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Katharina Will: Stiftungen und Reformation (Leseprobe)

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

Die Stiftungsurkunden und Testamente des 16. und frühen 17. Jahrhunderts bieten einen bedeutenden Einblick in die Rezeption der reformatorischen Veränderungen und das erstarkende Selbstbewusstsein der Bürgerinnen und Bürger im Sinne des »Priestertums aller Getauften«. Anhand dieses Quellenmaterials setzt sich die vorliegende Studie mit der Transformation des Stiftungswesens unter Berücksichtigung der Vielfalt der Reformation auseinander. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den religiösen Argumentationsmustern und der Frage, inwiefern sich Stiftungen als Gaben verstehen lassen.

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3. <strong>Stiftungen</strong> im Mittelalter 25<br />

weise egoistisch erscheinenden Memorialstiftungen auch eine soziale Ebene<br />

zukam. 56<br />

Durch die Namensnennung im Kontext der Liturgie, insbesondere der Eucharistie,<br />

galt die Stifterin oder der Stifter nach gängiger Vorstellung als gegenwärtig.<br />

An Stelle der Namensnennung selbst konnte auch auf eine Aufzeichnung<br />

der Namen in sogenannten libri vitae oder Nekrologen verwiesen<br />

werden, um den Liturgen von der Aufzählung einer hohen Zahl an Namen zu<br />

entlasten. 57 Durch die Stiftung von Altären, Kapellen oder Kirchen war es einer<br />

Stifterin oder einem Stifter möglich, eine räumliche Kontinuität zwischen sich<br />

<strong>und</strong> ihrer oder seiner Memoria zu schaffen. 58 Auch der Begräbnisort stellte eine<br />

permanente Verbindung mit der oder dem Verstorbenen her <strong>und</strong> sollte zu individueller<br />

Memoria anregen. Für die liturgische Memoria bedurfte es allerdings<br />

56<br />

Ulrich Körtner/Martin Leutzsch (Hgg.), Papiasfragmente. Hirt des Hermas, Darmstadt<br />

1998, 248f.; vgl. Gerd Tellenbach, Erinnern <strong>und</strong> Vergessen. Geschichtsbewusstsein <strong>und</strong><br />

Geschichtswissenschaft, in: Saec. 46 (1995), 321–322.325; Hamm, Güter, 61; ders., Normierte<br />

Erinnerung. Jenseits- <strong>und</strong> Diesseitsorientierungen in der Memoria des 14. bis<br />

16. Jahrh<strong>und</strong>erts, in: JBTh 22 (2007), 204.217; Karl Schlemmer, Gottesdienst <strong>und</strong> Frömmigkeit<br />

in der Reichsstadt Nürnberg am Vorabend der <strong>Reformation</strong>, Würzburg 1980, 288–<br />

293; Arnold Angenendt, Die große Zeit der schwarzen Mönche. Zur Bedeutung von Stiftung<br />

<strong>und</strong> Gebet, in: Petr Sommer (Hg.), Der heilige Prokop, Böhmen <strong>und</strong> Mitteleuropa. Internationales<br />

Symposium. Benešov – Sázava 24.–26. September 2003, Prag 2005, 27–34; ders.,<br />

Stiftung <strong>und</strong> Fürbitte, in: Gudrun Litz/Heidrun Munzert/Roland Liebenberg (Hgg.), Frömmigkeit<br />

– Theologie – Frömmigkeitstheologie. Contributions to European church history.<br />

Festschrift für Berndt Hamm zum 60. Geburtstag, Leiden/Boston 2005, 3–15; Otto Gerhard<br />

Oexle, Memoria in der Gesellschaft <strong>und</strong> in der Kultur des Mittelalters, in: Joachim Heinzle<br />

(Hg.), Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, Frankfurt a. M./Leipzig<br />

1994, 299; Scheller, Memoria, 21–24; Karl Schmid, <strong>Stiftungen</strong> für das Seelenheil, in: Ders.<br />

(Hg.), Gedächtnis, das Gemeinschaftstiftet, München/Zürich 1985, 67.Zur mittelalterlichen<br />

Memorialpraxis vgl. Arnold Angenendt, Die liturgische Memoria: Hilfe für das Fortleben im<br />

Jenseits, in: Rainer Berndt (Hg.), Wider das Vergessen <strong>und</strong> für das Seelenheil. Memoria <strong>und</strong><br />

Totengedenken im Mittelalter, Münster 2013, 199–223.<br />

57<br />

Vgl. Tillmann Lohse, 8. Gedenken <strong>und</strong> Kultur 2. Lateinische Christen, in: Michael Borgolte<br />

(Hg.), Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften 2. Das<br />

soziale System Stiftung, Berlin/Boston 2016, 92 f.; ders. <strong>Stiftungen</strong>, 64–75; Otto Gerhard<br />

Oexle, Memoria <strong>und</strong> Memorialüberlieferung im frühen Mittelalter, in: FMSt 10 (1976), 70–<br />

78; ders., Memoria in der Gesellschaft, 308; ders., Memoria als Kultur, in: Ders. (Hg.), Memoria<br />

als Kultur, Göttingen 1995, 38; Rainer Hugener, Buchführung für die Ewigkeit. Totengedenken,<br />

Verschriftlichung <strong>und</strong> Traditionsbildung im Spätmittelalter, Zürich 2014,<br />

111 f.<br />

58<br />

Vgl. Martial Staub, Memoria im Dienst von Gemeinwohl <strong>und</strong> Öffentlichkeit. Stiftungspraxis<br />

<strong>und</strong> kultureller Wandel in Nürnberg um 1500, in: Otto Gerhard Oexle (Hg.), Memoria<br />

als Kultur, Göttingen 1995, 304.

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