strong>und</strong>legend für die Verbindung von <strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong> Seligkeit war die Erinnerung<br />

an die Stifterin oder den Stifter über deren oder dessen Todsowie über<br />

das individuelle Gedenken Einzelner hinaus – die Memoria. Mittelalterliche<br />

Memorialvorstellungen vereinten zwei Ebenen, eine religiöse <strong>und</strong> eine innerweltliche.<br />

Auf der religiösen Ebene wurde die Memoria durch liturgische<br />

Handlungen realisiert, in denen die Sünden der Stifterin oder des Stifters, aber<br />

auch die Hoffnung auf Vergebung der Sünden vergegenwärtigt wurden, etwa<br />

durch Anniversarien, Seelenmessen <strong>und</strong> Gebete, im Besonderen durch Fürbitten<br />

der Stiftungsempfänger. 54 Träger der liturgischen Memoria waren zumeist<br />

geistliche Gemeinschaften, vor allem Klöster. 55 Zudem war die Ansicht verbreitet,<br />

Bedürftige, die ihr Los klaglos ertrügen, würden von Gott vergleichsweise mehr<br />

geliebt <strong>und</strong> könnten so durch ihre Fürsprache einegrößere Wirkung erzielen. Die<br />

Bittenden könntendurchdie Fürbitte für eineStifterin oder einen Stifter zugleich<br />

einen Beitrag zu ihrer eigenen Sündentilgung erlangen, sodass den möglicherwurden<br />

im Spätmittelalter also nicht unbedingt als Gegensätze angesehen (vgl. Volker<br />

Leppin, Theologie im Mittelalter, Leipzig 2007, 148–151.165 f.176–179; ders., Die fremde<br />

<strong>Reformation</strong>, 27 f.; ders., Spätmittelalterliche Wege der Immediatisierung <strong>und</strong> ihre Bedeutung<br />

für die reformatorische Entwicklung Martin Luthers, in: Johanna Haberer/Berndt Hamm<br />

[Hgg.], Medialität, Unmittelbarkeit, Präsenz. Die Nähe des Heils im Verständnis der <strong>Reformation</strong>,<br />

Tübingen 2012, 315–330; ders., Gradualismus <strong>und</strong> Immediatisierung in Meister<br />

Eckharts »Liber Benedictus«. Geistliche Begleitung im Horizont spätmittelalterlicher Frömmigkeit,<br />

in: Dorothea Greiner/Berndt Hamm/Klaus Raschzok/Manuel Ritter/Anna-Maria aus<br />

der Wiesche [Hgg.], Geistliche Begleitung in evangelischer Perspektive. Modelle <strong>und</strong> Personen<br />

der Kirchengeschichte, Leipzig 2013, 73–82; ders., Die Neuformierung des frühneuzeitlichen<br />

Staates durch <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> Konfessionalisierung, in: Hubert Wolf/Hans-Georg<br />

Wehling/Reinhold Weber [Hgg.],Staat <strong>und</strong> Kirche seit der <strong>Reformation</strong>, Stuttgart 2017,26f.;<br />

Hamm, Dynamik, 97–132; ders., Theologie, 189f.; Kaufmann, Sinn- <strong>und</strong> Leiblichkeit, 14 f.).<br />

Zur Pluralität von Theologie <strong>und</strong> Frömmigkeit im Spätmittelalter vgl. Hamm, Theologie, 160–<br />

211.<br />

54<br />

Im 14. Jahrh<strong>und</strong>ert, als die Pest <strong>und</strong> damit die Sterblichkeit einen Höhepunkt erlebte,<br />

nahmen insbesondere Memorialstiftungen in den Testamenten in erheblichem Maß zu (vgl.<br />

Joachim Wollasch, Hoffnungen der Menschen in der Zeit der Pest, in: HJ 110 [1990],36–43).<br />

55<br />

Bis zum 6. Jahrh<strong>und</strong>ert wurde gerade denjenigen Personen, die sich am deutlichsten von<br />

den Almosenspendern unterschieden, zugeschrieben, dass ihre Fürbitte die meiste Kraft<br />

entfalten könnte. Zunächst zählten die Bedürftigen, die Mönche, die Heiligen <strong>und</strong> die Priester<br />

zu diesem Kreis. Im 6. Jahrh<strong>und</strong>ert kristallisierte sich zunehmend eine Gruppe heraus: die<br />

Mönche. Infolgedessen lassen sich vermehrt Klostergründungen zum Zweck der Fürbitte<br />

durch die Mönche beobachten. In diesem Kontext erlangte gerade das Zölibat als wesentliches<br />

Unterscheidungsmerkmal zwischen Geistlichen <strong>und</strong> Laien <strong>und</strong> Bedingung der geistlichen<br />

Reinheit an Bedeutung (vgl. Brown, Schatz, 359.741–754).


3. <strong>Stiftungen</strong> im Mittelalter 25<br />

weise egoistisch erscheinenden Memorialstiftungen auch eine soziale Ebene<br />

zukam. 56<br />

Durch die Namensnennung im Kontext der Liturgie, insbesondere der Eucharistie,<br />

galt die Stifterin oder der Stifter nach gängiger Vorstellung als gegenwärtig.<br />

An Stelle der Namensnennung selbst konnte auch auf eine Aufzeichnung<br />

der Namen in sogenannten libri vitae oder Nekrologen verwiesen<br />

werden, um den Liturgen von der Aufzählung einer hohen Zahl an Namen zu<br />

entlasten. 57 Durch die Stiftung von Altären, Kapellen oder Kirchen war es einer<br />

Stifterin oder einem Stifter möglich, eine räumliche Kontinuität zwischen sich<br />

<strong>und</strong> ihrer oder seiner Memoria zu schaffen. 58 Auch der Begräbnisort stellte eine<br />

permanente Verbindung mit der oder dem Verstorbenen her <strong>und</strong> sollte zu individueller<br />

Memoria anregen. Für die liturgische Memoria bedurfte es allerdings<br />

56<br />

Ulrich Körtner/Martin Leutzsch (Hgg.), Papiasfragmente. Hirt des Hermas, Darmstadt<br />

1998, 248f.; vgl. Gerd Tellenbach, Erinnern <strong>und</strong> Vergessen. Geschichtsbewusstsein <strong>und</strong><br />

Geschichtswissenschaft, in: Saec. 46 (1995), 321–322.325; Hamm, Güter, 61; ders., Normierte<br />

Erinnerung. Jenseits- <strong>und</strong> Diesseitsorientierungen in der Memoria des 14. bis<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>erts, in: JBTh 22 (2007), 204.217; Karl Schlemmer, Gottesdienst <strong>und</strong> Frömmigkeit<br />

in der Reichsstadt Nürnberg am Vorabend der <strong>Reformation</strong>, Würzburg 1980, 288–<br />

293; Arnold Angenendt, Die große Zeit der schwarzen Mönche. Zur Bedeutung von Stiftung<br />

<strong>und</strong> Gebet, in: Petr Sommer (Hg.), Der heilige Prokop, Böhmen <strong>und</strong> Mitteleuropa. Internationales<br />

Symposium. Benešov – Sázava 24.–26. September 2003, Prag 2005, 27–34; ders.,<br />

Stiftung <strong>und</strong> Fürbitte, in: Gudrun Litz/Heidrun Munzert/Roland Liebenberg (Hgg.), Frömmigkeit<br />

– Theologie – Frömmigkeitstheologie. Contributions to European church history.<br />

Festschrift für Berndt Hamm zum 60. Geburtstag, Leiden/Boston 2005, 3–15; Otto Gerhard<br />

Oexle, Memoria in der Gesellschaft <strong>und</strong> in der Kultur des Mittelalters, in: Joachim Heinzle<br />

(Hg.), Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, Frankfurt a. M./Leipzig<br />

1994, 299; Scheller, Memoria, 21–24; Karl Schmid, <strong>Stiftungen</strong> für das Seelenheil, in: Ders.<br />

(Hg.), Gedächtnis, das Gemeinschaftstiftet, München/Zürich 1985, 67.Zur mittelalterlichen<br />

Memorialpraxis vgl. Arnold Angenendt, Die liturgische Memoria: Hilfe für das Fortleben im<br />

Jenseits, in: Rainer Berndt (Hg.), Wider das Vergessen <strong>und</strong> für das Seelenheil. Memoria <strong>und</strong><br />

Totengedenken im Mittelalter, Münster 2013, 199–223.<br />

57<br />

Vgl. Tillmann Lohse, 8. Gedenken <strong>und</strong> Kultur 2. Lateinische Christen, in: Michael Borgolte<br />

(Hg.), Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften 2. Das<br />

soziale System Stiftung, Berlin/Boston 2016, 92 f.; ders. <strong>Stiftungen</strong>, 64–75; Otto Gerhard<br />

Oexle, Memoria <strong>und</strong> Memorialüberlieferung im frühen Mittelalter, in: FMSt 10 (1976), 70–<br />

78; ders., Memoria in der Gesellschaft, 308; ders., Memoria als Kultur, in: Ders. (Hg.), Memoria<br />

als Kultur, Göttingen 1995, 38; Rainer Hugener, Buchführung für die Ewigkeit. Totengedenken,<br />

Verschriftlichung <strong>und</strong> Traditionsbildung im Spätmittelalter, Zürich 2014,<br />

111 f.<br />

58<br />

Vgl. Martial Staub, Memoria im Dienst von Gemeinwohl <strong>und</strong> Öffentlichkeit. Stiftungspraxis<br />

<strong>und</strong> kultureller Wandel in Nürnberg um 1500, in: Otto Gerhard Oexle (Hg.), Memoria<br />

als Kultur, Göttingen 1995, 304.


26 I. Einleitung<br />

keines Grabes. 59 Die räumliche Kontinuität, aber auch die Namensnennung <strong>und</strong><br />

bildliche Darstellungen bedingten dieGegenwart der verstorbenen Stifterin oder<br />

des toten Stifters in der Welt der Lebenden. Die Verstorbenen – so die Überzeugung<br />

– waren tatsächlich anwesend <strong>und</strong> konnten auf diese Weise als Person<br />

an der Liturgie partizipieren, die dadurch der Seligkeit der Verstorbenen zugute<br />

kam. 60<br />

Innerweltliche Memoria zielte demgegenüber auf die Erinnerung an die<br />

Stifterin oder den Stifter im Gedächtnis der Nachwelt. Weltliches Ansehen <strong>und</strong><br />

Ruhm nahmen hierbei eine zentrale Position ein. Durch die Stiftung konnten<br />

Stifterin oder Stifter ihren Reichtum, ihren Rang, ihr Kunstverständnis sowie ihre<br />

Freigebigkeit unter Beweis stellen. Als Medien irdischer Memoria kamen beispielsweise<br />

Stifterinschriften, Stifterbilder oder -skulpturen sowie Stiftererzählungen<br />

in Betracht. 61 Religiöse <strong>und</strong> innerweltliche Memoria waren im Mittelalter<br />

miteinander verwoben <strong>und</strong> verstärkten sich gegenseitig. 62<br />

Die jeweilige Gestaltung der Memoria beruhte ihrerseits auf den Todes- <strong>und</strong><br />

Jenseitserwartungen der Stifterinnen <strong>und</strong> Stifter. Im Laufe des Mittelalters hatten<br />

sich zwei gr<strong>und</strong>legende Modelle herausgebildet, die durchaus auch parallel anzutreffen<br />

waren: Auf der einen Seite ging man davon aus, mit dem Jüngsten<br />

59<br />

Vgl. Michael Viktor Schwarz, Image <strong>und</strong> Memoria: Statt einer Zusammenfassung, in:<br />

Wilhelm Maier/Wolfgang Schmid/Michael Viktor Schwarz (Hgg.), Grabmäler. Tendenzen der<br />

Forschung an Beispielen aus Mittelalter <strong>und</strong> früher Neuzeit, Berlin 2000, 178; Michael<br />

Borgolte, Das Grab in der Topographie der Erinnerung. Vomsozialen Gefüge des Totengedenkens<br />

im Christentum vor der Moderne, in: Tillmann Lohse (Hg.), Stiftung <strong>und</strong> Memoria,<br />

Berlin 2012, 298.<br />

60<br />

Vgl. Arnold Angenendt, Das Grab als Haus der Toten. Religionsgeschichtlich – christlich<br />

– mittelalterlich, in: Wilhelm Maier/Wolfgang Schmid/Michael Viktor Schwarz (Hgg.),<br />

Grabmäler. Tendenzen der Forschung an Beispielen aus Mittelalter <strong>und</strong> früher Neuzeit, Berlin<br />

2000, 11; Otto Gerhard Oexle, Die Gegenwart der Lebenden <strong>und</strong> der Toten. Gedanken über<br />

Memoria, in: Karl Schmid (Hg.), Gedächtnis, das Gemeinschaftstiftet, München/Zürich 1985,<br />

85; ders., Memoria <strong>und</strong> Memorialüberlieferung, 84; ders., Memoria in der Gesellschaft, 309.<br />

61<br />

Vgl. Tellenbach, Erinnern, 321–322.325; Tillmann Lohse, 7. Religiöses Verdienst <strong>und</strong><br />

weltliche Ambitionen 2. Lateinische Christen, in: Michael Borgolte (Hg.), Enzyklopädie des<br />

Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften 2. Das soziale System Stiftung, Berlin/<br />

Boston 2016, 31–34; ders., Gedenken, 97f.; ders., <strong>Stiftungen</strong>, 105–108; Hamm, Erinnerung,<br />

218–223.<br />

62<br />

Vgl. Berndt Hamm, Religiosität im späten Mittelalter. Spannungspole, Neuaufbrüche,<br />

Normierungen. Herausgegeben von Reinhold Friedrich <strong>und</strong> Wolfgang Simon, Tübingen 2011,<br />

350 f. Epitaphien – Gedenktafeln für Verstorbene – zeigen die Verstrickung von religiöser<br />

<strong>und</strong> irdischer Memoria besonders eindrücklich, indem sie die Stifterin oder den Stifter selbst<br />

abbilden, diese oder diesen jedoch in einen religiösen Kontext einbinden. Beispielsweise<br />

wurden Stifterinnen <strong>und</strong> Stifter nahe an Christus <strong>und</strong> damit in der Sphäre des Heiligen<br />

abgebildet (vgl. Hamm, Erinnerung, 221f.).


