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Dübener Wochenspiegel - Ausgabe 1 - Jahrgang 2023

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18 18. Januar <strong>2023</strong><br />

UNTER VIER AUGEN<br />

(Tornau/Wsp/kp). Im August beginnt<br />

für Bernd Garbe die Rentenzeit. Eins<br />

steht fest: Es wird ein ziemlich unruhiger<br />

Ruhestand. „Die Malerei hat mich<br />

seit frühester Kindheit fasziniert, mich<br />

mein ganzes Leben lang begleitet und<br />

wird das auch noch lange tun“, sagt der<br />

63-Jährige. Seit 2016 ist der Tornauer<br />

inzwischen als freischaffender Künstler<br />

unterwegs. Zahlreiche Werke sind<br />

in den letzten fünf Jahrzehnten entstanden.<br />

Gezählt habe er sie nie, aber<br />

zwischen 500 und 1.000 Stück würden<br />

es schon sein.<br />

Alles nahm seinen Anfang in seinem<br />

Geburts-, Wohn- und Heimatort Tornau.<br />

Seine Eltern, der Vater ein gelernter<br />

Seilspleißer und späterer Kraftfahrer<br />

aus Schlesien, die Mutter eine<br />

Chemielaborantin aus Ostpreußen,<br />

kamen als Vertriebene in die <strong>Dübener</strong><br />

Heide. Im Jahr 1957 wurde das Haus<br />

in der Tornauer Puschkinstraße gebaut,<br />

zwei Jahre später erblickte Sohnemann<br />

Bernd das Licht der Welt. „Mit neun<br />

Jahren meldete man mich im Zirkel<br />

von Heidemaler Wolfgang Köppe an.<br />

Die Begeisterung war sofort da“, erinnert<br />

sich Garbe.<br />

Ein waschechter Tornauer<br />

Nach dem Besuch der Tornauer Dorfschule<br />

begann er – durch Köppes<br />

Kontakte – eine Ausbildung zum<br />

Schriftenmaler in der Farbenfabrik<br />

des Wolfener Chemiekombinats, der<br />

er im Anschluss noch bis zur Wende<br />

treu blieb. Produktwerbung für Messen<br />

wurden gestaltet, Bühnenbilder für den<br />

Kulturpalast ausgemalt und auch Propaganda-Material<br />

für den 7. Oktober<br />

hergestellt. „Das war Übel, das man<br />

in Kauf nehmen musste“, blickt Garbe<br />

zurück.<br />

Die Malerei habe<br />

er dabei nie aus<br />

den Augen verloren.<br />

„Die Kunst<br />

ist immer parallel<br />

gelaufen“, sagt er.<br />

Nach der Friedlichen<br />

Revolution<br />

1989 brachen auch<br />

für den Tornauer<br />

ungewisse Zeiten<br />

an. Er fand Unterschlupf in einer Werbefirma<br />

im Landkreis Bitterfeld, führte<br />

dort deutschlandweit Aufträge für<br />

Objektbeschilderungen und Leuchtreklamen<br />

aus. „Das Arbeitsklima und<br />

-pensum wurden irgendwann derart<br />

unerträglich, dass ich 2000 die Reißleine<br />

zog und kündigte.<br />

Er fand eine neue Anstellung in einer<br />

Dessauer Autolackererei, nahm aber<br />

hin und wieder an Künstlerfahrten mit<br />

Dozenten-Kursen teil, um sich weiterzubilden.<br />

„Sowohl ein befreundeter<br />

Die Natur und die Menschen genau im Blick<br />

„Unter vier Augen“ heute mit: Bernd Garbe<br />

Mit neun Jahren meldete<br />

man mich bei Wolfgang<br />

Köppe an. Die Begeisterung<br />

war sofort da.<br />

An Bernd Garbes Wohnhaus schließt sich eine Galerie an, in der eine kleine Auswahl seiner Werke zu sehen ist. Hier zeigt er<br />

eine typische Heideszene, das Wasserschloss Reinharz sowie das Viadukt zwischen Gleinermühle und Tiglitzer Forst (v. l.).<br />

