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Karriere 4.X

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden heute auf dem Arbeitsmarkt Verhältnisse vor, von denen Menschen früher nur träumen konnten. In vielen Branchen sind für Bewerberinnen und Bewerber die Konditionen der einstellenden Unternehmen entscheidend. Die Firmen buhlen um Talente wie noch nie. Jedoch hat die Rezession nun auch dazu geführt, dass Unternehmen nicht mehr ganz so viele neue Mitarbeitende benötigen. Auch wenn die Zeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch immer rosig sind, so wandelt sich doch die Stimmung: Unternehmen werden auch im Recruiting wieder wählerischer. Unvermindert gesucht sind vorrangig Fachkräfte, die Deutschland bei Megathemen wie die Digitalisierung und die Energiewende voranbringen. Das sind vor allem tüchtige und gut ausgebildete Ingenieurinnen und Ingenieure sowie IT-Fachkräfte. Die Wertschätzung für deren Leistung steigt. Denn im Zuge des Abschwungs wird uns wieder bewusst, dass wir unseren Wohlstand in erster Linie erarbeitet haben. Wenn wir ihn erhalten wollen, müssen wir unvermindert unsere Tüchtigkeit in wichtigen Zukunftsfeldern der Wirtschaft unter Beweis stellen. Welche Rolle IT-Kräfte und Ingenieurinnen und Ingenieure dabei spielen, wollen wir Ihnen auf den folgenden Seiten schildern.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finden heute auf dem Arbeitsmarkt Verhältnisse vor, von denen Menschen früher nur träumen konnten. In vielen Branchen sind für Bewerberinnen und Bewerber die Konditionen der einstellenden Unternehmen entscheidend. Die Firmen buhlen um Talente wie noch nie. Jedoch hat die Rezession nun auch dazu geführt, dass Unternehmen nicht mehr ganz so viele neue Mitarbeitende benötigen. Auch wenn die Zeiten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer noch immer rosig sind, so wandelt sich doch die Stimmung: Unternehmen werden auch im Recruiting wieder wählerischer. Unvermindert gesucht sind vorrangig Fachkräfte, die Deutschland bei Megathemen wie die Digitalisierung und die Energiewende voranbringen. Das sind vor allem tüchtige und gut ausgebildete Ingenieurinnen und Ingenieure sowie IT-Fachkräfte. Die Wertschätzung für deren Leistung steigt. Denn im Zuge des Abschwungs wird uns wieder bewusst, dass wir unseren Wohlstand in erster Linie erarbeitet haben. Wenn wir ihn erhalten wollen, müssen wir unvermindert unsere Tüchtigkeit in wichtigen Zukunftsfeldern der Wirtschaft unter Beweis stellen. Welche Rolle IT-Kräfte und Ingenieurinnen und Ingenieure dabei spielen, wollen wir Ihnen auf den folgenden Seiten schildern.

