NK 10_2022

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18 TITELSTORY mer die Chance gegeben hat, den Privatsender Eureka TV zu sanieren. Mit meinem damaligen Alter von 31 Jahren hätte ich in konventionellen Medienunternehmen eine solche Chance wahrscheinlich nie bekommen. Aus dieser Gesellschaft wurde der neue TV-Sender ProSieben, der am 1. Januar 1989 mit mir als Geschäftsführer via Satellit auf Sendung ging. NK: Aus Amerika brachten Sie die Idee des Teleshoppings nach Europa und gründeten 1995 den ersten deutschen Teleshopping-Sender H.O.T. (Home Order Television), aus dem 2001 das heutige HSE24 hervorging. Das Fernsehgeschäft ließ Sie trotzdem nicht los. Anfang 2002 wurden Sie Vorstandsvorsitzender des Fernsehsenders Premiere, den Sie radikal sanierten und im März 2005 mit großem Erfolg an die Frankfurter Börse brachten. Zwei Jahre später verkauften Sie Ihr Aktienpaket und verließen die Fernsehbranche. Georg Kofler: Ja, nach 20 Jahren an der Spitze von Fernsehunternehmen wollte ich mich neu erfinden. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich in der Medienbranche schon so viel erlebt hatte. Immer wieder überkam mich so ein Déjà-vu-Erlebnis. Also beschloss ich, Thema und Branche zu wechseln. Ich gründete die Gruppe Georg Kofler, eine Beteiligungsholding, die unter anderem Kofler Energies gründete. Ein Unternehmen, das sich auf Energieeffizienz in Gebäuden spezialisiert hat. Ich dachte einfach, dass in Zukunft der effiziente Umgang mit Energie für die Menschen noch wichtiger würde als das Fernsehen. Dass dieses Thema eine so dramatische Bedeutung wie heutzutage bekäme, war damals allerdings nicht absehbar. bietet jetzt beispielsweise ein breites Sortiment an Energiesparprodukten an, die es den Bürgern ermöglicht, mit relativ wenig Aufwand Heizungsund Stromkosten zu sparen. NK: Kommen wir zur VOX-Gründershow „Die Höhle der Löwen“, die regelmäßig von über zwei Millionen Zuschauern gesehen wird. Ihr Unternehmen, die Social Chain AG, hat Ralf Dümmels DS Gruppe für etwas über 220 Millionen Euro übernommen. Zwei DHDL-Investor-Konkurrenten sitzen nun in einem Boot. Fällt damit der bisher oft recht interessante Bieterwettstreit zumindest von Ihnen beiden weg? Georg Kofler und Ralf Dümmel Georg Kofler: Die Verbraucher profitieren von unserer bewährten Innovationskraft und der breiten Vielfalt an nützlichen und kostengünstigen Produkten. Unseren Unternehmensund Handelspartnern bieten wir inhouse ein Rundum-sorglos-Paket: Von der eigenen Produktentwicklung, über die rechtliche Prüfung, Produktion, Qualitätssicherung, Marketing und Kommunikation bis zur Logistik und allem, was Marken und Produkte brauchen, um groß und erfolgreich zu werden. NK: Sie sind der Aufsichtsratsvorsitzende der Social Chain AG. Wie ist die Unternehmensleitung sonst Chain AG nach der Integration der DS Gruppe hervorragend besetzt. Wir können insgesamt auf ein kreatives, diverses und unternehmerisches Team für die Zukunft der Social Chain AG setzen. Unsere Expertise reicht vom Produkteinkauf, Social-Mediaund Influencer-Marketing bis hin zu Finanz-, Logistik-, IT- und Checkout- Assistenten in unseren Shops. NK: Bei der gegenseitigen Vorstellung zu dem heutigen Interview haben wir über die nationale und internationale Marktbedeutung der Direktvertriebs-Industrie gesprochen. Ein Geschäftsmodell, das Sie bisher mehr oder weniger reinen Haustür- und Partygeschäft durch die Nutzung der digitalen Medien weiterentwickelt hat. Jedenfalls imponiert mir immer wieder, wie der Direktvertrieb es versteht, den direkten Kontakt zu den vielgesuchten Endkunden herzustellen und aufrechtzuerhalten. Dieses Interesse