Foto: (Wsp) Phillipp<br />

Kollege als auch einer der Dozenten<br />

gaben mir dann den Tipp, mich als<br />

Freiberufler selbstständig zu machen.<br />

Diesen Schritt bin ich dann zum Jahr<br />

2016 gegangen“, sagt der gelernte<br />

Schriftenmaler.<br />

Porträts, Naturaufnahmen<br />

und Motorräder<br />

Diesen Schritt bereute Garbe nie. Die<br />

Auftragsbücher sind voll – größtenteils<br />

mit privaten Kunden. Hier mal<br />

eine Porträtzeichnung,<br />

da mal ein<br />

Wandbild für den<br />

häuslichen Giebel.<br />

Bernd Garbe<br />

Als Besonderheit<br />

übernimmt er auch<br />

Linierungen von<br />

alten Motorrädern.<br />

Da braucht es eine<br />

ruhige Hand. Die<br />

Motive seiner<br />

„normalen“ Werke<br />

sind genauso vielschichtig wie die<br />

Ideen der Auftraggeber. So fertigte er<br />

zuletzt unter anderem zwei Jubiläumsgemälde<br />

für die Bad <strong>Dübener</strong> Bau- und<br />

Haustechnik GmbH. Aktuell bereitet<br />

er eine Wandmalerei für die Bad<br />

Schmiedeberger Gaststätte „Bergschlößchen“<br />

vor. In seiner „Freizeit“<br />

kommen meist Naturaufnahmen aus<br />

der <strong>Dübener</strong> Heide hinzu. Davon kann<br />

man sich in seiner kleinen Galerie am<br />

Wohnhaus vergewissern. „Ich verwende<br />

größtenteils Ölfarben. Da kommen<br />

die Farben besser zur Geltung“, sagt<br />

Garbe. Mit Sinn fürs Detail: Direkt<br />

fällt der Schattenschlag auf dem Bild<br />

des Viadukts an der Gleinermühle<br />

ins Auge. Im Tornauer Galeriecafé,<br />

im Bad <strong>Dübener</strong> Heide Spa, zum<br />

Weihnachtsmarkt im Schloss Hohenprießnitz,<br />

in den Dommitzscher und<br />

Torgauer Rathäusern sowie sogar in<br />

Belgien stellte er seine malerischen<br />

Ergebnisse bislang aus.<br />

Seit 2021 gibt Garbe sein Wissen an<br />

die (über-)nächste Generation weiter.<br />

An der weiterführenden Schule des<br />

Evangelischen Schulzentrums (ESZ)<br />

Bad Düben leitet er zweimal die Woche<br />

das Ganztagsangebot „Malerei“.<br />

„Ein junges Mädchen hat mich gefragt,<br />

wann ich in Rente gehe. Ich dachte,<br />

sie spielte auf meine grauen Haare an.<br />

Dabei wollte sie nur sicher gehen, dass<br />

ich diesen Kurs noch ein paar Jahre leite,<br />

bis sie von der Schule abgeht. Das<br />

hat mich schon gefreut“, schmunzelt<br />

der 63-Jährige. Er hätte anfangs nicht<br />

gedacht, dass ihm die Arbeit mit den<br />

jungen Leuten so viel Spaß bereitet.<br />

Und nebenbei seien sogar echte Naturtalente<br />

dabei.<br />

Eine Frau und eigene Kinder hat der<br />

Heidekünstler nicht. Eine frühere langjährige<br />

Partnerin brachte eine Tochter<br />

mit in die Beziehung. „Sie begleitet<br />

mich schon über 30 Jahre, weshalb<br />

ich sie auch als meine Tochter sehe“,<br />

sagt er. Sie lebt heute in Leisenau bei<br />

Colditz. Die frühere Partnerin ist nach<br />

Norwegen ausgewandert.<br />

<strong>Dübener</strong> Heide als Smaragd<br />

Die <strong>Dübener</strong> Heide bezeichnet Bernd<br />

Garbe als „Smaragd zwischen Wittenberg<br />

und Leipzig“. Er liebe die Region<br />

schon immer und könne sich nicht<br />

vorstellen, hier wegzuziehen. „Das<br />

Miteinander auf dem Dorf ist einfach<br />

noch menschlicher als in größeren<br />

Städten“, bemerkt er.<br />

Bei der Bandbreite und Qualität seiner<br />

Werke ist es wahrlich nur schwer vorstellbar,<br />

dass der Tornauer im August<br />

seinen Ruhestand antritt. „Wolfgang<br />

Köppe hat fast bis zum 90. Geburtstag<br />

noch fleißig gemalt. Warum nicht? Solange<br />

der Körper mitspielt, wird mich<br />

diese Leidenschaft noch eine Weile<br />

begleiten.“ Sagen wir doch: Es wird<br />

ein unruhiger Ruhestand.<br />

i<br />

<strong>Dübener</strong><br />

WOCHENSPIEGEL<br />

Kurz gefragt!<br />

Lieblingsessen:<br />

Fisch<br />

Lieblingsgetränk:<br />

Tee<br />

Lieblingsrestaurants:<br />

chinesische Küche<br />

Lieblingsurlaubsregion:<br />

Norwegen<br />

Lebensmotto:<br />

Das Leben genießen, so wie es ist.<br />

Drei Personen, mit denen Sie gern einmal<br />

zu Abend essen würden:<br />

• Sahra Wagenknecht (Politikerin)<br />

• Rosa Loy (Malerin)<br />

• Reinhold Messner (Bergsteiger)

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