3. <strong>Stiftungen</strong> im Mittelalter 27<br />

Gericht sei erst am Weltende zurechnen. Auf der anderen Seite hatte sich die<br />

Überzeugung etabliert, direkt nach dem eigenen Tod müsse die oder der Verstorbene<br />

vor einem Individualgericht erscheinen. Letztere Vorstellung stand in<br />

Verbindung mit der Fegefeuerlehre. Während der Gedanke des Jüngsten Gerichts<br />

am Weltende ewig andauernde <strong>Stiftungen</strong> sinnvoll erscheinen ließ, um über einen<br />

langen Zeitraum hinweg auf die Sündenvergebung hinzuwirken, bezeugen<br />

die testamentarischen Verfügungen, die der Verkürzung des Aufenthalts der<br />

Seele im Fegefeuer dienen sollten <strong>und</strong> sich deshalb auf die Zeit direkt nach dem<br />

Todbezogen, die Angst vor Individualgericht <strong>und</strong> Fegefeuer. 63<br />

Die Kultusstiftungen, wie etwa Anniversarien oder Messen, beruhten nicht<br />

allein auf dem Motiv, die Memoria der Stifterin oder des Stifters zu gewährleisten.<br />

Sie waren gleichermaßen mit einer Förderung des allgemeinen Glaubensvollzugs<br />

verb<strong>und</strong>en, beispielsweise durch Kirchenstiftungen, Heiligenfeste oder durch<br />

Auflagen zur Beteiligung der Stiftungsempfänger an gottesdienstlichen Riten.<br />

Kirchenstiftungen beinhalteten neben der eigentlichen Errichtung des Gotteshauses<br />

zumeist dessen baulichen Unterhalt <strong>und</strong> die Finanzierung des geistlichen<br />

Personals durchPfründen.Ziel war es, den Gottesdienst quantitativ – durch eine<br />

größere Anzahl an Messfeiern – <strong>und</strong> qualitativ – etwa durch besondere Kultgegenstände<br />

wie liturgische Geräte <strong>und</strong> Gewänder oder die Ausschmückungdes<br />

Kirchenraums, beispielsweise durch besondere Kirchenfenster, Fresken oder<br />

Altäre – zu steigern. Der Kirchenschmuck <strong>und</strong> die Kultgegenstände waren oftmals<br />

mit dem Namen, dem Wappen oder dem Bildnis der Stifterin oder des<br />

Stifters versehen – zugunsten ihrer Memoria. 64<br />

63<br />

Vgl. Ralf Lusiardi, Fegefeuer <strong>und</strong> Weltengericht. Stiftungsverhalten <strong>und</strong> Jenseitsvorstellungen<br />

im spätmittelalterlichen Strals<strong>und</strong>, in: Michael Borgolte (Hg.), <strong>Stiftungen</strong> <strong>und</strong><br />

Stiftungswirklichkeiten. VomMittelalter bis zur Gegenwart, Berlin 2000, 106–109; ders.,<br />

Stiftung <strong>und</strong> Seelenheil in den monotheistischen Religionen des mittelalterlichen Europa.<br />

Eine komparative Problemskizze, in: Michael Borgolte (Hg.), <strong>Stiftungen</strong> in Christentum,<br />

Judentum <strong>und</strong> Islam vor der Moderne. Auf der Suche nach ihren Gemeinsamkeiten <strong>und</strong><br />

Unterschieden in religiösen Gr<strong>und</strong>lagen, praktischen Zwecken <strong>und</strong> historischen Transformationen,<br />

Berlin 2005, 48–55; Lohse, Verdienst, 29–31; Borgolte, Grab, 300 f.; Angenendt,<br />

Geschichte, 684–689.705–716. Zu den Darstellungsvarianten des Partikulargerichts vgl.<br />

Berndt Hamm, »Frömmigkeitsbilder« <strong>und</strong> Partikulargericht vom 14. bis zum frühen<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>ert, in: Hans-Christoph Dittscheid/Doris Gerstl/Simone Hespers (Hgg.), Kunst-<br />

Kontexte. Festschrift für Heidrun Stein-Kecks, Petersberg 2016, 135–145.<br />

64<br />

Vgl. Lohse, Gedenken, 91 f.98–104; Schlemmer, Gottesdienst, 294–302; Gerhard Jaritz,<br />

Seelenheil <strong>und</strong> Sachkultur. Gedanken zur Beziehung Mensch – Objekt im späten Mittelalter,<br />

in: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hg.), Europäische Sachkultur des Mittelalters.<br />

Gedenkschrift aus Anlaß des zehnjährigen Bestehens des Instituts für Mittelalterliche<br />

Realienk<strong>und</strong>e Österreichs, Wien 1980, 64–71; Gudrun Litz, Bekenntnis zur <strong>Reformation</strong>,<br />

in: Michael Wettengel/Gebhard Weig (Hgg.], StadtMenschen. 1150 Jahre Ulm: Die<br />

Stadt <strong>und</strong> ihre Menschen, Ulm 2004, 84 f.


II. Die Transformation des<br />

Stiftungswesens in den<br />

ReichsstFdten N=rnberg <strong>und</strong> Ulm<br />

im 16. <strong>und</strong> im fr=hen<br />

17. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

1. Das N=rnberger Stiftungswesen <strong>und</strong> die<br />

mittelalterlichen Messstiftungen (1522 bis 1526)<br />

1.1 Erste VerFnderungen in N=rnberg (1522 bis 1525)<br />

Zahlreiche Kirchen <strong>und</strong> Klöster prägten das Leben in der Reichsstadt Nürnberg<br />

an der Schwelle zum 16. Jahrh<strong>und</strong>ert. Dadurch traten Frömmigkeit <strong>und</strong> Kirchlichkeit<br />

in besonders verdichteter Form zu Tage. Der Heilige Sebald hatte als<br />

Stadtpatron Nürnbergs einen besonderen Stellenwert. Eine der beiden Hauptkirchen<br />

der Reichsstadt trug seinen Namen. Der jeweilige Bischof von Bamberg<br />

fungierte als geistliches Oberhaupt der Reichsstadt. 1 Um 1500lebten in Nürnberg<br />

ca. 400 Geistliche. Sie wurden durch vielfältige spätmittelalterliche Messstiftungen<br />

– ein Resultat der intensiven Angst um die eigene Seligkeit – sowie die<br />

Klöster getragen. 2 Seit dem Spätmittelalter lässt sich eine Tendenz zur Kommunalisierung<br />

der kirchlichen Hierarchie beobachten. Das städtische Bürgertum<br />

– insbesondere verkörpert durch den NürnbergerRat – sah sich zunehmend<br />

in der Verantwortung für die kirchlichen Angelegenheiten <strong>und</strong> konnte bis zur<br />

1<br />

Vgl. Johannes Friedrich/Theo Kellerer, Art. Kirchen <strong>und</strong> kirchliches Leben, in: Michael<br />

Diefenbacher/Rudolf Endres (Hgg.), Stadtlexikon Nürnberg, Nürnberg 2 2000, 536; Hamm,<br />

Bürgertum, 63–68. Die Reichsstadt Nürnberg lag auf dem Gebiet des Bistums Bamberg <strong>und</strong><br />

stellte um 1500 circa ein Drittel aller Bewohner des Bistums (vgl. Alfred Wendehorst, Art.<br />

Bamberg [Bistum, Hochstift, Erzbistum], in: Stadtlexikon Nürnberg).<br />

2<br />

Die Messstiftungen bestanden in Jahrtagen <strong>und</strong> Altarpfründen, die zur Finanzierung der<br />

Geistlichen mit Immobilien, Kapital oder Naturalien versehen wurden. Mitte des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

ließ sich allerdings ein Rückgang der Messstiftungen beobachten, da die Errichtung<br />

neuer Jahrtage im Zusammenhang mit einer Klosterreform eingeschränkt wurde (vgl.<br />

Schlemmer, Gottesdienst, 28.99.102; Irmgard Höss, Das religiöse Leben vor der <strong>Reformation</strong>,<br />

in: Gerhard Pfeiffer [Hg.], Nürnberg – Geschichte einer europäischen Stadt, München 1971,<br />

144).


50 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

Einführung der <strong>Reformation</strong> in Nürnberg die Kontrolle über die Verwaltung des<br />

Kirchenbesitzes, die Besetzung einiger kirchlicher Ämter, die Aufsicht über<br />

einzelne Angelegenheiten der Klöster <strong>und</strong> die Hoheit über das kirchliche Stiftungswesen<br />

erlangen. 3<br />

Während sich die bischöfliche Machtstellung verringerte, verbreiteten sich<br />

durch führende Nürnberger Bürger, wie beispielsweise <strong>Will</strong>ibald Pirckheimer,<br />

Lazarus Spengler, Christoph Scheurl <strong>und</strong> Albrecht Dürer,humanistische Inhalte<br />

in der Reichsstadt. Beide Entwicklungen hatten einen wesentlichen Anteil an der<br />

späteren Einführung der <strong>Reformation</strong> in Nürnberg. 4 1516/17 predigte Johannes<br />

3<br />

Vgl. Hamm, <strong>Reformation</strong>, 857f.; ders., Lazarus Spengler (1479–1534). Der Nürnberger<br />

Ratsschreiber im Spannungsfeld von Humanismus <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>, Politik <strong>und</strong> Glaube. Mit<br />

einer Edition von Gudrun Litz, Tübingen 2004, 325; ders., Bürgertum, 68–73; ders., Theologie,<br />

177 f.; Höss, Leben, 137; Gottfried Seebaß, Stadt <strong>und</strong> Kirche in Nürnberg im Zeitalter<br />

der <strong>Reformation</strong>, in: Bernd Moeller (Hg.), Stadt <strong>und</strong> Kirche im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert, Gütersloh<br />

1978, 68–70; Isenmann, Stadt, 608 f.; Peter Blickle, Gemeindereformation. Die Menschen des<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>erts auf dem Weg zum Heil. Studienausgabe, München 1987, 96–101. Der<br />

Nürnberger Rat hatte bereits seit der Mitte des 15. Jahrh<strong>und</strong>erts daran gearbeitet, die<br />

Kontrolle über die Pfründen <strong>und</strong> <strong>Stiftungen</strong> zu erlangen. 1460 beglaubigte Papst Pius II. alle<br />

Patronats- <strong>und</strong> Präsentationsrechte des Rats. Ab 1517 verlangte der Rat von den vorgeschlagenen<br />

Altaristen einen Amtseid (vgl. Schlemmer, Gottesdienst, 100–102).<br />

4<br />

Berührungspunkte zwischen Humanismus <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong> bestanden beispielsweise<br />

in der Besinnung auf die Sprachen oder im Bildungsideal. In der Frage nach dem freien <strong>Will</strong>en<br />

<strong>und</strong> der Ethik unterschieden sich reformatorische <strong>und</strong> humanistische Ansichten. Dabei ist<br />

jedoch die Pluralität der humanistischen <strong>und</strong> reformatorischen Bewegungen nicht zu vergessen,<br />

die an dieser Stelle nur angedeutet werden kann (vgl. Berndt Hamm, Der Oberrhein<br />

als geistige <strong>und</strong> geistliche Region zwischen 1450 <strong>und</strong> 1525. Die Verschmelzung von Humanismus,<br />

Frömmigkeitstheologie <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>, in: Franz Fuchs/Gudrun Litz [Hgg.],<br />

Humanismus im deutschen Südwesten. Akten des gemeinsam mit dem Verein für Kunst <strong>und</strong><br />

Altertum in Ulm <strong>und</strong> Oberschwaben <strong>und</strong> dem Stadtarchiv-Haus der Stadtgeschichte Ulm am<br />

25./26. Oktober 2013 veranstalteten Symposions im Schwörhaus Ulm, Wiesbaden 2015, 32–<br />

35; ders., Spengler, 54–60; ders., Reichsstädtischer Humanismus in Nürnberg, in: Andreas<br />

Mehl/Wolfgang Christian Schneider [Hgg.], Reformatio et <strong>Reformation</strong>es. Festschrift für<br />

Lothar Graf zu Dohna zum 65. Geburtstag, Darmstadt 1989, 161–174; ders., Theologie, 178–<br />

180; Irene Dingel, <strong>Reformation</strong>. Zentren – Akteure – Ereignisse, Göttingen 2016, 40–44;<br />

Antonia Landois, Frommer Zweifel am heiligen Wirken. Ein Einblick in die Bedeutung der<br />

Frömmigkeit im Nürnberger Humanismus um 1500, in: Berndt Hamm/Thomas Kaufmann<br />

[Hgg.],Wie fromm waren die Humanisten?, Wiesbaden 2016, 189–191). Zur Religiosität der<br />

Humanisten vgl. Thomas Kaufmann, Die gottlosen <strong>und</strong> die frommen Humanisten im Spiegel<br />

der Forschung. Zur Konstruktion ihrer ›Religion‹, in: Berndt Hamm/Thomas Kaufmann<br />

(Hgg.), Wiefromm waren die Humanisten?, Wiesbaden 2016, 11–47; zum Gemeinen Nutzen<br />

vgl. S. 61–63.


1. N/rnberger Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 51<br />

von Staupitz in der Reichsstadt. 5 Es bildete sich ein Anhängerkreis, die sogenannte<br />

Sodalitas Staupitziana. Dieser entwickelte sich zu einem Nährboden,<br />

reformatorische Schriften wurden hier rasch weitergegeben. Die schnellen<br />

Kommunikationswege zwischen Nürnberg <strong>und</strong> Wittenberg trugen gleichermaßen<br />

zu einer zügigen Verbreitung reformatorischer Lehren bei, sodass der<br />

Staupitzkreis bald zu einem Kreis der Befürworter Luthers wurde. 6<br />

Schon zwischen 1520 <strong>und</strong> 1522 wurden die Propststellen 7 in St. Lorenz <strong>und</strong><br />

St. Sebald sowie deren Predigerstellen <strong>und</strong> eine Predigerstelle im Heilig-Geist-<br />

Spital mit reformatorischen Theologen besetzt. Besondere Bedeutung kam dabei<br />

Andreas Osiander als Prediger in St. Lorenz zu. 8 Zwischen 1522 <strong>und</strong> dem<br />

Frühjahr 1525 trugen Predigten, schriftliche Medien – etwa Flugschriften,<br />

Flugblätter <strong>und</strong> Luthers Bibelübersetzung – sowie bildliche Darstellungen <strong>und</strong><br />

Kirchenlieder zur breiteren Vermittlung reformatorischer Inhalte in der Bevöl-<br />

5<br />

Er betonte die Barmherzigkeit <strong>und</strong> Güte Gottes, die sich in seiner Zuwendung zu den<br />

sündigen Menschen in der Menschwerdung <strong>und</strong> dem TodChristi zeige. Staupitz ging von<br />

einer permanenten Bußbewegung der Gläubigen aus, in der das menschliche Herz von<br />

Christusliebe erfüllt <strong>und</strong> von der Aufgabe befreit würde, für die eigene Seligkeit gute Werke<br />

tun zu müssen (vgl. Hamm, <strong>Reformation</strong>, 858–860; Hamm, Nürnberg, 300).<br />

6<br />

Die gut ausgebauten Kommunikationsstrukturen verdanken sich ebenfalls dem Humanismus.<br />

In der Pflege persönlicher Kontakte <strong>und</strong> direkter Kommunikation durch Netzwerkbildung<br />

bestand eines seiner Charakteristika (vgl. Volker Leppin, Luther <strong>und</strong> der Humanismus,<br />

Basel 2019, 27; ders., Das Zeitalter der <strong>Reformation</strong>. Eine Welt im Übergang,<br />

Darmstadt 2009, 91; Hamm, <strong>Reformation</strong>, 858–860; ders., Nürnberg, 300).<br />

7<br />

Die Bezeichnung »Propst« unterlag im Laufe der Zeit einem Wandel. Im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

wurden die Vorsteher der beiden Kirchen St. Lorenz <strong>und</strong> St. Sebald als Pröpste bezeichnet.<br />

Ihre Aufgabe bestand insbesondere in der Finanzverwaltung der beiden Kirchen (vgl.<br />

Christoph Thiele, Art. Propst, in: RGG 4 6[2003],1716). In St. Sebald wurde Georg Peßler, in<br />

St. Lorenz Hector Pömer zum Propst ernannt. Beide Pröpste qualifizierten sich für ihre<br />

Stellungen durch einen juristischen <strong>und</strong> nicht durch einen theologischen Abschluss (vgl.<br />

Höss, Leben, 144). Peßler hatte Jura in Wittenberg studiert <strong>und</strong> war 1514 promoviert worden<br />

(vgl. Michael Diefenbacher/Bertold Haller von Hallerstein, Art. Peßler, Patrizierfamilie, in:<br />

Stadtlexikon Nürnberg, Patrizierfamilie). Auch Pömer konnte einen juristischen Doktorgrad<br />

vorweisen (vgl. Gerhard Pfeiffer [Hg.],Quellen zur Nürnberger <strong>Reformation</strong>sgeschichte. Von<br />

der Duldung liturgischer Änderungen bis zur Ausübung des Kirchenregiments durch den Rat<br />

[Juni 1524 – Juni 1525], Nürnberg 1968, 11*). Für die Organisation reformatorischer Veränderungen<br />

im Reich nahmen die Juristen insgesamt eine wichtige Stellung ein – in Zusammenarbeit<br />

mit reformatorischen Theologen (vgl. Heinrich De Wall, Die Neugestaltung des<br />

evangelischen Kirchenrechts <strong>und</strong> die Rolle der »weltlichen« Juristen. Vomkanonischen Recht<br />

zur Landesherrlichen Kirchenordnung, in: Christoph Strohm [Hg.]; <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> Recht.<br />

Ein Beitrag zur Kontroverse um die Kulturwirkungen der <strong>Reformation</strong>, Tübingen 2017,187–<br />

189).<br />

8<br />

Zu Osiander vgl. S. 344.


