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Leben mit seltenen Erkrankungen

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6<br />

Mukoviszidose<br />

„Hoffnung auf ein<br />

normales <strong>Leben</strong>“<br />

Joschua hat Mukoviszidose. Er kam <strong>mit</strong> einem verdrehten<br />

Darm zur Welt. Es folgten Operationen und viele Krankenhausaufenthalte.<br />

Leider war auch die Leber des kleinen<br />

Jungen so stark geschädigt, dass er eine Transplantation<br />

benötigte. Seine Mutter, Stefanie Sprung, berichtet<br />

über die schwerste Zeit im <strong>Leben</strong> der Familie –<br />

über Lachen, Leiden und ganz viel <strong>Leben</strong>swillen.<br />

S<br />

tefanie Sprung und ihr Mann René<br />

führen ein <strong>Leben</strong> wie aus einem Bilderbuch.<br />

Sie mögen ihre Arbeit und<br />

genießen die gemeinsame Freizeit als<br />

Patchworkfamilie. Gemeinsam freuen<br />

sie sich auf ihr erstes gemeinsames<br />

Kind, die vier großen Geschwister auf ihren kleinen<br />

Bruder. Die Familienidylle scheint perfekt. Bis<br />

in der 25. Schwangerschaftswoche alles anders<br />

kam.<br />

Redaktion Leonie Zell<br />

Feindiagnostik, Gentest, Hoffnung<br />

Da Stefanie bei ihrer dritten Schwangerschaft 34<br />

Jahre alt war, riet ihr die Frauenärztin zur Feindiagnostik.<br />

„Anfangs wollte ich das nicht. Bei meinen<br />

vorherigen Schwangerschaften war auch alles<br />

komplikationslos – warum sollte es diesmal anders<br />

sein?“ Sie entschied sich dennoch dafür. Bei<br />

der Untersuchung zeigten sich Auffälligkeiten an<br />

der Darmwand des Babys. „Der Arzt informierte<br />

uns, dass es mehrere Gründe für die Verdickung<br />

geben kann. Einer war Mukoviszidose.“ Es folgten<br />

mehrere Untersuchungen, darunter auch<br />

ein Gentest, den Stefanie und ihr Mann machen<br />

ließen. „Das Ergebnis war, dass mein Mann und<br />

ich Anlageträger für Mukoviszidose sind und dies<br />

an unser Baby weitergegeben werden kann. Die<br />

Wahrscheinlichkeit, dass daraus eine Mukoviszidose<br />

entsteht, liegt bei 25 Prozent. Aufgrund der<br />

verdickten Darmwand waren sich die Ärzte sicher,<br />

dass Joschua die Krankheit hat. Wir haben bis zum<br />

Schluss gehofft, dass es sich nicht bewahrheitet.“<br />

Frühgeburt, Notoperation, Transplantation<br />

In der 34. Schwangerschaftswoche bewegte sich<br />

Joschua plötzlich nicht mehr in Stefanies Bauch.<br />

„Meine Frauenärztin stellte fest, dass er die ganze<br />

Zeit schlief. Ein Anzeichen dafür, dass es ihm nicht<br />

gut ging.“ Stefanie fuhr direkt nach dem Termin<br />

beim Frauenarzt in die Klinik, wo festgestellt wurde,<br />

dass Joschuas Bauch aufgebläht war – die Ärzte<br />

vermuteten einen Darmverschluss. Am nächsten<br />

Tag musste das Baby per Kaiserschnitt auf die Welt<br />

geholt werden. Joschua musste beatmet werden,<br />

weil er wegen des dicken Bauchs schlecht Luft<br />

bekam. „Während ich noch leicht benebelt war,<br />

wurde Joschua schon in den OP<br />

gebracht. Ich hatte nicht einmal<br />

die Möglichkeit, meinen Sohn in<br />

Ruhe auf dieser Welt zu begrüßen, ihn<br />

zu küssen oder in den Arm zu nehmen<br />

– das war ganz schlimm für mich. Nach der OP<br />

sagte man uns, dass ein Teil seines Darms schon<br />

abgestorben war, weil er einen verdrehten Darm<br />

hatte – das mussten sie alles herausoperieren. Er<br />

bekam einen künstlichen Darmausgang, ein Stoma.<br />

Und die Diagnose Mukoviszidose hatte sich<br />

bestätigt.“<br />

Nach wochenlangem Krankenhausaufenthalt<br />

durfte Joschua endlich nach Hause. Die Familie<br />

hoffte auf einen Funken Normalität. Doch Joschuas<br />

Gelbsucht, die Frühgeborene oft haben,<br />

