ASO! Augsburg Süd-Ost - Juni / Juli 2023
Stadtteilmagazin für Augsburg-Hochzoll, -Herrenbach, -Spickel, -Textilviertel und Friedberg
Stadtteilmagazin für Augsburg-Hochzoll, -Herrenbach, -Spickel, -Textilviertel und Friedberg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
12 <strong>ASO</strong>! <strong>Juni</strong> /<strong>Juli</strong> ‚23<br />
Geh mr zum Lutz!<br />
Sehr lange eine der beliebtesten Gaststätten in Hochzoll<br />
„Geh mr zum Lutz“, sagten auch die Eltern<br />
des Verfassers, als sie ihre Hochzeitsfeier<br />
planten. Sie ging wahrscheinlich im Nebenzimmer<br />
des großen Saales über die<br />
Bühne. Allerdings nur kurz. Kaum begonnen<br />
musste sie wegen eines Fliegeralarms<br />
abgebrochen werden. Justament, als die<br />
Weißwürste serviert werden sollten. „Der<br />
Herr Lutz hat sie für uns besorgt“, erzählten<br />
meine Eltern dankbar manchmal an<br />
den Hochzeitstagen. Sicher war das bei<br />
der Kriegsbewirtschaftung nicht so einfach.<br />
„Wir Kinder haben ganze Zeitungsseiten vollgeklebt mit den<br />
Lebensmittelmarken“, erzählt Sohn Josef Lutz.<br />
Der Saal, in dem die Hochzeit stattgefunden hatte, war der zur<br />
Gaststätte Lutz gehörende <strong>Süd</strong>ostendsaal, in jener Zeit der schönste<br />
und größte Saal in Hochzoll. 1912 hatte ihn Josef Lutz sen. an<br />
seinen Gasthof in der Friedberger Straße an der Karwendelstraße<br />
anbauen lassen und 1925 ein Stockwerk draufgesetzt. Dadurch<br />
konnte eine umlaufende Galerie mit Separees (!) eingebaut werden.<br />
Ein modernes Vergnügungsetablissement im Stil der „Goldenen<br />
20er Jahre“. Es fanden jedenfalls nicht nur<br />
Vereinsversammlungen und Weihnachtsfeiern,<br />
sondern auch Bälle, Konzerte und<br />
Theatervorstellungen statt. Ein zeitgenössischer<br />
Bericht nennt einmal 300 Besucher.<br />
Im Januar 1935 hatte sich im <strong>Süd</strong>ostendsaal<br />
der Katholische Arbeiterverein Hochzoll<br />
getroffen. Anwesend war auch der<br />
Bezirkssekretär der Katholischen Arbeitervereine<br />
Hans Adlhoch, ein früherer Stadtrat<br />
und Reichstagsabgeordneter der Bayerischen<br />
Volkspartei. Er ergriff außerhalb<br />
der genehmigten Tagesordnung das Wort und schilderte seinen<br />
Werdegang. Dabei führte er aus, dass er seit 1933 bereits fünfmal<br />
verhaftet worden sei und betonte, dass ihm das eigentlich zur Ehre<br />
gereiche. Nach einer Anzeige der NSDAP Ortsgruppe Hochzoll folgte<br />
ein Schutzhaftbefehl „wegen Verhöhnung der Reichsregierung“<br />
und eine erneute Haft in Dachau. Dort wurde der Nazigegner gezielt<br />
gedemütigt und sadistisch gequält. Eine abermalige Einlieferung<br />
nach Dachau traf ihn nach dem 20. <strong>Juli</strong> 1944. Nach dem Todesmarsch<br />
starb der mutige Mann kurz nach Kriegsende.