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Katharina Will: Stiftungen und Reformation (Leseprobe)

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

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94 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

Eberlin noch Kettenbach oder Höflich konntenjedoch dauerhaft in Ulm bleiben,<br />

da sich der Rat insgesamt noch ablehnend gegenüber den Veränderungen im<br />

Kirchenwesen verhielt. 170 Gleichzeitig waren reformatorische Gedanken bereits<br />

in den Rat vorgedrungen. Mit Stadtrat Bernhard Besserer,der die Reichsstadt ab<br />

1521 in Treffen <strong>und</strong> Versammlungen – etwa mit anderen Städten – vertrat, <strong>und</strong><br />

dem Stadtschreiber ConradAitinger hatten sich zwei bedeutende Vertreter Ulms<br />

reformatorischen Inhalten zugewandt. 171 Besserers Haltung zeigt die Problematik,<br />

mit der die Reichsstadt Ulm konfrontiert war: Er schwankte zwischen<br />

Kaisertreue <strong>und</strong> Zuwendung zur reformatorischen Bewegung. 172<br />

Auf Drängen von vier Angehörigen der Zünfte wurde der reformatorische<br />

Theologe Konrad Sam 1524 als Prediger ans Münster berufen. 173 Tiefgreifende<br />

Veränderungen des Kirchenwesens blieben zu diesem Zeitpunkt noch aus. Es<br />

kam jedoch zu eifrigen Auseinandersetzungen zwischen reformatorischen <strong>und</strong><br />

altgläubigen Predigern, sodass der Rat 1526 zum Frieden mahnte <strong>und</strong> Disputationen<br />

verbot. 174 Ein einschneidendes Erlebnis war der Bauernkrieg, der sich<br />

1524 im Ulmer Territorium ausbreitete. In der Stadt tagte der Schwäbische B<strong>und</strong>,<br />

der die Bauern schließlich zur Aufgabe drängte. 175 Nach dem Beschluss des<br />

169<br />

Vgl. Schenk, Einführung, 35; Hamm, Bürgertum, 77–81. Eberlin orientierte sich durch<br />

sein Studium in Wittenberg eng an Luther. Als er Ulm 1521 erreichte, sprach sich Eberlin<br />

gegen Ablass, Bettelorden, Pfründen, Messe <strong>und</strong> Zölibat aus. Es kam zum Konflikt mit dem<br />

Franziskanerorden, woraufhin Eberlin strafversetzt werden sollte. Der Ulmer Rat setzte sich<br />

allerdings für Eberlin ein (vgl. Christian Peters, Art. Eberlin von Günzburg, Johann, in: RGG 4 2<br />

[1999], 1041; ders., Johann Eberlin von Günzburg ca. 1465–1533. Franziskanischer Reformer,<br />

Humanist <strong>und</strong> konservativer Reformator, Gütersloh 1994, 31; Wiegandt, Ulm, 113).<br />

Kettenbach predigte ebenfalls im Sinn der Wittenberger <strong>Reformation</strong> <strong>und</strong> kritisierte die<br />

Fastengebote, den Klerus <strong>und</strong> das römische Kirchenverständnis (vgl. Christian <strong>Will</strong>m Rasch,<br />

Art. Kettenbach, Heinrich von, in: RGG 4 4[2001], 942; Heiko Wulfert, Art. Kettenbach,<br />

Heinrich von, in: BBKL 3[1992], 1425).<br />

170<br />

Dem widerspricht jedoch, dass sich der Rat für Johann Eberlin von Günzburg einsetzte<br />

(vgl. S. 94, Anm. 169). Es sollte also überprüft <strong>und</strong> genauer differenziert werden, inwiefern<br />

der Ulmer Rat Veränderungen im Kirchenwesen zu diesem Zeitpunkt ablehnend gegenüberstand.<br />

171<br />

Vgl. Enderle, Ulm, 199.<br />

172<br />

Vgl. Litz, Bilderfrage, 94, Anm. 10.<br />

173<br />

Vgl. Wiegandt, Ulm, 111; Schenk, Einführung, 35; Litz, Bekenntnis, 89 f. Zu Sam vgl.<br />

S. 345.<br />

174<br />

Vgl. Wiegandt, Ulm, 111 f.<br />

175<br />

Teile der Ulmer Bevölkerung sympathisierten mit den Forderungen der Bauern <strong>und</strong><br />

traten in Opposition zum Rat. Bereits Johann Eberlin von Günzburg hatte sich für die Bauern<br />

eingesetzt. 1525 diente Ulm als Versammlungsort des Schwäbischen B<strong>und</strong>es im Kampf<br />

gegen die Bauern, denen er in seinem Gebiet vergleichsweise milde begegnete (vgl. Wiegandt,<br />

Ulm, 113).

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