ocean7 4/2023

Fernost
Das Sultanat
von SuluText WOLFGANG HAUSNER
Allein der Name der Sulu-Inseln bringt süße Vorstellungen von Korallenriffen und malerischen
Stränden unter der Tropensonne hervor. Den bitteren Beigeschmack aber liefern finstere Piraten,
die hier ahnungslosen Schiffen auflauern.
Die Piraten gibt es noch immer.
Nämlich die Tausūg
des Sulu-Archipels, die
dieser für sie ganz normalen
Erwerbsquelle seit Urgedenken
nachgehen. Schon die Spanier hatten
während ihrer Kolonialisierung
der Philippinen im 16. Jahrhundert
ihre Probleme damit. Den Amerikanern
erging es nicht besser, als sie
die Philippinen nach dem Krieg
mit Spanien 1898 erbten. Und unter
der philippinischen Regierung
derzeit hat sich die Situation nur
verschlechtert.
Es gibt eine weitere ethnische
Gruppe im Sulu-Archipel, die Bajau,
auch Seezigeuner genannt. Es
ist ein harmloses und friedliches
Volk, leidet aber auch unter den aggressiven
Tausūg, die ihnen schon
öfter Außenborder abgenommen
haben. Wer sich wehrt oder auch
nur nach der Machete greift, wird
kaltblütig erschossen.
Mit der Gründung der Moro Islamic
Liberation Front änderte sich
das Bild. Diese militante Organisation
führt seit 1978 eine Sezessionskampagne
auf den südlichen Philippinen
durch, mit dem erklärten
Ziel, einen unabhängigen „Islamischen
Staat“ aufzubauen.
Das wirkliche Problem ist aber
die abgespaltene Abu Sayyaf Gruppe
(ASG), bestehend aus einigen
hundert Militanten, die mit Startkapital
von Al-Qaida gegründet
wurde. Der Sitz der Abu-Sayyaf-
Terror isten, die dem IS die Treue
geschworen haben, befindet sich
auf dem Sulu-Archipel, und deshalb
lohnt es sich, einen Blick in die
Vergangenheit dieser Inseln zu
werfen, auf denen schon viele
Segler ihren Kopf verloren haben.
MACHTSPIELE
Das Sultanat Sulu wurde von dem
in Johore (Malaysia) geborenen
Entdecker und Religionswissenschaftler
Sharif ul-Hāshim im 15.
Jh. gegründet und existierte bis
1899 als souveräne Nation. Sulu
26 4/2023