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Katharina Will: Stiftungen und Reformation (Leseprobe)

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

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1. N/rnberger Stiftungswesen <strong>und</strong> die mittelalterlichen Messstiftungen 57<br />

werden sollten. Wenn die Erben jedoch bedürftig seien, sollten sie aus dem Almosen<br />

versorgt werden. 30 Umwidmungen zugunsten des Gemeinen Kastens<br />

ließen sich bis zu diesem Zeitpunkt bereits vereinzelt beobachten. 31<br />

Im März 1525 fand schließlich das Nürnberger Religionsgespräch statt.<br />

Altgläubige <strong>und</strong> reformatorische Vertreter waren zu einer Disputation ihrer<br />

theologischen Positionen eingeladen. 32 Damit legitimierte der Rat die reformatorischen<br />

Veränderungen <strong>und</strong> einen anderen Umgang mit den mittelalterlichen<br />

<strong>Stiftungen</strong>. Nach dem Religionsgespräch führte der Rat die <strong>Reformation</strong> offiziell<br />

in Nürnberg ein, während er zugleich die eigene Kaiser- <strong>und</strong> Reichstreue hervorhob.<br />

Der Messkanon wurde abgeschafft, reformatorische Inhalte gepredigt,<br />

die Klöster aufgelöst, das kirchliche <strong>und</strong> schulische Personal sowie das Almosenwesen<br />

vom Rat beaufsichtigt <strong>und</strong> die bischöfliche Jurisdiktion aufgehoben.<br />

Die Prediger wurden zu städtischen Beamten. In diesen Kontext ist auch die<br />

Schulgründung mit Hilfe von Philipp Melanchthon 1526 einzuordnen, aus der<br />

später die Universität in Altdorf hervorging. Damit setzte NürnbergimVergleich<br />

mit anderen Reichsstädten <strong>und</strong> Territorien früh reformatorische Veränderungen<br />

durch. 33<br />

Wiesich diese Veränderungen auf das Stiftungswesenauswirkten, zeigt sich<br />

am Beispiel der Stiftung des Nürnberger Heilig-Geist-Spitals, welche der direkten<br />

Verwaltung des Rats unterstand. Das Spital war 1339 von dem vermögenden<br />

Nürnberger Bürger Konrad Groß gegründet worden, der die Leitung des Spitals<br />

zunächst selbst übernahm, bevor er sie an seine beiden Söhne nacheinander<br />

abgab. Nach deren Ableben sollte die Verwaltung in die Hände des Rats über-<br />

30<br />

Pfeiffer (Hg.), Quellen, 208 f.; Osiander, Gesamtausgabe 1, 451–453.<br />

31<br />

Vgl. die Almosenordnung <strong>und</strong> den Fall einer Stiftung aus Altdorf (Pfeiffer [Hg.],Quellen,<br />

20.167.285).<br />

32<br />

In der Forschung ist umstritten, ob das Ergebnis des Religionsgesprächs von vornherein<br />

feststand oder nicht (vgl. zum Beispiel Gunter Zimmermann, Das Nürnberger Religionsgespräch<br />

von 1525*, in: Die Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 71<br />

[1984],144–148; Gottfried Seebaß, Der Nürnberger Rat <strong>und</strong> das Religionsgespräch vom März<br />

1525, in: JFLF 34/35 [1975],477). Zimmermann <strong>und</strong> Seebaß interpretierten in dieser Frage<br />

dieselben Quellen, jedoch mit unterschiedlichem Ergebnis. Seebaß ging davon aus, dass der<br />

Rat ein »Verbot altgläubiger Predigt« erreichen wollte. Zimmermann hatte die Haltung der<br />

einzelnen Mitglieder des kleinen Rats zur <strong>Reformation</strong> untersucht. Dabei stellte er fest, dass<br />

den 15 Befürwortern der reformatorischen Veränderungen sieben Unentschlossene <strong>und</strong> elf<br />

Gegner gegenüberstanden. Daraus lässt sich schließen, dass das Religionsgespräch nicht von<br />

Anfang an entschieden war. In diese Richtung deutet auch ein Schreiben des Ratsschreibers<br />

Lazarus Spengler, der sich darin begründet gegen das Gespräch aussprach, obgleich er den<br />

reformatorischen Veränderungen zugeneigt war. Zimmermann folgerte, dass der Rat auf<br />

einen Ausgleich zwischen den reformatorischen <strong>und</strong> den altgläubigen Predigern bedacht<br />

gewesen sei. Der Ausgleich sei jedoch gescheitert.<br />

33<br />

Vgl. Seebaß, Reichsstädte, 236; Endres, Stellung, 19 f.

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