52 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

kerung bei. 9 Teilweise ließen sich gewalttätige Handlungen gegenüber Altgläubigen<br />

<strong>und</strong> eine Reihe von Klosteraustritten beobachten. Obwohl große Teile der<br />

Nürnberger Bevölkerung um eine rasche Einführung der <strong>Reformation</strong> in der<br />

Reichsstadt ersuchten, reagierte der Rat eher zurückhaltend, da er sich zur Treue<br />

gegenüber dem Kaiser verpflichtet sah. 10<br />

Noch vor der offiziellen Einführung der <strong>Reformation</strong> in Nürnberg <strong>und</strong> auch<br />

vor der Leisniger Kastenordnung, einer frühen Reglementierung der Sozialfürsorge,<br />

die unter der Beratung Luthers formuliert wurde <strong>und</strong> die anderen Ordnungen<br />

als Vorbild diente, wurde 1522inNürnbergeine neue Almosenordnung<br />

aus der Hand des Ratsschreibers Lazarus Spengler 11 erlassen. Sie orientierte sich<br />

in der praktischen Gestaltung des Fürsorgewesens einerseits an mittelalterlichen<br />

Ordnungen <strong>und</strong> setzte andererseits neue theologische Akzente. 12 In der Einlei-<br />

9<br />

Eine besondere Bedeutung hatte in diesem Zusammenhang der Stadtschreiber Lazarus<br />

Spengler, der einige Publikationen hervorbrachte, etwa das Kirchenlied Durch Adams Fall …<br />

<strong>und</strong> die Schutzred <strong>und</strong> christenliche Antwort ains erbarn liebhabers goetlicher wahrhait der<br />

hailigen geschrifft … von 1519 als erste Verteidigungsschrift Luthers überhaupt. Zu nennen<br />

sind ebenfalls die literarischen <strong>und</strong> künstlerischen Aktivitäten von Handwerkern <strong>und</strong> Malern,<br />

zum Beispiel Die Wittenbergisch Nachtigall von Hans Sachs (vgl. Hamm, <strong>Reformation</strong>,<br />

861–864). Zur Rolle der Bücher bei der Einführung der <strong>Reformation</strong> in den Städten vgl.<br />

Moeller, Stadt, 25–39. Die Bedeutung, die der Predigt des reinen Evangeliums ohne Zusätze<br />

durch die kirchliche Tradition zugemessen wurde, lässt sich als übergreifendes Merkmal der<br />

städtischen <strong>Reformation</strong>en beobachten (vgl. Blickle, Gemeindereformation, 92–94; Heinrich<br />

Richard Schmidt, Reichsstädte, Reich <strong>und</strong> <strong>Reformation</strong>. Korporative Religionspolitik 1521–<br />

1529/30, Stuttgart 1986, 51).<br />

10<br />

Vgl. Hamm, <strong>Reformation</strong>, 861–864; ders., Bürgertum, 77–79; Thomas Kaufmann, Geschichte<br />

der <strong>Reformation</strong> in Deutschland, Berlin 2016, 376–378; Moeller, Reichsstadt,<br />

57.167 f. Der Erhalt der Treue zu Kaiser <strong>und</strong> Reich blieb auch in der Folgezeit ein wichtiger<br />

Gr<strong>und</strong>satz des politischen Agierens der Reichsstadt (vgl. Endres, Stellung, 19 f.; Volker Press,<br />

Franken <strong>und</strong> das Reich in der Frühen Neuzeit, in: JFLF 52 [1992], 329).<br />

11<br />

Die Formulierung von Gesetzestexten <strong>und</strong> städtischen Satzungen gehörte zu den Aufgabenbereichen<br />

der Ratsschreiber, deren Bedeutung für die Verwaltung, Vertretung <strong>und</strong><br />

Regierung der Städte nicht unterschätzt werden darf (vgl. Manfred J. Schmied, Die Ratsschreiber<br />

der Reichsstadt Nürnberg, Nürnberg 1979, 143–145; Isenmann, Stadt, 419–427).<br />

Zu Spengler vgl. S. 348.<br />

12<br />

Bereits die Nürnberger Bettelordnung von 1370 enthielt eine Bevorzugung der Ortsansässigen<br />

vor den fremden Bettlern <strong>und</strong> eine Reihe weiterer Regelungen, wie etwa das<br />

Bettelzeichen, ein Bettelverbot für die Arbeitsfähigen sowie die Aufsicht durch die Bettelherren<br />

oder Almosenpfleger. Die Ordnung von 1478 unterschied zwischen einzelnen<br />

Gruppen von Bedürftigen <strong>und</strong> dem Grad ihrer Bedürftigkeit. 1478 wurde zudem die Erziehung<br />

der Kinder als wichtige Komponente im Kampf gegen die Armut in die Armenordnung<br />

aufgenommen (Sachße/Tennstedt, Geschichte, 63–66; vgl. Horst-Dieter Beyerstedt, Art.<br />

Bettel- <strong>und</strong> Armenwesen, in: Stadtlexikon Nürnberg; Hannes Ludyga, Obrigkeitliche Ar-


1. N/rnberger Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 53<br />

tung wurde der Zusammenhang zwischen Glauben, guten Werken <strong>und</strong>Seligkeit<br />

im Sinne der Wittenberger Theologie beschrieben. 13 »Dann Christum zu lieben,<br />

dem allein zu vertrauen <strong>und</strong> dem negstenzutun, wie ich glaub, das mir Christus<br />

getan hat, das ist der einig recht weg, frumm <strong>und</strong> selig zu werden, <strong>und</strong> ist kein<br />

anderer.« 14 Zu den »von Christo ungepotene[n] werk« wurden unter anderem<br />

Mess- <strong>und</strong> Kirchenstiftungen gezählt. Diese <strong>Stiftungen</strong> wollte der Rat 1522 zwar<br />

noch in ihrer alten Form bestehen lassen, erhoffte sich aber, dass sie mit der Zeit<br />

in das Almosen fließen würden. Neue <strong>Stiftungen</strong> sollten hingegen sogleich an das<br />

Almosen gerichtet sein. 15 Damit deutete sich bereits in der Almosenordnung an,<br />

welche Stiftungsarten zukünftig ins Leben gerufen werden sollten.Andie Stelle<br />

von <strong>Stiftungen</strong> für die Seligkeit sollten <strong>Stiftungen</strong> zugunsten des Nächsten treten,<br />

welche nach Maßgabe der Almosenordnung in Testamenten errichtet werden<br />

sollten. 16 Die Almosenordnung bewertete die mittelalterlichen <strong>Stiftungen</strong> ausmenfürsorge<br />

im deutschen Reich vom Beginn der Frühen Neuzeit bis zum Ende des Dreißigjährigen<br />

Krieges [1495–1648], Berlin 2010, 108 f.; Isenmann, Stadt, 590–593). Die genannten<br />

Elemente finden sich auch in der Ordnung von 1522. Zu der Frage nach dem Einfluss<br />

der reformatorischen Bewegung auf die Almosenordnungen vgl. Felix Pischel, Die ersten<br />

Armenordnungen der <strong>Reformation</strong>szeit, in: Deutsche Geschichtsblätter 17 (1916), 320–330.<br />

13<br />

Zur Frage, inwiefern die Ordnung reformatorische Impulse aufnahm vgl. Theodor<br />

Strohm, Armenordnung der Stadt Nürnberg 1522. Einleitung, in: Ders./Michael Klein (Hgg.),<br />

Die Entstehung einer sozialen Ordnung Europas 2. Europäische Ordnungen zur Reform der<br />

Armenpflege im 16. Jahrh<strong>und</strong>ert, 57. Demnach beruhte die Ordnung auf »lutherische[m],<br />

humanistische[m] <strong>und</strong> reformkatholische[m] Gedankengut«. Diese These kann hier nicht<br />

ausführlich erörtert werden. Auf die Bedeutung des Humanismus für die <strong>Reformation</strong> ist<br />

bereits hingewiesen worden (vgl. S. 50, Anm. 4). Die Deutung, die theologische Erörterung<br />

über die Gründe für das Almosengeben sei zu allgemein, um als katholisch oder lutherisch<br />

interpretiert zu werden, trifft nicht zu (gegen Edward Lloyd Rice, The influence of the <strong>Reformation</strong><br />

on Nuremberg’s provisions for social welfare, 1521–1528, Ann Arbor/Michigan<br />

1975, 291: »The discussion is too general to be definitely interpreted as Catholic or Lutheran.«<br />

Ähnlich Luyga, Armenfürsorge, 112; vgl. Isenmann, Stadt, 593).<br />

14<br />

Sehling (Hg.), Kirchenordnungen 11,1, 23.<br />

15<br />

A.a. O., 29; vgl. Otto Winckelmann, Über die ältesten Armenordnungen der <strong>Reformation</strong>szeit<br />

(1522–1525), in: Historische Vierteljahrschrift 17(1914/15), 219; Isenmann, Stadt,<br />

592. Auch Luther sprach sich in der Leisniger Kastenordnung für diese Maßnahme aus<br />

(Martin Luther, Werke. Kritische Gesamtausgabe. Schriften 12, Weimar 1891, 18).<br />

16<br />

Die Almosenordnung spielte in diesem Kontext auf Mt 25,31–46 an: »Es würdet auch […]<br />

ein jeder christenmensch am jüngsten tag solicher werk halben, nemlich: ob er umb Christus<br />

willen seine negsten dürftigen armen <strong>und</strong> notleidenden geliebt, sie gespeist, getrenkt, beklaidt,<br />

heimgesucht <strong>und</strong> in summa inen hilf <strong>und</strong> handreich erzaigt hab […] rechenschaft<br />

geben müssen« (Sehling [Hg.],Kirchenordnungen 11,1, 23.30). Auf die Interpretation dieser<br />

Bibelstelle wird insbesondere in Kapitel III. Die Pluralität des Stiftungswesens zurückzukommen<br />

sein.


54 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

schließlich negativ. Dass die mittelalterlichen <strong>Stiftungen</strong> das Streben nach der<br />

Seligkeit in der Regel mit guten Werken für den Nächsten verbanden, blieb für<br />

eine differenziertere Wertung genauso unberücksichtigt wie die Vielfalt der<br />

mittelalterlichen <strong>Stiftungen</strong>. 17<br />

Als die beiden Pröpste <strong>und</strong> der Prior des Augustinerklosters im Juni 1524<br />

eigenmächtigdie Gottesdienstordnung änderten, versuchte der Rat zunächst, die<br />

Neuerungen wieder abzuschaffen, bevor er die Veränderungen akzeptierte <strong>und</strong><br />

selbst aktiv handelte. 18 Die Änderung der Gottesdienstordnung im Juni 1524<br />

bewirkte einen Wandel des Stiftungswesens.Vigilien,Totenmessen<strong>und</strong> Jahrtage<br />

wurden abgeschafft, 19 denn: »Wer im glauben stirbt, bedarf es nit. Werimunglauben<br />

stirbt, den hilftesnit.« 20 In seiner Schrift Gr<strong>und</strong>t <strong>und</strong> ursach, warumb wir<br />

die seelmessz <strong>und</strong> der verstorbnenjartag haben abgethan nannte Andreas Osiander<br />

für diesen Schritt im Wesentlichen zwei Argumente. Zum einen kritisierte er,<br />

dass das mittelalterliche Totengedenken nicht die Verstorbenen ins Zentrum<br />

stellen würde, sondern das Geld. Zum anderen vertrat er die Ansicht, das mittelalterliche<br />

Totengedenken sei nicht schriftgemäß. 21 Die Abschaffung der Vigilien,<br />

Totenmessen <strong>und</strong> Jahrtage wurde in Nürnberg also auf verschiedene Art <strong>und</strong><br />

Weise gerechtfertigt. Einerseits wurde allein dem Glauben Bedeutung für die<br />

17<br />

Vgl. Diefenbacher, Stiftungswesen, 11; vgl. S. 20–33.<br />

18<br />

Dies belegt unter anderem die Beschwerde Bischof Weigands von Bamberg aus dem<br />

Frühjahr 1525, der den Rat zu überzeugen versuchte, die Neuerungen rückgängig zu machen<br />

(Pfeiffer [Hg.], Quellen, 353). Der Rat sah sich jedoch nicht in der Verantwortung für die<br />

Veränderungen (Pfeiffer [Hg.], Quellen, 12). Die Korrespondenz Nürnbergs mit der Stadt<br />

Magdeburg belegt dies. Dort wies der Rat außerdem darauf hin, er würde darüber nachdenken,<br />

was mit den betreffenden <strong>Stiftungen</strong> zu geschehen habe (Pfeiffer [Hg.], Quellen,<br />

277.282). In der Abschaffung der mittelalterlichen Messfeier bestand – neben nicht in der<br />

Bibel inbegriffenen Lehren <strong>und</strong> dem Bettel – eine der wesentlichen drei reformatorischen<br />

Neuerungen in Nürnberg (vgl. Günter Vogler, Erwartung – Enttäuschung – Befriedigung.<br />

Reformatorischer Umbruch in der Reichsstadt Nürnberg, in: Bernd Moeller [Hg.], Die frühe<br />

<strong>Reformation</strong> in Deutschland als Umbruch. Wissenschaftliches Symposion des Vereins für<br />

<strong>Reformation</strong>sgeschichte 1996, Gütersloh 1998, 398 f.). Zu den Veränderungen im Totengedenken<br />

vgl. Hubert Mattausch, Das Beerdigungswesen der freien Reichsstadt Nürnberg<br />

(1219 bis 1806). Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung an Hand der Ratsverlässe <strong>und</strong> der<br />

vom Rat erlassenen Leichenordnungen, München 1970, 94–101.<br />

19<br />

Pfeiffer (Hg.), Quellen, 286.<br />

20<br />

Aus dem Verzaichnus der geenderten mißpreuch <strong>und</strong> ceremonien von 1527 (Pfeiffer [Hg.],<br />

Quellen, 445).<br />

21<br />

Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe 1. Schriften <strong>und</strong> Briefe 1522 bis März 1525. In<br />

Zusammenarbeit mit Gottfried Seebaß herausgegeben von Gerhard Müller, Gütersloh 1975,<br />

233–241. Dass die römischen Zeremonien <strong>und</strong> Lehren dem Wort Gottes widersprechen<br />

würden, wurde auch in anderen Nürnberger Gutachten <strong>und</strong> Ratschlägen hervorgehoben (vgl.<br />

Zimmermann, Prediger, 78).


