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Katharina Will: Stiftungen und Reformation (Leseprobe)

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

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60 II. Die Transformation des Stiftungswesens<br />

Haltung gegenüber den mittelalterlichen Messstiftungen. Er hatte jedoch noch<br />

keinen allgemeinen Beschluss zum Umgang mit diesen gefasst. 44 Deshalb forderte<br />

der Rat ein Gutachten zur Stiftungsfrage an, welches ihn im November 1525<br />

erreichte.<br />

1.2 Das N=rnberger Gutachten (1525)<br />

Das Nürnberger Gutachten 45 benannte keinen Verfasser. Aus den Nürnberger<br />

Gepflogenheiten <strong>und</strong>dem Inhalt des Gutachtens lassen sich jedoch Vermutungen<br />

über die Verfasserschaft anstellen. Das Gutachten ist in der Abschrift eines<br />

Schreibers überliefert, der diverse Gutachten Andreas Osianders kopiert hatte. 46<br />

Außerdem kann auf Gr<strong>und</strong> des theologischen Inhalts davon ausgegangen werden,<br />

dass Theologen an der Konzeption beteiligt gewesen waren. Osiander war<br />

zuvor als einer der führenden Theologen Nürnbergs in Erscheinung getreten<strong>und</strong><br />

hatte beispielsweise beim Religionsgespräch die reformatorische Seite vertreten.<br />

Daher ist davon auszugehen, dass Osiander an der Abfassung des Gutachtens<br />

mitwirkte. 47 Es spricht jedoch auch einiges dafür, dass das Gutachten eine Gemeinschaftsarbeit<br />

mehrerer Verfasser darstellt. Zum einen ist das Gutachten in<br />

der ersten Person Plural verfasst. Zum anderen wurden fast alle weiteren Ratschläge<br />

in Nürnberg von mehreren Personen erarbeitet, von theologischer Seite –<br />

neben Osiander – zumeist von Dominicus Schleupner, dem Prediger in St. Sebald,<br />

<strong>und</strong> Thomas Venatorius, einem der Prediger im Heilig-Geist-Spital. Es erscheint<br />

wahrscheinlich, dass sie auch an dem vorliegenden Gutachten mitgeschrieben<br />

hatten. Darüber hinaus spricht einiges dafür, dass auch Juristen mitwirkten. So<br />

argumentierte das Gutachten an vielen Stellen mit dem römischen Recht.<br />

Wahrscheinlich hatten Osiander <strong>und</strong> mögliche weitere Verfasser entweder bei<br />

44<br />

Dies geht aus einem Ratschlag der Juristen <strong>und</strong> Prediger hervor. In diesem Ratschlag<br />

hatten sie sich gegen die Herausgabe des Stiftungskapitals an eine Stifterin – Barbara<br />

Querichsfelder – ausgesprochen, die im Fall ihrer Bedürftigkeit jedoch vom Gemeinen Kasten<br />

unterhalten werden sollte. Am Ende des Ratschlags wurde auf die Notwendigkeit eines abschließenden<br />

Ratschlags zur Stiftungsfrage hingewiesen (Pfeiffer [Hg.], Quellen, 232 f.).<br />

45<br />

Andreas Osiander d. Ä., Gesamtausgabe 2. Schriften <strong>und</strong> Briefe April 1525 bis Ende 1527.<br />

In Zusammenarbeit mit Gottfried Seebaß herausgegeben von Gerhard Müller, Gütersloh<br />

1977, 176–194.<br />

46<br />

Vgl. a. a. O., 177.<br />

47<br />

In seinem Gutachten über die Zeremonien von 1526 wiederholte Osiander einige der<br />

Argumente aus dem Gutachten zur Stiftungsfrage. Abschnitt 10 erinnert zudem an das<br />

Wittenberger Gutachten (Osiander, Gesamtausgabe 2, 242–289, bes. 261–266; vgl. S. 76; 80).<br />

In die Forschungsliteratur hatten die verschiedenen Argumente des Gutachtens oftmals nur<br />

auszugsweise Eingang gef<strong>und</strong>en (vgl. zum Beispiel Stupperich, Neuordnung, 646).

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