In höchsten Tönen. Der 33-jährige Bruno de Sá begeistert in Männer- wie Frauenrollen. Foto: Laure Bernard. 38 <strong>Kulturmagazin</strong>
Mal in Hosen, mal im Kleid Bruno de Sá ist kein Countertenor, sondern Sopranist – und das nicht nur in Barockopern. In Innsbruck ist er in Vivaldis „L’Olimpiade“ zu hören. Text: Walter Weidringer Bruno de Sá selbst kann sich nicht mehr erinnern. Aber er hat die Lieblingsgeschichte seiner Mutter oft gehört: Noch keine drei Jahre sei er alt gewesen, da habe er verlangt, ein Solo zu singen – in jenem Kirchenchor in São Paulo, in dem seine Eltern von Kindheit an Mitglied waren und wo sie einander auch kennengelernt hatten. Was sich bei Bruno eingeprägt hat, war dann der Tag, als es wirklich Zeit war fürs erste Solo. Singen war für ihn pure Freude, hatte nichts mit einem Beruf zu tun. Von Klassik im Allgemeinen und speziell von Barockmusik hatte er nur eine ferne Ahnung. Und dann, spät im Leben des Jugendlichen, kam der Stimmbruch – und hinterließ kaum eine Spur. Sprech wie Singstimme blieben hoch, beim Gesang war bloß mehr Luft in der Höhe nötig. Ergebnis: Bruno de Sá ist Sopranist. Punkt. Und kein Countertenor! Denn Countertenöre kultivieren auf Basis ihrer Tenor oder Baritonstimme ein Falsettregister, das ihnen die hohe Lage erschließt. Bruno de Sá jedoch singt von vornherein in seiner natürlichen Lage. Ausnahmebegabung. Dabei fühlt er sich wohl bis hinauf zum hohen Es – bis zu jenem Ton also, mit dem traditionell die Interpretinnen der Lucia di Lammermoor ihre Wahnsinnsszene toppen. Das hohe F von Mozarts Königin der Nacht, ein Ganzton darüber, liegt für ihn nicht außer Reichweite. Nota bene: Das sind keine isolierten, der Stimme abgetrotzten Töne bei Bruno de Sá, sondern er besitzt eine voll ausgebildete, runde und bewegliche Sopranstimme, die er in solche Höhen führen kann. Franco Fagioli zählt aktuell zu den wenigen Countertenören, die sich dem Klangideal einer weiblichen Stimme so annähern konnten, wie es für Bruno de Sá ganz natürlich ist: Eine Begabung, die man weltweit mit der Lupe suchen muss. Trotzdem oder gerade deshalb: Sein ers tes Musikstudium galt dem „sicheren“ Lehramt, erst dann kam der Gesang. „Die Stimmlage war mir eigentlich egal“, sagt Bruno, „ich wollte einfach ich selbst sein und technisch wie musikalisch so gut wie möglich werden. Wer ein Idol hat und es nur kopiert, der wird es allenfalls zur besten Imitation von – sagen wir – Cecilia Bartoli schaffen. Wer sich aber akzeptiert und sein eigenes Talent voll entwickelt, reift zur besten Version seiner selbst.“ Nicht nur Barock. In der Ausbildung sollte er jedoch sofort auf die barocke Schiene gesetzt werden – zu seinem Leidwesen: „Brasiliens Barockszene habe ich als sehr puristisch kennengelernt, fixiert auf vibratolose Tongebung und so weiter. Aber wir sind auch bei penibelster historischer Aufführungspraxis Menschen des 21. Jahrhunderts. Und wir müssen diese alte Musik für das Publikum unserer Zeit zum Leben erwecken.“ Deshalb hat er sich, nach etwa dem Sesto in Händels „Giulio Cesare“, zunächst auf jüngeres Repertoire gestürzt: auf den Cherubino in Mozarts „Figaro“, den Oscar in Tipp „L’Olimpiade“. Antonio Vivaldi, Premiere: 4. August 2023, Tiroler Landestheater. Dirigent: Alessandro De Marchi, Regie: Stefano Vizioli. Zwei weitere Vivaldi-Opern stehen bei den Innsbrucker Festwochen auf dem Programm: „Juditha triumphans“ und „La fida ninfa“. altemusik.at Verdis „Ballo in maschera“ sowie auf weitere Hosenrollen bei Bellini und Gounod. Doch selbst die Barbarina im „Figaro“ oder die Erste Dame in der „Zauberflöte“ hat er schon mit großem Erfolg gesungen: Genderbending von der anderen Seite. Auch deshalb, weil viele Hosenrollen für Mezzosopran geschrieben sind und also für ihn zu tief liegen. „Ich musste zeigen, dass ich hoch singen konnte, dass ein hoch singender Mann kein Countertenor sein muss, und dass einen das nicht auf Barock limitiert. Schritt für Schritt konnte ich mir so meinen eigenen Platz erarbeiten.“ Das hat Bruno de Sá, der u. a. mit dem Oper! Award 2020 als bester Nachwuchskünstler ausgezeichnet wurde, schon weit gebracht: im Studio zu einem AufnahmeExklusivvertrag, auf der Bühne nicht zuletzt zum Bayreuth Baroque Opera Festival, einem neuen Mekka der Szene, sowie bereits 2019 in Basel auch zur zeitgenössischen Musik. Auf den Leib geschrieben. Dort war er die Kleine Meerjungfrau in der Uraufführung von Jherek Bischoffs Oper „Andersens Erzählungen“. Es sei wunderbar gewesen, dass Bischoff ihm die Rolle auf den Leib geschrieben hat – mit lang gehaltenen hohen Tönen. „In Wirklichkeit bin ich gar kein Spezialist für Barockmusik“, gesteht Bruno de Sá schmunzelnd, auch wenn er damit längst glänzende Erfolge feiert und prachtvolle Arien als Ersteinspielungen präsentiert. Aber gerade weil er immer noch auf Vorurteile stößt, ist er seinen großen Vorläufern seit Alfred Deller und dem jüngst verstorbenen James Bowman dankbar, die die hohe Männerstimme im 20. Jahrhundert neu etabliert haben. Und er hofft, selbst noch jüngeren Talenten eine Hilfe sein zu können auf ihrem Weg zur sängerischen Identität. Bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Das hohe Es ist kein Problem, Mozarts Königin der Nacht liegt für ihn nicht außer Reichweite. Musik ist er in Vivaldis „L’Olimpiade“ zu erleben: Alessandro de Marchi steht am Pult, Stefano Vizioli inszeniert das von Vokalprunk strotzende Werk rund um ein Liebesdreieck vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele der Antike. Bruno de Sá gibt dabei den Aminta, eine anspruchsvolle Partie, die für einen Soprankastraten geschrieben wurde. Er brennt darauf, erstmals mit so hoch geschätzten und zugleich stimmlich so verschiedenen Countertenören wie Bejun Mehta und Raffaele Pe auf der Bühne zu stehen. Als Sopranist. e <strong>Kulturmagazin</strong> 39
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