1. N/rnberger Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 55<br />

Seligkeit zugesprochen. Andererseits stand der Vorwurf im Raum, die Kirchenbräuche<br />

dienten lediglich dem finanziellen Gewinn der Kirche <strong>und</strong> würden der<br />

Bibel widersprechen. 22<br />

Die Abschaffung der Messfeier hatte direkte Auswirkungen auf das Stiftungswesen.<br />

Auf der einen Seite verloren zahlreiche Geistliche ihr Einkommen 23<br />

oder hatten den Wunsch, von ihren bisherigen Aufgaben – Messen, Jahrtagen –<br />

entb<strong>und</strong>en zu werden, 24 auf der anderen Seite stellte sich die Frage nach dem<br />

zukünftigen Gebrauch der Stiftungszinsen. Die Stifterinnen <strong>und</strong> Stifter oder<br />

deren Erben wandten sich an den Rat <strong>und</strong> erbaten Umwidmungen oder Auflösungen<br />

ihrer <strong>Stiftungen</strong>. Mehrheitlich waren sie daran interessiert, in den Besitz<br />

der Stiftungszinsen zu gelangen. 25 Doch der Rat zögerte <strong>und</strong> wies daraufhin, dass<br />

er nicht für die Abschaffung der Jahrtage <strong>und</strong> andere Veränderungen verantwortlichsei.<br />

26 Offenbar herrschte im Rat Unsicherheit über den Umgang mit den<br />

mittelalterlichen Messstiftungen, sodass er seine Juristen – zumeist Johann<br />

22<br />

Hierbei konnte Osiander an Luther anknüpfen (vgl. Wolfgang Simon, Die Messopfertheologie<br />

Martin Luthers. Voraussetzungen, Genese, Gestalt <strong>und</strong> Rezeption, Tübingen 2003).<br />

23<br />

Einige Geistliche hatten sich darüber beim Rat beschwert, der sich nicht in der Verantwortung<br />

sah, da die Pröpste die Veränderungen vorgenommen hatten (Pfeiffer [Hg.],<br />

Quellen, 12.156 f.). Später zahlte der Rat den Geistlichen jedoch ein Mindesteinkommen (vgl.<br />

Gerhard Pfeiffer, Entscheidung zur <strong>Reformation</strong>, in: Ders. [Hg.],Nürnberg – Geschichte einer<br />

europäischen Stadt, München 1971, 151).<br />

24<br />

So etwa Karl Örtel, der Pfleger des Landauerschen Zwölfbrüderhauses. In einem Ratschlag<br />

bestätigten ihm die Nürnberger Juristen <strong>und</strong> Prediger, er müsse nichts tun, was dem<br />

Wort Gottes <strong>und</strong> seinem Gewissen widerspreche (Pfeiffer [Hg.], Quellen, 209; Osiander,<br />

Gesamtausgabe 1, 449 f.). Matthäus Landauer hatte das Zwölfbrüderhaus Anfang des<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>erts gestiftet. Dort wurden zwölf bedürftige Handwerker versorgt, die in einer<br />

klosterähnlichen Gemeinschaftlebten, zu der bestimmte Kleidungsvorschriften <strong>und</strong> religiöse<br />

Riten gehörten (vgl. Fries, Stiftungswesen, 23; Michael Diefenbacher, Art. Zwölfbrüderhausstiftungen,<br />

in: Ders./Rudolf Endres [Hgg.], Stadtlexikon Nürnberg, Nürnberg 2 2000,<br />

1222). Als Pfleger war Örtel verpflichtet, dem Rat jedes Jahr am Walpurgistag die Jahresrechnung<br />

des Zwölfbrüderhauses vorzulegen <strong>und</strong> sich in einem Schwur zu den Stiftungsbestimmungen<br />

zu bekennen. Diese Bestimmungen beinhalteten die regelmäßige Teilnahme<br />

an einer Messe, das Beten des Vaterunsers <strong>und</strong> die Einhaltung der Jahrtage (vgl. Rice, Influence,<br />

31.44; Osiander, Gesamtausgabe 1, 449). Dagegen hatte sich Örtel Anfang 1525<br />

verwehrt. Der Rat folgte dem Ratschlag seiner Juristen <strong>und</strong> Prediger, die sich für das Anliegen<br />

Örtels ausgesprochen hatten (Pfeiffer [Hg.], Quellen, 48).<br />

25<br />

Vgl. zum Beispiel die Begehren Jeronimus Beßlers von 1524 (Pfeiffer [Hg.], Quellen,<br />

22.289), Endres Mendels von 1524 (Pfeiffer [Hg.],Quellen, 24), Barbara Scheuhins von 1524<br />

(Pfeiffer [Hg.], Quellen, 25.177) <strong>und</strong> Caspar Schoppers von 1524 (Pfeiffer [Hg.], Quellen,<br />

26 f.178).<br />

26<br />

Dies brachte der Rat in einem Brief an Jeronimus Beßler zum Ausdruck (Pfeiffer [Hg.],<br />

Quellen, 289 f.).


56 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

Protzer, Christoph Scheurl, Michael Marstaller <strong>und</strong> Johann Hepstein 27 – <strong>und</strong><br />

Prediger – in der Regel Andreas Osiander (St. Lorenz), Dominicus Schleupner (St.<br />

Sebald) <strong>und</strong> Thomas Venatorius (Spital) 28 – um Ratschläge bat. Diese mahnten<br />

dazu, zunächst noch nichts zu unternehmen. Der Rat folgte der Empfehlung <strong>und</strong><br />

vertagte eine Entscheidung darüber, wie mit den mittelalterlichen Messstiftungen<br />

zu verfahren sei. 29<br />

Diese Situation war bis zum Religionsgespräch im März 1525 unverändert<br />

geblieben, wie ein Ratschlag der Juristen <strong>und</strong> Prediger aus dem Februar 1525<br />

zeigt. Darin hatte Christoph Scheurl darauf hingewiesen, dass es notwendig sei,<br />

eine endgültige Lösung der Stiftungsfrage zu erarbeiten. Der Ratschlag behandelte<br />

die Frage, ob den Erbinnen der Stifter eines Jahrtags, Barbara Ernst <strong>und</strong><br />

Anna Lang, die Stiftungszinsen ausbezahlt werden sollten. Die Juristen <strong>und</strong><br />

Prediger kamen zu der Einschätzung, dass die Zinsen gr<strong>und</strong>sätzlich nicht den<br />

Erben überlassen, sondern für das Almosen – den Gemeinen Kasten – verwendet<br />

27<br />

Da die Reichsstadt Nürnberg niemanden in den Rat aufnahm, der promoviert hatte, war<br />

es umso notwendiger, auf das Fachwissen promovierter Juristen zurückzugreifen. Dies lässt<br />

sich einem Ratsverlass – in Nürnberg war die Bezeichnung »Ratsverlass« gebräuchlich – aus<br />

dem Jahr 1497 entnehmen (vgl. Hartmut Boockmann, Gelehrte Juristen im spätmittelalterlichen<br />

Nürnberg, in: Ders./Ludger Grenzmann/Bernd Moeller/Martin Staehelin [Hgg.],Recht<br />

<strong>und</strong> Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit 1. Bericht über Kolloquien der<br />

Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1994 bis 1995, Göttingen 1998,<br />

201; Friedrich Wolfgang Ellinger, Die Juristen der Reichsstadt Nürnberg vom 15. bis<br />

17. Jahrh<strong>und</strong>ert, in: Reichsstadt Nürnberg, Altdorf <strong>und</strong> Hersbruck. Genealogica, Heraldica,<br />

Juridica, Nürnberg 1954, 142). Die Juristen waren entweder als Beisitzer am Gericht oder als<br />

Ratskonsulenten tätig. Letztere hatten eine Vielzahl von Aufgaben, wie die Erstellung von<br />

Rechtsgutachten, die Teilnahme an schwierigen Verhandlungen, diplomatische Missionen<br />

<strong>und</strong> die Erarbeitung von Gutachten für andere Städte. Meistens waren die Ratskonsulenten<br />

promovierte Juristen oder hatten einen höheren akademischen Grad erreicht. Die Reichsstadt<br />

Nürnberg konnte es sich auf Gr<strong>und</strong> ihrer finanziellen Möglichkeiten leisten, angesehene<br />

Juristen zu beschäftigen (vgl. Walter Bauernfeind, Art. Ratskonsulenten, in: Stadtlexikon<br />

Nürnberg; Pütz, Heischurteile, 44–48; Eberhard Isenmann, Recht, Verfassung <strong>und</strong> Politik in<br />

Rechtsgutachten spätmittelalterlicher deutscher <strong>und</strong> italienischer Juristen, vornehmlich des<br />

15. Jahrh<strong>und</strong>erts, in: Hartmut Boockmann/Ludger Grenzmann/Bernd Moeller/Martin Staehelin<br />

[Hgg.],Recht <strong>und</strong> Verfassung im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit 2. Bericht über<br />

Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1996 bis 1997,<br />

Göttingen 2001, 57–64). Protzer diente der Reichsstadt von 1507 bis 1528, Marstaller von<br />

1517 bis 1533 <strong>und</strong> Hepstein von 1523 bis 1541 (vgl. Ellinger, Juristen, in: Reichsstadt<br />

Nürnberg, 163). Zu Scheurl, dem vermutlich bedeutendsten der vier, vgl. S. 346f. Zu den<br />

übrigen Ratskonsulenten vgl. Zimmermann, Prediger, 63 f.<br />

28<br />

Zu Osiander vgl. S. 344; zu Schleupner vgl. S. 347; zu Venatorius vgl. S. 349.<br />

29<br />

Vgl. die entsprechenden Ratsverlässe, Ratschläge <strong>und</strong> Briefe in Pfeiffer (Hg.), Quellen,<br />

20.22.24–27.167 f.177–179.285.289 f.


1. N/rnberger Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 57<br />

werden sollten. Wenn die Erben jedoch bedürftig seien, sollten sie aus dem Almosen<br />

versorgt werden. 30 Umwidmungen zugunsten des Gemeinen Kastens<br />

ließen sich bis zu diesem Zeitpunkt bereits vereinzelt beobachten. 31<br />

Im März 1525 fand schließlich das Nürnberger Religionsgespräch statt.<br />

Altgläubige <strong>und</strong> reformatorische Vertreter waren zu einer Disputation ihrer<br />

theologischen Positionen eingeladen. 32 Damit legitimierte der Rat die reformatorischen<br />

Veränderungen <strong>und</strong> einen anderen Umgang mit den mittelalterlichen<br />

<strong>Stiftungen</strong>. Nach dem Religionsgespräch führte der Rat die <strong>Reformation</strong> offiziell<br />

in Nürnberg ein, während er zugleich die eigene Kaiser- <strong>und</strong> Reichstreue hervorhob.<br />

Der Messkanon wurde abgeschafft, reformatorische Inhalte gepredigt,<br />

die Klöster aufgelöst, das kirchliche <strong>und</strong> schulische Personal sowie das Almosenwesen<br />

vom Rat beaufsichtigt <strong>und</strong> die bischöfliche Jurisdiktion aufgehoben.<br />

Die Prediger wurden zu städtischen Beamten. In diesen Kontext ist auch die<br />

Schulgründung mit Hilfe von Philipp Melanchthon 1526 einzuordnen, aus der<br />

später die Universität in Altdorf hervorging. Damit setzte NürnbergimVergleich<br />

mit anderen Reichsstädten <strong>und</strong> Territorien früh reformatorische Veränderungen<br />

durch. 33<br />

Wiesich diese Veränderungen auf das Stiftungswesenauswirkten, zeigt sich<br />

am Beispiel der Stiftung des Nürnberger Heilig-Geist-Spitals, welche der direkten<br />

Verwaltung des Rats unterstand. Das Spital war 1339 von dem vermögenden<br />

Nürnberger Bürger Konrad Groß gegründet worden, der die Leitung des Spitals<br />

zunächst selbst übernahm, bevor er sie an seine beiden Söhne nacheinander<br />

abgab. Nach deren Ableben sollte die Verwaltung in die Hände des Rats über-<br />

30<br />

Pfeiffer (Hg.), Quellen, 208 f.; Osiander, Gesamtausgabe 1, 451–453.<br />

31<br />

Vgl. die Almosenordnung <strong>und</strong> den Fall einer Stiftung aus Altdorf (Pfeiffer [Hg.],Quellen,<br />

20.167.285).<br />

32<br />

In der Forschung ist umstritten, ob das Ergebnis des Religionsgesprächs von vornherein<br />

feststand oder nicht (vgl. zum Beispiel Gunter Zimmermann, Das Nürnberger Religionsgespräch<br />

von 1525*, in: Die Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 71<br />

[1984],144–148; Gottfried Seebaß, Der Nürnberger Rat <strong>und</strong> das Religionsgespräch vom März<br />

1525, in: JFLF 34/35 [1975],477). Zimmermann <strong>und</strong> Seebaß interpretierten in dieser Frage<br />

dieselben Quellen, jedoch mit unterschiedlichem Ergebnis. Seebaß ging davon aus, dass der<br />

Rat ein »Verbot altgläubiger Predigt« erreichen wollte. Zimmermann hatte die Haltung der<br />

einzelnen Mitglieder des kleinen Rats zur <strong>Reformation</strong> untersucht. Dabei stellte er fest, dass<br />

den 15 Befürwortern der reformatorischen Veränderungen sieben Unentschlossene <strong>und</strong> elf<br />

Gegner gegenüberstanden. Daraus lässt sich schließen, dass das Religionsgespräch nicht von<br />

Anfang an entschieden war. In diese Richtung deutet auch ein Schreiben des Ratsschreibers<br />

Lazarus Spengler, der sich darin begründet gegen das Gespräch aussprach, obgleich er den<br />

reformatorischen Veränderungen zugeneigt war. Zimmermann folgerte, dass der Rat auf<br />

einen Ausgleich zwischen den reformatorischen <strong>und</strong> den altgläubigen Predigern bedacht<br />

gewesen sei. Der Ausgleich sei jedoch gescheitert.<br />

33<br />

Vgl. Seebaß, Reichsstädte, 236; Endres, Stellung, 19 f.


58 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

gehen. 34 Es war üblich, dass der Stiftungsbrief bei der jährlichen Ratswahl im<br />

März/April verlesen <strong>und</strong> die Wählereide 35 abgenommen wurden. Im Frühjahr<br />

1525 erging jedoch der Beschluss, den Wählereid in seinem Wortlaut zu verändern<br />

<strong>und</strong> die Stiftungsurk<strong>und</strong>e nichtweiter zu verlesen. Dieser Entscheidung<br />

ging eine Auseinandersetzung um den Stifterwillen <strong>und</strong> den Zweck der Stiftung<br />

voraus:<br />

Die Juristen <strong>und</strong> Prediger hattenargumentiert, der Stifter habe gewollt, dass<br />

seine Stiftung dem Lob Gottes<strong>und</strong> dem Nächsten diene. DieseZwecke habe man<br />

bisher geglaubt durch bestimmte »kirchengepreuchen« gewährleisten zu können,<br />

die nun abgeschafft worden waren, da sie dem Wort Gottes widersprächen<br />

<strong>und</strong> dem Nächsten nicht nützlich seien. Die Juristen <strong>und</strong> Prediger hielten diese<br />

Veränderungen für vereinbar mit »den weltlichen rechten«. 36 In der Stiftungsurk<strong>und</strong>e<br />

des Spitals brachte der Stifter jedoch zum Ausdruck, er hätte die Absicht,<br />

durch die Stiftung »zeitliche[…] Güter gegen die himmlischen einzutauschen«.<br />

Mit den zeitlichen Gütern war das Stiftungskapital, mit den himmlischen<br />

das ewige Leben gemeint. Wieder Gebrauch merkantiler Sprache zeigt, ging Groß<br />

davon aus, mit Gott einen Tauschhandel über seine Seligkeit eingehen zu können.<br />

Er schrieb, die Wohlhabenden würden sich durch »Unterstützung der Armen« –<br />

also durch tätige Nächstenliebe – »die Errettung vom ewigen Unglück verdien[en]«<br />

können. In diesem Zusammenhang verwies Groß auf Mt 25,31–46. 37<br />

Die darin geforderten Werke der Barmherzigkeit ließen sich seiner Ansicht nach<br />

am besten in einem Spital verwirklichen. Das Spital sollte der Seligkeit des<br />

Stifters <strong>und</strong> seiner Verwandten <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e sowie der Vermehrung des Gottesdienstes<br />

<strong>und</strong> der Hilfe für die Bedürftigen dienen. Groß hatte bestimmt, dass<br />

sechs Priester zugunsten seiner Seligkeit <strong>und</strong> der seiner Angehörigen im Spital<br />

die Messe lesen <strong>und</strong> die St<strong>und</strong>engebete abhalten sollten. 38 In der Taterhoffte sich<br />

der Stifter, wie die Juristen <strong>und</strong> Prediger 1525 beschrieben hatten, durch bestimmte<br />

»kirchengepreuchen« einen Teil zu seiner Seligkeit beitragen zu können.<br />

Doch andersals sie es zum Ausdruck brachten, hatte der Zweck der Stiftung nicht<br />

34<br />

Löhlein, Gründungsurk<strong>und</strong>e, 65.75.<br />

35<br />

Die fünf Wähler hatten die Aufgabe, über die Bewahrung des Gottesdienstes zur Seligkeit<br />

des Stifters <strong>und</strong> weiterer Personen zu wachen. Sie mussten jährlich einen Eid ablegen, dass<br />

die Stiftung <strong>und</strong> insbesondere die Gottesdienste dem Stifterwillen gemäß vollzogen würden<br />

(Pfeiffer [Hg.], Quellen, 227; vgl. ebd., Anm. 1).<br />

36<br />

Pfeiffer (Hg.), Quellen, 59.69.226. Vergleichbare Ansichten finden sich auch in der<br />

Rechtswissenschaft, etwa bei Johann Oldendorp. In seiner Schrift Wasbillig <strong>und</strong> recht ist von<br />

1529 vertrat er die Meinung, dass die äußere Ordnung – die Gesetze – dazu beitragen sollten,<br />

die Seligkeit zu fördern, nicht zu schädigen (Johann Oldendorp, Was billig <strong>und</strong> recht ist<br />

[1529]. Ratsmannenspiegel [1530], Frankfurt a. M.1948, 13f.).<br />

37<br />

Vgl. S. 11f.<br />

38<br />

Löhlein, Gründungsurk<strong>und</strong>e, 67 f.


