Leben mit seltenen Erkrankungen
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Alagille-Syndrom<br />
„Ein kleines<br />
Stück <strong>Leben</strong>“<br />
Berit Hullmann und ihr Mann freuten sich auf ihr zweites Wunschkind.<br />
Die Familie schwebte im Familienglück. So hätte es weitergehen<br />
können. Ist es aber nicht. Denn ihre zweite Tochter kam<br />
<strong>mit</strong> der <strong>seltenen</strong> Generkrankung Alagille-Syndrom zur Welt.<br />
Statt zum PEKiP und zum Babyschwimmen ging<br />
es in der Kinderklinik ein und aus. Im Alter von einem<br />
Jahr brauchte Lilly eine neue Leber.<br />
Redaktion Emma Howe<br />
Fotos: privat<br />
Frau Hullmann, Lillys Start ins <strong>Leben</strong> war nicht<br />
leicht. Bitte erzählen Sie davon.<br />
Meine Schwangerschaft <strong>mit</strong> Lilly verlief erst<br />
mal bilderbuchmäßig – wie auch die erste. Bei<br />
einer Routinekontrolle in der 34. Woche fand<br />
mein Gynäkologe das Ultraschallbild auffällig<br />
und schickte mich direkt weiter in die Uniklinik.<br />
Hier wurde zuerst diagnostiziert, dass Lillys<br />
Darm verengt war – was genau dahintersteckte,<br />
sollte nach der Geburt sofort abgeklärt werden.<br />
Deshalb habe ich mich für einen geplanten<br />
Kaiserschnitt zwei Wochen vor dem errechneten<br />
Termin entschieden. Was mir das erste Mal<br />
richtig Sorgen bereitet hat, war, dass sie bei ihrer<br />
Geburt sehr klein war. Sie wog zwei Kilo und war<br />
42 Zentimeter groß – obwohl sie kein Frühchen<br />
war. Am ersten <strong>Leben</strong>stag wurde sie direkt operiert<br />
und bekam einen künstlichen Darmausgang.<br />
Doch dann fingen die Probleme erst an.<br />
Sie nahm kaum zu, ihre Leberwerte waren stark<br />
erhöht.<br />
Welche Erklärung hatten die Ärzte für die<br />
schlechten Leberwerte?<br />
Erst mal keine konkrete. Es standen verschiedene<br />
Vermutungen im Raum, von Gallengangsatresie<br />
über Mukoviszidose bis hin zu Krankheiten, bei<br />
denen sie nur eine sehr, sehr kurze <strong>Leben</strong>serwartung<br />
gehabt hätte. Die ersten zehn Wochen<br />
nach ihrer Geburt hat Lilly im Krankenhaus verbracht.<br />
Entlassen wurden wir dann ohne konkrete<br />
Diagnose.<br />
Wann kam es schließlich zur Diagnose, und wie<br />
haben Sie darauf reagiert?<br />
Die Diagnose Alagille-Syndrom haben wir<br />
bekommen, als Lilly acht Monate alt war. Eine<br />
sehr erfahrene Genetikerin an der Uniklinik Essen<br />
hat die Testung veranlasst, weil sie bei Lillys<br />
Symptomen dieses Syndrom vermutete. Wir waren<br />
bei dieser Diagnose erleichtert, sie war von all<br />
den Krankheiten, die wir bis dahin als Verdachtsdiagnose<br />
bekommen hatten, noch die beste –<br />
sofern man das überhaupt sagen darf. Und die<br />
Ärzte wussten jetzt, wo<strong>mit</strong> sie es zu tun haben,<br />
was immer besser ist, als im Nebel zu stochern.<br />
Schnell stand fest, dass Lilly eine<br />
Spenderleber brauchen würde,<br />
um zu überleben …<br />
Lillys Leberwerte wurden zusehends<br />
schlechter, ihre Haut und ihre Augen wurden<br />
immer gelber und sie plagte ein schrecklicher<br />
Juckreiz. Sie nahm kaum zu, brauchte<br />
Spezialnahrung und <strong>mit</strong> jedem Infekt musste<br />
sie ein bis zwei Wochen ins Krankenhaus.<br />
Zunächst wurde sie bei Eurotransplant gelistet.<br />
Dafür musste sie viele Untersuchungen <strong>mit</strong>machen,<br />
einmal quer durch alle medizinischen<br />
Fachbereiche durch. Dann haben mein Mann<br />
