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FineTobacco[+] 02|23

FREUDE AM LEBEN. SPASS AM GENUSS.

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Beim Anprobieren kommt<br />

Freude auf. Weil das gepunktete<br />

Seidenkostüm<br />

perfekt passt. Genau das<br />

Richtige nämlich für die Einladung von<br />

Lord March zu seinem famosen Event.<br />

Ich spreche von „Goodwood Revival“<br />

in England. Auf dem Festival, welches<br />

alljährlich Mitte September stattfindet,<br />

dreht sich drei Tage lang alles um Oldtimer<br />

und Autorennen. Und dafür ist mein<br />

Fund das angemessene Outfit. Denn die<br />

Gäste mögen sich, so der Wunsch seiner<br />

Lordschaft, entsprechend vintage<br />

kleiden. Ein offizieller Dresscode ist das<br />

nicht. Doch warum nicht mitspielen?<br />

Name und Titel des sportlichen Aristokraten<br />

klingen nicht weniger fabelhaft<br />

wie sein Geschäftssinn: Charles Henry<br />

Gordon-Lennox, Earl of March and Kinrara,<br />

Baron Settrington, Titelerbe des 10.<br />

Duke of Richmond, 10. Duke of Lennox<br />

und 5. Duke of Gordon. Domizil seiner<br />

Lordschaft ist Goodwood, 5000- Hektar-<br />

Anwesen in der Grafschaft West Sussex.<br />

Kennt man die Vita des smarten Adeligen<br />

und die seines Großvaters Freddie<br />

March, kommt man auf die Idee, dass<br />

nicht allein blaues Blut, sondern wohlmöglich<br />

auch Sprit in den Adern dieses<br />

Geschlechts fließt. Freddie, 9. Duke of<br />

Richmond, war ein derart passionierter<br />

Sportwagen- und Motor-Racing-Freak,<br />

dass er sein Oxford-Studium abbrach,<br />

um seiner Leidenschaft ausgiebig zu<br />

frönen. Sie fand Krönung im Parcour<br />

der eigenen Formel-1-Strecke, die er<br />

1948 auf dem Land seiner Väter eröffnete.<br />

Selbst erfolgreicher Rennfahrer,<br />

dazu immens begütert, hatte er den<br />

Circuit nach modernsten Standards anlegen<br />

lassen. Für die besten Namen der<br />

automobilen Highspeed-Szene wurde<br />

Goodwood zum festen Termin im Kalender.<br />

Zwei Jahrzehnte später war Schluss<br />

mit rasanten Runden. Motoren und Gewicht<br />

der Boliden hatten an Stärke zugenommen.<br />

Deswegen war die Sicherheit<br />

auf der Piste nicht mehr gewährleistet.<br />

Doch Enkel Charles, mit dergleichen<br />

Hochgeschwindigkeitsgenen im Blut,<br />

erweckte die Anlage nach Übernahme<br />

des Estate- Managements zu neuem Leben.<br />

Seine Mission: Goodwood sollte zu<br />

einem Markenzeichen wie Wimbledon<br />

und Ascot werden und zum glamourösesten<br />

Motorsport-Treff im Königreich.<br />

besuchen Sie auch<br />

LOGBUCH – DER PODCAST<br />

Aufzeichnungen einer<br />

Reisejournalistin<br />

@logbuch_podcast<br />

Seiner Vision gingen zwei Events hervor:<br />

Goodwood Festival of Speed und,<br />

als Hommage an Großvater Freddie,<br />

das Goodwood Revival. 1998 ins Leben<br />

gerufen, lädt Lord March zum Wettstreit<br />

ausschließlich Sport- und Rennwagen<br />

sowie Motorräder mit Baujahr vor 1968<br />

ein. Dazu wird seitens des Publikums<br />

aufbretzeln in Period Fashion erwartet.<br />

Seinen Landsleuten muss er das nicht<br />

zweimal sagen. Bereits auf dem Besucherparkplatz<br />

stöckele ich mit kichernden<br />

Petticoat-Mädchen und strahlenden<br />

Audrey-Hepburn-Lookalikes, mit coolen<br />

James Deans und schrillen Hippies um<br />

die Wette. Die Kreationen – Landmädel-Outfit<br />

der 40er oder Glamour-Look<br />

der 50er, Weltkriegsmontur oder Dreiteiler-Tweed<br />

– werden mit Selbstverständnis<br />

und Humor zur Schau getragen. So<br />

läuft die Stimmung drei Tage lang nicht<br />

weniger auf Hochtouren wie die Motoren<br />

der historischen Flitzer. Ein unvergleichlicher<br />