1. N/rnberger Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 59<br />

im Lob Gottes <strong>und</strong> dem Nutzen des Nächsten bestanden, sondern primär in einem<br />

Beitrag für die Seligkeit <strong>und</strong>erst sek<strong>und</strong>ärinder Vermehrung des Gottesdienstes<br />

<strong>und</strong> dem Wohl der Nächsten. In ihrer Argumentation richteten sich die Juristen<br />

<strong>und</strong> Prediger also nicht wörtlich nach der Stiftungsurk<strong>und</strong>e, sondern interpretierten<br />

diese im Sinne ihres von reformatorischer Theologie geprägten Verständnisses.<br />

Dabei maßen sie dem Ziel, dem Nächsten zu dienen, eine stärkere<br />

Bedeutung bei, als in der Stiftungsurk<strong>und</strong>e beschrieben. Die Juristen <strong>und</strong> Prediger<br />

interpretierten den <strong>Will</strong>en des Stifters so, dass dieser beabsichtigt habe,<br />

Gott mit seiner Stiftung zu loben.Damit übersahen die Juristen <strong>und</strong>Prediger die<br />

zentrale Motivation des Stifters: die Sorge für seine Seligkeit.<br />

Schon im Januar 1525 hatte der Rat provisorisch entschieden, die sechs<br />

Prediger im Spital, die sich »nach ewangelischer ordnung« richteten, aus den<br />

Zinsen der Jahrtagsstiftungen zu entlohnen. Diese Regelungwar zunächst auf ein<br />

Jahr beschränkt. 39 Das Vorgehen war mit der Stiftungsurk<strong>und</strong>e zum Teil vereinbar.<br />

Die Urk<strong>und</strong>e besagte, dass die sechs Prediger den Bewohnern <strong>und</strong> Mitarbeitern<br />

des Spitals die Sakramente spenden <strong>und</strong> sie im Todesfall kostenlos<br />

beerdigen sollten; daneben gehörten Messen zum Zweck der Seligkeit zu den<br />

Aufgaben der Prediger. 40 Dieses Predigeramt wurde als Amt beibehalten, jedoch<br />

mit anderen Aufgaben versehen.<br />

Bemerkenswert ist schließlich noch Folgendes: Am Ende der Stiftungsurk<strong>und</strong>e<br />

bekräftige der Stifter, dass seine Stiftung durch kein Recht, weder<br />

geistliches noch weltliches, verändert werden dürfe. 41 Dieses Verbot wurde 1525<br />

nicht eingehalten. Die Juristen <strong>und</strong> Prediger waren gerade zum gegenteiligen<br />

Schluss gelangt, indem sie zum Ausdruck brachten, dass die Modifizierungen der<br />

Stiftung mit dem Recht konform seien.<br />

Inzwischen hatten mindestens zwei Prediger im Spital ihre Pfründen verlassen<br />

<strong>und</strong> waren im Einzelfall dafür vom Rat entschädigtworden. 42 Die Juristen<br />

waren sich nichteinig darüber, ob diese Entschädigungengezahltwerden sollten<br />

oder nicht, sahen jedoch die Möglichkeit, die entsprechenden Pfründen nun<br />

entwederneu zu besetzen oder das Geld dem Gemeinen Kasten einzuverleiben. 43<br />

Mit den Veränderungen, die der Rat im Rahmen des Diskurses um die Spitalstiftung<br />

vollzog, wurde er selbst zum Akteur <strong>und</strong> beendete seine abwartende<br />

39<br />

Pfeiffer (Hg.), Quellen, 38; vgl. Knefelkamp, Heilig-Geist-Spital, 119.134. Nach Knefelkamp<br />

bestand der wesentliche Unterschied zwischen der Zeit vor <strong>und</strong> nach der Einführung<br />

der <strong>Reformation</strong> in Nürnberg darin, dass der Rat die Prediger im Spital seitdem einsetzte <strong>und</strong><br />

bezahlte – ohne Rücksprache mit dem Bamberger Bischof (vgl. Knefelkamp, Heilig-Geist-<br />

Spital, 50f.). Allerdings hat sich gezeigt, dass dies nicht die einzige Neuerung war.<br />

40<br />

Löhlein, Gründungsurk<strong>und</strong>e, 69.<br />

41<br />

A.a. O., 78.<br />

42<br />

Pfeiffer (Hg.), Quellen, 43 f.48.<br />

43<br />

A.a. O., 216 f.


60 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

Haltung gegenüber den mittelalterlichen Messstiftungen. Er hatte jedoch noch<br />

keinen allgemeinen Beschluss zum Umgang mit diesen gefasst. 44 Deshalb forderte<br />

der Rat ein Gutachten zur Stiftungsfrage an, welches ihn im November 1525<br />

erreichte.<br />

1.2 Das N=rnberger Gutachten (1525)<br />

Das Nürnberger Gutachten 45 benannte keinen Verfasser. Aus den Nürnberger<br />

Gepflogenheiten <strong>und</strong>dem Inhalt des Gutachtens lassen sich jedoch Vermutungen<br />

über die Verfasserschaft anstellen. Das Gutachten ist in der Abschrift eines<br />

Schreibers überliefert, der diverse Gutachten Andreas Osianders kopiert hatte. 46<br />

Außerdem kann auf Gr<strong>und</strong> des theologischen Inhalts davon ausgegangen werden,<br />

dass Theologen an der Konzeption beteiligt gewesen waren. Osiander war<br />

zuvor als einer der führenden Theologen Nürnbergs in Erscheinung getreten<strong>und</strong><br />

hatte beispielsweise beim Religionsgespräch die reformatorische Seite vertreten.<br />

Daher ist davon auszugehen, dass Osiander an der Abfassung des Gutachtens<br />

mitwirkte. 47 Es spricht jedoch auch einiges dafür, dass das Gutachten eine Gemeinschaftsarbeit<br />

mehrerer Verfasser darstellt. Zum einen ist das Gutachten in<br />

der ersten Person Plural verfasst. Zum anderen wurden fast alle weiteren Ratschläge<br />

in Nürnberg von mehreren Personen erarbeitet, von theologischer Seite –<br />

neben Osiander – zumeist von Dominicus Schleupner, dem Prediger in St. Sebald,<br />

<strong>und</strong> Thomas Venatorius, einem der Prediger im Heilig-Geist-Spital. Es erscheint<br />

wahrscheinlich, dass sie auch an dem vorliegenden Gutachten mitgeschrieben<br />

hatten. Darüber hinaus spricht einiges dafür, dass auch Juristen mitwirkten. So<br />

argumentierte das Gutachten an vielen Stellen mit dem römischen Recht.<br />

Wahrscheinlich hatten Osiander <strong>und</strong> mögliche weitere Verfasser entweder bei<br />

44<br />

Dies geht aus einem Ratschlag der Juristen <strong>und</strong> Prediger hervor. In diesem Ratschlag<br />

hatten sie sich gegen die Herausgabe des Stiftungskapitals an eine Stifterin – Barbara<br />

Querichsfelder – ausgesprochen, die im Fall ihrer Bedürftigkeit jedoch vom Gemeinen Kasten<br />

unterhalten werden sollte. Am Ende des Ratschlags wurde auf die Notwendigkeit eines abschließenden<br />

Ratschlags zur Stiftungsfrage hingewiesen (Pfeiffer [Hg.], Quellen, 232 f.).<br />

45<br />

Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe 2. Schriften <strong>und</strong> Briefe April 1525 bis Ende 1527.<br />

In Zusammenarbeit mit Gottfried Seebaß herausgegeben von Gerhard Müller, Gütersloh<br />

1977, 176–194.<br />

46<br />

Vgl. a. a. O., 177.<br />

47<br />

In seinem Gutachten über die Zeremonien von 1526 wiederholte Osiander einige der<br />

Argumente aus dem Gutachten zur Stiftungsfrage. Abschnitt 10 erinnert zudem an das<br />

Wittenberger Gutachten (Osiander, Gesamtausgabe 2, 242–289, bes. 261–266; vgl. S. 76; 80).<br />

In die Forschungsliteratur hatten die verschiedenen Argumente des Gutachtens oftmals nur<br />

auszugsweise Eingang gef<strong>und</strong>en (vgl. zum Beispiel Stupperich, Neuordnung, 646).


90 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

waren die Stifter <strong>und</strong> deren Erben in der Pflicht, den Gemeinen Nutzen zu fördern<br />

<strong>und</strong> folglich auf ihre Stiftungsgelder zu verzichten.<br />

2. Das Ulmer Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen<br />

Messstiftungen (1531 bis 1543)<br />

2.1 Erste VerFnderungen in Ulm (1531 bis 1538)<br />

Nicht in allen Reichsstädten stand die Handhabung des mittelalterlichen Stiftungswesens<br />

so früh zur Debatte wie in Nürnberg. In Ulm beschäftigte sich der<br />

Rat erst über zehn Jahre später mit diesem Problem, nachdem eine reichsweite<br />

Entscheidung der Stiftungsfrage ausgeblieben war.<br />

Es hatte mehrfach auch außerhalb der Stadt Nürnberg Anlässe gegeben, bei<br />

denen bedeutende Theologen Stellungnahmen verfassten <strong>und</strong> sich zum Thema<br />

positionierten. Dies führte allerdings nicht zu entsprechendem politischem<br />

Handeln. 149<br />

Für einen B<strong>und</strong>estag in Schmalkalden hatten Justus Jonas, Johannes Bugenhagen,<br />

Caspar Cruciger, Philipp Melanchthon, Nikolaus von Amsdorf, Nikolaus<br />

Scheubel, Anton Corvinus, Johannes Chytreus,Balthasar Rhaidius, Martin<br />

Bucer, Erasmus Sarcerius <strong>und</strong> Johann Timann 1537 oder 1540 150 ein Gutachten<br />

Vom rechten Gebrauch der Kapitel- <strong>und</strong> Klostergüter formuliert. 151 Sie rechtfer-<br />

149<br />

Schon der Vorschlag Johann von Schwarzenbergs, einem Berater Markgraf Kasimirs von<br />

Brandenburg-Kulmbach, von 1525 wurde nicht umgesetzt. Schwarzenberg hatte geplant, alle<br />

Kirchengüter von einem Kreisregiment verwalten zu lassen. Sie sollten zunächst den bisherigen<br />

Pfründeninhabern, nach deren Tod jedoch der Finanzierung der Pfarrer, einiger<br />

Universitäten, verschiedener Damenstifte, der Armenfürsorge <strong>und</strong> militärischer Zwecke<br />

zukommen (vgl. Klueting, Enteignung, 63). Auf dem Reichstag in Augsburg 1530 wurde zwar<br />

die Rückabwicklung der bis dato vollzogenen Umwidmungen der <strong>Stiftungen</strong> beschlossen, die<br />

vor dem Reichskammergericht eingeklagt werden konnte, aber die Stände, die bereits reformatorische<br />

Neuerungen durchgeführt hatten, hatten nicht die Absicht, dieser Forderung<br />

nachzukommen. Unter anderem aus diesem Gr<strong>und</strong> wurde kurz darauf der Schmalkaldische<br />

B<strong>und</strong> gegründet (vgl. Körber, Kirchengüterfrage, 90 f.).<br />

150<br />

Im Corpus Reformatorum wurde das Gutachten auf 1537 datiert, in Bucers Opera omnia<br />

auf 1540 (vgl. Carolus Gottlieb Bretschneider [Hg.], Philippi Melanthonis opera quae supersunt<br />

omnia 4, Halle 1837/New York 1963, 1040–1046; Martin Bucer, Religionsgespräche<br />

[1539–1541]. Bearbeitet von Cornelius Augustijn unter Mitarbeit von Marijn de Kroon,<br />

Gütersloh 1995, 86–90; vgl. Klueting, Enteignung, 73 f.; Sieglerschmidt, Territorialstaat,<br />

141–143).<br />

151<br />

Wörtlich De iusto usu bonorum Capitulorum et Monasteriorum (Bretschneider [Hg.],CR4,<br />

1040–1046). Die Argumentation des Gutachtens ähnelt einem Brief Luthers an den Bür-


2. Das Ulmer Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 91<br />

tigten darin Umwidmungenmittelalterlicher Messstiftungen. Zunächst betonten<br />

die Theologen aber, dass die Obrigkeit zum Lob Gottes für den rechten Gottesdienst,<br />

die Finanzierung von Pfarrern <strong>und</strong> Schulen <strong>und</strong> die Versorgung der Bedürftigen<br />

sorgen sollte – Ziele, die sich zum einen unter dem Begriff des Gemeinen<br />

Nutzens zusammenfassen lassen 152 <strong>und</strong> die zum anderen genau den<br />

Stiftungszwecken entsprechen, zu denen die Nürnberger Diskussion um die<br />

Stiftungsfrage hingeführt hatte. 153 Des Weiteren plädierten die Theologen ganz<br />

ähnlich dem Wittenberger Gutachten für den Nürnberger Rat, 154 dass die Kirchengüter<br />

der Kirche nicht entwendet werden dürften. Untüchtigen Geistlichen<br />

könne jedoch ihr Einkommen entzogen werden. Dadurch rechtfertigten die<br />

Theologen schließlich die Umwidmungen der mittelalterlichen Messstiftungen.<br />

Wenn die Finanzierung von Predigt <strong>und</strong> Schule sowie der Armenversorgung<br />

gesichert sei, dürfte die Obrigkeit als Patron den übrigen Teil der Kirchengüter<br />

einbehalten. 155 Am Ende des Textes beriefen sich die Theologen auf die Bibel<br />

sowie die kanonischen <strong>und</strong> kaiserlichen Rechte.<br />

Ganz ähnlich argumentierte Martin Bucer zum selben Thema in einem eigenen<br />

Gutachten von 1538 156 mit dem göttlichen, dem kanonischen <strong>und</strong> dem<br />

germeister <strong>und</strong> Rat von Zerbst <strong>und</strong> einem an Kurfürst Johann von Sachsen (Luther, Werke.<br />

Briefwechsel 3, 495; ders., Werke. Kritische Gesamtausgabe. Briefwechsel 6, Weimar 1935,<br />

5f.). Vgl. auch Karl Trüdinger, Luthers Briefe <strong>und</strong> Gutachten an weltliche Obrigkeiten zur<br />

Durchführung der <strong>Reformation</strong>, Münster 1975, 59–68; Stupperich, Bucer, 168f.<br />

152<br />

Vgl. S. 61; 66.<br />

153<br />

Vgl. S. 65f.; 75; 84.<br />

154<br />

Vgl. S. 75.<br />

155<br />

Nach dem Patronatsrecht stand einem bedürftigen Patron ein Teil der Zinsen seiner<br />

Pfründe zu (vgl. S. 113).<br />

156<br />

Abgedruckt in: Friederich Hortleder, Der römischen Keyser- <strong>und</strong> Königlichen Maiestete[n],Auch<br />

deß Heiligen Römischen Reichs Geistlicher unnd Weltlicher Stände, Churfürsten,<br />

