08.08.2022 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 30

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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Seuche bei der Arbeit geholt. Doch die Praxis der SUVA<br />

und der Versicherungen zeigt, dass eine Ansteckung im<br />

Job nicht genügt. Weitere Kriterien müssen erfüllt sein.<br />

So muss etwa das Risiko, das Virus bei der Arbeit zu erwischen,<br />

sehr viel höher sein als im üblichen Alltag. Was im<br />

Einzelfall, etwa bei Pöstlern oder Expresskurieren, schwierig<br />

nachzuweisen ist (Hintergrund dazu auf Seite 12).<br />

Versicherungen und Arbeitgeber halten es lieber mit<br />

dem Gleichnis vom Elefanten: Ein Politiker sieht einen<br />

Mann am Boden. Auf dessen Brust sitzt ein Elefant. Der<br />

Mann sagt: «Bitte helfen Sie mir, ich kann kaum noch atmen.<br />

Sagen Sie dem Elefanten, dass er von mir runter<br />

soll.» Darauf der Politiker: «Ich bin mir nicht sicher, dass<br />

der Elefant das Problem ist. Vielleicht rauchen Sie zu viel.<br />

Vermutlich ist der Elefant nur ein Vorwand, um eine<br />

Sozial leistung zu erschleichen.»<br />

Patrons nahmen das Raucherargument, mit dem sie<br />

über Jahrzehnte die Staublunge kleingeredet hatten, sogar<br />

als Ausrede beim Asbestkrebs. Asbest ist eine gigantische<br />

Industriekatastrophe. Seit 100 Jahren kennt man die<br />

Lungenkrankheit Asbestose. Doch der Stoff ist billig und<br />

hat nützliche Eigenschaften. Seit 1962 weiss man, dass<br />

seine Fasern auch einen besonders tödlichen Krebs hervorrufen.<br />

Zehntausende sind daran gestorben. Doch die<br />

Asbestbarone (Zementindustrie) blockierten bis 1990 ein<br />

Verbot. Sie vertuschten, täuschten und gaben nur zu, was<br />

schon bewiesen war. Das EU-Verbot folgte 2005. Heute<br />

noch tötet Asbest allein in der Schweiz rund 170 Personen.<br />

Weltweit sind es Hunderttausende. Denn seine Produktion<br />

wurde nicht gestoppt, sondern einfach in ärmere<br />

Länder mit laschen Arbeits- und Umweltschutzgesetzen<br />

(und schwachen Gewerkschaften) ausgelagert.<br />

Wie mit dem Asbest verfuhr das Kapital mit vielen<br />

heiklen Produktionen. Als Folge der neoliberalen Globalisierung<br />

schlagen sich jetzt vor allem die Industrie länder<br />

in Asien und Lateinamerika mit immensen Gesundheitsproblemen<br />

und ökologischen Katastrophen herum. Der<br />

afrikanische Kontinent seinerseits wird gerade zur Sondermüllhalde<br />

der Welt. Immense Herausforderungen für<br />

die internationalen Gewerkschaften und die ILO. In 113<br />

Lange Arbeitszeiten<br />

sind medizinisch<br />

mörderisch und<br />

gesellschaftlich<br />

tödlich<br />

von 148 Ländern, die der Internationale Gewerkschaftsbund<br />

ITUC jährlich untersucht, sind die Arbeitenden von<br />

jedem gewerkschaftlichen Schutz ausgeschlossen, 87 Prozent<br />

der Länder verletzten das Grundrecht auf Streik.<br />

Jetzt attackiert das Kapital den erkämpften Schutz der<br />

Arbeitenden in der reichen Welt. Seine Hebel sind Digitalisierung<br />

und Plattformarbeit. Auch in der Schweiz steigt<br />

der Anteil von «untypisch» Beschäftigten rasch (die Probleme<br />

der Scheinselbständigen: Seite 13). Bereits warnt die<br />

Arbeitsmedizin vor wahren Epidemien an Diabetes, Herzund<br />

Kreislaufkrankheiten und Krebs, wenn die Absicht<br />

rechter Parlamentarier:innen Erfolg haben sollte, die Arbeitszeit<br />

zu entgrenzen. Sie wollen bis zu 67 Stunden pro<br />

Woche arbeiten lassen, an 50 bis 60 Tagen pro Jahr 10<br />

Stunden pro Tag. Damit stiege das Risiko für Herz- und<br />

Hirninfarkte um die Hälfte, die Lebenserwartung würde<br />

stark verkürzt. Zwei Jahre Erfahrung mit Homeoffice haben<br />

uns gelehrt: Entgrenzte Arbeitszeit, digitaler Stress<br />

und 24-Stunden-Verfügbarkeit sind medizinisch mörderisch<br />

und gesellschaftlich tödlich. Der Kampf um die Gesundheit<br />

am Arbeitsplatz hat erst begonnen.

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