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CliniCum neuropsy 04/2023

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European Academy of Neurology (EAN) IV<br />

Prävention von Demenz:<br />

Aktuelle Möglichkeiten<br />

und Grenzen<br />

Die zunehmende Prävalenz von Demenzerkrankungen wird in einer alternden Gesellschaft<br />

verstärkt zum medizinischen und sozialen Problem. Wirksame Präventionsmaßnahmen<br />

sind in dieser Situation von entscheidender Bedeutung. Die<br />

aktuelle Studienlage zeigt in ausgewählten Populationen Wirksamkeit für<br />

präventive Ansätze. <br />

Von Reno Barth<br />

❙❙<br />

Demenzprävention ruht auf drei Säulen, nämlich der<br />

Risikobewertung, der Risikokommunikation und schließlich<br />

der personalisierten Prävention. Eine vierte Säule, zu<br />

der es bislang wenig Evidenz gibt, wäre die kognitive Verbesserung.<br />

Hauptzielgruppe solcher Präventionsstrategien<br />

sind Menschen, die sich Sorgen machen, eine<br />

Demenz erkrankung zu entwickeln, oder subjektiv Gedächtnisprobleme<br />

beklagen. Entscheidend für die Qualität<br />

persona lisierter Maßnahmen zur Reduktion des Demenzrisikos<br />

ist die dahinterstehende solide wissenschaftliche<br />

Evidenz, so Prof. Dr. Nicolas Villain von der<br />

Universität Sorbonne in Paris.<br />

Tatsächlich liegen mittlerweile mehrere qualitativ hochwertige,<br />

prospektive und häufig auch randomisierte Studien<br />

vor, die die Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen<br />

gegen Demenz in unterschiedlichen Populationen<br />

untersucht haben – und zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen<br />

gekommen sind.<br />

Multimodale Lebensstilmodifikation wirkt<br />

Bemerkenswert erfolgreich war die bereits vor Längerem<br />

publizierte finnische FINGER(Finnish Geriatric Intervention<br />

Study to Prevent Cognitive Impairment and Disability)-Studie<br />

1 , die die Wirksamkeit einer multifaktoriellen<br />

Lebensstilintervention in einer Risikopopulation zeigte.<br />

Die Intervention in FINGER bestand im Wesentlichen aus<br />

der Modifikation metabolischer und vaskulärer Risikofaktoren<br />

in Kombination mit Gedächtnistraining. Ergebnis<br />

war eine Verbesserung der kognitiven Funktion, gemessen<br />

mit dem Neuropsychological Test Battery (NTB) Z-Score<br />

in der Interventionsgruppe im Vergleich zu Kontrollen.<br />

Häufigste Nebenwirkung der Intervention waren muskuloskelettale<br />

Schmerzen, was darauf zurückgeführt wird,<br />

dass Bewegungstraining ein Element der Lifestyle-Intervention<br />

war. Die Studienpatient:innen waren zwischen 60<br />

und 77 Jahre alt und litten bereits unter leichter kognitiver<br />

Beeinträchtigung.<br />

Nicht erfolgreich war jedoch der Versuch, die Ergebnisse<br />

von FINGER in einer Population mit niedrigerem Risiko<br />

zu reproduzieren. Dies wurde in der Studie MAPT (Multidomain<br />

Alzheimer Preventive Trial) versucht, in die Personen<br />

über 70 Jahren eingeschlossen wurden, die entweder<br />

Gedächtnisprobleme angaben oder leichte Funktionseinschränkungen<br />

oder langsamen Gang zeigten. Mit unterschiedlichen<br />

Interventionen (Gedächtnistraining,<br />

körperliche Aktivität, +/- Omega-3-Fettsäuren) wurde in<br />

dieser Population über drei Jahre kein Effekt auf die Abnahme<br />

der kognitiven Leistungsfähigkeit erreicht. 2<br />

Schließlich wurde in der Studie preDIVA (Prevention of<br />

Dementia by Intensive Vascular Care) versucht, in einer<br />

Kohorte von unselektierten Personen über 70 Jahren<br />

durch Beeinflussung vaskulärer Risikofaktoren (Rauchen,<br />

Ernährung, körperliche Aktivität, Übergewicht, Hypertonie,<br />

Dyslipidämie und Diabetes) das Demenzrisiko zu beeinflussen.<br />

Die Studie zeigte mit einem Gesamt-Follow-up<br />

von mehr als zehn Jahren keinerlei Wirkung der Intervention<br />

auf die Inzidenz von Demenzerkrankungen. 3<br />

Gezieltes Management einzelner Risikofaktoren<br />

Bessere Ergebnisse wurden, so Villain, in Studien erzielt,<br />

in denen nach dem Motto „pick and treat“ die Kohorten<br />

anhand einzelner Risikofaktoren stärker vorselektiert<br />

wurden. So zeigt eine Metaanalyse von Studien zu Screening<br />

auf Schwerhörigkeit und subsequentem Einsatz von<br />

Hörhilfen, dass diese das Demenzrisiko um fast 20 Prozent<br />

reduzieren. Dieses Ergebnis zeigte sich zwar nicht in allen<br />

ausgewerteten Studien, in jenen mit dem höchsten statistischen<br />

Gewicht dafür sehr deutlich. 4<br />

Eine prospektive Kohortenstudie auf Basis der UK-Biobank<br />

mit mehr als 300.000 Teilnehmenden fand bei Personen<br />

mit Diagnose einer Depression ein um rund 50<br />

Prozent erhöhtes Demenzrisiko. Eine antidepressive Behandlung<br />

reduzierte in dieser Gruppe das Demenzrisiko<br />

um rund ein Drittel, wobei allerdings Patient:innen mit<br />

aus geprägter Symptomatik („chronically high“) von der<br />

Behandlung ihrer Demenz keinen Benefit im Hinblick auf<br />

ihr Demenzrisiko hatten. 5<br />

Als vorteilhaft im Sinne der Demenzprävention hat sich<br />

auch die Behandlung einer allfälligen Hypertonie erwiesen.<br />

So zeigte die Systolic Hypertension in Europe (Syst-<br />

Foto: Ljupco Smokovski/stock.adobe.com<br />

18 <strong>neuropsy</strong> CC 4/23

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