am direkten Kundenkontakt hat mich schon vor Jahrzehnten zu meiner Zeit als ProSieben-Chef geprägt. Damals habe ich für viele Millionen Werbeblöcke an Markenartikler verkauft. Zum Beispiel an Ferrero, die mir immer durch ihre konsequente Markenführung imponiert haben. Damals dachte ich: Wie aufregend wäre es, ein eigenes MonChéri zu besitzen NK: Bei so viel Energie-Kompetenz kommen Sie nicht um eine Einschätzung der Energielage Deutschlands herum. Wie geht Ihrer Meinung nach dieses unsägliche Thema weiter? Georg Kofler: Das ist in der Tat eine Krisensituation in bisher ungeahntem Ausmaß. Da ist klares, konsequentes und möglichst ideologiefreies Handeln gefordert. Wirtschaft und Politik müssen umgehend auf einen professionellen und effizienten Energiesparmodus umschalten. Nicht nur in der Industrie, sondern natürlich auch im öffentlichen Raum, bei Gebäuden und im Verkehr. Außerdem müssen wir durch eine kluge internationale Zusammenarbeit die deutsche Abhängigkeit vom aggressiven Gaslieferanten Russland weitgehend reduzieren. Wir müssen alle Möglichkeiten ausloten, um möglichst viel eigenen Strom zu produzieren. Alle Ressourcen, inklusive AKWs und Kohle, müssen in dieser Notsituation aktiviert werden. Auch die Möglichkeiten des Fracking sollten ausgelotet werden. Zusätzlich muss es eine millionenfache Anstrengung in privaten Haushalten geben, hier ist jeder Einzelne von uns gefragt. Die Social Chain AG Georg Kofler: Ja, das ist so. Ralf und ich teilen uns in Zukunft einen Investorensitz. Zwischen uns beiden wird es also keinen Bieterwettstreit mehr geben, wohl aber mit all den anderen Löwen. Da ist genügend Zunder drin, um „Die Höhle der Löwen“ weiterhin zu einem unterhaltsamen, spannenden und inspirierenden Programm zu machen. Das beweisen gerade die hohen Einschaltquoten der letzten Wochen. NK: Ihr Unternehmen The Social Chain AG bezeichnet sich als Marken- und Produkthaus der nächsten Generation. Social Media Publishing und Social Media Marketing werden mit der Omnichannel-Vertriebsstruktur kombiniert. Wo liegen bei Ihrem neuen Geschäftsmodell die Vorteile für die Verbraucher und die Produkthersteller? personell aufgestellt? Georg Kofler: Neben Ralf Dümmel als Produktvorstand führen Wanja S. Oberhof als Vorstandsvorsitzender und Andreas Schneider als Finanzvorstand die Geschäfte der Gesellschaft. Auch auf der Führungsebene unterhalb des Vorstands ist die Social ©VOX MG RTL D-Frank Hempel nur vom Hörensagen kennen. Georg Kofler: Zunächst einmal bin ich positiv überrascht über die enormen Umsatzzahlen des Jahres 2021, die ich eben Ihrer Network-Karriere Branchen-Zeitung entnehmen konnte. Als Unternehmer beeindruckt mich, dass sich der Direktvertrieb während der Corona-Pandemie vom bisherigen und diese Eigenmarke mit unseren medialen Fähigkeiten zu propagieren. Oder noch besser: Sie direkt an die Endkunden zu verkaufen. NK: Nutze das Fernsehen für Deinen Produktverkauf: Mit dieser Überlegung haben Sie wohl aus den USA Teleshopping nach Europa gebracht? Georg Kofler: Es war die Chance, in meinem Heimatmedium, dem Fernsehen, Produkte zu platzieren, zu verbreiten und direkt an die Kunden zu liefern. Damals war das noch der Versandhandel. Dann kam der Onlinehandel hinzu, später die Sozialen Medien. Jetzt haben wir eine Kombination von sehr interaktiven Medien auf den Social-Media-Plattformen plus einem etablierten Onlinehandel. In dieser Kombination kann die Social Chain AG Eigenmarken über Social Media bewerben und über den Onlinehandel ausliefern. Jetzt bauen wir gemeinsam mit der DS Gruppe ein ziemlich einzigartiges Omnichannel-Vertriebsunternehmen auf, das die Medien und ©VOX 10.2022
