54 DIE BESTEN KARRIERE •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• GLEICHSTELLUNG Als in den Achtzigern die Frauen zum Zug kamen <strong>Die</strong> Story der ersten Schaffnerinnen begann unter anderem mit einem Polyestermantel und Stöckelschuhen. Auf bequemen Schuhen beschreiten die ÖBB nun den Wegder Gleichstellung. Man stelle sich vor: <strong>Das</strong>, was Frauen zum Arbeiten anziehen sollen, bestimmen ausschließlich Männer. Sowar das auch, in den Achtzigern: Es gab bei den ÖBB Arbeitsmäntel aus einem heute untragbaren Polyester-Viskose-Gemisch, sie brachten die Frauen vom Reinigungspersonal, die bei bis zu 50 Grad Raumtemperatur die Waggons zu putzen hatten, ordentlich zum Schwitzen. Für die ersten Schaffnerinnen bestand die Arbeitskleidung nach männlicher Façon aus Stöckelschuhen und seitlich bis weit zum Oberschenkel hinauf geschlitzten Röcken. Begründung: Damit könne man die hohe Stufe vom Bahnsteig in den Waggon hinein besser bewältigen. Auf ihren Pumps kontrollierten die neuen Zugbegleiterinnen der Achtziger bis zu 16 Stunden am Tagnicht nur die Fahrscheine, sie mussten auch Züge umhängen. <strong>Das</strong>s die Kleidung dann doch praktischer und die Schuhe bequemer wurden beziehungsweise Frauen bei den ÖBB überhaupt Schaffnerinnen werden konnten, ist vor allem einer Frau zu verdanken: der Steirerin Helga Ahrer. Ausreden für den Erhalt von Männerdomänen In den 1980er-Jahren hatte die Tatsache, dass viele Unternehmen nur männliche Mitarbeiter beschäftigten, vor allem einen Grund: In sogenannten Männerbranchen wollte man unter sich bleiben, und als Ausrede, warum man keine Frauen aufnehmen könne, diente dabei oft das Schlagwort „sanitäre Einrichtungen“, die waren für Frauen schlicht nicht vorhanden. Doch für Helga Ahrer –damals bei den ÖBB noch als Reinigungskraft beschäftigt – war unter anderem die Episode mit dem Polyestermantel Anstoß für ihren frauenpolitischen Einsatz, sie begann, die Gleichstellung beim männlich dominierten Staatsbetrieb einzufordern, und bewarb sich als damals erste Zugbegleiterin in der Steiermark. Sie bekam den Job. <strong>Die</strong>se nicht immer einfache Zeit schildert sie mit einem Schmunzeln: als sie beim Rangieren von ihren männlichen Kollegen ständig auf den Prüfstand gestellt wurde, ob sie vielleicht nicht doch an der „schweren Männerarbeit“ scheitere; als sie als Einzige zum Ausprobieren in die neue, knallgelbe Uniform des Verschubs gesteckt wurde, diese aber unbeirrt trug und die spöttischen Bemerkungen der Männer wacker ertrug; als sie sich von Männernwenig Schmeichelhaftes über Frauen, die „jetzt unsere Jobs auch noch wollen“, anhören musste. Ein Zugführer weigerte sich sogar, weiterzufahren, •••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••••• • Helga Ahrer erste Zugbegleiterin und Gleichstellungsbeauftragte „Ich dachte mir damals: Wenn so viel Widerstand daherkommt, steckt etwas Größeres dahinter.“ nachdem Helga Ahrer die Lok umgehängt hatte. „Wenn so viel Widerstand daherkommt, steckt etwas Größeres dahinter“, sagte sie sich, kämpfte weiter und wurde bald bei den ÖBB Personalvertreterin und Betriebsrätin, Frauenvorsitzende in der Region Süd und Gleichstellungsbeauftragte für den Süden Österreichs. Beruflich war sie beinahe 20 Jahreals Zugbegleiterin in ganz Österreich tätig, bildete neue Kolleginnen und Kollegen aus, wurde Teamleiterin und war zuletzt als Qualitätscoach tätig. Heute betreut sie in der Gewerkschaft Vida als Fachsekretärin in der Steiermark knapp 11.000 Mitglieder im Schienenbereich. Ihr Motto, nach Simone de Beauvoir: Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen nichts. BILD: SN/THOMAS LUEF <strong>Die</strong> Achtzigerjahreals Umbruchphase Frauen waren bei den ÖBB schon in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts beschäftigt, als Telefonistinnen oder im Gepäckdienst. Bis in die 1960er-Jahre lag der Frauenanteil beim österreichischen Staatsbetrieb bei rund drei Prozent. Jede erste Frau, die in ein bis dato männlich dominiertes Team kam, im Verschub, in der Werkstatt oder der Fahrdienstleitung, habe anfangs immer die Struktur und Kultur der Zusammenarbeit ordentlich durcheinandergewirbelt, sagt Traude Kogoj, Diversitätsbeauftragte der ÖBB. <strong>Das</strong> begann bei den bereits erwähnten sanitären Einrichtungen, die rein auf die Männer ausgerichtet waren, und ging bis zur <strong>Die</strong>nstbekleidung inklusive Männerhandschuhen in Übergröße. Nicht selten mussten Kolleginnen 200 Meter zur Toilette zurücklegen, während das WC für Männer ums Eck der Werkstatt lag, sagt Kogoj. „<strong>Das</strong> hat sich natürlich verändert, genauso wie in unserem Bahnbistroneben Schnitzel auch vegane Knödel mit Salat serviert werden.“ Gesellschaftlich waren die 1980er-Jahre der Beginn eines neuen Zeitalters für erwerbstätige Frauen. In den 1970er-Jahren wurde der Schwangerschaftsabbruch erlaubt, das Karenzgeld erhöht, Frauen durften ohne Zustimmung ihres Mannes arbeiten gehen und mussten nicht mehr seinen Namen annehmen. In der Zeit, als mit Helga Ahrer die ersten Zugbegleiterinnen kamen, wurde im Jahr 1989 auch die Vergewaltigung in der Ehe strafbar, unverheiratete Mütter sind seither den verheirateten gleichgestellt. Unter der ersten Frauenministerin Johanna Dohnal änderte sich ab 1990 einiges im Familienrecht, Sexualstrafrecht und im Sozialrecht. Zuvor noch, 1979, wurde in Österreich ein Gesetz zur Gleich-
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