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Leben mit seltenen Erkrankungen

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24<br />

Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong><br />

Hier finden<br />

Betroffene Hilfe<br />

M<br />

anche <strong>Erkrankungen</strong> sind<br />

so selten, dass sie bislang<br />

nicht einmal beschrieben<br />

sind. Andere sind zwar<br />

beschrieben, bekannt<br />

aber sind sie nicht – schon<br />

gar nicht jedem Arzt. Menschen, die eine seltene<br />

Erkrankung haben oder haben könnten,<br />

fühlen sich daher oft alleingelassen und hilflos.<br />

Um diese Situation zu verbessern, wurden in<br />

Europa seit 2010 nationale Aktionspläne entwickelt.<br />

Der deutsche Nationale Aktionsplan<br />

für Menschen <strong>mit</strong> Seltenen <strong>Erkrankungen</strong><br />

(NAMSE) benannte als zentrale Maßnahme<br />

die Einrichtung von Zentren für Seltene<br />

<strong>Erkrankungen</strong>. 36 solcher „A-Zentren“, zumeist<br />

an Universitätskliniken angesiedelt, sind seitdem<br />

in Deutschland entstanden.<br />

Die Zentren erfüllen zwei wichtige<br />

Aufgaben:<br />

1<br />

Für Menschen, die bislang keine<br />

gesicherte Diagnose erhalten<br />

haben, werden Fallkonferenzen<br />

unter Einbindung verschiedener<br />

Fachrichtungen organisiert, die<br />

über weitere Schritte in der Diagnostik<br />

entscheiden. Sollten hierfür genetische<br />

Untersuchungen oder andere, nicht in der<br />

Routine verfügbare Methoden nötig sein, kann<br />

dies vom Zentrum eingeleitet werden.<br />

2<br />

Wurde eine Diagnose gestellt, die<br />

einer besonderen Expertise für<br />

weitere Diagnostik und Therapie<br />

bedarf, gibt es unter dem Dach<br />

eines jeden Zentrums mindestens<br />

fünf „NAMSE Zentren Typ B“: Diese<br />

verfügen über spezielles Fachwissen zu einzelnen<br />

<strong>seltenen</strong> Krankheitsbildern.<br />

Die Zentren sind über die ganze Bundesrepublik<br />

verteilt, sodass eine gute Erreichbarkeit<br />

gegeben ist. Die standortübergreifende Zusammenarbeit<br />

in einem Netzwerk stellt sicher,<br />

dass die notwendige Expertise allen Patienten<br />

Was Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> leisten<br />

können, wenn es keine sichere Diagnose gibt<br />

oder Experten gebraucht werden<br />

ortsunabhängig zugänglich ist. Auch international<br />

ermöglicht dies die Einbindung in<br />

Europäische Referenznetzwerke für Seltene<br />

<strong>Erkrankungen</strong> (ERN). Sollte eine persönliche<br />

Vorstellung notwendig sein, werden den Patienten<br />

konkrete Ansprechpartner empfohlen.<br />

Die belastenden, oft einer Odyssee gleichenden<br />

Reisen zu verschiedenen Einrichtungen<br />

fallen weg.<br />

In jedem Zentrum arbeitet ein „Lotse“ oder<br />

eine „Lotsin“. Diese legen nach der Kontaktaufnahme<br />

durch die Patienten selbst oder deren<br />

behandelnde Ärzte auf Basis der bereits vorliegenden<br />

Befunde und im Austausch <strong>mit</strong> verschiedenen<br />

Fachleuten zeitnah die nächsten<br />

wichtigen Schritte fest.<br />

Diese Arbeitsweise der Zentren wurde in einem<br />

Projekt – TRANSLATE NAMSE, gefördert<br />

durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen<br />

Bundesausschusses – von 2017 bis 2020<br />

erprobt und positiv bewertet: Denn bei etwa<br />

einem Drittel der Patienten, die zuvor mehrere<br />

Jahre ohne Diagnose geblieben waren, konnte<br />

<strong>mit</strong> interdisziplinärer Zusammenarbeit, dem<br />

Einsatz von Lotsinnen und Lotsen sowie moderner<br />

Diagnostik eine gesicherte Diagnose<br />

gestellt werden. Zudem wurden neue, bis<br />

dahin unbekannte <strong>Erkrankungen</strong> erkannt.<br />

Da<strong>mit</strong> für Patienten und Akteure des Gesundheitswesens<br />

erkennbar ist, dass ein Zentrum<br />

diese Leistungen verlässlich erbringt, wurde<br />

eine Begutachtung entwickelt. Acht Zentren<br />

haben diesen Prozess bislang erfolgreich<br />

durchlaufen.<br />

Um Betroffene zudem untereinander zu vernetzen,<br />

arbeiten die Zentren eng <strong>mit</strong> Selbsthilfeorganisationen<br />

zusammen. Diese haben<br />

sich in Deutschland unter dem Dach der<br />

Allianz Chronischer Seltener <strong>Erkrankungen</strong><br />

(ACHSE) e. V. zusammengeschlossen. Da<br />

es jedoch insbesondere bei ultra<strong>seltenen</strong><br />

<strong>Erkrankungen</strong> nicht immer Selbsthilfegruppen<br />

gibt, wird derzeit auf Initiative der Eva Luise<br />

und Horst Köhler Stiftung ein Nationales<br />

Register für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> (NARSE)<br />

etabliert. Es wird einen Überblick über die<br />

Gruppen der Patienten in Deutschland geben<br />

und ihnen ermöglichen, <strong>mit</strong>einander in Kontakt<br />

zu treten.<br />

Leider zeigt sich immer wieder, dass die Zentren<br />

für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> und ihre Angebote<br />

bei vielen niedergelassenen Ärzten<br />

nicht ausreichend bekannt sind. Sprechen Sie<br />

gerne <strong>mit</strong> Ihrem behandelnden Arzt darüber!<br />

Denn falls Sie, Ihr Kind, Angehörige oder<br />

Bekannte eine bislang nicht erkannte seltene<br />

Erkrankung haben oder Expertise für eine<br />

solche suchen, so sind die Zentren für Seltene<br />

<strong>Erkrankungen</strong> die richtige Adresse..<br />

Redaktion<br />

Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich,<br />

Vorstandsvorsitzende der Eva Luise und<br />

Horst Köhler Stiftung für Menschen <strong>mit</strong><br />

Seltenen <strong>Erkrankungen</strong>.<br />

se-atlas<br />

Die webbasierte Informationsplattform<br />

se-atlas bietet einen Überblick über die 36<br />

Zentren für Seltene <strong>Erkrankungen</strong> sowie<br />

Selbsthilfeorganisationen in Deutschland.<br />

Das Informationsangebot richtet sich an<br />

Betroffene, Angehörige, Ärzte, nicht medizinisches<br />

Personal sowie alle Interessierten.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.se-atlas.de

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