Fürsten, Graffen, Reichs- <strong>und</strong> anderer Stätte, Sampt des Hochlöblichen Käiserlichen Cammer-<br />

Gerichts, Fürstlicher Regierungen, <strong>und</strong> etlicher der H. Schrifft<strong>und</strong> beyder Rechte Gelehrten,<br />

Handlungen <strong>und</strong> Außschreiben, Send-Brieffe, Bericht, Vnderricht, Klag- <strong>und</strong> Supplication-<br />

Schrifften, Befelch, Fürladungen, Rathschläge, Bedencken, Entschuldigungen … vnd viel<br />

andere treffliche Schrifften vnd K<strong>und</strong>en mehr 1. Vonden Ursachen deß Teutschen Kriegs<br />

Käiser Carls deß Fünften, wider die Schmalkaldische B<strong>und</strong>sOberste Chur- <strong>und</strong> Fürsten,<br />

Sachsen <strong>und</strong> Hessen, <strong>und</strong> Ihrer Chur- <strong>und</strong> F. G. G. Mitverwandte, Anno 1546. <strong>und</strong> 47.: zu<br />

vielen schwierigen Zeiten dem geliebten Vaterlandt Teutscher Nation zu gut, mit grossem<br />

Fleiß, ordentlich zusammen bracht, An vielen Orten bewährt, erklärt, <strong>und</strong> an Tag gegeben,<br />

Frankfurt a. M. 1617,1111–1124; Martin Bucer, Schriften zu Kirchengütern <strong>und</strong> zum Basler<br />

Universitätsstreit (1538–1545). Bearbeitet von Stephen E. Buckwalter, Gütersloh 2007, 38–<br />

78; vgl. Sieglerschmidt, Territorialstaat, 143; Seebaß, Beitrag, 173.181f.; Roth, Kirchengüterfrage,<br />

302–310; Stupperich, Bucer, 165 f. Auf diesem Gutachten basierte auch Bucers<br />

Schrift VonKirchengütern von 1540, die er unter dem Pseudonym Chunrath Trew von Fri-


92 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

kaiserlichen Recht. 157 Bucer begründete seine Thesen jedoch ausführlicher als im<br />

zuvor dargestellten Gutachten. Die Schlussfolgerung entsprach diesem wieder:<br />

Die Kirchengüter dürften der Kirche nicht entzogen, sondern sollten für den<br />

Unterhalt von Kirchen <strong>und</strong> Schulen, für die Sozialhilfe <strong>und</strong> – falls die Mittel dafür<br />

ausreichten – für dieKirchengebäude verwendet werden. 158 Geistliche, die ihren<br />

Aufgaben nicht nachkämen, sollten nicht länger entlohnt werden. Genauso wenig<br />

sollten die Kirchengüter für Bräuche, die auf dem »Aberglauben« beruhen würden,<br />

sich den Himmel erkaufen zu können, ausgegeben werden – eine klare<br />

Positionierung gegen mittelalterliche Messstiftungen. 159 Bucer sah die Obrigkeit<br />

in der Verantwortung für den rechten Gebrauch der Kirchengüter. In einem<br />

weiteren Gutachten hob Bucer besonders das Recht <strong>und</strong> die Pflicht der Reichsstädte<br />

hervor, die Kirchengüter zu erhalten. 160<br />

Unter vielen reformatorischen Theologen herrschte also Konsens darüber,<br />

dass die mittelalterlichen Messstiftungen zu beenden <strong>und</strong> deren Zinsen für die<br />

Verbreitung des rechten Glaubens sowie die Versorgung der Bedürftigen einzusetzen<br />

seien.<br />

Eine übergreifende politische Entscheidung in Form eines allgemein geltenden<br />

Beschlusses oder Gesetzes blieb aus. 161 Deshalb blieb es den einzelnen<br />

Ständen auch weiterhin überlassen, einen Umgang mit den mittelalterlichen<br />

<strong>Stiftungen</strong> zu finden.<br />

So musste auch die Reichsstadt Ulm eigene Lösungen entwickeln. Ihre<br />

Voraussetzungen – politische wie kirchliche – unterschieden sich von denjenigen<br />

in Nürnberg, kannten jedoch auch Gemeinsamkeiten. WieinNürnberg war »das<br />

desleven verfasste. Darin wies Bucer eindringlich auf die Notwendigkeit eines nationalen<br />

Konzils hin. Außerdem erklärte er sich bereit, verarmten Stifterfamilien mit den Stiftungsgeldern<br />

auszuhelfen (Bucer, Schriften zu Kirchengütern, 285–494, bes. 292; vgl. Seebaß,<br />

Beitrag, 175–177; Roth, Kirchengüterfrage, 310–312; Stupperich, Bucer, 170–172). Weitere<br />

Schriften Bucers zur Kirchengüterfrage in: Bucer, Schriften zu Kirchengütern.<br />

157<br />

Vgl. Seebaß, Beitrag, 168–171.<br />

158<br />

Die Umsetzung dieser Überlegung in praktische Maßnahmen, wie etwa den Aufbau eines<br />

Fürsorgewesens, sah Bucer nicht als seine Aufgabe an (vgl. Andreas Gäumann, Reich Christi<br />

<strong>und</strong> Obrigkeit. Eine Studie zum reformatorischen Denken <strong>und</strong> Handeln Martin Bucers, Bern<br />

2001, 306 f.).<br />

159<br />

Nach Ansicht Bucers könne sich das Reich Christi nicht unter einem falschen Gottesdienst<br />

– gemeint war die Messe – ausbreiten. Ein falscher Gottesdienst widerspräche der<br />

Überzeugung, die Seligkeit beruhe auf Jesu TodamKreuz <strong>und</strong> der Gnade Gottes. Er sei mit der<br />

Ehre Gottes unvereinbar (vgl. Gäumann, Reich, 315f.).<br />

160<br />

Bucer, Schriften zu Kirchengütern, 203 f.<br />

161<br />

1540 hatte man sich auf dem TaginSchmalkalden zwar darauf verständigt, Kirchengüter<br />

zugunsten von Kirchendienern, Schulen <strong>und</strong> Bedürftigen verwenden zu wollen, der Abschied<br />

erlangte jedoch keine übergreifende Gültigkeit (vgl. Roth, Kirchengüterfrage, 301f., darin<br />

auch der entsprechende Ausschnitt aus dem Abschied).


2. Das Ulmer Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 93<br />

gesamte soziale Leben [Ulms] in der Zeit vor der <strong>Reformation</strong> mit der Kirche<br />

verwoben«. 162 Neben verschiedenen Klöstern war vor allem das Ulmer Münster<br />

von großer Bedeutung für die Ulmerinnen <strong>und</strong> Ulmer. Nachdem die Patronatsrechte<br />

am Münster Ende des 14. Jahrh<strong>und</strong>erts durch den Rat der Stadt vom<br />

Kloster Reichenau erworbenworden waren, konnte der Rat durchdie Besetzung<br />

der Predigerstellen auf kirchliche Belange einwirken. 163 <strong>Stiftungen</strong> waren wesentlicher<br />

Bestandteil der spätmittelalterlichen Frömmigkeit in Ulm, wie die<br />

reichlichen Messstiftungen zeigen, deren Anzahl im Vergleich zu anderen<br />

Städten – wie etwa Nürnberg – laut Enderle wohl hoch anzusetzen ist. 164 Allein im<br />

Münster lasen über 60 Geistliche an bis zu 52 Altären Messen. 165<br />

Auch in Ulm hatten sich humanistische Ideen verbreitet, etwa im Humanistenkreis<br />

um den Stadtarzt Wolfgang Rychard, 166 in welchem – neben anderen<br />

– die Schriften Luthers gelesen <strong>und</strong> rezipiert wurden. 167 Auch im Ulmer<br />

Franziskanerkloster konnte diereformatorische Bewegung Fuß fassen. Durch die<br />

Predigten der beiden Franziskaner Johann Eberlin von Günzburg <strong>und</strong> Heinrich<br />

Kettenbach sowie einiger anderer – beispielsweise Jost Höflich, einem unabhängigen<br />

Prediger 168 – verbreiteten sich reformatorische Überzeugen. 169 Weder<br />

162<br />

Beispielsweise richtete sich das öffentliche Leben nach dem Kirchenjahr. Heiligenverehrung<br />

<strong>und</strong> andere kirchliche Brauchtümer nahmen im Alltag der Menschen einen wichtigen<br />

Platz ein (vgl. Barbara Filtzinger, Ulm, eine Stadt zwischen <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> Dreißigjährigem<br />

Krieg. Studien zur gesellschaftlichen, politischen, kulturellen <strong>und</strong> wirtschaftlichen Entwicklung,<br />

München 1992, 141; vgl. auch Hamm, Bürgertum, 63–68).<br />

163<br />

Vgl. Enderle, Ulm, 197; Isenmann, Stadt 608f.; Hamm, Bürgertum, 68–73; Blickle,<br />

Gemeindereformation, 96–101.<br />

164<br />

Vgl. Enderle, Ulm, 198. Es wäre näher zu untersuchen, ob <strong>und</strong> warum sich gerade in Ulm<br />

eine so hohe Zahl an Messstiftungen beobachten lässt. Litz vermutet, dies hinge damit zusammen,<br />

dass die Ulmer »die Kirche [das Münster] als ihre Kirche« ansahen. Den <strong>Stiftungen</strong><br />

sei unterstellt worden, sie hätten einen positiven Einfluss auf das Wohlergehen der Stadt <strong>und</strong><br />

auf die Seligkeit ihrer Bewohner (vgl. Litz, Bekenntnis, 82). Dies würde erklären, warum<br />

gestiftet wurde, jedoch nicht, warum gerade in Ulm die Zahl der Messstiftungen besonders<br />

hoch war – so diese Beobachtung Enderles zutrifft. Beispiele für mittelalterliche <strong>Stiftungen</strong> in<br />

Ulm bietet Litz, Beispiele, 67–71.<br />

165<br />

Vgl. Hartmut Boockmann, Kirchlichkeit <strong>und</strong> Frömmigkeit im spätmittelalterlichen Ulm,<br />

in: Württembergisches Landesmuseum Stuttgart (Hg.), Meisterwerke massenhaft. Die Bildhauerwerkstatt<br />

des Niklaus Weckmann <strong>und</strong> die Malerei in Ulm um 1500, Stuttgart 1993,<br />

58 f.; Wettengel, Geschichte, 12. Die Hoffnung, einen Beitrag zur eigenen Seligkeit, aber auch<br />

zur Seligkeit der ganzen Gemeinde leisten zu können, kann dabei als stärkste Motivation für<br />

die <strong>Stiftungen</strong> verstanden werden (vgl. Litz, Bilderfrage, 92; vgl. S. 21–23).<br />

166<br />

Vgl. Schenk, Ulm, 414.<br />

167<br />

Zur Bedeutung des Humanismus für die reformatorische Bewegung vgl. S. 50 f.<br />

168<br />

Vgl. Justus Maurer, Prediger im Bauernkrieg, Stuttgart 1979, 417f.


94 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

Eberlin noch Kettenbach oder Höflich konntenjedoch dauerhaft in Ulm bleiben,<br />

da sich der Rat insgesamt noch ablehnend gegenüber den Veränderungen im<br />

Kirchenwesen verhielt. 170 Gleichzeitig waren reformatorische Gedanken bereits<br />

in den Rat vorgedrungen. Mit Stadtrat Bernhard Besserer,der die Reichsstadt ab<br />

1521 in Treffen <strong>und</strong> Versammlungen – etwa mit anderen Städten – vertrat, <strong>und</strong><br />

dem Stadtschreiber ConradAitinger hatten sich zwei bedeutende Vertreter Ulms<br />

reformatorischen Inhalten zugewandt. 171 Besserers Haltung zeigt die Problematik,<br />

mit der die Reichsstadt Ulm konfrontiert war: Er schwankte zwischen<br />

Kaisertreue <strong>und</strong> Zuwendung zur reformatorischen Bewegung. 172<br />

Auf Drängen von vier Angehörigen der Zünfte wurde der reformatorische<br />

Theologe Konrad Sam 1524 als Prediger ans Münster berufen. 173 Tiefgreifende<br />

Veränderungen des Kirchenwesens blieben zu diesem Zeitpunkt noch aus. Es<br />

kam jedoch zu eifrigen Auseinandersetzungen zwischen reformatorischen <strong>und</strong><br />

altgläubigen Predigern, sodass der Rat 1526 zum Frieden mahnte <strong>und</strong> Disputationen<br />

verbot. 174 Ein einschneidendes Erlebnis war der Bauernkrieg, der sich<br />

1524 im Ulmer Territorium ausbreitete. In der Stadt tagte der Schwäbische B<strong>und</strong>,<br />

der die Bauern schließlich zur Aufgabe drängte. 175 Nach dem Beschluss des<br />

169<br />

Vgl. Schenk, Einführung, 35; Hamm, Bürgertum, 77–81. Eberlin orientierte sich durch<br />

sein Studium in Wittenberg eng an Luther. Als er Ulm 1521 erreichte, sprach sich Eberlin<br />

gegen Ablass, Bettelorden, Pfründen, Messe <strong>und</strong> Zölibat aus. Es kam zum Konflikt mit dem<br />

Franziskanerorden, woraufhin Eberlin strafversetzt werden sollte. Der Ulmer Rat setzte sich<br />

allerdings für Eberlin ein (vgl. Christian Peters, Art. Eberlin von Günzburg, Johann, in: RGG 4 2<br />

[1999], 1041; ders., Johann Eberlin von Günzburg ca. 1465–1533. Franziskanischer Reformer,<br />

Humanist <strong>und</strong> konservativer Reformator, Gütersloh 1994, 31; Wiegandt, Ulm, 113).<br />

Kettenbach predigte ebenfalls im Sinn der Wittenberger <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> kritisierte die<br />

Fastengebote, den Klerus <strong>und</strong> das römische Kirchenverständnis (vgl. Christian <strong>Will</strong>m Rasch,<br />

Art. Kettenbach, Heinrich von, in: RGG 4 4[2001], 942; Heiko Wulfert, Art. Kettenbach,<br />

Heinrich von, in: BBKL 3[1992], 1425).<br />

170<br />

Dem widerspricht jedoch, dass sich der Rat für Johann Eberlin von Günzburg einsetzte<br />

(vgl. S. 94, Anm. 169). Es sollte also überprüft <strong>und</strong> genauer differenziert werden, inwiefern<br />

der Ulmer Rat Veränderungen im Kirchenwesen zu diesem Zeitpunkt ablehnend gegenüberstand.<br />

171<br />

Vgl. Enderle, Ulm, 199.<br />

172<br />

Vgl. Litz, Bilderfrage, 94, Anm. 10.<br />

173<br />

Vgl. Wiegandt, Ulm, 111; Schenk, Einführung, 35; Litz, Bekenntnis, 89 f. Zu Sam vgl.<br />

S. 345.<br />

174<br />

Vgl. Wiegandt, Ulm, 111 f.<br />

175<br />

Teile der Ulmer Bevölkerung sympathisierten mit den Forderungen der Bauern <strong>und</strong><br />

traten in Opposition zum Rat. Bereits Johann Eberlin von Günzburg hatte sich für die Bauern<br />

eingesetzt. 1525 diente Ulm als Versammlungsort des Schwäbischen B<strong>und</strong>es im Kampf<br />

gegen die Bauern, denen er in seinem Gebiet vergleichsweise milde begegnete (vgl. Wiegandt,<br />

Ulm, 113).