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4<br />

<strong>Karriere</strong> <strong>4.X</strong><br />

für Europäische Wirtschaftsforschung<br />

gut ein Drittel der Digital- und KI-Start-ups an,<br />

offene Positionen nicht besetzen zu können.<br />

Dabei waren Stellen aus allen Feldern betroffen,<br />

nicht nur spezialisierte KI- und IT-Jobs, sondern<br />

auch Positionen abseits davon. „Deutschland<br />

verfügt über eine ausgeprägte Start-up-Kultur<br />

im Bereich KI. Jedoch würde das Wachstum der<br />

Branche wesentlich höher ausfallen, wenn die<br />

Unternehmen ihre freien Positionen besetzen<br />

könnten“, ordnet Christian Rammer, ZEW-Ökonom<br />

im Bereich Innovationsökonomik und<br />

Unternehmensdynamik, die Kernergebnisse ein.<br />

Gesamtgesellschaftliches Problem<br />

Das Problem des Fachkräftemangels in den<br />

IT- und Technikberufen beschäftigt aber nicht<br />

nur die Unternehmen aus der Digitalwirtschaft<br />

und dem Sektor der Informations- und<br />

Kommunikationstechnologien. Mit der Digitalisierung<br />

sind alle Branchen beschäftigt. Erhebliche<br />

Anstrengungen in der Transformation<br />

leisten beispielsweise die Autoindustrie, die<br />

Energiewirtschaft und der Gesundheitssektor.<br />

Auch im öffentlichen Dienst erfordert die Modernisierung<br />

der Verwaltung einen massiven Aufbau<br />

an Personal mit IT-Fähigkeiten. Der Trend zur Industrie<br />

4.0 verleiht dem Bedarf an IT-Qualifikationen<br />

im gesamten Sektor des verarbeitenden<br />

Gewerbes Schub. Die Baubranche klagt über<br />

fehlende Bauelektriker, die Energiewende treibt<br />

den Bedarf für Fachkräfte der Heizungs- und<br />

Klimatechnik.<br />

Gäbe es ausreichende Kapazitäten an Ingenieurinnen<br />

und Ingenieuren sowie an IT-Kräften,<br />

könnten diese mehr als bisher durch Digitalisierung<br />

und Automatisierung zur Entlastung<br />

des Fachkräftemangels in anderen Berufen beitragen.<br />

Denn auch im sozialen Bereich – in der<br />

Sozialarbeit oder der Pflege – werden händeringend<br />

Leute gesucht. Unterm Strich klaffte<br />

dem IW zufolge im vergangenen Jahr eine<br />

Fachkräftelücke von 630.000 offenen Stellen<br />

in Deutschland, für die es keine passend qualifizierten<br />

Arbeitslosen gab. Laut Bundesagentur<br />

für Arbeit (BA) wurde im vergangenen Jahr in<br />

200 von 1.200 bewerteten Berufen ein Engpass<br />

registriert – und damit in 52 mehr als im Vorjahr.<br />

Und die Situation wird sich in den kommenden<br />

Jahren noch verschärfen: Der Stellenerhebung<br />

des Instituts für Arbeitsmarkt- und<br />

Berufsforschung (IAB) zufolge gab es im ersten<br />

Quartal 2023 bundesweit 1,75 Millionen offene<br />

Stellen. „Bis 2035 verliert Deutschland durch<br />

den demografischen Wandel sieben Millionen<br />

Arbeitskräfte und damit ein Siebtel des Arbeitsmarkts“,<br />

sagte IAB-Forscher Enzo Weber. „Die<br />

Schrumpfung lässt sich aufhalten, wenn alle<br />

Hebel in Bewegung gesetzt werden, um Ältere<br />

im Job zu halten, die berufliche Entwicklung von<br />

Frauen zu stärken, Zuwandernde anzuziehen und<br />

zu integrieren, Arbeitslosigkeit weiter abzubauen<br />

und die Geburtenrate zu erhöhen“, betont IAB-<br />

Forscher Weber.<br />

Auswege aus der Fachkräftekrise<br />

Für Unternehmen, die kurzfristig neues Personal<br />

für die IT und ihren technischen Bereich suchen,<br />

ist das zunächst ein schwacher Hoffnungsschimmer.<br />

Vielfach fühlen sich ihre Personalabteilungen<br />

im immer schärfer werdenden Wettbewerb<br />

um qualifiziertes IT-Personal überfordert.<br />

Ein Ausweg ist die Beauftragung von Personaldienstleistern.<br />

Doch auch für diese wird der<br />

Job immer schwieriger. Ihre Erfolge lassen sich<br />

die spezialisierten Profis denn auch etwas kosten.<br />

Diesen Preis zu zahlen ist für Unternehmen<br />

aber in der Regel das geringere Übel. Denn: Die<br />

Stellen für Fach- und Führungskräfte nicht zu<br />

besetzen ist meist noch teurer. Zu Umsatzverlusten<br />

können sich nämlich Qualitätsprobleme<br />

in der Produktion und im Service gesellen. Die<br />

Innovationsfähigkeit leidet, wenn auch Jobs in<br />

der Forschung und Entwicklung nicht mehr besetzt<br />

werden. Studien gehen davon aus, dass<br />

eine nicht besetzte Position schnell mehr als<br />

100.000 Euro im Jahr kosten kann.<br />

Je schwieriger das Recruiting der begehrten<br />

Fachkräfte ist, umso wichtiger wird die Bindung<br />

des Personals an das Unternehmen. IT-Profis<br />

Anzahl der offenen Stellen in Ingenieurberufen in Deutschland nach Branchen<br />

