Köpke, Matthias - Rechtsgutachten vom 15.10.2022, online
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Radbruch bei der Aufarbeitung des nationalsozialistischen und DDR-Unrechts. Demnach solle das positive
Recht im konkreten Einzelfall unwirksam sein, wenn es ein unerträgliches Maß erreicht hat, sodass es im
grundsätzlichen Widerspruch zu jedweden Gerechtigkeitsgedanken steht, der der Natur des Rechts als
Gerechtigkeitsordnung inne wohnt. Schon Augustinus hatte gelehrt, dass ein ungerechtes Gesetz nicht
anerkannt werde müsse bzw. eigentlich gar kein Gesetz sei.“ 3
In diesem Fall kommt natürlich Artikel 20 GG ins Spiel, wo es in Absatz 4 heißt:
„Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht
zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Wie könnte denn dieser Widerstand aussehen? Ziviler Ungehorsam gegen das als unerträglich und
ungerecht empfundene Gesetz.
„Die Menschenwürde ist der soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen wegen seines
Menschseins zusteht. 4 Individualität, Identität sowie physische, psychische und moralische Integrität des
Menschen sind immer und überall zu respektieren. 5 Die Menschenwürde, die das Grundgesetz garantiert,
besteht darin, dass jeder Mensch immer als selbstverantwortliche, autonome Persönlichkeit anerkannt
und respektiert wird. 6 Er ist immer Subjekt als gleichberechtigtes Mitglied in der rechtlich verfassten
Gemeinschaft. 7 Ein Mensch ist nie Mittel zum Zweck eines anderen, sondern immer Zweck an sich. 8
Deshalb darf kein Mensch jemals zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht werden. 9 “ 10
1.2. Geschichte des Rechtsbegriffs „Gewissensfreiheit“
„Die Gewissensfreiheit war als humanistisches Ideal bereits in § 144 Satz 1 Paulskirchenverfassung
und in Art. 135 WRV enthalten. Wegen ihrer engen Verknüpfung mit der weltanschaulichen Überzeugung
als wertebildendes Charakteristikum wird die Gewissensfreiheit häufig in der Nähe von Glaubens- oder
Religionsfreiheit (in sämtlichen freiheitlichen deutschen Verfassungen seit 1848) verortet.
In Deutschland ist die Gewissensfreiheit ein Grundrecht und wird durch das Grundgesetz (GG) im Art.
4 gewährt. Grundrechtsträger ist jeder Mensch. Schutzobjekt im Sinne des Art. 4 GG ist die
Überzeugung, sich ethisch zu einem bestimmten Verhalten unbedingt verpflichtet zu fühlen.
Gleichermaßen sind Überzeugungsbildung wie Überzeugungsbetätigung geschützt. Die
Gewissensfreiheit steht damit im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit, welche den äußeren Zwang zu
einer bestimmten Weltanschauung untersagt.
Teile der Gewissensfreiheit finden sich auch in Art. 1 GG (Menschenwürde), Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1
Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) sowie in Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) und Art. 2 GG
(allgemeine Handlungsfreiheit). Das Gewissen wird sowohl im inneren Bereich (sog. forum internum)
gebildet als auch nach außen (sog. forum externum) kenntlich gemacht. Eine besondere Gewissensfreiheit
genießen Abgeordnete des Deutschen Bundestages, die laut Grundgesetz ihre Entscheidungen im Rahmen
des freien Mandats nur anhand ihres Gewissens ohne Bindung an Weisungen und Aufträge fällen sollten
(Art. 38 GG). Innerhalb des GG und vergleichbarer inter- und supranationalen Katalogen kommt der
Gewissensfreiheit ein hoher Rang zu, der sich aus der Tatsache ergibt, dass dieses Grundrecht nicht unter
einem Gesetzesvorbehalt steht, also eine mögliche Einschränkung ausschließlich zur Verteidigung
kollidierender Rechte Dritter anerkannt werden kann.“ 11
3 Quelle: Wikipedia: „Menschenwürde“, abgerufen am 06.01.2022. Hervorhebungen vom Verfasser (M.K.).
4 BverfGE 87, 209, 228.
5 Ähnlich Dreier in Dreier, GG-Kommentar, 3. Aufl. 2013, Art. 1 I Rn. 62 mwN.
6 BverfGE 109, 133(171) st. Rspr. = NJW 2004, 739 (745).
7 BverfGE 144, 20, Rn. 541.
8 So schon die Begründung der Menschenwürde bei Kant in seiner Grundlegung der Metaphysik der Sitten, 1785, S. 435 f.
9 BverfGE 144, 20 (207) st. Rspr. Die Formel geht auf Dürig, AöR 1956, 117 (127) zurück. Sehr kritisch und skeptisch dazu aber
Dreier in Dreier, GG-Kommentar, 3. Aufl. 2013, Art. 1 I Rn. 55 mwN.
10 Quelle: Rechtsgutachten „Ist eine allgemeine Impfpflicht gegen das SARS-CoV-2 verfassungsgemäß“ von Prof. Dr. Dr. Volker
Boehme-Neßler vom 25. Januar 2022. Im Auftrag von Ärztinnen und Ärzte für individuelle Impfentscheidung e.V.
Gneisenaustraße 42, 10961 Berlin. Link: https://individuelle-impfentscheidung.de/fileadmin/Downloads/Gutachten_Corona-
Impfpflicht_final.pdf abgerufen am 01.02.2022.
11 Quelle: Wikipedia: „Gewissensfreiheit“, abgerufen am 06.01.2022. Hervorhebungen vom Verfasser (M.K.).
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