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Ärzt*in für Wien 2023/10

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AM PULS COVERSTORY<br />

ist auf keinen Fall nachhaltig, offensichtliche<br />

Probleme unter den Teppich<br />

zu kehren. Unser Ansatz ist: Probleme<br />

erkennen, analysieren und dann an den<br />

Lösungen arbeiten. Wir hatten das Gefühl,<br />

dass bereits der erste Schritt nicht<br />

gewollt war. Die Probleme wurden verleugnet<br />

und schöngeredet. So kann man<br />

niemals Verbesserungen schaffen.<br />

Wir haben es uns sicher nicht leicht gemacht<br />

mit der Entscheidung pro Streik,<br />

weil man immer die Patientenversorgung<br />

im Hinterkopf hat. In der Notfallmedizin<br />

engagieren sich Menschen mit<br />

hohem Verantwortungsbewusstsein,<br />

einem ausgeprägten Idealismus und<br />

einer starken Tendenz zur Selbstaufopferung.<br />

Man kann sich aber vorstellen,<br />

wie belastend manche Dienste waren<br />

und wie viele Grenzen überschritten<br />

wurden, wenn man sich überlegt, das<br />

Gesundheitspersonal zum Streik zu<br />

bewegen. Über einen sehr langen Zeitraum<br />

haben wir mit Gefährdungs- und<br />

Überlastungsanzeigen und internem<br />

Schriftverkehr auf die prekäre Situation<br />

aufmerksam gemacht. Gehört wurden<br />

diese Hilfeschreie, vor allem vom oberen<br />

Management, nicht. Die internen Maßnahmen<br />

reichten nicht aus, um weitere<br />

Gefährdungen zu vermeiden. Wir haben<br />

die Pflicht, all unseren Patientinnen<br />

und Patienten eine optimale medizinische<br />

Versorgung zur Verfügung zu<br />

stellen und eine Arbeitssituation vorzufinden,<br />

die uns als Arbeitnehmerinnen<br />

und Arbeitnehmer nicht krank macht.<br />

„Wir haben<br />

es uns sicher<br />

nicht leicht<br />

gemacht mit<br />

der Entscheidung<br />

pro Streik,<br />

weil man<br />

immer die<br />

Patientenversorgung<br />

im Hinterkopf<br />

hat.“<br />

Am Vormittag des 30. Juni <strong>2023</strong> kam es in der Zentralen Notaufnahme der Klinik Ottakring (ZNA)<br />

zu einem Warnstreik des ärztlichen Personals.<br />

<strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong>: Wie zufrieden sind<br />

Sie mit der Rolle der Ärztekammer?<br />

Kotal: Die Rechts- und Medienberatung<br />

hat uns sehr geholfen, da<strong>für</strong> sind<br />

wir dankbar! Mich persönlich hat es –<br />

abseits der Schlagzeilen rund um interne<br />

Themen – etwas mit der <strong>Wien</strong>er Ärztekammer<br />

versöhnt. Ich finde, dass noch<br />

mehr Energie in die tatkräftige Verbesserung<br />

der Arbeitsbedingungen aller Ärztinnen<br />

und Ärzte in <strong>Wien</strong> fließen sollte.<br />

Wir brauchen eine starke Kammer, vor<br />

allem, weil wir wenig Unterstützung seitens<br />

der klassischen Gewerkschaften im<br />

WiGev haben. Da sind die Privatspitäler<br />

privilegiert.<br />

Ehrengruber: In erster Linie kann ich<br />

sagen, dass dieser Arbeitskampf von der<br />

Basis der Belegschaft ausgegangen ist.<br />

Wir wollten, dass sich vor Ort die Bedingungen<br />

verbessern, um nachhaltig mehr<br />

Personal akquirieren zu können. Die Ärztekammer<br />

<strong>für</strong> <strong>Wien</strong> ist hier ihrer Rolle als<br />

Standesvertretung voll gerecht geworden<br />

und hat uns vor allem in Rechts- und<br />

Strategiefragen beraten. Dasselbe können<br />

wir von der Gewerkschaft und der Personalvertretung<br />

leider nicht behaupten. Der<br />

Vorwurf letzterer, dass wir nur instrumentalisiert<br />

wurden, ist unwahr und ein<br />

Schlag ins Gesicht dieser Bewegung.<br />

Severin Ehrengruber: „Wir haben jedenfalls ein Tabu gebrochen und gezeigt, dass auch Gesundheitspersonal <strong>für</strong> bessere<br />

Arbeitsbedingungen kämpfen darf.“<br />

<strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong>: Wie würden Sie<br />

das aktuelle Verhältnis zum WiGev beschreiben?<br />

Kotal: Der WiGev ist <strong>für</strong> mich ein Arbeitgeber<br />

wie jeder andere, mit Stärken und<br />

Schwächen. Was die Zeit vor dem Streik<br />

und auch jetzt gezeigt hat, ist, dass der<br />

WiGev aufgrund seiner Strukturen und<br />

Verflechtungen in vielen Bereichen träge<br />

reagiert. Man hat auch den Eindruck,<br />

dass es Diskrepanzen zwischen der Wahrnehmung<br />

der Generaldirektion und der<br />

Realität an der Basis gibt. Einzelpersonen<br />

sind sehr bemüht und wollen rasch und<br />

praxisnah helfen, scheitern dann aber oft<br />

Fotos: Stefan Seelig<br />

24 <strong>Ärzt*in</strong> <strong>für</strong> <strong>Wien</strong> <strong>10</strong>_<strong>2023</strong>

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