TITELSTORY 19 „DIE LÖWINNEN UND LÖWEN“ und gesagt, „Na ja, etwas mehr Wettbewerb und Auswahl wäre für das Publikum und die Werbeindustrie nicht so schlecht“. Heute haben wir hunderte von Kanälen und es kommen immer noch neue dazu. NK: Wird Social Media das Kaufverhalten verändern? Georg Kofler: Ich glaube schon. Die Leute lassen sich eher zu Produkten inspirieren, die sie gar nicht auf der Agenda hatten. Dadurch ändert sich auch die Relevanz der Vertriebskanäle. Medien ergänzen sich gegenseitig, neue Medien haben noch nie die alten umgebracht. Wer hätte vor fünf Jahren gedacht, dass Leute Podcasts hören? Das ist ja eigentlich das immer wieder totgesagte Radio ohne Musik. Oder nehmen Sie den Onlinehandel. Er wird den stationären Handel nicht umbringen und wie man sieht, auch den Direktvertrieb nicht schwächen. Aber er fordert ihn heraus, attraktiver und wettbewerbsfähiger zu werden. NK: Danke, für das interessante Gespräch und ein zutreffendes Schluss- Vertriebskanäle von heute und morgen fantasiereich und effizient kombiniert. NK: Es ist so viel auf dem Markt, was sind die relevanten Medien von heute oder morgen? Georg Kofler: Das kommt auf die Zielgruppe an. Für die unter Dreißigjährigen sind sicherlich die sozialen Plattformen, von Instagram bis TikTok die relevanten Medien. Für die Mehrheit der über Fünfzigjährigen ist es noch das Fernsehen, und das wird noch ein paar Jahre so bleiben. Hinzu kommt eine Vielzahl an Streaming- Anbietern. Aber auch vermeintlich alte Medien wie Kino oder Radio werden nicht aussterben. Wir erleben eine fließende Veränderung einzelner Mediengattungen, auch neue Kombinationen bestehender und neuer Technologien. Insofern muss der Medienbegriff immer wieder neu justiert werden. Ihre Network-Karriere Fachzeitung ist dafür ein gutes Beispiel. Sie hat sich in bald 20 Jahren von der gedruckten Ausgabe zu einer Print- und Online- Zeitung entwickelt, die unterschiedliche Zielgruppen und Leserverhalten mit dem gleichen Content bedienen kann. Es sind stets die Inhalte, auf die es ankommt. Die Leute schauen oder lesen ja keine Technologie, sondern Filme, Serien, Berichte, Informationen. Dafür benutzen die Zuschauer eben die Technologie, die ihnen in ihrer jeweiligen Situation am komfortabelsten erscheint. NK: Welche Bedeutung haben dabei Influencer? Georg Kofler: Die Influencer machen sozusagen ihre eigenen Sender. Deswegen werden sie häufig auch als Creator bezeichnet. Aus Marketingsicht gehören sie mit ihren Millionenreichweiten und ihrer Zielgruppengenauigkeit definitiv zum relevanten Marketingmix. Social Media Marketing und Social Media Publishing werden in Zukunft die effizientesten Formen der Markenführung sein, jedenfalls beim jungen Publikum. So wie damals das Privatfernsehen ist nun bei den jungen Zielgruppen Social Media die prägende Kraft in der Meinungsbildung. Zwei Faktoren unterscheiden diese neue Medienwelt von der damaligen: erstens die Interaktivität. Aus den Social Communities ziehen wir wertvolle Erkenntnisse. Wir erfahren, wofür sich die Leute interessieren und auch, wann ein Produkt verbessert werden muss. Die Akzeptanz in den Social Communities wird für die Vitalität von Marken ausschlaggebend sein. Und zweitens die Internationalität und die damit verbundene Skalierbarkeit. Wir erfinden hier in Deutschland ein Produkt und können es auf der ganzen Welt verkaufen, indem wir italienische, dänische, amerikanische Influencer als Anker für unsere Marken einsetzen. Die Produkte vertreiben wir dann über Onlineshops in der ganzen Welt. NK: Facebook & Co werden schwindende Nutzerzahlen nachgesagt. Wohin geht die Entwicklung der Gattung Social