im dritten Quartal 2022<br />

62.230<br />

Informatik<br />

45.860<br />

Bau, Vermessung<br />

und Gebäudetechnik,<br />

Architekten<br />

25.100<br />

Energie- und<br />

Elektrotechnik<br />

17.130<br />

technische<br />

Forschung und<br />

Produktionssteuerung<br />

Viele Ingenieurinnen und Ingenieure werden in<br />

den kommenden Jahren die Arbeit niederlegen<br />

und in Rente gehen.<br />

sind schnell wieder weg, wenn sie sich im Unternehmen<br />

nicht wohlfühlen, keine Entwicklungsperspektive<br />

für sich sehen oder mit ihrer Work-<br />

Life-Balance nicht zufrieden sind. Arbeitgeber<br />

müssen sich daher auf die jeweiligen Bedürfnisse<br />

der Neuzugänge einstellen, wenn sie nicht bald<br />

wieder suchen wollen. Die Arbeit im Homeoffice<br />

kann daher kaum noch verwehrt werden. Mit den<br />

Methoden von New Work müssen sich Unternehmen<br />

vertraut machen. Weiterbildungen sind<br />

ebenfalls ein wichtiger Faktor. Denn gerade im<br />

Bereich IT veraltet das Wissen schnell. IT-Kräfte<br />

achten darauf, bei ihrem Arbeitgeber auf dem<br />

neuesten Stand in ihrem Bereich bleiben zu können.<br />

Employer Branding ist daher gerade auch<br />

für Unternehmen, die auf gute IT-Fachkräfte<br />

sowie Ingenieurinnen und Ingenieure angewiesen<br />

sind, ein besonders wichtiger Faktor.<br />

Letztlich hängt die Zukunft des Standorts<br />

Deutschland maßgeblich davon ab, in welcher<br />

Qualität und Quantität die hiesige Wirtschaft für<br />

Expertise in den technischen Disziplinen sorgen<br />

kann. Die wichtigen Perspektivfelder Digitalisierung,<br />

Nachhaltigkeit oder Gesundheit hängen<br />

allesamt von Innovationen ab, die oftmals IT-getrieben<br />

sind. Da der Standort Deutschland noch<br />

nie mit niedrigen Löhnen punkten konnte, ist<br />

traditionell die hohe Qualifikation der Ingenieurinnen<br />

und Ingenieure ein gewichtiger Rechtfertigungsgrund<br />

für Ansiedlungen oder Standortbekenntnisse.<br />

Wenn dieses Know-how nicht<br />

mehr ausreichend vorhanden ist, sieht es düster<br />

zwischen Bayern und Schleswig-Holstein oder<br />

Brandenburg und NRW aus – zumal allgemeine<br />

Kostennachteile in deutschen Landen immer<br />

deutlicher zutage treten.<br />

iStock / AmnajKhetsamtip<br />

17.080<br />

Maschinen- und<br />

Fahrzeugtechnik<br />

3.220<br />

Rohstofferzeugung<br />

und -gewinnung<br />

1.380<br />

Kunststoffherstellung<br />

und chemische<br />

Industrie<br />

540<br />

Metallverarbeitung<br />

Quellen: VDI; IW Köln, 2023<br />

In erster Linie müssen Unternehmen selbst<br />

Auswege aus dem Dilemma finden. Aber auch<br />

die Politik steht in der Pflicht, das Ihrige zu tun,<br />

um die Rahmenbedingungen zu verbessern. So<br />

sieht es auch Anja Piel, Vorstandsmitglied des<br />

Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB): „Die<br />

Bundesregierung muss strukturelle Probleme<br />

abräumen und die hausgemachten Ursachen<br />

des Fachkräftemangels beseitigen“, verlangt sie.<br />

„Wir brauchen bessere Aus- und Weiterbildung,<br />

mehr Qualifizierung und eine höhere Erwerbsbeteiligung<br />

von Frauen.“

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