15_Ausgabe Juni 2002

Dasein mit Gewalt vorenthielt. Mit dem
Begriff von “Massen”, die sich erheben,
kann man gar nichts erkennen, denn diese
Massen werden erhoben, sie erheben sich
nie von selbst. Man begeht so leicht den
Irrtum, eine Revolte mit einer Revolution
zu verwechseln. Und an dieser verhängnisvollen
Verwechslung ging auch Görlitz zu
Grunde. Was die Handwerker von Görlitz
von 1525 bis 1527, erst mit Protesten,
schließlich mit der blanken Waffe zu
erzwingen versuchten, waren nichts als
Forderungen einer naturnotwendigen,
menschlichen Freiheit, der andere Stadträte
zum Teil bereits
Rechnung getragen
hatten.
In Görlitz ist das krasse Ende einer der
blühendsten deutschen Städte auf das engste
mit dem Namen des Stadtschreibers Haß
verknüpft. Dieser ebenso begabte wie
reaktionäre Mann hielt mit verhängnisvoller
Starrheit an dem mittelalterlichen System
fest, sah in Luther einen grimmig zu verfolgenden
Feind, wollte mit dem Humanismus
nichts zu tun haben, pochte engherzig auf
die Vorrechte einer herrschenden Klasse,
der die anderen bedingungslos zu gehorchen
haben als der einzigen, von Gott
gewollten Ordnung der Dinge, und ging
gegen jeden Andersgesinnten mit maßloser
Grausamkeit vor.