2. Das Ulmer Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 95<br />

Reichstags in Speyer 1526wurden allerdings einige vorsichtige Neuerungenim<br />

Ulmer Kirchenwesen eingeführt. 176<br />

Die erheblichen Veränderungen im Nürnberger Stiftungswesen von 1525/26<br />

hatten sich bereits in der Nürnberger Almosenordnung von 1522 angedeutet. 177<br />

In Ulm wurde 1528 gleichfalls eine neue Almosenordnung erlassen, allerdings<br />

ohne Regelungen zum Umgang mit mittelalterlichen <strong>Stiftungen</strong>. 178 Verfasst<br />

wurde die Ordnung vermutlich vom Stadtschreiber Conrad Aitinger, basierend<br />

auf Vorarbeiten der drei Almosenpfleger. Die Aufsicht über die Erarbeitung der<br />

Ordnung oblag dem Bürgermeister Bernhard Besserer. 179 Sowohl Aitinger als<br />

auch Besserer standen der reformatorischen Bewegung aufgeschlossen gegenüber.<br />

Sie waren allerdings – wie Lazarus Spengler, aus dessen Feder die Nürnberger<br />

Almosenordnung stammte – keine Theologen. Wie inNürnberg trat die<br />

Almosenordnung bereits vor der offiziellen Einführung der <strong>Reformation</strong>inKraft,<br />

doch zu einem Zeitpunkt, an dem sich reformatorische Überzeugungen in der<br />

Stadt verbreitet hatten. Die Ulmer Ordnung begründete die Almosengaben mit<br />

dem Befehl Gottes <strong>und</strong> Christi, die Bedürftigen zu versorgen <strong>und</strong> mit einem<br />

allgemeinen Hinweis auf diegeforderte Nächstenliebe. Ihr Zweck bestand in der<br />

Abschaffung des Gassenbettels. In der Almosenordnung fanden sich – anders als<br />

in Nürnberg – keine Angaben zum Umgang mit bestehenden oder zukünftigen<br />

<strong>Stiftungen</strong>. 180 Die Frage nach den mittelalterlichen Messstiftungen wurde von<br />

den Verfassern 1528 nicht in die Almosenordnung aufgenommen.<br />

176<br />

Vgl. A. <strong>Will</strong>burger, Die <strong>Reformation</strong> in Ulm, in: Ulmer historische Blätter 1(1924/25), 4.<br />

Dazu zählten beispielsweise die Förderung der Bildung, auch durch Sams Katechismus, der<br />

»in seiner zwinglisch-oberdeutschen Ausrichtung jahrzehntelang die Frömmigkeit der Ulmerinnen<br />

<strong>und</strong> Ulmer prägte«, sowie das Bestreben, Fortschritte in der Kommunalisierung der<br />

Armenfürsorge <strong>und</strong> der Verdrängung der Klöster aus dem öffentlichen Leben zu erzielen (vgl.<br />

Schenk, Einführung, 36). Den Bettelmönchen wurde das Betteln verboten, sie wurden unter<br />

die Aufsicht von Pflegern gestellt <strong>und</strong> die Anzahl der Mönche wurde begrenzt. Zu nennen<br />

sind weiterhin die Einführung der Taufe auf Deutsch <strong>und</strong> der Priesterehe sowie die Einschränkung<br />

<strong>und</strong> später das Verbot der Fronleichnamsprozessionen (vgl. Litz, Bilderfrage,<br />

95).<br />

177<br />

Vgl. S. 52–54.<br />

178<br />

Arend (Hg.), Kirchenordnungen 17,2, 86–96.<br />

179<br />

Vgl. Arend (Hg.), Kirchenordnungen 17,2, 64.<br />

180<br />

Vgl. Wolfgang W. Schürle, Betteln verboten?Über Strukturwandel <strong>und</strong> Organisation der<br />

offenen Armenhilfe in Ulm, Konstanz <strong>und</strong> Württemberg im 15. <strong>und</strong> 16. Jahrh<strong>und</strong>ert, in: Ulm<br />

<strong>und</strong> Oberschwaben 60 (2017), 209. Dagegen interpretierte Diehl Artikel 4der Ulmer Almosenordnung<br />

so, dass dieser anordnen würde, die mittelalterlichen <strong>Stiftungen</strong> dem Almosen<br />

einzuverleiben (vgl. Adolf Diehl, Die offene Armenfürsorge der Reichsstadt Ulm bis<br />

zur <strong>Reformation</strong>, in: Württembergische Jahrbücher für Statistik <strong>und</strong> Landesk<strong>und</strong>e 1934/35,<br />

73). Jedoch lässt sich dies Artikel 4nicht entnehmen. Dort heißt es, der Rat habe »verordnet,<br />

das alle die spenden, so bißher von ains erbarn rhats <strong>und</strong> seiner burger wegen hie zu Ulm


96 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

1529 waren reformatorische BestrebungeninUlm so weit etabliert, dass die<br />

Stadt zu den Unterzeichnern der SpeyererProtestation gehörte. Mit ihr drückten<br />

reformatorische Stände auf dem Reichstag zu Speyer ihre Unzufriedenheit mit<br />

der Wiedereinführung des Wormser Edikts aus. 181 Da jedoch ein Bündnis evangelischerStände<br />

scheiterte, das zu einheitlichenNeuregelungen zum Beispiel der<br />

Stiftungsfrage hätte führen können, wurden weitreichende Neuerungen im Ulmer<br />

Kirchenwesen unterlassen. 182 Als 1530 der Reichstag in Augsburg einberufen<br />

wurde,war Ulm als Reichsstadt zwischen der Loyalität zum Kaiser <strong>und</strong> der<br />

Treue zur Protestation hin- <strong>und</strong> hergerissen. 183 Zunächst hatte Ulm aus Kaisertreue<br />

das Augsburger Bekenntnis der protestantischen Stände nicht unterschrieben.<br />

Die Annahme des Reichstagsabschieds hätte für Ulm allerdings ein<br />

Verbot reformatorischer Reformen bedeutet. 184 Eine Ablehnung des Reichstagsabschieds<br />

kam daher einer Zustimmung zur Einführung der <strong>Reformation</strong> in Ulm<br />

gleich. In dieser heiklen Lage beschloss man, von einem Mittel, das der Große<br />

außgeben sein, fürohin den verordneten herrn [den Almosenherren] zugestelt« werden<br />

sollten. Spenden konnten jedoch auch einmalige Gaben bezeichnen <strong>und</strong> wurden nicht<br />

zwangsläufig mit <strong>Stiftungen</strong> gleichgesetzt. Darüber hinaus nimmt Artikel 4keinen Bezug zu<br />

mittelalterlichen <strong>Stiftungen</strong>, sondern betont die Abschaffung des Gassenbettels. Innerhalb<br />

des relativ kurzen Artikels wird dreimal auf ein Verbot des Gassenbettels verwiesen, darunter<br />

an den prägnanten Stellen am Anfang <strong>und</strong> am Ende des Artikels. Aus diesen Gründen ist die<br />

Vermutung Diehls, Artikel 4der Ulmer Almosenordnung würde die Umwidmung der mittelalterlichen<br />

<strong>Stiftungen</strong> zugunsten des Almosens beschreiben, nicht haltbar.<br />

181<br />

Vgl. Enderle, Ulm, 200; Litz, Bilderfrage, 95.<br />

182<br />

Vgl. Martin Brecht, Ulm 1530–1547. Entstehung, Ordnung, Leben <strong>und</strong> Probleme einer<br />

<strong>Reformation</strong>skirche, in: Hans Eugen Specker/Gebhard Weig (Hgg.), Die Einführung der<br />

<strong>Reformation</strong> in Ulm. Geschichte eines Bürgerentscheids, Ulm 1981, 12; Litz, Bilderfrage, 95.<br />

183<br />

Vgl. Wiegandt, Ulm, 118; Litz, Bilderfrage, 94.<br />

184<br />

Vgl. Schenk, Einführung, 36. Der Abschied bekräftigte das Wormser Edikt, indem<br />

kirchliche Neuerungen untersagt <strong>und</strong> das alte Kirchenwesen – insbesondere die Kirchengüter<br />

– unter den Schutz des Landfriedens gestellt wurden. Die <strong>Stiftungen</strong> sollten nach<br />

Paragraph 47 in ihrer bisherigen Form bestehen bleiben: »Dasß auch insonder alle […]<br />

Stifftunn <strong>und</strong> Pfründ bey ihren Satzungen, Ordnungen, Regulen, Stifftungen, F<strong>und</strong>ation,<br />

Gesäng, Lesen, Predigen, Meß halten, Gebeten, Begräbnuß <strong>und</strong> gewöhnlichen Christlichen<br />

löblichen herbrachten Ceremonien, wie die in gemeiner Kirchen biß anhero geübt, gehalten<br />

werden sollen.« Wo bereits Änderungen vorgenommen worden waren, sollten diese laut<br />

Paragraph 53 rückgängig gemacht werden. Alle Stiftungsempfänger sollten nach Paragraph<br />

62 weiterhin ihre Zinsen erhalten. Paragraph 63 erklärte die Rechte der Obrigkeiten, die diese<br />

zu den Veränderungen im Stiftungswesen bemächtigten, für nichtig (Ruth Kastner [Hg.],<br />

Quellen zur <strong>Reformation</strong> 1517–1555, Darmstadt 1994, 513f.518 f.). Eine Annahme des<br />

Reichsabschieds hätte folglich bedeutet, keine Änderungen im Stiftungswesen vornehmen zu<br />

dürfen <strong>und</strong> bereits getane Neuerungen rückgängig machen zu müssen.


2. Das Ulmer Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 97<br />

Schwörbrief 185 zur Verfügung stellte, Gebrauch zu machen <strong>und</strong> die Ulmer Bürgerschaftabstimmen<br />

zu lassen, ob der Reichstagsabschied angenommenwerden<br />

sollte oder nicht. Die Zustimmung oder Ablehnung eines jeden Bürgers wurde<br />

namentlich festgehalten. Sowohl unter den Patriziern als auch unter den übrigen<br />

Bürgern sprach sich eine Mehrheit gegen den Reichstagsabschied aus. 186 Damit<br />

bekannte sich die Ulmer Bürgerschaft zuden reformatorischen Veränderungen.<br />

Nun kam es zu aktiven Schritten. Martin Bucer, Ambrosius Blarer <strong>und</strong> JohannesOekolampad<br />

wurden nach Ulm eingeladen, um eine Kirchenordnung für<br />

die Reichsstadt zuerarbeiten. 187 Zunächst formulierten sie 18 Artikel, ein reformatorisches<br />

Bekenntnis, welches später in die Kirchenordnung von 1531<br />

aufgenommen wurde. 188 In den 18 Artikeln grenzten sich die Verfasser vom römischen<br />

<strong>und</strong> vom täuferischenChristentum ab. 189 Durch den Ratsausschuss <strong>und</strong><br />

185<br />

Vgl. S. 42.<br />

186<br />

Vgl. Specker, Gewissen, 44–46.<br />

187<br />

Konrad Sam als wichtigster Prediger am Ulmer Münster wurde jedoch nicht mit dieser<br />

Aufgabe betraut. Der Gr<strong>und</strong> könnte darin bestanden haben, dass Sam eine zu große Nähe zu<br />

Zwingli unterstellt wurde. Möglicherweise erhoffte sich der Rat von Bucer, Blarer <strong>und</strong><br />

Oekolampad einen ausgeglicheneren Entwurf. Alle drei stammten aus Städten, die in Kontakt<br />

mit Ulm standen (vgl. Marie-Kristin Hauke, Konrad Sam <strong>und</strong> Martin Frecht, in: Ernst-Wilhelm<br />

Gohl/Gudrun Litz/Frank Zeeb [Hgg.],Ulm, Leipzig 2017,41; Konrad Hoffmann, Konrad<br />

Sam [1483–1533], der Prediger des Rats zu Ulm, in: Hans Eugen Specker/Gebhard Weig<br />

[Hgg.], Die Einführung der <strong>Reformation</strong> in Ulm. Geschichte eines Bürgerentscheids, Ulm<br />

1981, 260).<br />

188<br />

Eine Reihe von Texten nahm Einfluss auf die Ulmer Kirchenordnung, etwa die Basler<br />

Kirchenordnung, die Memminger Artikel, die Konstanzer Zuchtordnung, einige Ulmer<br />

Rechtstexte, die Confessio Tetrapolitana sowie Bucers Schriften Gr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ursach von 1524<br />

<strong>und</strong> Christlich Leern, Ceremonien <strong>und</strong> Leben sampt meiner herrn, der verordneten, Ratschläg<br />

dabey von 1531 (vgl. Arend [Hg.],Kirchenordnungen 17,2, 69f.). Gerade Bucer hatte großen<br />

Anteil an der Verfassung der Ulmer Kirchenordnung.<br />

189<br />

Die 18 Artikel können als »eine Art Ulmer Bekenntnis, das reformatorische Gr<strong>und</strong>überzeugungen<br />

mit biblischer Begründung […]formuliert«, verstanden werden (vgl. Schenk,<br />

Einführung, 37). Sie äußerten sich unter anderem zur Sündhaftigkeit des Menschen, dessen<br />

Rechtfertigung aus Glauben, der wahren Kirche, der Taufe, dem Abendmahl, den Kirchenbräuchen,<br />

den Bildern, dem Fasten <strong>und</strong> Beten, den Speisevorschriften, den Klöstern, den<br />

Wallfahrten, den guten Werken, der weltlichen Obrigkeit, dem Schwören <strong>und</strong> der Ehe <strong>und</strong><br />

bezogen dabei biblische Zitate <strong>und</strong> Anspielungen mit ein. Die Abgrenzung vom römischen<br />

Christentum lässt sich insbesondere in den Artikeln nachvollziehen, die sich auf die<br />

Rechtfertigung aus Glauben bezogen (Artikel 2<strong>und</strong> 3). Darin wurde den menschlichen<br />

Werken jegliche Möglichkeit abgesprochen, einen Verdienst bei Gott erzielen zu können. Die<br />

Abgrenzung gegenüber dem täuferischen Christentum zeigt sich prägnant in dem ausdrücklichen<br />

Bekenntnis zur Kindertaufe in Artikel 5(Arend [Hg.], Kirchenordnungen 17,2,<br />

129–132).


