Bildungspraxis 03/2022
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AUSBILDUNG<br />
JEDER,<br />
WIE ER KANN<br />
Alle Azubis starten mit persönlichen Stärken und<br />
Schwächen in die Ausbildung. E-Learning ermöglicht es,<br />
jedem durch individualisierte Lernpfade gerecht zu werden.<br />
Gastbeitrag Markus Kamann, Tina Mersch<br />
Schon vor der Coronapandemie<br />
war ersichtlich, dass<br />
E-Learning zum integralen<br />
Bestandteil der Aus- und Weiterbildung<br />
wird. Die Pandemie hat jedoch<br />
deutlich gemacht, dass dabei viel<br />
Potenzial ungenutzt bleibt. Moderne<br />
Ausbildung bedeutet mehr als nur<br />
digitales Schulungsmaterial und<br />
Remote-Präsentationen bereitzustellen.<br />
Das große Potenzial des digitalen<br />
Lernens erfordert eine radikale Überarbeitung<br />
bisheriger didaktischer<br />
Konzepte.<br />
Lineare Ausbildung<br />
nicht mehr zeitgemäß<br />
Die klassische Ausbildung orientiert<br />
sich meist an einem mittleren Leistungsniveau<br />
der Azubis. Dies wird<br />
der zunehmenden Heterogenität der<br />
Lernenden nicht mehr gerecht. Beim<br />
wachsenden Fachkräftemangel können<br />
es sich Unternehmen nicht leisten,<br />
Bewerber mit Schwächen kategorisch<br />
abzulehnen. Bei einem vereinheitlichten<br />
Ausbildungsplan besteht jedoch die<br />
Gefahr, dass solche Jugendliche den<br />
Anforderungen nicht gerecht werden<br />
können, ihre Ausbildung abbrechen<br />
oder an den Prüfungen scheitern. Auch<br />
den leistungsstarken Azubis wird die<br />
klassische, lineare Ausbildung nicht<br />
mehr gerecht. Bei ihnen droht Unzufriedenheit<br />
und Abbruch aufgrund<br />
von Unterforderung. Abbruch durch<br />
Über- oder Unterforderung der Azubis<br />
– beides führt dazu, dass der Ruf der<br />
Ausbildung beschädigt wird, und bringt<br />
sowohl für die Jugendlichen selbst als<br />
auch für die Betriebe vermeidbare Probleme<br />
mit sich. Laut Bundesinstitut für<br />
Berufsbildung wurden 2019 26,9 Prozent<br />
aller Ausbildungsverträge vorzeitig<br />
gelöst, ein historischer Höchststand.<br />
Digital<br />
Natives in der<br />
Ausbildung<br />
Auch das Lernen an<br />
sich hat sich geändert.<br />
Digital Natives sind es<br />
gewohnt, Informationen<br />
zu jeder Zeit und<br />
individuell in kleinen<br />
Häppchen zu verarbeiten.<br />
Zudem gehen sie<br />
bei ihren privaten Interessen<br />
ganz selbstverständlich<br />
ihren eigenen,<br />
individuellen Lernpfad,<br />
getrieben durch die<br />
intrinsische Motivation,<br />
mehr zu einem<br />
bestimmten Thema zu erfahren. Die<br />
Wissensgewinnung aus langen Lehrtexten<br />
und Frontalpräsentationen fällt<br />
den heutigen Azubis hingegen deutlich<br />
schwerer als bisherigen Generationen.<br />
Das heißt jedoch nicht, dass<br />
die Generation der Digital Natives<br />
weniger lernfähig oder gar dümmer<br />
als bisherige Generationen ist. Vielmehr<br />
ist ihre Art des Lernens an die<br />
neuen, modernen Möglichkeiten angepasst.<br />
Es lohnt sich daher, bisherige<br />
Lehrmethoden auf den Prüfstand zu<br />
stellen.<br />
TINA MERSCH<br />
hat im Bereich der Automatisierungstechnik<br />
promoviert. Sie leitet<br />
die Lehrfabriken im BANG Ausbildungsnetzwerk<br />
Gütersloh.<br />
MARKUS KAMANN<br />
ist Geschäftsführer der Bildungsberatungsagentur<br />
GPDM –<br />
Gesellschaft für Projektierungsund<br />
Dienstleistungsmanagement<br />
und Initiator der BANG<br />
Ausbildungsnetzwerke.<br />
Abbildungen: © gpdm; privat<br />
18 | ›› BILDUNGSPRAXIS – 3/<strong>2022</strong>