und ich uns als <strong>Leben</strong>dspender testen lassen.<br />
Bei meinem Mann passten die Werte am besten.<br />
Die Ärzte wollten nicht abwarten, bis sich<br />
ihr Zustand stark verschlechtert, daher hat die<br />
Klinik die Transplantation kurz nach ihrem ersten<br />
Geburtstag geplant. Über den ganzen Weg<br />
von der Geburt bis zur Transplantation habe<br />
ich ein Buch geschrieben, es heißt „Ein kleines<br />
Stück <strong>Leben</strong>“ und ist bei Amazon erhältlich.<br />
Am 5. Oktober 2015 war es dann so weit. Wie<br />
haben Sie diesen Tag erlebt?<br />
Das war ein schöner, sonniger Herbsttag, an<br />
dem ich ruhelos über das Krankenhausgelände<br />
getigert bin. Es war ein seltsames Gefühl,<br />
zu wissen, dass mein Mann und meine Tochter<br />
gleichzeitig auf dem OP-Tisch lagen. Meine<br />
Schwester und meine Schwiegermutter haben<br />
<strong>mit</strong> mir an der Klinik gewartet. Ich glaube, wir<br />
alle haben diese langen Stunden wie in Trance<br />
erlebt.<br />
Konnte nach der Operation endlich ein Familienalltag,<br />
der nicht von ständigen Krankenhausaufenthalten<br />
geprägt ist, einkehren?<br />
Lilly war acht Wochen nach der Transplantation<br />
im Krankenhaus, die ersten zehn Tage auf<br />
der Intensivstation. In ihren ersten <strong>Leben</strong>sjahren<br />
war sie auch immer wieder mal stationär<br />
in der Klinik, <strong>mit</strong> Lungenentzündungen oder<br />
Infekten. Aber <strong>mit</strong>tlerweile haben wir ein recht<br />
normales Familienleben <strong>mit</strong> mal mehr und mal<br />
weniger Stress und Sorgen.<br />
Wie geht es Lilly heute,<br />
und welche Therapien<br />
bekommt sie?<br />
Sie ist eine recht freche Zweitklässlerin,<br />
die immer einen schlauen<br />
Spruch auf den Lippen hat. In der Schule<br />
kommt sie gut klar, sie geht gern schwimmen<br />
und tanzen. Die Krankheit ist in unserem Alltag<br />
nicht mehr so sehr präsent, zum Glück. Sie<br />
bekommt morgens und abends natürlich ihre<br />
immunsupprimierenden Medikamente, hat<br />
einmal pro Woche Ergotherapie und muss regelmäßig<br />
zur Blutentnahme.<br />
Was möchten Sie anderen Eltern von chronisch<br />
kranken Kindern <strong>mit</strong> auf den Weg geben?<br />
Es ist wichtig zu wissen, dass man nicht allein<br />
ist. Tauscht euch <strong>mit</strong> anderen Betroffenen aus.<br />
Wer mag, kann Tagebuch schreiben oder zumindest<br />
ein Notizbuch führen, um die ganzen<br />
Eindrücke festzuhalten, die da auf einen<br />
einprasseln, und auch Fragen an Ärzte oder<br />
Krankenschwestern aufzuschreiben, die einem<br />
manchmal <strong>mit</strong>ten in der Nacht einfallen. Das<br />
Wichtigste ist aber, an sein Kind zu glauben. Die<br />
Kleinen sind echt zäh und kämpfen sich immer<br />
wieder durch.<br />
Wie kam es dazu, dass Sie sich für den Verein<br />
Leberkrankes Kind engagieren?<br />
Wie alle Eltern, die neu <strong>mit</strong> einer Krankheit des<br />
Kindes konfrontiert sind, habe ich natürlich<br />
wie wild herumgegoogelt, um alles darüber<br />
herauszufinden. Der Verein war da eine gute<br />
Anlaufstelle, sich <strong>mit</strong> anderen Betroffenen<br />
auszutauschen und andere Familien kennenzulernen,<br />
die ebenfalls leberkranke Kinder<br />
haben. Der Verein möchte informieren, Mut<br />
machen und Erfahrungen teilen. .<br />
Weitere Informationen über den<br />
Verein finden Sie unter:<br />
leberkrankes-kind.de<br />
Mehr über Lilly und ihr <strong>Leben</strong> erfahren<br />
Sie unter: babyleaks.net