98 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

später das Amt der Religionsherren 190 <strong>und</strong>das Pfarrkirchenbaupflegamt 191 sollte<br />

der Rat Einfluss auf das Kirchenwesen nehmen können. Die Verwaltung der<br />

Kirchengüter, die Besetzung geistlicher Stellen <strong>und</strong> die Kirchenzucht lagen<br />

nunmehr in seiner Hand. 192<br />

Charakteristisch für diese Zeit war die Vielfalt der theologischen Überzeugungen<br />

<strong>und</strong> der Frömmigkeit in Ulm. Schweizerisch-oberdeutsche, Wittenberger<br />

<strong>und</strong> spiritualistische Strömungen standen nebeneinander. 193 Nach verschiede-<br />

190<br />

Zu den Religionsherren vgl. S. 102.<br />

191<br />

Zum Pfarrkirchenbaupflegamt vgl. S. 100.<br />

192<br />

Vgl. Enderle, Ulm, 200f.; Kremmer, Ulm, 11 f.<br />

193<br />

Vgl. Schenk, Einführung, 38 f.; dies., Ulm, 419. Um das Verbindende der einzelnen reformatorischen<br />

Richtungen zu beschreiben, gibt es verschiedene Ansätze. Einerseits wurde<br />

die Einheit der reformatorischen Bewegung anhand ihrer gemeinsamen Überzeugungen<br />

postuliert: Rechtfertigungslehre, Schriftprinzip <strong>und</strong> allgemeines Priestertum seien nach<br />

Schäufele verbindende Elemente der reformatorischen Bewegung gewesen, ihr »Motor« jedoch<br />

die Gottesunmittelbarkeit des Menschen. Aus der Gottesunmittelbarkeit hätten verschiedene<br />

theologische Ansätze erarbeitet werden können, sodass dieses Prinzip die<br />

Gr<strong>und</strong>lage unterschiedlicher reformatorischer Theologien habe werden können (vgl.<br />

Schäufele, Rechtfertigungslehre, 82–84). Diesem Ansatz widersprachen diejenigen Deutungen,<br />

welche die Einheit der reformatorischen Bewegung nicht aus ihren inhaltlichen<br />

Übereinstimmungen erklärten: Erst die Perspektive der Altgläubigen – so Wendebourg –<br />

habe »die <strong>Reformation</strong>« zu einer Einheit gemacht. Wendebourg machte auf die Vielfalt der<br />

theologischen Positionen innerhalb »der <strong>Reformation</strong>« <strong>und</strong> die Uneinheitlichkeit der frühen<br />

Phase der reformatorischen Bewegung aufmerksam, der unterstellt würde, sie habe sich auf<br />

Luther fokussiert. »Die <strong>Reformation</strong>« sei vielmehr von Abgrenzungen geprägt gewesen.<br />

Insgesamt bewertete Wendebourg die kirchentrennende Wirkung von <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong><br />

Gegenreformation jedoch höher als die trennende Wirkung der verschiedenen Positionen<br />

innerhalb »der <strong>Reformation</strong>« (vgl. Dorothea Wendebourg, Die Einheit der <strong>Reformation</strong> als<br />

historisches Problem, in: Berndt Hamm/Bernd Moeller/Dorothea Wendebourg [Hgg.], <strong>Reformation</strong>stheorien.<br />

Ein kirchenhistorischer Disput über Einheit <strong>und</strong> Vielfalt der <strong>Reformation</strong>,<br />

Göttingen 1995, 31–51). Dass die reformatorische Bewegung weder allein aus Luther<br />

<strong>und</strong> dessen Theologie noch ohne ihn erklärbar ist, zeigte etwa Volker Leppin, Die Wittenberger<br />

<strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> der Prozess der Transformation kultureller zu institutionellen Polaritäten,<br />

Leipzig 2010, 37–39. Die Gesamtheit der reformatorischen Richtungen wies sowohl<br />

verbindende als auch trennende <strong>und</strong> plurale Züge auf (vgl. Berndt Hamm, Einheit <strong>und</strong> Vielfalt<br />

der <strong>Reformation</strong> – oder: was die <strong>Reformation</strong> zur <strong>Reformation</strong> machte, in: Ders./Bernd<br />

Moeller/Dorothea Wendebourg [Hgg.], <strong>Reformation</strong>stheorien. Ein kirchenhistorischer Disput<br />

über Einheit <strong>und</strong> Vielfalt der <strong>Reformation</strong>, Göttingen 1995, 127). Sie hatte ihre Wurzeln<br />

einerseits in spätmittelalterlichen Reformbestrebungen, grenzte sich andererseits von diesen<br />

ab, indem sie sie radikalisierte. Zu diesen Reformbestrebungen – »Antriebskräften« – zählten<br />

laut Hamm der Wunsch nach Authentizität der Kirche, die alleinige Berufung auf die Bibel als<br />

Wort Gottes, das allgemeine Priestertum, die Gottesunmittelbarkeit aller Menschen <strong>und</strong> die


2. Das Ulmer Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 99<br />

nen theologischen Konflikten mussten die beiden Spiritualisten Caspar von<br />

Schwenckfeld <strong>und</strong> Sebastian Franck die Reichsstadt zwar 1539 verlassen, ihre<br />

Theologie blieb jedoch auch nach ihrem Fortgang in Ulm präsent. Zu den kontroversenThemenzähltendie<br />

Sozialethik, das Verständnis des Abendmahls <strong>und</strong><br />

die spiritualistische Frömmigkeit. 194 Nach dem Tod Konrad Sams 1533 wurde<br />

Martin Frecht sein Nachfolger <strong>und</strong> bemühte sich in der Folgezeit um einen<br />

Ausgleich zwischen der Wittenberger <strong>und</strong> der oberdeutschen <strong>Reformation</strong> –<br />

Spiritualisten <strong>und</strong> Täufern stand er hingegen ablehnend gegenüber. 195<br />

Am 16. Juni 1531 – kurz vor der Einführung der neuen Kirchenordnung am<br />

6. August 196 – wurde die Messe abgeschafft. 197 Bereits Anfang des Jahres war<br />

dazu von den Einungern 198 ein Antrag beim Rat gestellt worden, der sich daraufhin<br />

zu dieser Frage an die Stadt Straßburg wandte. 199 Im Zusammenhang mit<br />

Heilsgabe im Glauben. Die Weiterentwicklung der Reformbestrebungen führte in dem Verständnis<br />

Hamms zu der Vielfalt der <strong>Reformation</strong> (vgl. Hamm, Antriebskräfte, 11–33). Vgl.<br />

auch Hamm, Wie innovativ, 492–497; Leppin, Wie reformatorisch, 162–176; ders., Transformationen,<br />

1–15.<br />

194<br />

Vgl. Schenk, Einführung, 38 f.; Schenk, Ulm, 419. Dargestellt werden die Konflikte in<br />

Susanne Schenk, Ulmer Vielstimmigkeit. Die Konflikte der 1540er Jahre um Sozialethik,<br />

Abendmahl <strong>und</strong> spiritualistische Frömmigkeit, in: Gudrun Litz/Susanne Schenk/Volker<br />

Leppin (Hgg.), Vielstimmige <strong>Reformation</strong> in den Jahren 1530–1548, Ulm 2018.<br />

195<br />

Zu Frecht vgl. S. 339.<br />

196<br />

Vgl. Arend (Hg.), Kirchenordnungen 17,2, 67f. Hans Eugen Specker/Gebhard Weig, Die<br />

Einführung der <strong>Reformation</strong> in Ulm. Geschichte eines Bürgerentscheids, Ulm 1981, 183. Dies<br />

bestätigten Blarer, Bucer, Oekolampad <strong>und</strong> Sam in einem Brief an Joachim Vadian vom<br />

23. Juni (Badische Historische Kommission [Hg.], Briefwechsel der Brüder Ambrosius <strong>und</strong><br />

Thomas Blaurer 1509 – 1548. Bearbeitet von Traugott Schieß. Band 1. 1509 – Juni 1538,<br />

Freiburg i. Br. 1908, 250; Reinhold Friedrich/Berndt Hamm/Wolfgang Simon/Matthieu Arnold<br />

[Hgg.],Martin Bucer. Briefwechsel 4. Mai – Oktober 1531, Leiden/Boston 2006, 10–12).<br />

197<br />

Weitere reformatorische Veränderungen bestanden in der Entfernung der Bilder, der<br />

Einführung des Abendmahls nach neuer Ordnung <strong>und</strong> der Auflösung der Klöster (vgl. Litz,<br />

Bilderfrage, 96).<br />

198<br />

Dieses Amt hatten zwei Ratsherren inne. Ihre Aufgabe bestand darin, über die Einigkeit<br />

innerhalb der Reichsstadt zu wachen. Konkret hieß das, die Einunger konnten Geldstrafen<br />

erlassen, wenn sich jemand nicht an die Gesetze Ulms hielt. Konnten die Strafen nicht bezahlt<br />

werden, mussten die Schuldner die Stadt verlassen. Außerdem gehörten Verhöre von Gefangenen<br />

<strong>und</strong> Anweisungen zur Folter zu den Aufgaben des Einungsamts (vgl. Hans Eugen<br />

Specker [Hg.], Die Bestände des Stadtarchivs Ulm. Kommentierte Gesamtübersicht, Ulm<br />

2002, 98).<br />

199<br />

Vgl. Friedrich/Hamm/Simon/Arnold (Hgg.), Bucer, 6, Anm. 6. Nach Julius Endriß wurde<br />

ein Ratschlag erstellt, der dem Rat vorgelegt wurde, aber gegenwärtig verschollen ist. Endriß<br />

berichtete, der Rat hätte den Ratschlag den Predigern verkünden lassen (vgl. Julius Endriß,<br />

Das Ulmer <strong>Reformation</strong>sjahr 1531 in seinen entscheidenden Vorgängen, Ulm ca. 1930, 62).


100 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

der Abschaffung der Messe wurden zahlreiche Altäre aus dem Münster entfernt.<br />

200 Beide Ereignisse betrafen mittelalterliche Messstiftungen <strong>und</strong> Pfründen<br />

– insbesondere am Ulmer Münster –, die vermögende Ulmer Familien eingerichtet<br />

hatten. Damit hatte die Reichsstadt Ulm ein zentrales Element<br />

reformatorischer Veränderungen, wie es später von den Verfassern der reichsweiten<br />

Gutachten zur Kirchengüterfrage von 1537 oder 1540 sowie 1538 formuliert<br />

wurde, umgesetzt. 201<br />

Kurz nach der Abschaffung der Messe lassen sich bereits einige Umwidmungen<br />

von Ulmer <strong>Stiftungen</strong> beobachten, wie das Beispiel der Familie Gregg<br />

zeigt. 202 Die Familie war bereits seit der Stadtgründung in Ulm ansässig 203 <strong>und</strong> im<br />

Besitz von vier mittelalterlichen Messstiftungen. 1532 wurde in der Familie<br />

entschieden, die Priester, die die Messen versahen,zunächst auf ihren Pfründen<br />

zu belassen, die Zinsen der <strong>Stiftungen</strong> jedoch nach deren Todandie Familie zu<br />

übergeben, damit diese sie für Almosen <strong>und</strong> Stipendien verwenden könne. Als<br />

Stiftungsempfänger sollten Familienmitglieder bevorzugt werden. 204 Der Ulmer<br />

Rat war laut Urk<strong>und</strong>e nicht in die Entscheidung involviert.<br />

Im Jahr 1533 wurde auch eine Messstiftung der Familie Gienger 205 umgewidmet,<br />

dabei jedoch ein Teil der Zinsen an die Erben <strong>und</strong> ein Teil an das<br />

Pfarrkirchenbaupflegamt übergeben. 206 Das Pfarrkirchenbaupflegamt verwaltete<br />

das kirchliche Vermögen, insbesondere des Ulmer Münsters bereits seit dem<br />

14. Jahrh<strong>und</strong>ert. 207 1529 war ihm die Administration der Ratspfründen in der<br />

Stadt Ulm überantwortet worden. 208 Die Quelle wies zudem darauf hin, dass die<br />

Abschaffung der Messe auf der Bibel <strong>und</strong> dem Befehl Gottes beruhe.<br />

200<br />

Vgl. Schenk, Einführung, 37 f. Diese Ereignisse wurden in der älteren Forschung<br />

gr<strong>und</strong>sätzlich als »Bildersturm« gewertet. In der neueren Forschung wird hingegen zwischen<br />

verschiedenen Umgangsweisen mit Bildern <strong>und</strong> sakralen Gegenständen differenziert. In Ulm<br />

durften die Altäre, Bilder <strong>und</strong> Tafeln von ihren Stifterinnen <strong>und</strong> Stiftern abgeholt werden. Die<br />

übrigen Gegenstände wurden vom Rat verwahrt. Von einem gewaltsamen »Bildersturm«<br />

konnte nicht die Rede sein (vgl. Litz, Bilderfrage, 112 f.).<br />

201<br />

Vgl. S. 90–92.<br />

202<br />

StadtA Ulm AUrk. 1532 März 18.<br />

203<br />

Zur Familie Gregg vgl. S. 339 f..<br />

204<br />

Dieses Vorgehen ließ sich auch in Nürnberg beobachten (vgl. S. 86).<br />

205<br />

Zur Familie Gienger vgl. S. 339.<br />

206<br />

StadtA Ulm A[3706].<br />

207<br />

Außerdem gehörten die Durchführung baulicher Maßnahmen an Kirchen <strong>und</strong> Schulen,<br />

die Besetzung vakanter Pfarr- <strong>und</strong> Lehrstellen sowie die Aufsicht über die Kirchen- <strong>und</strong><br />

Schulordnungen zu den Aufgaben des Pfarrkirchenbaupflegamts (vgl. Kremmer, Ulm, 11;<br />

Specker [Hg.], Bestände, 161).<br />

208<br />

Vgl. Trostel, Kirchengut, 121.


2. Das Ulmer Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 101<br />

In einem Ratsentscheid von 1533 wurde die Umwidmung eines Jahrtags<br />

zugunsten eines Armenhauses festgesetzt. Falls die Stifter des Jahrtags jedoch<br />

bedürftig werden würden, sollten sie einen Teil der Zinsen erhalten. 209<br />

Die drei genannten Beispiele beleuchten exemplarisch die Pluralität der<br />

möglichen Umgangsweisen mit den Messstiftungen. Ein einheitlicher Umgang<br />

lässt sich 1533 noch nicht feststellen. Neben der vollständigen Umwidmung<br />

zugunsten von Bedürftigen ließ sich auch die Aufteilung der Stiftung zwischen<br />

dem Pfarrkirchenbaupflegamt <strong>und</strong> den Erben beobachten. Teilweise wurden die<br />

<strong>Stiftungen</strong> sofort umgewidmet, teilweise wurde der Toddes Pfründeninhabers<br />

abgewartet <strong>und</strong> die <strong>Stiftungen</strong> erst danach umgewidmet. Weder der Rat als<br />

Obrigkeit noch die Stifter <strong>und</strong> deren Familien waren zu einer gemeinsamen<br />

Haltung gelangt. Neben den Familien, diebereits Umwidmungenvorgenommen<br />

hatten, standen andere, die noch nicht handelten.<br />

1534 änderte der Rat seine Haltung, indem er die Kirchenbaupflegeranwies,<br />

fortan keine Zinsen für die Jahrtagsstiftungen mehr auszugeben. 210 Diese Vorgabe<br />

betraf die <strong>Stiftungen</strong>, die vom Rat durch das Pfarrkirchenbaupflegamt<br />

verwaltet wurden. 211 Ein Ratsentscheid von 1537 belegt, dass der Rat nun versuchte,<br />

Informationen zu bestehenden <strong>Stiftungen</strong> zu sammeln: Die Kirchenbaupfleger<br />

hatten ihn unterrichtet,einige Familien hätten die Stiftungsurk<strong>und</strong>en<br />

verloren <strong>und</strong> könnten sie ihm nicht vorlegen. Diese Familien sollten unter Eid<br />

Angaben zu ihren <strong>Stiftungen</strong> machen, wobei der Rat insbesondere an der Höhe<br />

der Zinsen interessiert war. 212 Es deutete sich an, dass der Rat allmählich dazu<br />

tendierte, <strong>Stiftungen</strong> umzuwidmen.<br />

Zu dieser Zeit veranlassten weitere Ulmer Familien dieUmwidmungen ihrer<br />

<strong>Stiftungen</strong> – etwa einer Pfründenstiftung, die zukünftig zu einem Teil der Stifterfamilie<br />

<strong>und</strong> zu einem Teil dem Pfarrkirchenbaupflegamt überlassen werden<br />

sollte. 213 Die Zinsen einer anderen Stiftung sollten hingegen bis zum Erlöschen<br />

der Stifterfamilie – bis zum Toddes letzten Familienmitglieds – an diese ausbezahlt<br />

werden <strong>und</strong> erst danach an das Pfarrkirchenbaupflegamt fallen. 214 Der<br />

Umgang mit den mittelalterlichen Messstiftungen blieb also variantenreich.<br />

209<br />

StadtA Ulm A[6821],3,Nr. 7. In Nürnberg hatte vor allem das Gutachten Osianders <strong>und</strong><br />

anderer diese Handlungsweise nahegelegt. Ihr wurde teilweise entsprochen (vgl. S. 72).<br />

210<br />

StadtA Ulm A[6821], 4,Nr. 12.<br />

211<br />

Vgl. S. 100.<br />

212<br />

StadtA Ulm A[6821], 7,Nr. 20.<br />

213<br />

StadtA Ulm A[6821], 5,Nr. 15.<br />

214<br />

StadtA Ulm A[6821], 7,Nr. 21.


<strong>Katharina</strong> <strong>Will</strong>, Dr. theol., Jahrgang 1989, studierte evangelische<br />

Theologie in München <strong>und</strong> wurde 2021 mit der vorliegenden Arbeit<br />

an der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau promoviert. Seit<br />

2020 ist sie Vikarin in München.<br />

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<strong>und</strong> Verarbeitung in elektronischen Systemen.<br />

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.<br />

Cover: Zacharias Bähring, Leipzig<br />

Satz: 3w+p, Rimpar<br />

Druck <strong>und</strong> Binden: Hubert & Co., Göttingen<br />

ISBN 978-3-374-07113-5 // eISBN (PDF) 978-3-374-07114-2<br />

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