14.04.2023 Aufrufe

Leben mit seltenen Erkrankungen

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

4<br />

Alagille-Syndrom<br />

„Ein kleines<br />

Stück <strong>Leben</strong>“<br />

Berit Hullmann und ihr Mann freuten sich auf ihr zweites Wunschkind.<br />

Die Familie schwebte im Familienglück. So hätte es weitergehen<br />

können. Ist es aber nicht. Denn ihre zweite Tochter kam<br />

<strong>mit</strong> der <strong>seltenen</strong> Generkrankung Alagille-Syndrom zur Welt.<br />

Statt zum PEKiP und zum Babyschwimmen ging<br />

es in der Kinderklinik ein und aus. Im Alter von einem<br />

Jahr brauchte Lilly eine neue Leber.<br />

Redaktion Emma Howe<br />

Fotos: privat<br />

Frau Hullmann, Lillys Start ins <strong>Leben</strong> war nicht<br />

leicht. Bitte erzählen Sie davon.<br />

Meine Schwangerschaft <strong>mit</strong> Lilly verlief erst<br />

mal bilderbuchmäßig – wie auch die erste. Bei<br />

einer Routinekontrolle in der 34. Woche fand<br />

mein Gynäkologe das Ultraschallbild auffällig<br />

und schickte mich direkt weiter in die Uniklinik.<br />

Hier wurde zuerst diagnostiziert, dass Lillys<br />

Darm verengt war – was genau dahintersteckte,<br />

sollte nach der Geburt sofort abgeklärt werden.<br />

Deshalb habe ich mich für einen geplanten<br />

Kaiserschnitt zwei Wochen vor dem errechneten<br />

Termin entschieden. Was mir das erste Mal<br />

richtig Sorgen bereitet hat, war, dass sie bei ihrer<br />

Geburt sehr klein war. Sie wog zwei Kilo und war<br />

42 Zentimeter groß – obwohl sie kein Frühchen<br />

war. Am ersten <strong>Leben</strong>stag wurde sie direkt operiert<br />

und bekam einen künstlichen Darmausgang.<br />

Doch dann fingen die Probleme erst an.<br />

Sie nahm kaum zu, ihre Leberwerte waren stark<br />

erhöht.<br />

Welche Erklärung hatten die Ärzte für die<br />

schlechten Leberwerte?<br />

Erst mal keine konkrete. Es standen verschiedene<br />

Vermutungen im Raum, von Gallengangsatresie<br />

über Mukoviszidose bis hin zu Krankheiten, bei<br />

denen sie nur eine sehr, sehr kurze <strong>Leben</strong>serwartung<br />

gehabt hätte. Die ersten zehn Wochen<br />

nach ihrer Geburt hat Lilly im Krankenhaus verbracht.<br />

Entlassen wurden wir dann ohne konkrete<br />

Diagnose.<br />

Wann kam es schließlich zur Diagnose, und wie<br />

haben Sie darauf reagiert?<br />

Die Diagnose Alagille-Syndrom haben wir<br />

bekommen, als Lilly acht Monate alt war. Eine<br />

sehr erfahrene Genetikerin an der Uniklinik Essen<br />

hat die Testung veranlasst, weil sie bei Lillys<br />

Symptomen dieses Syndrom vermutete. Wir waren<br />

bei dieser Diagnose erleichtert, sie war von all<br />

den Krankheiten, die wir bis dahin als Verdachtsdiagnose<br />

bekommen hatten, noch die beste –<br />

sofern man das überhaupt sagen darf. Und die<br />

Ärzte wussten jetzt, wo<strong>mit</strong> sie es zu tun haben,<br />

was immer besser ist, als im Nebel zu stochern.<br />

Schnell stand fest, dass Lilly eine<br />

Spenderleber brauchen würde,<br />

um zu überleben …<br />

Lillys Leberwerte wurden zusehends<br />

schlechter, ihre Haut und ihre Augen wurden<br />

immer gelber und sie plagte ein schrecklicher<br />

Juckreiz. Sie nahm kaum zu, brauchte<br />

Spezialnahrung und <strong>mit</strong> jedem Infekt musste<br />

sie ein bis zwei Wochen ins Krankenhaus.<br />

Zunächst wurde sie bei Eurotransplant gelistet.<br />

Dafür musste sie viele Untersuchungen <strong>mit</strong>machen,<br />

einmal quer durch alle medizinischen<br />

Fachbereiche durch. Dann haben mein Mann<br />

