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Leuchttürme<br />
und Luftballons<br />
Wenn ganz Wien tanzt,<br />
performt oder chillt, hat das 40.<br />
ImPulsTanz-Festival begonnen.<br />
Text: Ditta Rudle<br />
Eine Arbeit des renommierten Choreografen<br />
William Forsythe wäre<br />
für das ImPulsTanz-Festival eine<br />
Eröffnung mit Wow-Effekt. 999<br />
oder gar 1000 Luftballons schweben an<br />
der Decke, tanzen zaghaft zu leiser Musik<br />
durch den Raum, das Publikum<br />
zieht an den Fäden und setzt<br />
den Ballonhimmel in Bewegung.<br />
Noch steht aber nicht fest,<br />
wann das passieren wird. Doch<br />
es wird geschwebt werden, während<br />
ganz Wien 30 Tage lang<br />
in Bewegung sein wird. Tanz<br />
und Performance, Workshops<br />
und Ausbildungsprogramme,<br />
nicht zu vergessen das nächtliche<br />
Entspannungsprogramm<br />
„Soçial“ in der Festival Lounge,<br />
beherrschen die Stadt.<br />
Rituale und Blut. Wie sich das Festival im<br />
Lauf der Jahre verändert hat, ist an der<br />
Schiene für aufstrebende Choreografinnen<br />
und Choreografen, die unter dem<br />
Titel „[8:tension]“ ein neugieriges Publikum<br />
anlockt, zu beobachten. Seit 2001 zeigen<br />
die „Young Choreographers’<br />
Series“, welche Bahn der Tanzplanet<br />
einschlagen wird, fungieren<br />
als Sprungbrett für Künstlerinnen<br />
und Künstler, die am<br />
Anfang ihrer Karriere stehen.<br />
Wie die Geschichte von [8:tension]<br />
lehrt, springen sie bald an<br />
die Spitze der internationalen<br />
Tanz- und Performance-Szene.<br />
Samira Elagoz und Lenio Kaklea<br />
dürfen als Beispiel herhalten.<br />
Die in Athen geborene und<br />
in Paris lebende Tänzerin Lenio Kaklea<br />
hat ihr Debüt in [8:tension] 2013 gegeben<br />
und längst die Tanzfestivals in ganz Europa<br />
erobert. Nach Wien bringt sie eine brandneue<br />
Choreografie, für die es erst einen<br />
Arbeitstitel gibt: „Agrimi (Fauve)“, wild<br />
oder Wildling ist die Bedeutung, denn das<br />
46 <strong>Kulturmagazin</strong><br />
Ode an das<br />
Leben. Marie<br />
Chouinard zeigt<br />
ihre jüngste<br />
Choreografie „M“.<br />
Lebendiges<br />
Tanzarchiv.<br />
Lucinda Childs<br />
schuf „Relative<br />
Calm“ 2022.<br />
Scattered Crowd.<br />
Forsythes Luftballons<br />
sorgten in<br />
München für einen<br />
Wow-Effekt.<br />
Parabel über das<br />
Leben. Meg Stuarts<br />
„Blessed“ ist ein<br />
Klassiker.<br />
Munter. In „Somnole“<br />
sinniert Boris<br />
Charmatz über den<br />
Halbschlaf.<br />
Trio auf der Bühne erzählt von Jägern und<br />
ihrer Beute, von Ritualen und Blut. Samira<br />
Elagoz war 2017 mit der Dokumentarperformance<br />
„Cock, Cock ...Who’s there?“<br />
über ihre Vergewaltigungserfahrungen<br />
zu sehen und ist vom Publikum sofort als<br />
preiswürdig eingestuft worden. Heuer<br />
kommt Elagoz, inzwischen „der“ finnische<br />
Performer und Filmemacher, mit dem Film<br />
„Seek Bromance“ nach Wien. In Konfrontation<br />
mit dem Transkünstler Cade<br />
Moga begleitet Elagoz ihre eigene<br />
Transition. Das filmische Doppelporträt<br />
wird von Livekommentaren<br />
der beiden Künstler begleitet.<br />
Doppelbilder zeigt das Festival<br />
heuer mehrfach. „Jumelles“<br />
nennen Anne Juren und Frédéric<br />
Gies ihre Choreografie, in der<br />
sie einander porträtieren. Anne<br />
tanzt die Choreografie von Frédéric<br />
und umgekehrt. „Jumelles“<br />
heißt übersetzt „Zwillinge“,<br />
aber auch „Fernglas“. Beides trifft<br />
auf die unterschiedlichen, miteinander<br />
verschränkten Choreografien zu. Wie die<br />
Französin Anne Juren lebt auch der Finne<br />
Lau Lukkarila in Wien. Im Vorjahr hat<br />
Lukkarila mit Luca Bonamore in „Lapse“<br />
in einer fiktiven Karaokebar getanzt. In<br />
„Lapse and the Scarlet Sun“ bleibt es nicht<br />
beim eng umschlungenen Pas de deux, es<br />
wird heiß: Lukkarila und Bonamore geben<br />
Unterricht in queerer Erotik, romantisches<br />
Schmachten genügt nicht.<br />
Signature-Piece. Jan Lauwers<br />
und die Needcompany verdichten<br />
William Shakespeares<br />
Tragödien und Komödien zu<br />
einem Doppelabend. Regisseur<br />
Lauwers und Textdichter Victor<br />
Afung Lauwers garantieren,<br />
dass „Billy’s Violence“ sowie<br />
„Billy’s Joy“ mit beiden Beinen<br />
im Hier und Jetzt stehen. Auch<br />
Meg Stuart, ebenfalls seit Jahrzehnten<br />
zur ImPulsTanz-Familie<br />
zählend, reist mit doppeltem Gepäck<br />
an. „All the Ways Around“ passt für ein<br />
Trio: Die Tänzerin Meg Stuart tanzt, der<br />
Jazzer Doug Weiss spielt Bass, die Virtuosin<br />
Mariana Caralho begleitet am Klavier.<br />
Als Signaturstück für Meg Stuart und ihre<br />
Company Damaged Goods kann „Blessed“<br />
gelten. Seit über 15 Jahren ist die Parabel<br />
über das Leben stets ausverkauft. e<br />
Tipp<br />
ImpulsTanz. Vienna International<br />
Dance Festival, 6. 7.–<br />
6. 8., impulstanz.com<br />
Fotos: Marc Domage, Sylvie Ann Paret, Lucie Jansch, Julian Gabriel Richter, Laura van Severen.