11. Europäischer Kongress (EBH 2018)
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Chancen und Risiken der fiktiven Abnahme nach neuem gesetzlichen Bauvertragsrecht | A. Bußmann<br />
<strong>11.</strong> <strong>Europäischer</strong> <strong>Kongress</strong> <strong>EBH</strong> <strong>2018</strong><br />
Regelungen ausgeschlossen, was nach überwiegender Auffassung der Literatur und Rechtsprechung<br />
bereits bei bloßer Vereinbarung der förmlichen Abnahme der Fall sein soll.<br />
Dabei könnte es so einfach sein. § 640 Abs. 1 Satz 1 BGB gibt es doch vor:<br />
«Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsgemäß hergestellte Werk<br />
abzunehmen (…).»<br />
Es handelt sich bei der Abnahme also um eine echte Vertragspflicht des Auftraggebers.<br />
Fall 2: Gesagt, getan<br />
Die Firma Gut Holz errichtet für Herrn Neureich einen neuen Carport. Nach der Beendigung<br />
tritt Herr Fleißig, ein neu eingestellter Bauleiter der Firma Gut Holz, an den Auftraggeber<br />
heran. Er berichtet ihm, dass die Bauarbeiten nun beendet seien und er das Ergebnis der<br />
Arbeiten gemeinsam mit ihm anschauen wolle. So begibt man sich zum Carport und Herr<br />
Fleißig führt den Auftraggeber herum. Am Ende fragt er ihn, ob der Carport nach seinem<br />
Geschmack sei. «Ganz hervorragende Arbeit, 1a!» äußert Herr Neureich. Nach Eingang<br />
der Schlussrechnung meldet sich Herr Neureich und meint, er werde diese im Moment<br />
selbstverständlich nicht begleichen. Zunächst müsse mit ihm die Abnahme durchgeführt<br />
werden. Trifft diese Ansicht zu?<br />
Antwort:<br />
Um diese Frage beantworten zu können, ist zunächst zu klären, was überhaupt eine<br />
Abnahme ist. Tatsächlich ist der konkrete Begriff weder in der VOB/B, noch in irgendeinem<br />
Gesetz definiert. Der Bundesgerichtshof erläutert ihn wie folgt:<br />
«Die Abnahme ist die mit der körperlichen Hinnahme des Werks verbundene Billigung<br />
des Werkes als der Hauptsache nach vertragsgemäßer Leistung.»<br />
Auf den ersten Blick verwirrt diese Definition sicherlich mehr, als sie hilft. Klar wird aber,<br />
dass die Abnahme aus zwei wesentlichen Elementen besteht, nämlich der «körperlichen<br />
Hinnahme» zum einen und der Billigung als «vertragsgemäße Leistung» zum anderen.<br />
Die körperliche Hinnahme stellt quasi die Übergabe des Werks an den Auftraggeber dar.<br />
Dies erfolgt bei Arbeiten an Grundstücken regelmäßig automatisch, indem dem Auftraggeber<br />
die Nutzung ermöglicht wird.<br />
Die Billigung als «vertragsgemäße Leistung» geschieht dadurch, dass der Auftraggeber<br />
sich in irgendeiner Form mit der fertigen Leistung zufrieden zeigt. Hierfür ist es nicht<br />
erforderlich, dass keine Mängel mehr sichtbar sind. Es genügt, dass die Leistung «im Wesentlichen»<br />
vertragsgerecht ist. Dies formuliert § 640 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich<br />
wie folgt:<br />
«Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden.»<br />
Inhaltlich beinahe deckungsgleich formuliert § 12 Abs. 3 VOB/B:<br />
«Wegen wesentlicher Mängel kann die Abnahme bis zur Beseitigung verweigert<br />
werden.»<br />
Kleinere Mängel hindern die Abnahme also nicht.<br />
Zur Abnahme genügt es nun, dass der Auftraggeber sich mit dem Ergebnis grundsätzlich<br />
einverstanden erklärt.<br />
Dies dürfte hier der Fall sein: Indem der Herr Neureich sich lobend über den Carport<br />
äußert, hat er unzweideutig zu erkennen gegeben, dass er die erbrachte Leistung als<br />
«vertragsgemäße» anerkennt. Weiterhin sind keine Nutzungshindernisse festzustellen.<br />
Damit ist eine Abnahme erfolgt. Eine weitere Abnahmebegehung ist deshalb nicht erforderlich.<br />
Freilich mag im Bestreitensfall die Beweisführung für die Fa. Gut Holz etwas<br />
schwierig sein, weswegen sich eine förmliche Abnahme stets empfiehlt.<br />
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