und ich uns als <strong>Leben</strong>dspender testen lassen.<br />

Bei meinem Mann passten die Werte am besten.<br />

Die Ärzte wollten nicht abwarten, bis sich<br />

ihr Zustand stark verschlechtert, daher hat die<br />

Klinik die Transplantation kurz nach ihrem ersten<br />

Geburtstag geplant. Über den ganzen Weg<br />

von der Geburt bis zur Transplantation habe<br />

ich ein Buch geschrieben, es heißt „Ein kleines<br />

Stück <strong>Leben</strong>“ und ist bei Amazon erhältlich.<br />

Am 5. Oktober 2015 war es dann so weit. Wie<br />

haben Sie diesen Tag erlebt?<br />

Das war ein schöner, sonniger Herbsttag, an<br />

dem ich ruhelos über das Krankenhausgelände<br />

getigert bin. Es war ein seltsames Gefühl,<br />

zu wissen, dass mein Mann und meine Tochter<br />

gleichzeitig auf dem OP-Tisch lagen. Meine<br />

Schwester und meine Schwiegermutter haben<br />

<strong>mit</strong> mir an der Klinik gewartet. Ich glaube, wir<br />

alle haben diese langen Stunden wie in Trance<br />

erlebt.<br />

Konnte nach der Operation endlich ein Familienalltag,<br />

der nicht von ständigen Krankenhausaufenthalten<br />

geprägt ist, einkehren?<br />

Lilly war acht Wochen nach der Transplantation<br />

im Krankenhaus, die ersten zehn Tage auf<br />

der Intensivstation. In ihren ersten <strong>Leben</strong>sjahren<br />

war sie auch immer wieder mal stationär<br />

in der Klinik, <strong>mit</strong> Lungenentzündungen oder<br />

Infekten. Aber <strong>mit</strong>tlerweile haben wir ein recht<br />

normales Familienleben <strong>mit</strong> mal mehr und mal<br />

weniger Stress und Sorgen.<br />

Wie geht es Lilly heute,<br />

und welche Therapien<br />

bekommt sie?<br />

Sie ist eine recht freche Zweitklässlerin,<br />

die immer einen schlauen<br />

Spruch auf den Lippen hat. In der Schule<br />

kommt sie gut klar, sie geht gern schwimmen<br />

und tanzen. Die Krankheit ist in unserem Alltag<br />

nicht mehr so sehr präsent, zum Glück. Sie<br />

bekommt morgens und abends natürlich ihre<br />

immunsupprimierenden Medikamente, hat<br />

einmal pro Woche Ergotherapie und muss regelmäßig<br />

zur Blutentnahme.<br />

Was möchten Sie anderen Eltern von chronisch<br />

kranken Kindern <strong>mit</strong> auf den Weg geben?<br />

Es ist wichtig zu wissen, dass man nicht allein<br />

ist. Tauscht euch <strong>mit</strong> anderen Betroffenen aus.<br />

Wer mag, kann Tagebuch schreiben oder zumindest<br />

ein Notizbuch führen, um die ganzen<br />

Eindrücke festzuhalten, die da auf einen<br />

einprasseln, und auch Fragen an Ärzte oder<br />

Krankenschwestern aufzuschreiben, die einem<br />

manchmal <strong>mit</strong>ten in der Nacht einfallen. Das<br />

Wichtigste ist aber, an sein Kind zu glauben. Die<br />

Kleinen sind echt zäh und kämpfen sich immer<br />

wieder durch.<br />

Wie kam es dazu, dass Sie sich für den Verein<br />

Leberkrankes Kind engagieren?<br />

Wie alle Eltern, die neu <strong>mit</strong> einer Krankheit des<br />

Kindes konfrontiert sind, habe ich natürlich<br />

wie wild herumgegoogelt, um alles darüber<br />

herauszufinden. Der Verein war da eine gute<br />

Anlaufstelle, sich <strong>mit</strong> anderen Betroffenen<br />

auszutauschen und andere Familien kennenzulernen,<br />

die ebenfalls leberkranke Kinder<br />

haben. Der Verein möchte informieren, Mut<br />

machen und Erfahrungen teilen. .<br />

Weitere Informationen über den<br />

Verein finden Sie unter:<br />

leberkrankes-kind.de<br />

Mehr über Lilly und ihr <strong>Leben</strong> erfahren<br />

Sie unter: babyleaks.net

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!