verschwand einfach nicht. „Joschua wurde im Januar<br />

geboren und war Anfang Mai immer noch<br />

gelb. Wir ließen seine Leberwerte kontrollieren<br />

und die waren sehr auffällig. Da war klar, dass es<br />

nicht mehr die normale Gelbsucht war. Joschua<br />

musste sich einer weiteren Operation unterziehen,<br />

bei der die Rückverlegung des Stomas erfolgte.<br />

Denn es war klar, dass Joschua zunehmen<br />

und stabil sein musste, falls er eine Lebertransplantation<br />

benötigte, um diese zu überleben.“<br />

Nach der Stomarückverlegung war Joschua weitere<br />

vier Wochen im Krankenhaus. Da seine Leber<br />

nicht mehr richtig funktionierte, dauerte es lange,<br />

bis er die Medikamente verstoffwechselte. Der<br />

kleine Junge wurde immer schwächer. Lange versuchten<br />

die Ärzte, seine Leber zu erhalten, doch<br />

die Gallensäfte waren durch die Mukoviszidose<br />

so zähflüssig, dass die Leber sich nach und nach<br />

selbst zerstörte. Joschua brauchte eine neue Leber<br />

– ein Spender musste gefunden werden. „Die Ärzte<br />

teilten uns <strong>mit</strong>, dass es mindestens ein halbes<br />

Jahr dauern würde, bis ein Organ gefunden wäre.<br />

Diese Zeit hatten wir nicht. Joschuas Zustand<br />

war nur noch ein Aufrechterhalten der <strong>Leben</strong>sfunktionen.<br />

Und es war klar, dass wir eine andere<br />

Lösung brauchten. Schließlich ließ sich mein<br />

Mann testen und zum Glück passten alle Parameter,<br />

die eine Transplantation möglich machten.<br />

Am 9. Juli 2021 fand die Transplantation<br />

Fotos: privat<br />

statt. Da war Joschua fünf<br />

Monate alt und mein Mann<br />

mein größter Held.“<br />

Das erste Mal seit Joschuas Geburt<br />

verlief alles reibungslos. Sowohl<br />

Joschua als auch René überstanden die Operationen<br />

ohne größere Komplikationen und<br />

nach fünf Wochen durfte Joschua das Krankenhaus<br />

verlassen und die Familie hoffte, zur Ruhe<br />

zu kommen. Leider vergebens. „Es gab immer<br />

wieder Zwischenfälle: Durch Infekte verlor<br />

Joschua Elektrolyte, dann bekam er Durchfall,<br />

dann eine Pilzlungenentzündung. Das Jahr<br />

2021 habe ich mehr Zeit im Krankenhaus verbracht<br />

als zu Hause, und ich hatte das Gefühl, dass<br />

wir aus den ständigen Krankenhausbesuchen nie<br />

wieder rauskommen.“<br />

Doch Joschua ist ein Kämpfer. „Ich bin so stolz auf<br />

ihn. Er hat so einen großen <strong>Leben</strong>swillen, ist zäh,<br />

beißt sich durch und vergisst dabei nie, uns <strong>mit</strong><br />

seinem Kinderlachen zu verzaubern.“ Seit 2022<br />

haben sie das Krankenhaus nur zu Routineuntersuchungen<br />

von innen gesehen.<br />

Inhalation, Medikation, Vision<br />

Inhalation und Medikamente gehören für<br />

Joschua und seine Familie zum Alltag. „Wir haben<br />

uns gut eingespielt und alle helfen <strong>mit</strong>. Joschua<br />

muss zweimal am Tag inhalieren – morgens und<br />

abends –, wenn er einen Infekt hat, sogar dreimal.<br />

Doch er macht das ganz toll. Seine Geschwister<br />

unterstützen ihn oft dabei und schauen beispielsweise<br />

während der Inhalation ein bisschen <strong>mit</strong><br />

ihm fern.<br />

Die letzten zwei Jahre haben uns gezeigt, dass<br />

es sich immer lohnt weiterzukämpfen, und<br />

haben uns als Familie noch enger zusammengeschweißt.<br />

Seit ein paar Monaten nimmt Joschua<br />

ein neues Medikament, das den Salzkanaldefekt<br />

korrigieren soll. Bei ihm schlägt das sehr gut an.<br />

Unsere größte Hoffnung ist, dass Joschua dank<br />

der guten medizinischen Versorgung, die es <strong>mit</strong>tlerweile<br />

bei Mukoviszidose gibt, irgendwann ein<br />

normales <strong>Leben</strong> führen kann.“.

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