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Lobetal aktuell Ausgabe 4/2022 erschienen

Unsere Stiftung ist voller Vielfalt und Menschlichkeit. Sie ist ein Ort großartiger Geschichten und besonderer Engagements. Das verdient es, darüber zu berichten.

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Nachgedacht<br />

Foto: © Pixabay<br />

Nachgedacht:<br />

Am Anfang steht die Vielfalt<br />

„Guter Gott, du liebst die Vielfalt. Sonst hättest du<br />

deine Schöpfung nicht so bunt gemacht. Hilf uns<br />

auch dabei zu lieben, was anders ist, als wir.“ Ein<br />

kurzes Gebet. In dem manches gesagt wird. Vieles<br />

nur gedacht. Darüber will ich schreiben, was bei<br />

diesem Gebet nur gedacht ist. Weil das fast mehr<br />

sagt als die Worte des Gebets.<br />

Am Anfang steht die Vielfalt. Gott liebt sie. Mehr<br />

noch. Ich würde behaupten: Gott ist die Vielfalt.<br />

Denn wenn man behauptet, dass Gott diese Erde<br />

geschaffen hat, alles, was in ihr ist, auf ihr wächst,<br />

die belebte und die unbelebte Natur, die Tiere und<br />

wir Menschen, dann kann er nur vielfältig sein.<br />

Pfarrerin Andrea Wagner-Pinggéra<br />

Theologische Geschäftsführerin<br />

Man spürt direkt seine Lust an den unzähligen Möglichkeiten<br />

und Varianten, den Nuancen und dem feinen<br />

Zusammenspiel. Ich nenne das Schöpfung. Das<br />

hat mit meinem Glauben an Gott zu tun. Schöpfung<br />

heißt: Alles, was ist, ist nicht nur eine Laune. Zufall.<br />

Sondern alles hat mit Gott zu tun, weil Gott mit allem<br />

zu tun hat. Gott und Welt, Gott und Mensch<br />

– das gehört zusammen.<br />

Weil alles nun so vielfältig ist, in 1001 Variation existiert,<br />

kann der, der an Gott glaubt, davon ausgehen:<br />

Das ist Absicht. In der Vielfalt spiegelt sich Gott. Sie<br />

ist schön. Bunt. Abwechslungsreich. Aber eben auch<br />

anstrengend. Gerade, wenn es um Menschen geht.<br />

Denn Vielfalt heißt: Der andere, die andere ist anders<br />

als ich. Das kann inspirierend sein. Anregend.<br />

Es gibt kaum etwas Schöneres als die angeregte<br />

Diskussion mit einem Menschen, der einen anderen<br />

als den eigenen Horizont hat. Das erweitert das eigene<br />

Denken, öffnet den Blick. Hilft im besten Fall,<br />

die eigene, enge Sicht hinter sich zu lassen. Weit zu<br />

werden.<br />

Aber, wie schon gesagt, das Anderssein der anderen,<br />

des anderen ist auch anstrengend. Selbst bei<br />

Menschen, die einem sehr nah sind, bleibt diese Differenz:<br />

Du bist nicht ich. Du bist Nicht-Ich. Der an-<br />

Foto: Pixabay<br />

dere Mensch, und sei es Partner oder Partnerin, seien<br />

es die eigenen Kinder oder die eigenen Eltern, bleibt<br />

immer ein Stück fremd.<br />

Nun gibt es ein Fremd-Sein, das kann man ganz gut<br />

ertragen. Weil man über weite Strecken übereinstimmt.<br />

Weil die Fremdheit des anderen ins eigene<br />

Bild, auch ins eigene Weltbild passt. Aber es gibt auch<br />

das: Dinge und Menschen, die auf Dauer fremd bleiben.<br />

Es gibt eine Grenze dessen, was ich an Vielfalt<br />

und an Fremdheit, aushalte.<br />

Hier kommt die Toleranz ins Spiel, das Aushalten,<br />

Ertragen, Zulassen. Es gibt Menschen, die sind von<br />

Hause aus tolerant. Das hat etwas mit dem eigenen<br />

Temperament, dem Charakter zu tun. Ganz sicher<br />

auch mit der Erziehung. Auch spielt eine Rolle, wie<br />

ich mich im Leben verorte, was mein Grundgefühl<br />

ist. Wenn es meiner Lebenserfahrung entspricht, dass<br />

mir das Leben letzten Endes mehr gibt als nimmt,<br />

muss ich an dem, was ich habe, nicht ängstlich festhalten.<br />

Sondern kann mit den Grenzen spielen. Den<br />

Rahmen über das hinaus, was mir gefällt, auch mal<br />

weiter stecken.<br />

Erziehung, Temperament, Charakter lässt sich nicht<br />

verändern, wohl aber kann man am eigenen Lebensgefühl<br />

arbeiten. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.<br />

Ich habe irgendwann begonnen, mich auf das zu<br />

konzentrieren, was mir an Gutem im Leben widerfährt.<br />

Wo sich das Blatt zum Guten gewendet hat,<br />

obwohl ich mich zunächst auf das Schlimmste gefasst<br />

gemacht hatte. Der Lerneffekt: Ich kann dem Leben<br />

trauen. Und siehe da: Dieses positive Lebensgefühl<br />

führt automatisch zu mehr Toleranz.<br />

Weil mir die Toleranz wichtig ist und ich sozusagen<br />

auch in Übung bleiben will, mache ich mit mir gelegentlich<br />

einen Feldversuch, in dem ich herausfinden<br />

will: Wieviel Vielfalt, wieviel Fremdheit ist mir möglich?<br />

Oder anders gesprochen: Ich nehme bewusst<br />

eine andere Perspektive ein, gehe dabei aus meiner<br />

eigenen Komfortzone heraus, dehne meinen Radius.<br />

Ich finde, das Leben wird sehr viel einfacher, wenn<br />

meine persönlichen Grenzen weit gesteckt sind.<br />

Das ist scheint mir wichtig, gerade wenn man wie ich<br />

viel mit anderen Menschen zu tun hat. Dann kommt<br />

man nicht darum herum, sich mit der Vielfalt anzufreunden.<br />

Ja, mehr noch: sie als Gewinn zu betrachten.<br />

Denn wer die Vielfalt liebt, dessen Leben wird<br />

bunter und gelassener.<br />

Zurück zum Gebet des Beginns. Damit ende ich und<br />

verändere es nur ein klein wenig. Den ersten Satz setze<br />

ich an den Anfang. Dann klingt das Ganze so:<br />

„Guter Gott, hilf uns zu lieben, was anders ist als wir.<br />

Denn du liebst die Vielfalt. Sonst hättest du deine<br />

Schöpfung nicht so bunt gemacht.“<br />

Andrea Wagner-Pinggéra<br />

Theologische Geschäftsführerin<br />

Foto: © Pixabay<br />

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