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SMZ Liebenau Info Jul_2007

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WIE EIN RASER EIN LEBEN<br />

VERÄNDERT<br />

Das folgende Interview habe ich mit einer langjährigen Patientin geführt, die u.a.<br />

zuletzt wegen chronischer Kopfschmerzen bei mir in Akupunkturbehandlung war.<br />

Sie wurde als achtjähriges Kind von einem Raser in der <strong>Liebenau</strong>er Hauptstraße<br />

überfahren. Ihr Bericht steht stellvertretend für unzählige Kinder, Jugendliche und<br />

Erwachsene, die zwar dem Tod entkommen sind, ihr Leben jedoch unter großen<br />

Schwierigkeiten meistern müssen, deren Schicksal in keinem Medium Erwähnung<br />

findet. Käme jedes der Opfer zu Wort, würde sich der grandiose Mythos der Geschwindigkeit,<br />

welcher zum Verkaufskonzept der Automobilhersteller gehört, wie<br />

die Henne zum Ei, als das offenbaren was er ist: ein mörderisches Hirngespinst.<br />

Woran können Sie sich denn noch erinnern?<br />

Ich weiß nur mehr, dass das Auto sehr<br />

schnell gekommen ist, dass ich hinter<br />

einem LKW vorbeigegangen bin und das Auto<br />

nicht gesehen hab, weil es so schnell war.<br />

Angeblich bin ich gelaufen, ich wollte in die<br />

Ballettschule um 15 Uhr und bin, obwohl mir<br />

meine Mutter immer verboten hat, die Straße<br />

zu überqueren, trotzdem drüber, weil ich eine<br />

Freundin gesehen habe, die immer von ihrer<br />

Mutter hingebracht wurde. Nachgewiesen<br />

wurde später, dass der Autofahrer mit 80 km/h<br />

viel zu schnell war.<br />

Sie wurden schwer verletzt?<br />

Ich hatte ein schweres Schädel Hirn Trauma<br />

und lag vier Wochen lang im Koma.<br />

Intensivstation. Dann war ich drei Wochen im<br />

Mutter-Kind-Zimmer in der Kinderklinik. Weil<br />

meine Mama Krankenschwester ist, hat sie<br />

mich als Pflegefall mit nach Hause genommen.<br />

Ich hab nicht mehr gehen, nicht reden,<br />

eigentlich gar nichts mehr können.<br />

In diesem Zustand sind Sie aus dem Krankenhaus<br />

entlassen worden?<br />

Ja.<br />

Das heißt, Ihre Mutter hat Sie zu Hause zur<br />

Gänze gepflegt, waren Sie eigentlich in einem<br />

Rehabilitationszentrum?<br />

Nein, ich habe nur eine Physiotherapeutin<br />

gehabt. Die Körperpflege hat meine Mutter<br />

übernommen, Windeln wechseln, ich<br />

konnte nicht kauen, hab nur Aufbaunahrung<br />

gekriegt. Der Arzt damals hat meiner Mutter<br />

nur gesagt, ich würde mein Leben lang ein<br />

Pflegefall bleiben- aber das war ein ganz junger<br />

Arzt. Später dann konnte ich Hippotherapie<br />

machen.<br />

Wie lang hat es gedauert, bis Sie wieder bestimmte<br />

Sachen selber haben tun können?<br />

Der Unfall ist am 1.März 1990 passiert und<br />

am Ende des Schuljahres hab ich ein paar<br />

Schritte gehen können.<br />

Wann konnten Sie wieder in die Schule<br />

gehen?<br />

Ich bin damals in die Volksschule Engelsdorf<br />

gegangen, meine Lehrerin hat eine<br />

Integrationsklasse gemacht, ich bin praktisch<br />

1990 nochmals in die zweite Klasse gegangen<br />

mit einer eigenen Lehrerin. Schreiben<br />

hab ich dann zu Hause probiert, das ist sehr<br />

langsam gegangen.<br />

Sie haben die Volksschule abschließen können<br />

und sind Sie dann in die Hauptschule gekommen?<br />

Ja, in die Hauptschule Engelsdorf, dort wurde<br />

die Integrationsklasse weitergeführt.<br />

Waren Sie denn behindert? Warum Integrationsklasse?<br />

Wegen der körperlichen Behinderung, geistig<br />

war ich ok, wir haben nach dem Unfall LÜK-<br />

Spiele gemacht, ich hab alles gewusst, was<br />

ich in der Schule gelernt habe.<br />

Das ist erhalten blieben. Ich war sehr ehrgeizig<br />

in der Schule. Mit mir war ein zweites behindertes<br />

Mädchen, aber das ist geistig zurückblieben.<br />

In der Hauptschule ist es mir ganz gut<br />

02 <strong>SMZ</strong> INFO JULI <strong>2007</strong>

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