KOMM 4/2023
KOMM ist das Mitgliedermagazin der Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
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14<br />
GEWERKSCHAFT<br />
Mein Praktikum bei ver.di IKT<br />
Im Mai lief ein vermeintlich neuer<br />
Kollege durch die Gänge der ver.di-<br />
Bundesverwaltung. Er hat einen<br />
Wiener Dialekt und stellte sich als<br />
Praktikant vor. Ja, das war dann<br />
wohl ich. Marcus Mosovsky, mein<br />
Name und Gewerkschafts sekretär<br />
aus Österreich. Genauer gesagt<br />
komme ich von der Gewerkschaft<br />
der Post- und Fernmeldebediensteten<br />
und absolviere eine zehnmonatige<br />
Vollzeitausbildung der Arbeiterkammer<br />
und des Österreichischen<br />
Gewerkschaftsbundes, abgekürzt<br />
ÖGB.<br />
Nach meiner Rückkehr nach Österreich<br />
kümmere ich mich unter anderem um Tarifpolitik,<br />
Betriebsbetreuung,<br />
Mitgliedergewinnung, Marketing<br />
und Kommunikation. Die<br />
Gewerkschaft der Post- und<br />
Fernmeldebediensteten (GPF)<br />
ist mit 40 000 Mitgliedern die<br />
kleinste Gewerkschaft und<br />
existiert seit April 1945, wie<br />
der ÖGB selbst. Im Zuge der<br />
höchsten gewerkschaftlichen<br />
Ausbildung absolvieren die<br />
Teilnehmer:innen einen Monat<br />
lang ein Praktikum bei anderen<br />
Gewerkschaften in Europa.<br />
Bei mir fiel die Entscheidung<br />
auf die ver.di. Ich war<br />
sehr happy darüber, dass Florian<br />
Haggenmiller dies auch<br />
möglich machte. Als gelernter<br />
IT-Techniker und knapp neun<br />
Jahre bei der A1 Telekom Austria ist es für<br />
mich sehr wertvoll, in einem Bereich dabei<br />
sein zu können, der genau die beiden<br />
Branchen abdeckt, welche mein Berufsleben<br />
geprägt haben. Ich bin 35 Jahre<br />
jung, stamme aus einer klassischen Arbeiterfamilie,<br />
in Wien-Favoriten aufgewachsen<br />
und seit 2011 gewerkschaftlich aktiv.<br />
Warum ich mich engagiere<br />
Ich war damals, so wie viele Arbeiternehmer:innen,<br />
in der Situation, dass ich nicht<br />
das meinem Job entsprechende Gehalt<br />
erhielt. Nach einem Gespräch beim Betriebsrat<br />
bin ich dann irgendwie hängen<br />
geblieben. Viele weitere Gespräche und<br />
meine Bereitschaft, sich aber auch für<br />
meine Kollegen im Team einzusetzen,<br />
führten dazu, dass ich im Betriebsrat angedockt<br />
habe. Weil ich damals um einiges<br />
jünger als der Durchschnitt (48) im<br />
Betriebsrat war, fungierte ich als Schnittstelle<br />
zu unseren jungen Kolleginnen und<br />
Kollegen, aber auch zu den Auszubildenden.<br />
So war es auch mir ein großes Anliegen,<br />
dass die Ausbildung bei A1 Telekom<br />
Austria wieder mehr Stellenwert<br />
gewinnt und auch die Qualität gesteigert<br />
wird. So habe ich immer versucht, mich<br />
bestmöglich einzusetzen und auch innerhalb<br />
des Gremiums auf die Missstände in<br />
anderen Bereichen aufmerksam gemacht.<br />
Auch wenn ich anfangs in meiner Fraktion<br />
nicht immer auf viel Zustimmung<br />
stieß, habe ich meinen Einsatz nicht reduzieren<br />
wollen. Ihr fragt euch wahrscheinlich<br />
gerade, was ich mit Fraktion meine?<br />
Nun, in Österreich wird die Überparteilichkeit<br />
des ÖGB durch die Existenz von<br />
politischen Fraktionen zum Ausdruck gebracht.<br />
Dadurch kommt es auch in vielen<br />
Betrieben vor, dass bei Betriebsratswahlen<br />
Fraktionen antreten. Aber natürlich<br />
gibt es auch Namenslisten. Fast alle Fraktionen<br />
haben eine Verbindung zu politischen<br />
Parteien und bilden hier das<br />
Sprachrohr der Arbeitnehmer:innen auf<br />
dieser Ebene. Weiteres sind alle Fachgewerkschaften<br />
im Dachverband des ÖGB<br />
und entsenden ihre Delegierten in dessen<br />
Vorstand. In der Jugend wird aber ein<br />
Schlüssel aufgrund der Mitgliederstärke<br />
herangezogen. Im Präsidium sitzen jeweils<br />
eine Frau und ein Mann der jeweiligen<br />
Fach gewerkschaft. Der oder die Vorsitzende<br />
werden auf den Kongressen<br />
gewählt, welche das größte Gremium<br />
darstellen. ÖGB-Präsident ist Wolfgang<br />
Katzian, welcher von der Gewerkschaft<br />
GPA kommt. Katzian kandidierte erfolgreich<br />
beim EGB-Kongress zum Vorsitz des<br />
Euro päischen Gewerkschaftsbundes. Der<br />
EGB-Kongress fand vom 23. bis 26. Mai<br />
in Berlin statt.<br />
Aber kurz zurück zum Praktikum und<br />
meinem Fazit:<br />
Viele Themen und auch die Herausforderungen<br />
sind gleich. Aber die Gegebenheiten<br />
und Ausgangslagen sind doch<br />
unterschiedlich. Ich war bei der Klausur<br />
der hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen<br />
dabei und fand es auch spannend,<br />
diesen Prozess mitzuerleben. Gewerkschaftsarbeit<br />
ist nun mal nichts, was nach<br />
Schema-F funktioniert. Jeder<br />
Betrieb, jede Gruppe<br />
hat ihre Eigenheiten, aber<br />
auch Vorstellungen und<br />
genau hier wollen wir ja als<br />
Gewerkschafter:innen ansetzen.<br />
Schließlich wollen<br />
wir so viele Menschen wie<br />
möglich in gute Arbeitsverhältnisse<br />
bringen und auch<br />
deren Zukunft absichern.<br />
Die Motivation dieses Ziel<br />
zu erreichen, spürte man<br />
auch bei der Vorstandssitzung<br />
mit den Ehrenamtlichen.<br />
Klar, hier nimmt<br />
jede und jeder die eigenen<br />
Themen mit und möchte<br />
diese gut platzieren. Doch<br />
am Ende des Tages muss<br />
gelten, die größte Schnittmenge zu finden<br />
und diese gemeinsam zu verfolgen.<br />
Abschließend möchte ich mit einem<br />
Zitat einer, leider viel zu früh verstorbenen,<br />
österreichischen Politikerin meine<br />
Gedanken schließen:<br />
Foto: privat<br />
„Es geht nicht darum,<br />
jedem Trend der Zeit<br />
nachzulaufen, sondern<br />
vielmehr darum,<br />
unsere Überzeugungen<br />
zum Trend der Zeit<br />
zu machen“<br />
Barbara Prammer<br />
Wir kämpfen weiter!<br />
Euer Marcus