Kunst | Kultur 28 Du erzählst sehr berührend in deinem Bild PERSISTANCE von einem Jungen, der von seiner Familie verlassen wurde, nur weil er auf andere Jungs steht. Und du rufst ihm zu, er möge sich nicht von den Meinungen dieser Welt an den Stuhl fesseln lassen, sondern der Welt sein wahres Ich zeigen. Ein Bild, das in der aktuellen Zeit wichtiger denn je erscheint. Titel: SEGREGATION In der digitalen Welt gibt es viele, die inzwischen Fotos von sich mit einem Hauch von Fetisch präsentieren. Du schaffst es dabei mit jedem deiner Werke, viel tiefer zu gehen. Wie gelingt dir das? Die meisten meiner Werke entstehen nicht an einem Tag. Oft verbringe ich Wochen oder sogar Monate damit, eine Idee zu recherchieren, sie zu vertiefen und zu ergründen. Dabei geht es nicht nur darum, was ich sagen will, sondern auch darum, wie ein Betrachter die Botschaft erkennen kann. In der Zwischenzeit dreht sich vieles darum, den richtigen Ort und die passenden Models zu finden. Erst wenn alle Elemente zusammenkommen, kann ich mit der Arbeit beginnen. Dann geht es darum, loszulassen und mich auf meine Intuition zu verlassen. Nebst dem Fetisch selbst spielst du in deinen Bildern auch gerne mit Tabus, beispielsweise mit dem Thema Kirche und Lust. Was reizt dich daran? Religion ist etwas, das man sich aussuchen kann, im Gegensatz zur Sexualität. Dennoch sehen wir allzu oft, wie religiöse Organisationen versuchen, Religion für sich allein zu beanspruchen, und mir scheint, dass es ihnen hauptsächlich um Einkommen und Macht geht. Die Religion ist nicht urheberrechtlich geschützt, sie ist ein öffentliches Gut, das sich jeder zu eigen machen und mit dem jeder machen kann, was er will. So kam ich auf das Motiv des nackten Jungens, der ein hölzernes Kruzifix umarmt. Das Spiel mit religiösen Symbolen in meiner Fotografie ist auch ein Spiel mit der Dualität. Ich sehe, wie viel Schaden religiöse Organisationen in der LGBTQ-Community anrichten. Viele Menschen leben aufgrund ihrer Aussagen immer noch im Verborgenen. Sogar die nationalen Gesetze schützen sie oft mehr als mein Grundrecht auf Existenz. Irgendwie möchte ich damit diese Ungerechtigkeit bekämpfen und gleichzeitig meine Freiheit in Anspruch nehmen. Indem ich diese Symbolik in meiner Kunst verwende, fordere ich ein Stück ihrer Macht zurück. Neben meiner fotografischen Tätigkeit beschäftige ich mich regelmäßig mit dem Thema Diversität und Inklusion. Obwohl die Niederlande allgemein dafür bekannt sind, dass sie die LGBTQ-Community akzeptieren, ist die Realität etwas enttäuschender. Letztes Jahr gab es wieder viele Hassverbrechen gegenüber LGBTQ-Menschen. Die Zahl der Vorfälle und auch das Ausmaß der Gewalt scheinen in den letzten Jahren zugenommen zu haben. Es wird sich wenig daran ändern, wenn wir uns nicht zeigen und unseren Platz in der Welt nicht energisch einfordern. Die Gesellschaft verhärtet sich, polarisiert mehr und mehr und wird langsam immer intoleranter. Wir als Fetisch-Community werden wahrscheinlich auch mit diesem negativen Trend konfrontiert werden. Wie sich das in naher Zukunft entwickelt, wird nur die Zeit zeigen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen Vielfalt und Inklusivität für wichtig halten, bis sie selbst einen Schritt zurücktreten müssen. Deshalb denke ich, dass es wichtig ist, etwas zu unserer Gemeinschaft beizutragen. Erlebst du diese Ambivalenz auch, wenn es um deine eigenen Bilder geht? Viele, gerade schwule Künstler kämpfen in diesen Tagen mit viel Prüderie auf dem Kunstmarkt. Was die Prüderie betrifft, so weiß ich inzwischen, dass völlig nackte Jungen in der Kunstwelt kaum verkauft werden, einfach weil sich die Leute nicht trauen, die Bilder zu Hause aufzuhängen. Das liegt vor allem daran, dass die Leute Angst vor einem verurteilenden Blick ihrer Gäste haben. Nackte Frauen sind in dieser Hinsicht gesellschaftlich eher akzeptiert. Das steht im Widerspruch zur Kunstgeschichte, in der Knaben und Männer in Gemälden und Skulpturen auf vielfältige Weise nackt dargestellt wurden. Heute darf man im Internet nicht einmal eine weibliche Brustwarze sehen, geschweige denn einen Schwanz, selbst wenn es sich um ein Kunstwerk handelt. Das hält mich in keiner Weise davon ab, meine Kunst zu machen, aber ich bin mir sehr wohl bewusst, dass deswegen einige meiner Werke vielleicht nie verkauft werden. Andere Kunstwerke müssen die Kosten dafür aufbringen. Abschließend, worin liegt deiner Meinung nach die Magie, das Besondere, die Einzigartigkeit in der Welt des Fetischs? Fetisch regt die Fantasie an, und man sollte bedenken, nichts ist so, wie es scheint. Es hilft ungemein, wenn man mit Menschen direkt spricht. Schließlich gibt es so viel mehr zu entdecken als das, was man auf den ersten Blick sieht. Arjan, vielen Dank dir für das Gespräch! (ms) www.arjanspannenburg.nl www.instagram.com/arjanspannenburg https://www.zerp.nl/arjan-spannenburg
Titel: PERSISTANCE 2