Event also, der bis zu 135.000 Besucher<br />

lockt. Platz genug ist ja.<br />

Die automobile Zeitreise beginnt<br />

bereits an der Schranke zum Oldtimer-Parkplatz.<br />

Ein geraumer Teil der<br />

Besucher ist in stilgerechter Karosse<br />

angerollt. Etwa 3000 stehen auf grüner<br />

Wiese, aufgereiht wie zum classic Autoquartett.<br />

Ob Rolls-Royce Phantom I von<br />

1930 oder James-Dean-Porsche 550<br />

Spyder, Nitribitt-Mercedes Roadster 190<br />

SL oder Messerschmitt – Elitäres, Legendäres<br />

und Originelles aus sechs Jahrzehnten<br />

Autobau blitzt im säuberlichen<br />

Spalier in Gemeinschaft mit allem Edlen<br />

aus britischer und Aufgeplustertem aus<br />

amerikanischer Produktion: Alvis, Aston<br />

Martin, Austin, Frazer Nash, MG oder<br />

Triumph, Buick, Cadillac, Chevrolet oder<br />

Packard. Der Anblick so viel blecherner<br />

Beauty berauscht. Was so viel Schönheit<br />

kosten kann, lerne ich auf der Bonham<br />

Vintage Car Auction, erster Höhepunkt<br />

des Goodwood Revivals. Ein Ferrari Daytona<br />

Spider kommt bei meinem Besuch<br />

für knapp 600.000 britische Pfund unter<br />

den Hammer, ein ’08 Rolls-Royce Silver<br />

Ghost bringt 485.000. Für vergnügtes<br />

Retro-Shoppen der preiswerteren Art<br />

sorgt ein Tesco Supermarkt mit Produkten<br />

aus der Nachkriegszeit. Gleich<br />

gegenüber könnte ich mir die Brigitte-Bardot-Hochfrisur<br />

toupieren oder bei<br />

„My Week With Marilyn“ Spitzenkorsett<br />

und Strapse im 60er-Jahre-Design anpassen<br />

lassen. Was wiederum aktuell<br />

wäre: Claudia Schiffer, Victoria Beckham<br />

und Rihanna kaufen bei ihr, flüstert mir<br />

Produzentin Katie ins Ohr.<br />

Ein Tunnel unter dem Parcour führt<br />

ins Herz der goldenen Rennsport-Epoche.<br />

In den Fahrerlagern fühle ich mich<br />

wie auf dem Filmset von „Le Mans“. In<br />

den Pits wird geschraubt, begutachtet,<br />

poliert und ausprobiert. Eine aufregende<br />

Atmosphäre. „Racing is life … everything<br />

before and after is just waiting “, philosophierte<br />

einst Steve McQueen alias<br />

Michael Delaney im Hollywoodstreifen.<br />

Sein gegenwärtiges Pendant, der fünfzehnmalige<br />

Le-Mans-Gewinner Tom<br />

Kristensen, werkelt mit Typen im Format<br />

der unvergesslichen Filmlegende in<br />

den Paddocks. Manche Motoren röhren,<br />

andere brummeln sanft oder blubbern<br />

verstopft. Manchmal knallt es ohrenbetäubend<br />

aus dem Auspuff. Im Verlauf<br />

der drei Festival-Tage warten um die 500<br />

historische Boliden und Bikes auf den<br />

Start zu einem der 16 Rennen. Rot an<br />

rot reihen sich Ferraris. Aus einem lacht<br />

Nick Mason. Der ex-Drummer von Pink<br />

Floyd ist seit vielen Jahren Stammgast<br />

und Pilot verschiedener Rennwagen aus<br />

seiner Sammlung. Auch Jochen Maas<br />

entdecke ich in einem Cockpit. Vor der Michael-Schumacher-Ära<br />

war er Deutschlands<br />

erfolgreichster Formel-1-Fahrer.<br />

Maas steuert meinen Lieblingswagen, einen<br />

Jaguar E-Type. Gern wäre ich Co-Pilotin.<br />

Aber wahrscheinlich würden mir<br />

bei 200 Sachen auf der Piste Hören und<br />

Sehen vergehen. Dieses Auto ist, hat mal<br />

ein Testfahrer gesagt, mit einer Flasche<br />

Whisky vergleichbar, mit der man einen<br />

Mann besser allein lässt. Nun ja, klingt<br />

macho-mäßig, doch In Anbetracht meines<br />

engen Vintage Kostüms geselle ich<br />

mich zu den weiblichen Racing-Fans, die<br />

aufgeregt plaudernd an der Abzäunung<br />

stehen. Wir wollen ja die Authentizität der<br />

goldenen Rennsport-Epoche wahren.<br />

<strong>FineTobacco</strong>[+] 02·2023 45

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