Media? Georg Koffer: Die Nutzerzahlen von Social Media steigen insgesamt weiter an, das wird auch in den nächsten Jahren so sein. Wie immer im Mediengeschäft ändern sich Trends und Vorlieben des Publikums, die Programmangebote und entsprechend gibt es auch Absteiger und Aufsteiger in der Publikumsgunst. Da geht es eben mal bei Facebook ein biss- chen runter und bei Instagram oder TikTok rauf. Und dann muss man sich diese Veränderungen genau nach Zielgruppen anschauen. Wir brauchen hier also eine differenzierte Analyse. Generell wird die individuelle Ausdrucksweise noch stärker, professioneller, fantasievoller werden. Allein, wie sich Live-Gaming entwickelt hat. Da wird es immer neue Features geben. Und dann kommt das Metaverse, der kollektive, virtuelle Raum von Meta hinzu. Auch das wird eine Medienwelt der Zukunft. Andererseits muss man sehen, die Menschen werden ja nicht neu konstruiert. Ihre DNA bleibt weitgehend unverändert. Wir haben ein Bedürfnis nach Realität, nach physischen Treffen. Das kann man gerade beim Homeoffice beobachten. Vielen fällt die Decke auf den Kopf. Sie sehnen sich nach realen sozialen Kontakten. NK: Welche Erkenntnis können wir daraus ableiten? Georg Kofler: Egal wie viele Metaverses es geben wird, unser Tag hat nur 24 Stunden. Das wird sich auch mit einem 50-fachen Medienangebot nicht ändern. Ich habe es selbst im Fernsehgeschäft erlebt, als ich ProSieben gegründet habe. Als ich mit meinen Plänen vorstellig wurde, hat man mir gesagt, Herr Kofler, es wort aus berufenem Munde. Wir ©VOX wünschen Ihnen und Ralf Dümmel mit Ihrem Unternehmen der Social gibt doch schon die ARD, Chain AG viel Erfolg und weiterhin das ZDF, die Dritten Programme, RTL und Sat1. Sie schon ihr ganzes Berufsleben die Begeisterung an der Arbeit, die Wer soll denn ihren Sender noch schauen? Die Georg Kofler: Ich bedanke mich für haben. Leute haben doch schon so den freundlichen Empfang in Ihrer viele Programme. Ich habe außergewöhnlich geschmackvoll gestalteten Wohlfühl-Redaktion. mich damals sehr geärgert ©VOX TV NOW : Boris Breuer Georg Kofler Georg Kofler 65, aus Bruneck, ist einer der erfolgreichsten Medienmacher Deutschlands. Er studierte Publizistik und Politikwissenschaft an der Universität Wien. Er begann seine Karriere in der Medienindustrie 1985 als Referent des Generalintendanten beim Österreichischen Rundfunk (ORF) und wechselte zwei Jahre später zur Kirchgruppe nach München. 1989 startete Kofler den Fernsehsender ProSieben, den er zur ProSieben Media AG ausbaute und 1997 als CEO an die Frankfurter Börse brachte – der erste große IPO eines deutschen Medienunternehmens. Parallel dazu führte Kofler mit dem Sender H.O.T. (Home Order Television), heute HSE24, erstmals Teleshopping in den deutschen Markt ein. Von 2000 bis 2002 war er CEO und wesentlicher Aktionär der H.O.T. Networks AG, die Teleshopping europaweit entwickelte. 2002 übernahm Kofler die Geschäftsführung des Pay-TV-Unternehmens Premiere, das kurz vor der Insolvenz stand. Kofler sanierte Premiere, erwarb selbst 20 Prozent des Unternehmens und führte Premiere 2005 erfolgreich an die Börse. 2007 stieg er aus der Fernsehbranche aus und investierte über seine Beteiligungsholding in diverse Unternehmen, unter anderem im Bereich der Energieeffizienz. Die neuen Entwicklungen der Sozialen Medien brachten Kofler 2016 wieder ins Mediengeschäft zurück: Er ist Hauptaktionär und Aufsichtsratsvorsitzender der im Prime Standard der Börse Frankfurt notierten The Social Chain AG, die Social Commerce im internationalen Maßstab betreibt. Seit 2017 ist Kofler Juror und Investor.
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